Protokoll der Sitzung vom 12.10.2005

Was nützt die schönste Einrichtung, die einfühlsamste Pflege, wenn sie niemand will, weil sie zu teuer ist?

Der Grundsatz „ambulant vor stationär“, den wir auch befürworten, wird die stationären Einrichtungen vor zusätzliche Probleme stellen. Der zukünftig dort lebende Personenkreis wird noch stärker durch Multimorbidität und umfassende Pflegebedürftigkeit gestellt sein.

Die regelmäßig geforderte Vernetzung von Aufgaben wird durch die aktuelle Pflegegesetzgebung, die eine strikte Trennung der Systeme vorsieht, enorm erschwert. Dieser aktuelle Problemdruck manifestiert sich unter

anderem zusätzlich in Konflikten um die Einstufungssystematik und die Einstufungspraxis.

Es wird für die Träger eine immer größere Herausforderung, dem Ruf nach besserer Überschaubarkeit des Wohnumfeldes, Integration in die Gemeinschaft, Wohnlichkeit und Sicherheit der Individualität gerecht zu werden. Wir brauchen dringend weniger Bürokratie in der Pflege. Der Mensch muss wieder im Mittelpunkt stehen und nicht die gut geführte Akte über ihn. Hier gibt es Ansätze, aber bisher war das noch nicht der große Wurf.

Wir brauchen Qualitätsmanagementsysteme, die auf Ergebnisqualität unter Einbezug des individuellen Pflegeprozesses und der Lebensqualität abzielen. Heute stehen leider immer noch die Akten füllenden Organisations- und Strukturelemente beim pflegerischen Handeln im Vordergrund.

Auch in Ihrer Regierungserklärung wurden uns weniger Ergebnisse präsentiert, sondern nur viele Problembeschreibungen. Unter diesen bekanten Rahmenbedingungen ist es schwer, jungen Menschen den Pflegeberuf als Arbeitsmarkt der Zukunft zu vermitteln. Verwaltungsdruck, ständig steigende formale Anforderungen, kurze Verweildauern des immer älteren und multimorbiden Kundenklientels bei stagnierender personeller Ausstattung führt zu psychischen und physischen Belastungen, der das Pflegepersonal oft nicht länger als fünf Jahre gewachsen ist.

Wir müssen Rahmenbedingungen schaffen, die sozial engagierten und einfühlsamen Menschen den Mut gibt, ihre berufliche Zukunft in der Pflege zu sehen. Die Ausbildung der Pflegerinnen und Pfleger muss fachlich gut sein. Sie muss aber auch kommunikative Kompetenzen vermitteln. Das umfassende Aufgabenfeld verlangt mittlerweile nach einer generalistischen Ausbildung über alle Pflegeberufe, die aus einer gemeinsamen Grundausbildung bestehen kann und einer anschließenden Spezialisierung für den Alten-, Kranken- oder Kinderkrankenpflegebereich.

Lassen Sie mich abschließend einige Wort zu den viel zitierten innovativen Modellen sagen. Grundsätzlich halte ich viele dieser diskutierten Ideen für ein großes Ablenkungsmanöver und eine teure Spielwiese für Politik und Bauträger. Die Diskussion über alternative Wohnideen für Senioren kann interessant sein. Sie ist aber nicht zielorientiert für Lösungen der Sorgen und Nöte der Menschen in der Pflege.

Frau Ministerin, geben Sie dieses Geld besser für die Optimierung gewachsener Strukturen aus. Es gibt so viele Baustellen in den traditionellen Strukturen, die ihre ganze Aufmerksamkeit, Kraft und Zielstrebigkeit brauchen. Halten Sie sich bei all diesen teuren Experimenten zurück. Konzentrieren Sie sich auf die wichtigen Aufgaben, die wir für die Menschen in der Pflege lösen müssen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Frau Staatsministerin Dreyer hat das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Herren und Damen! Sie verzeihen, dass ich, obwohl ich so lange geredet habe, doch noch einmal kurz das Wort ergreife. Aber ich möchte schon noch zwei oder drei Sachen zu den Äußerungen sagen, die hier getätigt worden sind.

Herr Abgeordneter Marz, mir fallen noch mindestens 20 Themen ein, die ich im Rahmen der Pflege wichtig finde, die ich aber nicht in der Regierungserklärung genannt habe, weil ich mich entschieden habe, Schwerpunkte zu setzen. Ich persönlich bin der Meinung, dass es wichtige Schwerpunkte waren und es nicht richtig gewesen wäre, alle Themen, die wir hier schon oft diskutiert haben, wieder aufzugreifen.

Ich komme zu einem zweiten Punkt. Ich habe eine sehr klare Meinung zur Pflegeversicherung und zur Weiterentwicklung der Pflegeversicherung. Sie ist und war noch nie ein Geheimnis. Gerade auf unserem großen Pflegekongress haben wir den kompletten Vormittag diesem Thema gewidmet und dazu klare Ausführungen gemacht. Ich habe nicht die Notwendigkeit gesehen, das heute in der Regierungserklärung wieder darzustellen. Ich sage Ihnen auch, warum. Die Partner in unserem Land haben inzwischen längst begriffen, welche Meinung ich habe und wofür ich mich einsetze. Darüber hinaus haben die Partner begriffen, dass wir in diesem Land sehr viel mehr tun können, als nur auf die Weiterentwicklung der Pflegeversicherung zu starren.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Das wollte ich im Rahmen meiner Regierungserklärung deutlich machen. Wir brauchen natürlich eine solide Finanzierung. Wir brauchen die Weiterentwicklung der Pflegeversicherung. Das steht völlig außer Frage. Ich glaube auch, das ist bei niemandem umstritten. Sogar im inhaltlichen Bereich haben wir viele übereinstimmende Meinungen zu diesem Thema. Natürlich gibt es Differenzen auch zu der Form oder dem Weg, wie die Finanzierung aussehen soll. Aber das ist für mich kein Grund, das in diesem Parlament nicht zu diskutieren. Ich bin genauso sicher, wenn wir irgendwann ein Gesetzgebungsverfahren haben, werden wir uns auch in der Koalition dazu zu verhalten wissen. Aber zurzeit ist klar, wie die Positionen sind.

Ein letztes Wort dazu: Ich persönlich habe sehr stark auch dafür gekämpft, mit den Partnern und Partnerinnen zusammen zu schauen, was wir jenseits der Pflegeversicherung tun können. Es ist unglaublich viel, was wir für die Pflege tun können, was wir angepackt haben, wo wir gemeinsam auf einer Ebene sind, wenn wir davon sprechen oder wenn ich davon gesprochen habe, dass es mir auf die gesellschaftliche Anstrengung in unserer Gesellschaft für die Pflege ankommt, dass es uns natürlich – das war Ziel dieser Regierungserklärung, das deutlich zu machen – auf die Familien, auf die Freiwilli

gen, auf die Ehrenamtlichen in Zukunft ankommt. Die Landesregierung redet nicht nur schön über dieses Engagement, sondern wir haben uns in den letzten Jahren Instrumente einfallen lassen, um die Familien und Ehrenamtlichen tatsächlich zu unterstützen und sie wertzuschätzen. Das bedeutet einerseits, dass wir beispielsweise Schulungen für sie anbieten. Das bedeutet, dass wir Informationsmaterial für die Angehörigen ins Land geben, und es bedeutet, dass wir niedrigschwellige Angebote fördern, um gerade die Ehrenamtlichen und die Familien in diesem Bereich zu entlasten.

Vielleicht noch ein Blick auf das Landesgesetz: Das, was Sie in der Hospiz gelobt haben, war für uns Vorbild für die pflegerische Infrastruktur. Wir wollen genau dieses System, nämlich das Hauptamt zu fördern, damit Schulung und Unterstützung der Ehrenamtlichen möglich ist, auf die Pflege übertragen. Ich bin sicher, dass wir diesen Weg auch gemeinsam mit allen Partnern gehen werden.

Nun vielleicht noch zu Ihnen, sehr geehrter Herr Abgeordneter Rüddel. Sie stellen viele Fragen. Die haben wir auch schon sehr oft im Parlament zu diesem Thema gehört, vor allem im Hinblick auf die illegale Beschäftigung. Aus meiner Sicht geben Sie keine Antworten, im Gegensatz zu meiner Regierungserklärung, wo Sie viele Antworten finden. Ich glaube, es ist einfach auch verfehlt zu glauben, dass man bei dem Thema „Illegale Beschäftigung“ auf einen großen Wurf, eine Lösung schlechthin, setzen kann. Ich denke, wir müssen unterschiedliche Maßnahmen ergreifen, um mit diesem Thema zielgerichtet umgehen zu können und auch tatsächlich Erfolge zu erreichen. Ich habe mich bemüht, das aufzuzeigen. Ich glaube nicht, dass wir davon träumen sollten, dass es eine einzige Maßnahme geben könnte mit der die Illegale Beschäftigung in der Pflege zu unterbinden wäre.

Vielen Dank.

(Beifall bei SPD und FDP)

Zur Kurzintervention hat Herr Abgeordneter Dr. Rosenbauer das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Ministerin, es wäre einfach einmal gut, wenn man wirklich genau hinhörte, was Redner der Opposition sagen.

(Beifall bei der CDU)

Ich bin nicht mehr gewillt hinzunehmen, dass Sie immer alles extra missverstehen. Das Gleiche gilt für Herrn Mertes.

Ich will Ihnen noch eines sagen. Sie haben gesagt, es gibt viele Antworten in Ihrer Regierungserklärung. Ich hätte Ihnen allemal wirklich die Empfehlung gegeben, die Debatte von 2002 nachzulesen. Dann können Sie Ihre Regierungserklärungen nebeneinander legen, die

Überschriften sind genau die gleichen. Wir haben heute das Gleiche gehört wie damals. Sie können auch Ihr eigenes Heft nehmen und können die Überschriften nebeneinander legen. Es ist immer dasselbe, was hier erzählt wird. Das ist schon sehr deutlich.

(Mertes, SPD: Sie haben es immer noch nicht gelernt! Müssen wir es noch einmal machen?)

Herr Mertes, jetzt sind Sie einfach einmal still.

Wenn unter Punkt 2.1. „ambulant vor stationär“ festgestellt wird, muss ich darauf hinweisen, diese These ist 15 Jahre alt. Das ist überhaupt nichts Neues. So setzt sich eine Sprechblase an die andere in der Regierungserklärung.

(Beifall der CDU)

All das, was wirklich problematisch ist, haben Sie ausgelassen. Genau das haben der Kollege Reiner Marz und der Kollege Erwin Rüddel hier noch einmal gesagt. Es ist mehr als die Pflicht einer Opposition, auf diese Probleme hinzuweisen.

(Beifall bei der CDU – Hartloff, SPD: Das hat die Ministerin in den letzten drei Minuten alles gesagt!)

Ich weiß, dass von der linken Seite dann immer persönliche Verunglimpfungen kommen. Wir werden uns an dieser Sache nicht beteiligen. Herr Kollege Mertes hat eben das beste Beispiel gegeben.

(Pörksen, SPD: Ein bisschen vorsichtig, Herr Kollege!)

Ich will Ihnen das nur an einem Beispiel deutlich machen. Sie haben in Ihrer Regierungserklärung auf Seite 23 Folgendes gesagt: Fazit, die Bilanz zeigt, dass wir es gemeinsam mit unseren Partnerinnen und Partnern geschafft haben. Die Fachkräftesituation ist qualitativ und in quantitativer Hinsicht nachhaltig zu sichern und zu verbessern gewesen. Das ist erreicht worden. – Ich will Ihnen einmal die Zahlen zur Pflege, die man heute im Statistischen Landesamt nachlesen kann, gern präsentieren.

(Ramsauer, SPD: Das können wir selbst lesen!)

Wir haben die Zahlen des Personals der Pflegedienste im ambulanten Bereich. Im Jahr 1999 waren das 7.928. Im Jahr 2001 waren es 7.920. Im Jahr 2003 waren es 7.883. Das ist ein deutlicher Rückgang bei gleichzeitigem Anstieg der zu Betreuenden von 17.578 auf 18.804.

Thema 2 – auch im Statistischen Landesamt nachzuschauen –, und zwar Entwicklung des Pflegepersonals in Krankenhäusern: Im Jahr 2002, in dem Sie mit Ihrer Aktion gestartet sind, die Sie heute gelobt und als Erfolg gepriesen haben, waren 15.376 Krankenschwestern in Krankenhäusern beschäftigt.

(Glocke des Präsidenten)

Im Jahr 2004 waren es 14.938. Aus Zeitgründen kann ich jetzt nicht mehr alle aufzählen. Gesamtbeschäftigung von 19.672 auf 18.558 zurückgegangen.

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Das zeigt die wahre Situation in Rheinland-Pfalz.

Vielen Dank. (Beifall der CDU)

Ich möchte noch etwas anmerken: Ich war hier großzügig, das war aber keine Kurzintervention, weil Sie nicht auf den letzten Beitrag der Ministerin eingegangen sind.

(Zuruf des Abg. Dr. Rosenbauer, CDU, und weitere Zurufe von der CDU)

Ich sage das nur: Es war keine Kurzintervention.

(Dr. Weiland, CDU: Parteiische Amtsführung!)