Protokoll der Sitzung vom 18.10.2001

Die Polizeibehörden und -einrichtungen unseres Landes wurden angewiesen, sich durch Vorbereitung von besonderen Aufbauorganisationen unter Einbeziehung der für den Katastrophenschutz zuständigen Stellen und der Rettungsdienste auf mögliche Anschläge in unserem Bundesland vorzubereiten.

Die Gemeinden, kreisfreien Städte und Landkreise in Rheinland-Pfalz erfüllen ihre Aufgaben im Brandschutz, in der allgemeinen Hilfe und im Katastrophenschutz als Pflichtaufgaben der kommunalen Selbstverwaltung. Die Feuerwehren als Haupträger des Katastrophenschutzes sind so organisiert, dass sie bei Gefahren aller Art und jeden Umfangs innerhalb von acht Minuten nach der Alarmierung wirksame Hilfsmaßnahmen einleiten können.

Die mobilen Rettungsmittel des Rettungsdienstes sind flächendeckend so verteilt, dass sie jeden an einer öffentlichen Straße gelegenen Einsatzort in der Regel innerhalb einer Einsatzzeit von maximal 15 Minuten nach Eingang des Hilfeersuchens bei der Rettungsleitstelle erreichen können. Bei Bedarf wird der Rettungsdienst von Einheiten des Sanitäts- und Betreuungsdienstes unterstützt.

Unter Federführung des Ministeriums des Innern und für Sport wurden bereits in der Vergangenheit Rahmen-, Alarm- und Einsatzpläne für verschiedene Gefahrenlagen entwickelt. Vor wenigen Wochen erst wurde der neue Rahmen-, Alarm- und Einsatzplan „Gesundheit“ eingeführt, der bei einem Massenanfall von Verletzten oder Erkrankten die medizinische Primär- und Sekundärversorgung regelt.

Die Kräfte des Brand- und Katastrophenschutzes einschließlich der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk sowie des Rettungsdienstes können aufgrund dieser Planungen und ihrer Ausbildung und Ausrüstung aus dem Stand heraus bei jeder denkbaren Gefahrenlage wirksame Hilfsmaßnahmen einleiten.

Mit den US-Streitkräften in Rheinland-Pfalz besteht ständiger Kontakt. Die für den Katastrophenschutz zuständigen Stellen der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion und des Innenministeriums sind seit Mitte September rund um die Uhr besetzt.

Bereits vor den Terroranschlägen in den Vereinigten Staaten wurden im Land Rheinland-Pfalz die Objekterfassungs- und Objektschutzrichtlinien des Bundesinnenministeriums mit geringfügigen landesspezifischen Modifikationen in Kraft gesetzt. Mit dieser Checkliste soll der Schutz der registrierten militärischen, zivilmilitärischen und zivilen Objekte von besonderer Bedeutung gewährleistet werden. Ich bin froh, dass wir kurz vor den schlimmen Ereignissen mit unseren Hausaufgaben insoweit fertig wurden.

Nur am Rande sei gesagt, dies beweist, dass es nicht erst der Anschläge bedurfte, um das Innenministerium auf den Plan zu rufen.

(Beifall bei SPD und FDP)

Aus meinen bisherigen Darstellungen lässt sich erkennen, dass die aus den Terroranschlägen gewonnenen Erkenntnisse inzwischen zu umfangreichen Initiativen auf allen Ebenen geführt haben. Neben den auf EUEbene veranlassten Maßnahmen hat die Bundesregierung zwischenzeitlich umfangreiche gesetzgeberische Maßnahmen veranlasst, unter anderem die Streichung des Religionsprivilegs im Vereinsrecht und die Einführung eines neuen § 129 b im Strafgesetzbuch, der die Verfolgung ausländischer Terroristen und -gruppen verbessern wird. Auch für den Luftverkehr wurden schärfere Maßnahmen angeordnet.

Ein wenig stolz bin ich auch darauf, dass das von Rheinland-Pfalz initiierte Zeugenschutzgesetz am 27. September die Zustimmung der Länder im Bundesrat gefunden hat, nachdem es der Bundestag zuvor ebenfalls verabschiedet hat.

(Beifall bei SPD und FDP)

In eine Überprüfung der bestehenden Sicherheitsgesetze werden insbesondere auch die Polizeigesetze der Länder einzubeziehen sein.

Nach meiner festen Überzeugung wird es notwendig sein, die Handlungsmöglichkeiten der Polizei im präventiven Bereich zu stärken und die bestehenden polizeilichen Befugnisse in verschiedener Hinsicht zu erweitern oder zu ergänzen. Bereits vor dem 11. September wurden in meinem Hause die Vorbereitungen für eine umfassende Novellierung des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes weitgehend mit dem Ziel vorangetrieben, ein modernes und zukunftsweisendes Polizeirecht zu schaffen.

Ein Schwerpunkt sollte im Bereich der operativen Maßnahmen gesetzt werden, um potenzielle Straftäter im terroristischen Umfeld sowie deren Kontakt- und Begleitpersonen ausfindig machen und überwachen zu können. Ich nenne beispielhaft: Einsatz von verdeckten Ermittlern und Vertrauenspersonen, polizeiliche Beobachtung, Rasterfahndung zur vorbeugenden Bekämpfung besonders schwerwiegender Straftaten, Einsatz neuer technischer Möglichkeiten zur elektronischen Fahndungsunterstützung, insbesondere an gefährdeten Objekten wie Flughäfen und Bahnhöfen oder bei Großveranstaltungen.

(Zuruf von der CDU)

Mit dem alten Zopf, den andere Länder mittlerweile wieder abschaffen, werden wir uns nicht befassen.

(Beifall bei SPD und FDP)

Hier wird gegenwärtig überprüft, ob die bestehenden Befugnisse ausreichen oder erweitert werden müssen. Eine wesentliche Verbesserung der Befugnisse zur Eigensicherung der Polizei halte ich im Rahmen der

anstehenden Änderungen ebenso für unabdingbar. Nach Abschluss der Überprüfungen wird die Landesregierung das Gesetzgebungsverfahren zügig in die Wege leiten.

Die weitere Entwicklung der Inneren Sicherheit in Rheinland-Pfalz ist heute sicherlich nicht sicher zu prognostizieren. Es ist davon auszugehen, dass die Vereinigten Staaten und weitere NATO-Verbündete die Vergeltungsschläge fortführen und sich die Angriffsziele auf Objekte außerhalb Afghanistans unter Umständen erstrecken könnten. Je nach Ausmaß sind weitere Eskalationen auf Seiten der Terroristen nicht auszuschließen, wie es deren jüngste Ankündigungen in den Medien beweisen.

Schon jetzt sind die gesamten polizeilichen Ressourcen außerordentlich angespannt; eine vergleichbare Belastungsprobe hatten wir noch niemals zuvor. Neben der bereits erwähnten zu verbessernden personellen Situation wird es auch erforderlich sein, sich auch weiterhin der Verbesserung der technischen Ausstattung zu widmen.

Meine Damen und Herren, auf der Ebene der Landesregierung werden beim Zusammenwirken verschiedener Ressorts zur Bewältigung komplexer Gefahren alle wesentlichen Maßnahmen abgestimmt. Eine interministerielle Arbeitsgruppe ist beauftragt, den wechselseitigen Informationsfluss zu gewährleisten, Defizite im Ablauf zu erkennen und sofort zu beseitigen. Bei außergewöhnlichen Ereignissen wird ein Koordinierungsstab „Land“ eingerichtet, der bei Bedarf für die notwendige fachliche Abstimmung mit dem Bund, mit anderen Bundesländern und gegebenenfalls mit benachbarten Staaten und sonstigen Stellen sorgt.

Nach dem Auftreten von Milzbrand-Erkrankungen in den Vereinigten Staaten sind zwischenzeitlich auch in Deutschland und in Rheinland-Pfalz die ersten verdächtigen Briefumschläge aufgetaucht. In Deutschland haben sich alle Vorfälle bislang als Fehlalarm erwiesen. Leider gibt es immer wieder Zyniker, die sich am Schrecken anderer Menschen erfreuen wollen.

Die Sicherheitsbehörden in Rheinland-Pfalz haben sich auch auf solche Fälle vorbereitet und Verhaltensmaßregeln festgelegt. Ich habe deshalb angeordnet, dass, soweit dies möglich ist, diese so genannten, wie sie verharmlosend genannt werden, Trittbrettfahrer namhaft gemacht werden und sie die durch ihre schändliche Tat verursachten Kosten in vollem Umfang zu tragen haben.

(Beifall der SPD, der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Mit dem Justizminister ist besprochen, dass die Täter nach Möglichkeit in beschleunigten Verfahren alsbald ihrer Bestrafung zugeführt werden. Darüber hinaus sollen die Maßnahmen in den Medien entsprechend publiziert werden, um potenzielle Täter von ihrem verwerflichen Handeln abzuschrecken.

Meine Damen und Herren, nicht erst seit gestern oder heute steht die Innere Sicherheit ganz oben auf der Tagesordnung dieser Landesregierung. Deshalb konn

ten und können wir ebenso schnell wie unaufgeregt unsere vorbereiteten Maßnahmen in Gang setzen.

(Beifall der SPD und der FDP)

Es bekommt unserem Bundesland seit mehr als einem Jahrzehnt gut, dass wir entschlossen und mit ruhiger Hand für die Innere Sicherheit in unserem Land gearbeitet haben, ohne ständig darüber zu reden.

Die rheinland-pfälzischen Sicherheitsbehörden unternehmen aktuell erhebliche Anstrengungen, um Anschläge in unserem Land zu verhindern und die Sicherheit insbesondere auch unserer amerikanischen Freunde zu gewährleisten. An dieser Stelle möchte ich namens der Landesregierung allen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten für ihren unermüdlichen Einsatz danken. Uns ist bewusst, dass sie in dieser angespannten Lage in hohem Maße gefordert sind.

(Beifall der SPD, der FDP, der CDU und vereinzelt bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mein Dank gilt gleichermaßen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Verfassungsschutzes und des Katastrophenschutzes.

(Beifall der SPD, der FDP und der CDU)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend feststellen, in diesen Tagen ist von uns allen hohe Disziplin und Geschlossenheit gefordert. Die Politik muss dokumentieren, dass sie gemeinsam über Parteigrenzen hinweg entschieden gegen den Terror vorgeht und gleichzeitig die Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger verteidigt.

Bundespräsident Rau sagte vor wenigen Tagen in einer zu Recht viel beachteten Rede: „Die Freiheit braucht die starke Macht des Friedens, und zum Frieden gehört die Freiheit. Wir haben allen Anlass zu Wachsamkeit, aber keinen Grund zur Panik. Vor allem anderen brauchen wir gut überlegtes Handeln. Unser gemeinsames Ziel ist Friede und Sicherheit, Gerechtigkeit und Freiheit für alle Menschen, wo immer sie leben.“ Das verlangt, so füge ich hinzu, gemeinsames und gemeinschaftliches Handeln mit ruhiger Hand und Entschlossenheit.

(Anhaltend Beifall der SPD und der FDP)

Bevor wir mit der Aussprache zur Regierungserklärung von Innenminister Zuber fortfahren und in die Beratung zum Gesetzentwurf und dem Antrag der CDU-Fraktion einsteigen, begrüße ich Mitglieder des VdK Ortsverbandes Landau. Seien Sie uns herzlich willkommen!

(Beifall im Hause)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Schnabel das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Welt hat sich seit dem 11. September verändert. Das Wort haben wir oft gehört. Das ist zunächst einmal gesagt worden. Wir wollten es eigentlich nicht so recht glauben, aber das wird uns von Tag zu Tag bewusster und deutlicher vor Augen geführt. Allein die täglichen Nachrichten über neue Fälle von Milzbrand-Anschlägen zeigen, wie leicht und schnell unsere Zivilisation verwundbar ist. Mit den Terrorangriffen in den USA ist eine neue Dimension der Bedrohung unserer Sicherheit erkennbar geworden.

Innere und äußere Sicherheit sind nicht mehr so klar trennbar wie bisher. Besonders bestürzend aber ist, dass sich die Urheber und Initiatoren in weit entfernten Regionen der Erde aufhalten und doch die Angriffe uns jederzeit im eigenen Land treffen können.

Meine Damen und Herren, Freiheit ist ohne Sicherheit nicht denkbar. Wachsamkeit ist aber der Preis der Freiheit. Es ist daher die erste Aufgabe des Staates, die Sicherheit seiner Bürger zu gewährleisten, damit sie in Frieden und Freiheit leben können.

(Beifall bei der CDU)

Wer die Freiheit der Bürger gegen ihre Sicherheit ausspielt, wird am Ende beides verlieren. Herr Innenminister Zuber, ich stimme Ihnen zu, dass gerade jetzt die Demokraten alle zusammenwirken müssen – dies ist zum jetzigen Zeitpunkt erforderlich –, aber es muss bei diesem Thema auch der Wille von allen Seiten vorhanden sein, die Meinungen anderer anzuhören und auch zu respektieren, und nicht nur, wenn es einem gerade einmal in den Kram passt.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Alle guten Ideen müssen auf den Prüfstand. Man muss sicherlich auch einmal über seinen eigenen Schatten springen und auch bereit sein, seine eigene Meinung zu ändern. Die Bevölkerung und unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger wollen mit Sicherheit gerade jetzt kein kleinkariertes Parteiengezänk, sondern es geht um ihre Sicherheit.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich einige Punkte nennen, die nach unserer Auffassung umgehend angegangen werden müssen. Ich weiß, dass das Land nicht immer und an allen Ecken und Enden zuständig ist, manchmal der Bund oder sogar Europa zuständig sind, aber wir haben Möglichkeiten, darauf hinzuwirken.

Ich komme zunächst einmal zum Verfassungsschutz. Unser Verfassungsschutz muss dringend personell aufgestockt werden. Sie haben gesagt, die acht unbesetzten Stellen wollen Sie in absehbarer Zeit besetzen. Das reicht meines Erachtens nicht. Wir werden es wie andere Bundesländer machen müssen. Wir werden aufstocken müssen. Wir können uns dabei wieder einmal ein Beispiel an Bayern nehmen, das über Nacht den Verfassungsschutz um 50 Kräfte aufgestockt hat.