Protokoll der Sitzung vom 15.11.2001

Entschuldigung, ich habe das Gefühl, Sie haben sich nicht damit beschäftigt, Herr Brinkmann. Ich will Ihnen einmal etwas sagen. Ich kann Ihnen einmal die aktuellen Punktwerte vom zweiten Quartal vorlesen: KV Rheinhessen 8,39 bei den Ersatzkassen, 9,42 bei den Privatkassen; KV Pfalz 12,77 bei den Ersatzkassen und 10,69 bei den privaten Kassen, für die gleiche Leistung bei der KV Trier 7,59 im zweiten Quartal. Bei der KV Koblenz hatten wir einen Punktwert zwischen 5 und 5,5 Pfennig. – Dafür sind Sie nicht verantwortlich. Das ist an anderer Stelle geregelt worden.

Sie haben zwar Gespräche moderiert, aber es war vorher schon klar, dass dies angehoben werden soll. Wir liegen bei ungefähr 6,5 Pfennig für die gleiche Leistung.

(Zurufe von der SPD: Wer ist „Wir“?)

Es ist doch mehr als Recht, dass für diejenigen, die die Leistungen erbringen, das gleiche Recht gilt, beispielsweise für die Belegärzte. Aber das ist nicht mein Punkt. Mein Punkt ist – dafür lasse ich mich gern von Ihnen beschimpfen –, ich bin Lobby für die kranken Menschen in Rheinland-Pfalz.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte, dass sie eine wohnortnahe Versorgung erhalten. Herr Gerster, verkündigen Sie das ruhig im Land, dass es zum Beispiel zwischen Neuwied, Koblenz und Kirchen an der Sieg keine Gynäkologie und Geburtshilfe mehr geben wird. Verkündigen Sie das oder dass in diesem Bereich keine urologischen Leistungen mehr erbracht werden. Wir bleiben bei unserer Meinung. Wir haben nicht gesagt, dass Sie die Selbstverwaltungen auflösen sollen. Mein Ansatz war: In dem Punkt, in

dem der Krankenhauszielplan konterkariert wird, muss die Landesregierung eingreifen und eine Versorgung sicherstellen. Ansonsten haben wir überhaupt nichts dagegen gesagt. Sie haben eine völlig andere Diskussion geführt. Sie haben eine KV-Diskussion geführt. Sie haben irgendetwas von anderen Bereichen erzählt, worüber niemand gesprochen hat.

(Zurufe von der SPD)

Herr Gerster, Sie haben wieder die typische Neiddiskussion geschürt, die Sie immer schüren. Es weiß jeder, wie Sie zu den Ärzten stehen. Das haben wir oft genug erlebt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Brinkmann das Wort.

Herr Kollege, Sie haben noch eine Redezeit von eineinhalb Minuten.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin nicht erst seit den heutigen beiden Beiträgen meines Kollegen Rosenbauer der Überzeugung, dass seine Ausführungen des Öfteren kontraproduktiv sind und er sich einen Gefallen täte, wenn sie nicht erfolgten.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Ich habe Ihren ersten Beitrag, ohne dass ich das bei meinen ersten Ausführungen artikuliert hätte, genauso bewertet, wie das Herr Dr. Schmitz gemacht hat. Ich habe mich gefragt: Wo liegt denn eigentlich der Hintergrund für diese aktuelle Stunde? – Das haben sich auch Kollegen von Ihnen gefragt; denn die Ärztekollegen von Ihnen sind nicht anwesend, und aus Ihrem Ausschuss ist eine anwesend, nämlich Frau Thelen.

(Zuruf von der CDU: Herr Professor Brinkmann – – –)

Sie haben ein Thema aufgegriffen, das Sie erstens falsch aufgerollt haben und zweitens noch nicht einmal in Ihrer eigenen Fraktion sinnvoll haben erläutern können, warum Sie es wollen.

(Zuruf des Abg. Lelle, CDU)

Meine Damen und Herren, wer, wie die Ärzte das teilweise in der betroffenen Region tun, nämlich mit Streik droht, droht, den Zug an die Wand zu fahren. Es gilt: Auch anschaulich ist dies eindeutig, dass in einem solchen Zug immer die Falschen sitzen. Es werden die Patienten getroffen. Sie verdienen das nicht. Es werden auch die Regionen getroffen, die – das steht außer

Zweifel – die Belegarztabteilungen in den Krankenhäusern der Grundversorgung und in anderen Krankenhäusern dringend brauchen.

(Glocke des Präsidenten)

Ich bitte auch deshalb, die Polemisierung der Auseinandersetzung in dieser schwierigen Thematik so zu zügeln, dass nicht – – –

(Zurufe von der CDU)

Ich laufe nicht vor Ort herum und kündige an, dass ich auf die Straße gehe.

(Glocke des Präsidenten)

Ich bitte, die Auseinandersetzung um dieses Problem im Interesse der Bürger in der Region im nördlichen Teil von Rheinland-Pfalz möglichst sachlich zu halten.

(Beifall bei SPD und FDP)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich Herrn Kollegen Marz das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nachdem der Minister dankenswerterweise die eigentliche Frage zureichend beantwortet hat, kann ich mich noch einmal kurz dem Thema widmen, zu dem ich mich dank der Aktuellen Stunde der CDU äußern kann, nämlich der Frage der Struktur der Kassenärztlichen Vereinigungen in Rheinland-Pfalz.

Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich dem Kollegen Rosenbauer für sein fast schon brennendes Plädoyer für eine Strukturreform bedanken; denn das, was Sie hier über die unterschiedlichen Punktesysteme gesagt haben, zeigt genau auf, wo zum Beispiel die Probleme liegen und weshalb man zu Vereinfachungen und Vereinheitlichungen kommen muss. Dass das ausgerechnet von Ihnen kommt, hätte ich nicht gedacht, aber es ist auch schön.

Nun hat Herr Minister Gerster diese Frage auch mit spitzen Fingern angefasst. Zunächst einmal hat er zu Recht von Kleinstaaterei gesprochen und auf Diskussionen im Ministerium im Jahr 1994 verwiesen. Ich denke, es kann nicht sein, dass allein von den Ärzten entschieden wird, wie dieses System aussieht. Es muss im Inte-resse – darauf haben Sie indirekt hingewiesen – nicht nur der Ärzte, sondern auch im Interesse der Finanzierbarkeit des gesamten Gesundheitssystems liegen und im Interesse des gesamten Gemeinwohls, wie so etwas organisiert ist.

Wenn man darüber diskutiert, ob möglicherweise eine Vereinheitlichung auf diesem Feld Sinn macht, dann muss man natürlich auch die bestehende Struktur auf den Prüfstand stellen. So macht man das. Wenn man

die bestehende Struktur mit dem vergleicht, was man vielleicht machen könnte, und es stellt sich heraus, dass das Bestehende besser ist, dann lässt man es, oder wenn es besser ist, etwas zu verändern, dann verändert man es eben. So pragmatisch würde ich das sehen. Deshalb müssen wir in diese Diskussion einsteigen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich gebe Ihnen natürlich ausdrücklich Recht – das bekommen wir alle zu spüren, Sie vielleicht mehr als ich –, wir haben es mit sehr mächtigen Lobbyorganisationen zu tun – das ist unbestreitbar. Aber Herr Minister, ich denke, man wächst mit dem Gegner, und das kann uns allen nicht schaden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile Herrn Staatsminister Gerster das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte zwei Bemerkungen machen. Erste Bemerkung: Selbs tverwaltung muss so lange ernst genommen werden, wie sie nicht als Teil des Problems, sondern als Teil der Lösung verstanden werden kann. Das bitte ich wirklich bei der Frage zu beachten, was das Land tun muss.

Zweite Bemerkung: Wo Selbstverwaltung mit ihren Strukturen für bestimmte Reformen ein Hindernis wird, muss sie insgesamt auf den Prüfstand. Herr Marz, Sie wissen, da Sie sich dankenswerterweise auch dafür interessieren, dass ich dazu auch ein paar Vorschläge gemacht habe. Es wird also im Rahmen einer Gesundheitsreform 2003 – ganz egal, welche Konstellation sie in Berlin im Einzelnen zu verantworten hat – mit Sicherheit Veränderungen geben, die uns dann auch im Land mit Veränderungen konfrontieren. Aber dies durch eine landesweite Vereinheitlichung vorwegzunehmen, wäre, glaube ich, kein wesentlicher Reformschritt in RheinlandPfalz.

(Beifall bei SPD und FDP)

Für die FDP-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Schmitz das Wort.

Sie haben noch eine Redezeit von bis zu fünf Minuten.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben jetzt einige Redebeiträge zu diesem Thema gehört. Ich glaube, wir müssen zwei Dinge unterscheiden, die Situation vor Ort, die Kollege Rosenbauer zum Thema der Aktuellen Stunde gemacht hat,

und die wirklich weit übergeordneten Probleme, die tatsächlich entscheidend sind. Die Frage, wie eine Gesundheitsreform im Jahr 2003 aussehen wird, können wir jetzt alle nicht beantworten. Herr Minister Gerster, ich persönlich finde es bedauerlich, dass zum Teil ausgezeichnete Vorschläge aus Rheinland-Pfalz bis zur Bundestagswahl zumindest keine Rolle spielen werden. Das finde ich bedauerlich, weil in dieser Frage, die für unsere gesamte Gesellschaft und Wirtschaft weit über den engen Bereich der Gesundheitspolitik hinaus von Bedeutung ist, Stellschrauben jetzt nicht sinnvoll verändert werden, die unbedingt und dringend verändert werden müssten. Das zentrale Problem, über das wir sprechen, ist nicht einmal die Gesundheitspolitik, Herr Dr. Rosenbauer. Das zentrale, übergeordnete Problem all dieser Dinge sind 4 Millionen Arbeitslose. Das ist das Thema, um das es wirklich im Hintergrund geht.

Wir können es uns nicht so leicht machen, den Honorarverteilungsmaßstab trickreich voran zu tragen, nur weil ihn – mit Verlaub! – die Mehrzahl der Kollegenschaft naturgemäß als komplexes und kompliziertes Thema nicht durchdringen kann. Ich möchte dies kurz erläutern.

Ein Honorarverteilungsmaßstab ist nichts anderes als der bedauerliche Weg, den eine KV nehmen muss, um ein Budget zu verwalten. Das ist die Verwaltung der blanken Not, die dort erfolgt. Keine KV tut sich damit leicht. Herr Marz, auch keine rheinland-pfälzische KV würde sich damit leicht tun.

Ich habe aber zwei zentrale, grundsätzliche Möglichkeiten, einen HVM zu konstruieren. Herr Dr. Rosenbauer, das wissen Sie genauso gut wie ich.

Variante Nummer 1: Ich nehme Beträge des Vorjahres oder der letzten zwei oder drei Jahre, die ich mittle und in einzelne Töpfe unterteile, und stelle diese Beträge wiederum im nächsten Jahr zur Abarbeitung durch die Ärzteschaft zur Verfügung. Dies geschieht beispielsweise bei uns in Rheinhessen bei den Zahnärzten.

Dies führt dazu, dass der Punktwert, um den es Ihnen geht, absolut stabil bleibt. Dies führt allerdings auch dazu, dass beispielsweise Anfang November der Honorartopf leer ist und die Arbeit, die man bis Weihnachten oder Neujahr erbringt, zum Punktwert 0,0 erfolgt, Herr Dr. Rosenbauer. Das ist die Wahrheit des HVM.

Wenn sich eine KV mit der demokratischen Mehrheit der gewählten Vertreterversammlung auf einen Honorarverteilungsmaßstab verständigt, der keine Leistungseinschränkungen und keine nach DM ausgezeichnete Obergrenze vorgibt, sondern eine Regulierung über den Punktwert vorsieht, entsteht genau das, was Sie kritisieren, nämlich der berüchtigte Hamsterrad-Effekt. Je mehr gearbeitet wird, desto niedriger sinkt der Punktwert. Je niedriger der Punktwert sinkt, umso mehr Fälle, umso mehr ärztliche Arbeit etc. muss akquiriert werden, um irgendein Einkommen zu erzielen.