Protokoll der Sitzung vom 25.01.2002

(Hartloff, SPD: Ach die Hölle ist doch viel schöner als der Himmel!)

Ich sage, lieber Tempo und Fortschritt statt Zögern.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dieses Zögern haben wir in den Ausschüssen und auch in den Haushaltsberatungen erlebt.

Frau Kipp, ich weiß gar nicht, welche Haushaltspläne Sie gelesen haben. Ich habe viele gelesen. Ich habe in vielen auch intensiv nach einem Niederschlag von Gender Mainstreaming gesucht. Ich habe auch viel in den Protokollen nachgelesen, in denen dargelegt wurde, wie diese Anträge in den einzelnen Ausschüssen beraten wurden. Zu einem gibt es leider noch kein Protokoll, nämlich zu der Beratung im Wirtschaftsausschuss. Ich habe mir aber sagen lassen, dass der Staatssekretär – ich weiß nicht, ob es Herr Eymael oder Herr Glahn war; ich würde es beiden zutrauen –, – –

(Zuruf aus dem Hause: Herr Eymael!)

Ach, Herr Eymael.

Herr Eymael, gesagt hat, Gender Mainstreaming – endlich gibt es ein Wort für das, was wir schon immer machen. (Heiterkeit im Hause)

Das ist fast so gut wie das, was Herr Pörksen und Herr Schweitzer gemacht haben. Das ist nämlich das Dokument dafür, dass er überhaupt nicht verstanden hat, worum es geht. Es geht nicht um Frauenförderung. Es geht um Geschlechterpolitik. Das Ressort Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau hat mit den dicksten Haushaltsplan. Wenn Sie in den Etat hineinschauen, sehen Sie, dass Gender Mainstreaming vorbeigeströmt ist. Wir haben bei den Haushaltsberatungen keinen Hinweis erhalten, was im Wirtschaftsministerium mit den breiten Kompetenzen in diesem Gesamtprozess verankert wird.

Frau Kipp, ich finde – das hat mir bei dem gefehlt, was Sie gesagt haben –, bei den Diskussionen, die wir im

eigenen Haus führen, hat das Thema noch nicht so richtig Fuß gefasst. Sie erinnern sich – die meisten von Ihnen waren dabei – gestern an die wirtschaftspolitische Debatte, die wir nach dem Mittagessen geführt haben. Ich habe mit großer Aufmerksamkeit vielen einzelnen Argumentationslinien zugehört. Kein Redner – außer dem Vertreter der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – hat gefragt, was bei den ganzen wirtschaftspolitischen Maßnahmen und Konzepten unter der Berücksichtigung von Gender Mainstreaming gemacht wird. Welche Förderungen und Überlegungen gibt es im wirtschaftspolitischen Bereich und in der Gestaltung der Wirtschaftspolitik, die die Lebenssituation und den Lebenskontext von Frauen und von Männern berücksichtigen?

Ich bleibe bei dem gestrigen Tag. Am Vormittag haben wir über Kombilöhne und über die Arbeitsmarktpolitik gesprochen. Jeder hat über Frauen gesprochen. Sie werden festgestellt haben, dass die Frauen im Zusammenhang mit der Arbeitsmarktpolitik immer als ein besonderer Problemfall gesehen werden, anstatt in der Wirtschaftspolitik als ein besonderes Potenzial, über das wir in diesem Land verfügen können. Das hat Herr Braun angesprochen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Er hat auch gute Beispiele aus Nordrhein-Westfalen angeführt, die dort schon in die Wege geleitet wurden.

Lassen Sie mich vielleicht noch ein Beispiel nennen, bei dem ich glaube, dass Gender Mainstreaming unter Berücksichtigung der Lebenssituationen von Frauen und Männern, oder ich sage es einmal allgemeiner, von Menschen, die ihre Erwerbsarbeit oder ihre Ausbildung mit der Familienarbeit verbinden wollen, nicht gut berücksichtigt ist.

Das trifft auf ein Beispiel, das sowohl von der Landesregierung als auch von der Bundesregierung angesprochen wird. Das ist der aktuelle Vorschlag über Juniorprofessuren. Es wird ein Vorschlag formuliert, dass schneller habilitiert werden kann, die Art der Habilitation „in einem anderen Tempo“ an den Universitäten gemacht werden kann. Das finde ich richtig.

Aber ohne begleitende Maßnahmen, die ermöglichen, dass man dann auch eine Juniorprofessorenstelle besetzen kann, und das auch noch mit Familienarbeit, mit Erziehungsarbeit verbinden kann, wird es sowohl die Frauen, die in diesem Bereich Verpflichtungen haben, aber auch die Männer, die in diesem Bereich Verpflichtungen haben, nicht mehr in die Lage versetzen, solche entsprechenden Möglichkeiten zu nutzen und solche Stellen mit relativ engen Zeitvorgaben auch mit Erfolg zu absolvieren.

Durchaus selbstkritisch auch in unsere Richtung, aber es ist ein Prozess, der tatsächlich an vielen einzelnen Maßnahmen und Prozessen gesehen wird.

In diesem Sinn bitte ich Sie einfach noch einmal, diese beiden Anträge zu vergleichen – alle die hier sind; die beiden Anträge sind nicht so umfangreich – und sich für

den zu entscheiden, der auf Tempo setzt, auf eine Breite von Maßnahmen, der den ganzen Prozess kontrolliert, der auf ein Gender-Kabinett setzt und diesen Prozess im Land entsprechend befördert. Das ist unser Antrag.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die FDP-Fraktion hat Frau Kollegin Morsblech das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieser Antrag ist derjenige, den wir in dieser Legislaturperiode wohl am ausführlichsten diskutiert haben, insofern, dass er nicht nur im Plenum, sondern auch schon in allen Ausschüssen diskutiert wurde, was der Zielsetzung und dem Charakter dieses Antrags entspricht.

Wir waren uns auch in der Zielsetzung fraktionsübergreifend einig. Uneinigkeit bestand lediglich in der Herangehensweise an das Gender Mainstreaming und an der Ausformulierung der Schritte, um diese Methode und Strategie zur Verwirklichung von mehr Chancengleichheit und Geschlechterpolitik fest zu verankern.

Ich würde gern noch einmal ausholen, um einfach klarzumachen, wo genau sich die Wege scheiden, und warum sich, denke ich, bei uns die Wege an einem bestimmten Punkt trennen.

Gender Mainstreaming bedeutet zunächst einmal ein Umdenken aller politisch Handelnden. Es bedeutet, prozesshaft – ich betone das Wort prozesshaft – dahin zu kommen, das Frauen und Geschlechterfragen nicht mehr isoliert zu betrachten sind, sondern als Methode in alle Entscheidungen und Konzepte einzubinden sind, deren Qualität dann auch an der Berücksichtigung der geschlechtsspezifischen Auswirkungen zu messen ist.

Das bedeutet für viele Politikbereiche und für viele Entscheidungen, die es immer noch gibt und die es in der Vergangenheit gab, bei denen der Geschlechterfrage bisher keine oder nur eine untergeordnete Rolle zugemessen wurde, dass man jetzt eine besondere Sensibilität wecken, ein genaues Hinschauen der handelnden Personen einleiten muss und damit verbunden, bedeutet das für diejenigen, die in diesen Feldern handeln, auch eine besondere Umstellung beim Beackern ihrer Themen.

Jetzt komme ich langsam an den Scheideweg. Wie bei allen gesellschaftlichen Prozessen, die eine Umstellung, die auch ein Umdenken erfordern, können wir das Umdenken meiner Ansicht nach – da gehen wir, glaube ich, auch mit unserem Koalitionspartner konform – nur dann eine Umstellung erreichen, wenn die Handelnden das

möglichst freiwillig machen und wenn sie es vor allem mit Motivation und Ernsthaftigkeit betreiben.

(Beifall der FDP und der SPD)

Das heißt, wir müssen mit diesem Antrag auch erreichen, dass man sich mit der Geschlechterfrage auseinander setzt und es nicht nur Routinehandlungen sind, die wir hier einleiten.

Dann schaue ich mir den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN an – dann komme ich auch zu der Argumentation der Kollegin Frau Kohnle-Gros –, der mir mit dieser Methode etwas fragwürdig erscheint. Er bringt eine große Fülle an Maßgaben, eine Fülle an Mehrarbeit, eine Fülle an Bürokratie, die ich sehe,

(Zuruf der Abg. Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

eine Fülle an Kontrolle und Maßnahmen, die auch jemanden, der sich für die Idee begeistern kann und grundlegend diesen Weg gegangen ist, meiner Ansicht nach abschrecken muss, wenn er nicht ohnehin besonders motiviert ist.

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie legen die Hand darauf?)

Ich glaube, genau da scheiden sich die Wege. Es ist meines Erachtens nicht mehr besonders realistisch und auch nicht praktikabel, was Sie einfordern, weder im parlamentarischen Alltag noch im Alltag eines Ministeriums.

Wichtig ist es uns zunächst einmal, alle die an der Umsetzung von Gender Mainstreaming beteiligt sein sollen, entsprechend zu sensibilisieren, diese Motivation, die wir brauchen, zu erzeugen und diese Menschen zu schulen und ihnen dafür eine adäquate Fortbildung zukommen zu lassen. Wenn Sie sich die Haushalte anschauen, dann finden Sie diese Maßnahmen verankert. Zum Teil sind sie auch schon vollständig durchgeführt.

Zum Zweiten ist es dann wichtig, erst einmal das nötige Datenmaterial zur Umsetzung von Gender Mainstreaming zu vervollständigen. Hierbei lässt sich Gender Mainstreaming auch ganz konkret im Berichtswesen umsetzen, wie das an einigen Stellen bei Berichten, Vorlagen der Landesregierung und auch an den Haushaltsentwürfen schon getan wurde. Da sind wir, denke ich, auf einem richtigen Weg, der sich aber noch ausbauen lässt.

Es ist auch wichtig, dass wir uns selbst diesem Grundgedanken verpflichten; diese ersten Schritte sind in unserem Antrag festgehalten. Diese Schritte werden es uns ermöglichen – das hat die Ministerin auch bereits im Ausschuss für Gleichstellung und Frauenförderung gesagt –, nach einem Zeitraum von beispielsweise einem halben oder einem drei viertel Jahr eine Bestandsaufnahme zu machen und über die Weiterentwicklung von Gender Mainstreaming in Rheinland-Pfalz und die nötigen Konsequenzen aus dieser ersten Bestandsaufnahme zu diskutieren und hieraus dann weitere Konsequenzen zu ziehen.

Ein methodischer und prozesshafter Ansatz bedeutet eben nicht, dass wir Methode und Prozess mit zu detaillierten Maßregelungen festlegen sollten, sondern dass wir selbst in diesem Hause uns der Methode und dem Prozess stellen und uns an der Weiterentwicklung kontinuierlich beteiligen. Da sehe ich den Anfang und eben nicht das festgelegte und definierte Ende der Diskussion und des Prozesses, dem wir uns stellen.

(Beifall der FDP und der SPD)

Lassen Sie mich auch noch einmal kurz auf die Frage der Arbeitsmarktpolitik eingehen und auf die Frage, was hier hoch gelobt wird und was nicht hoch gelobt wird.

Der Begriff Gender Mainstreaming ist ein sperriger Begriff, weil er von der EU vorgegeben wurde und es jetzt sehr schwierig ist, dafür eine deutsche Formulierung zu finden. Dann sollte man sich aber auch genau anschauen, was die Europäische Union zurzeit in dieser Frage unternimmt.

Es gibt ein Rahmen-Aktionsprogramm der EU „Gender Mainstreaming und Gleichstellungspolitik 2001 bis 2006“, und da gibt es zwei gleich gewichtete Teile. Das ist zum einen die Methode des Gender Mainstreamings selbst, das ist zum anderen der Fakt, dass wir immer noch eine aktive und eingreifende Gleichstellungspolitik in gewissen Bereichen brauchen.

Die EU hat aufgrund von Daten festgestellt, die Beschäftigungsquote von Frauen ist immer noch 18,2 Prozentpunkte unter der der Männer, die Arbeitslosenquote von Frauen ist deutlich höher als die der Männer, Verdienstunterschiede gibt es bis zu 77 %. Das sind die Daten, die die EU zugrunde gelegt hat. Dann hat sie gesagt, gut, Gleichstellungspolitik im Bereich des Arbeitsmarkts ist uns genauso wichtig wie das Gender Mainstreaming, und dies ist unser zweiter Schwerpunkt.

Gerade deshalb ist es uns wichtig, und gerade deshalb betonen wir, dass wir erfolgreiche Fördermaßnahmen und erfolgreiche Konzepte in diesem Bereich fortführen wollen. Gerade deshalb begrüßen wir es auch, dass wir diese im Haushaltsentwurf wiederfinden.

Gerade deshalb haben wir noch zusätzliche Punkte hineingeschrieben, von denen wir gedacht haben, wir haben zwar schon ein sehr rundes Paket, aber wir brauchen vielleicht noch einzelne Maßnahmen, die auch der aktuellen Situation entsprechen und die Dinge weiterentwickeln, wie beispielsweise die Thematisierung des Problems.

Wir sind zwar schon sehr erfolgreich mit dem AdaLovelace-Projekt, und wir merken, dass wir mit solchen Konzepten auch einen Ausgleich dahin gehend bekommen, dass wir nicht mehr auf der einen Seite die klassischen Frauenberufe und auf der anderen Seite die klassischen Männerberufe haben, es aber das umgekehrte Problem genauso gibt, nämlich Männer, die sich eben nicht wiederfinden in Pflegeberufen, die sich nicht wiederfinden in erzieherischen Berufen, die sich auch als Grundschullehrer nicht wiederfinden, und wir uns auch über solche Probleme Gedanken machen müssen.

Wir müssen weitere Ansätze – da bin ich schon im Bereich der Wirtschaftspolitik – für familienfreundliche Betriebspolitik fördern, und es muss uns nach wie vor ganz besonders wichtig sein, dass Frauen auch auf eigene Füße kommen, zum Beispiel durch die Gründung einer eigenen Existenz.

Auch diese Punkte waren uns nach wie vor besonders wichtig. Damit befinden wir uns im Rahmen des EURahmenprogramms.