Protokoll der Sitzung vom 07.11.2002

Beschlussempfehlung des Ausschusses

für Wissenschaft, Weiterbildung,

Forschung und Kultur

Drucksache 14/1445 –

Eintreten des Landtags von Rheinland-Pfalz

für einen ungeteilten Lebensschutz in

der Genforschung

Antrag der Fraktion der CDU

Drucksache 14/1088 –

dazu:

Beschlussempfehlung des Ausschusses für

Wissenschaft, Weiterbildung,

Forschung und Kultur

Drucksache 14/1446 –

Stammzellenforschung in Rheinland-Pfalz:

Leben schützen – Leben fördern

Antrag der Fraktionen der SPD und FDP

Drucksache 14/1090 –

dazu:

Beschlussempfehlung des Ausschusses

für Wissenschaft, Weiterbildung,

Forschung und Kultur

Drucksache 14/1414 –

Präimplantationsdiagnostik

Antrag der Fraktionen der SPD und FDP

Drucksache 14/1571 –

Die Fraktionen haben sich auf eine Redezeit von 15 Minuten je Fraktion verständigt.

Ich erteile der Frau Abgeordneten Hammer für die Berichterstattung das Wort.

Meine Damen und Herren, durch Beschluss des Landtags vom 15. Mai dieses Jahres sind die Anträge der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 14/1077 –, der Fraktion der CDU – Drucksache 14/1088 – und der Fraktionen der SPD und FDP – Drucksache 14/1090 – an den Ausschuss für Wissenschaft, Weiterbildung, Forschung und Kultur – federführend –, an den Sozialpolitischen Ausschuss, an den Ausschuss für Gleichstellung und Frauenförderung und an den Rechtsausschuss überwiesen worden.

Der federführende Ausschuss hat in seiner 11. Sitzung am 5. September 2002 empfohlen, den Antrag der Fraktionen der SPD und FDP – Drucksache 14/1090 – anzunehmen und den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 14/1077 – sowie den Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 14/1088 – abzulehnen.

(Beifall im Hause)

Wir freuen uns, dass Gäste an unserer Beratung teilnehmen. Ich begrüße die ehrenamtlich tätigen Mitbürger aus der Stadt Landau und die Mitglieder des SPDOrtsvereins Insheim. Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall im Hause)

Natürlich freuen wir uns auch, dass der Beauftragte der Evangelischen Kirche, Herr Kirchenrat Dr. Buchter, anwesend ist.

Ich eröffne die Debatte und erteile Frau Abgeordneter Thomas das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Diskussion über ethische, verfassungsrechtliche, gesellschaftliche und soziale Fragen der modernen Biotechnologie lässt uns nicht los. Sie lässt uns vor allen Dingen dann nicht los, wenn es um die Frage der Anwendung in der humanen Medizin und neuester Erkenntnisse der Biomedizin in der Humanmedizin geht.

Meine Damen und Herren, wir führen diese Diskussion in diesem Landtag nicht zum ersten Mal. Wir werden sie vermutlich auch noch eine ganze Zeit lang weiterführen, weil sich diese Fragestellungen immer wieder neu und aufs Neue auftun. Wir führen diese Diskussion auch in der Gesellschaft nicht neu. Durch die Antragstellungen von verschiedenen deutschen Forschern über die Forschung an embryonalen Stammzellen, aber auch durch den Antrag über die Zulassung von Präimplantationsdiagnostik sind diese Fragestellungen an die Politik herangetragen worden. Ich glaube, wir haben sie im Großen und Ganzen in einer guten Debatte geführt, weil zuletzt ein breit getragener Kompromiss gerade in der Frage der Behandlung embryonaler Stammzellenforschung im Bundestag gefunden werden konnte.

Es ist auch ein Ergebnis dieser Diskussion, dass dieser Konsens in der Breite getragen werden konnte. Der Konsens lautet: Nein zu einer verbrauchenden Embryonenforschung – wir wollen keine Embryonen erzeugen, um sie für Forschungszwecke zur Verfügung zu stellen – und ja in Ausnahmesituationen, die sich für die Forschung an vorhandenen Stammzelllinien wissenschaftlich gut begründet darstellen können.

Ich will die Frage der Stammzellenforschung nicht mehr im Detail diskutieren, weil wir darüber in diesem Hause im Mai sehr ausführlich diskutiert haben. Ich will heute den Fokus unserer Argumentation und Betrachtungsweise auf die Frage der Präimplantationsdiagnostik legen, weil das ein Punkt ist, den wir bei den bisherigen Diskussionen zumindest im Parlament immer nur relativ knapp berührt haben und der Landtag im Ausschuss für Gleichstellung und Frauenförderung eine Anhörung von Expertinnen und Experten durchgeführt hat. Diese Ergebnisse sollten mit einfließen.

Was heißt Präimplantationsdiagnostik? Das sollte man vielleicht noch einmal auch für diejenigen sagen, die die Diskussion verfolgen. Das ist eine Gendiagnostik, die zum Tragen kommt, wenn Embryonen im Labor oder in der Petrischale künstlich gezeugt werden und diesen Embryonalzellen entnommen werden, um sie – zur Zeit noch – nach den gegebenen Möglichkeiten auf einen bestimmten genetischen Defekt oder ein bestimmtes genetisches Merkmal zu untersuchen. Man will über diese Diagnostikmöglichkeit verfügen, weil man sich durch die Anwendung der Diagnostik verspricht, dass

man vor der Übertragung dieses künstlich erzeugten Embryos in die Gebärmutter eine Auswahl der Embryonen betreiben kann.

Meine Damen und Herren, wenn wir über Präimplantationsdiagnostik (PID) oder über die embryonale Stammzellenforschung diskutieren, dürfen wir nicht nur zwischen dem Lebensschutz und dem Menschenrecht von Embryonen versus den Verpflichtungen gegenüber schwer kranken Menschen oder Paaren abwägen, die leibliche Kinder haben wollen. Das ist schon eine Abwägung, die schwierig genug ist. Ich glaube, dass wir und viele, die sich in die Diskussion eingebracht haben, über eine Fragestellung diskutieren, die sehr viel weitergeht und die ich in die einfache Frage kleiden will – sie hört sich einfach an –: Wie gehen wir mit uns als Menschen um?

Außer Diskussion steht, dass das Menschsein mit der Befruchtung von Ei und Samenzelle beginnt. Ich kenne niemand in diesem Raum, der das anders sehen würde. Deswegen ist die Frage: Wie gehen wir mit uns als Menschen, mit dem einzelnen Embryo und mit uns als Gattung Mensch um? Welche allgemeinen Interessen verfolgen wir, gerade wenn über ein Verbot von PID gesprochen wird?

Wir können das nicht willkürlich verbieten. Ich glaube aber, man kann ein Verbot aussprechen, wenn allgemeine Interessen verfolgt werden, die entsprechendes Gewicht haben. Die Frage kann man auch wie folgt formulieren: Wollen wir uns auf eine Zukunft einlassen, die vielleicht schon näher vor uns liegt, als wir glauben, und die die menschliche Gattung instrumentalisiert? Welche Zukunft eröffnen wir, wenn wir es zulassen, dass menschliches Leben zu einem anderen Zweck erzeugt wird als das ihm inne wohnenden? – Die schwierige Frage ist: Können wir aktuell und künftig Maßstäbe finden und diesen Gültigkeit verschaffen, wenn wir an den momentanen oder über lange Zeit im Konsens befindenden Maßstäben rütteln?

Es ist eine tiefgreifende Wertediskussion, die wir führen. Es ist eine verfassungsrechtliche Diskussion, aber auch eine Diskussion über Technik, Entwicklung und ob wir aus den bisherigen Erfahrungen den Umgang mit der Technikentwicklung gelernt haben.

Die verfassungsrechtlichen Aspekte spreche ich nur kurz an. Herr Böhr wird mit Sicherheit intensiver darauf eingehen. Es ist die Frage, welches Recht oder welcher Schutz Embryonen bzw. einer befruchteten Eizelle gebührt, die im Körper der Frau ist, oder welcher Schutz gebührt diesem Embryo, wenn er außerhalb des Körpers ist, das heißt, durch eine künstliche Befruchtung herbeigeführt wurde?

Gebührt ihm Lebensschutz? Das ist relativierbar mit anderen schützenswerten Grundrechten im Grundgesetz? Gebührt ihm Menschenwürde, einem hervorgehobenen Grundrecht im Grundgesetz, dem Grundrecht, das Ewigkeitsgarantie hat, das also nicht gegen andere abzuwägen ist?

Ich persönlich habe die Überzeugung, dass diesem Embryo auch Menschenwürde gebührt und deswegen

diese Abwägung nur gegen sehr hochrangige Werte überhaupt erfolgen darf und ein Eingriff, eine Instrumentalisierung des Embryos, eigentlich verboten und unter Strafrecht gestellt werden muss.

Ich will aber einem anderen Punkt, den wir in den Diskussionen hier im Parlament noch nicht so betrieben haben, aber der in allen Anhörungen und auch in der Bundestags-Enquete eine große Rolle gespielt hat, mehr Raum einräumen, nämlich die Frage: Was lernen wir als Einzelne, als Gesellschaft oder in der Politik aus der Technikentwicklung oder aus Entwicklungen in anderen Ländern?

Ich will die Techniken anführen, die der PID ganz nahestehen und die in diesem Zusammenhang immer mit diskutiert werden. Das ist einmal die Frage: Wie hat sich die künstliche Befruchtung entwickelt, die als Methode, als Instrument in einem sehr engen Indikationsrahmen damals, als sie eingeführt wurde, gewählt wurde. Ich will Ihnen – ich hoffe, man kann es wenigstens ungefähr erkennen – die Fallzahlen von 1982 und 1999 aufzeigen. Wir hatten 1982 rund 700 Fälle, in denen die künstliche Befruchtung vorgenommen wurde, 1999 hatten wir fast 54.000 Fälle. Das heißt, die Anwendung und die Indikation, also dort, wo man die Anwendung zulässt, hat sich enorm erweitert.