Protokoll der Sitzung vom 04.12.2002

Jetzt komme ich auch einmal zu einer anderen Frage: Ehrlichkeit. – Auf der einen Seite wird der Regierung vorgeworfen, wir würden zuviel ausgeben. Wenn ich dann auf der anderen Seite die Anträge aneinanderreihe, die im Laufe eines Jahres von der CDU, von den GRÜNEN, vor allen Dingen von Herrn Nils Wiechmann im Schulbereich kommen, dann braucht er allein den ganzen Etat des Landes Rheinland-Pfalz, um das, was er für den Schulbereich fordert, ausgeben zu können.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Dann frage ich mich manchmal: Über welches Land reden wir denn?

(Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nichts gegen Kinder!)

Man könnte meinen, wir reden von einem anderen Land. Wir jammern auf einem hohen Niveau. Natürlich sind wir in einer nicht einfachen Situation. Andere Länder in Europa und in der Welt würden uns beneiden, wenn sie unsere Probleme hätten.

(Zuruf des Abg. Keller, CDU)

Jetzt komme ich noch zu einem anderen Punkt. Das wird auch immer verkannt.

(Zurufe von der CDU)

Ja, ich weiß. Es ist manchmal schwer herüberzubringen. (Glocke des Präsidenten)

Wir haben im Moment nicht gerade die beste Ausgangsposition. Aber eins steht fest – das gilt auch für Sie, Herr Keller –: Wir haben die niedrigste Steuerquote in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Das sollte sich jeder merken und hinter die Ohren schreiben.

(Beifall der SPD und der FDP)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Frau Abgeordnete Thomas.

Meine Damen und Herren, wenn Sie jetzt ein bißchen leiser wären, wäre das gut, weil ich nicht einen solchen Resonanzkörper wie meine Vorredner habe, und meine Stimme ist nicht ganz so laut, aber ich gehe jetzt hier vorn hin.

Meine Damen und Herren, Herr Itzek, das höre ich doch gern „Wir machen nichts gegen Kinder“, und dann Herrn Nils Wiechmann angreifen, wenn er die Schulpolitik im Land voranbringen will.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der CDU)

„Wir machen nichts gegen Kinder“ und dann eine Neuverschuldung produzieren, die Sie vor die Haustür der Kinder und Kindeskinder schütten.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der CDU)

„Wir machen nichts gegen Kinder“, da kriege ich wirklich einen Koller. Ich meine, die Leidenschaft, mit der Herr Mittler heute gesprochen hat, habe ich schon wieder lange vermißt. Ich finde es schön, dass die Leidenschaft wieder dazukommt. Dann hätte ich mir aber doch einmal gewünscht, dass Sie außer über die Steuerquote auch Klartext darüber geredet hätten, was hier in diesem Land passiert. Haben Sie einen Ton dazu gesagt, wie hoch die Neuverschuldung in diesem Jahr sein wird? Ich habe Sie danach gefragt. Es kam kein Ton dazu.

(Itzek, SPD: Unter Nils wäre sie höher gewesen!)

Sie wollen die Zahlen, die ich aus dem „Handelsblatt“ und von Herrn Eichels Seite zitiere, in Frage stellen?

Sie wissen genau, dass der Finanzierungssaldo nicht davon abhängig ist, wie stark die Ausgaben wachsen, sondern von dem Verhältnis der Ausgaben zu den Einnahmen. Wenn andere Länder noch höhere Einnahmen haben, dann können sie auch mehr ausgeben. Wenn wir deutlich niedrigere Einnahmen haben, dann muss das in der Folge Konsequenzen für die Ausgabenpolitik haben. Genau auf diesen Punkt habe ich abgehoben.

Meine Damen und Herren, das war nicht intellektuelle Nichtredlichkeit, sondern das war genau die Situation im Land auf den Punkt gebracht.

Hätten Sie den Mut gehabt, heute Klartext zu reden, dann hätten Sie eine Regierungserklärung abgegeben. Dann hätten Sie für die Nachtragshaushaltsberatung eine aufrichtige Darlegung über die gesamte Finanzsituation des Landes zur Grundlage gemacht. Das sind nicht nur Einnahmen und Ausgaben. Das ist Offenlegen, welche Rücklagen Sie haben. Das ist Offenlegen, auf

welches Vermögen Sie zurückgreifen können. Das ist Offenlegen, welche Haftungsverpflichtungen bestehen. Dann ist es vor allen Dingen eine aufrichtige Darstellung über Kern- und Nebenhaushalte; denn bei Ihren Zahlen, die Sie angeführt haben, haben Sie auch keinen Ton dazu gesagt, ob die Landesbetriebe, wo dieses Jahr das Geld hinausgeflossen ist, beispielsweise LSV, in Ihren Zahlen mit enthalten sind.

Eine aufrichtige Gesamtschau wäre heute notwendig gewesen, auch eine Aussage dazu, wie Sie Ihren Nachtragshaushalt über die Ressorts gestalten wollen. Ich habe mir Ihre Vorschläge von der Haushalts-PK letzte Woche ziemlich genau angeschaut. Ich habe auch gesehen, dass alle Ausgaben, die gestrichen wurden, zum Beispiel im Sozialbereich, genau beziffert sind. Dann schaue ich in den Wirtschaftsbereich und finde nichts. Ich finde keine Bezifferung.

Wenn Sie über Aufrichtigkeit und Klartext reden und das mit einer solchen Leidenschaft, dann hätten Sie vielleicht auch das einmal darstellen sollen. Dann hätten Sie auch darstellen müssen, dass von den angekündigten Einsparungen für den Nachtragshaushalt 130 Millionen überhaupt noch nicht beziffert sind. Also: nicht größte Sparaktion, sondern erst einmal größte Imageaktion für diese Landesregierung. Das wird ziemlich schnell auffliegen, wenn Sie Ihren Nachtragshaushalt vorlegen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der CDU)

Es spricht Herr Abgeordneter Kuhn.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Thomas, ich finde es interessant, dass man inzwischen eine solche knallharte Sparaktion als Imageaktion bezeichnen kann,

(Beifall der FDP)

das heißt, Sie erkennen an, dass diese Sparaktion der Landesregierung sinnvoll und notwendig ist. Sie werden den Haushalt bald lesen. Es sind nur noch wenige Wochen. Gedulden Sie sich. Sie werden bemerken, dass die Einsparsumme logischerweise für Sie nachvollziehbar konsequent dargestellt wird.

Jetzt wieder mit Kernhaushalt und Konzernhaushalt anzufangen, heißt, wieder wie immer einen Popanz aufzubauen. Natürlich ist jedermann bekannt, dass wir die Gesamtverschuldung im Zusammenhang mit dem Konzernhaushalt sehen. Das wird nie geleugnet. Jetzt diesen Nebenkriegsschauplatz immer wieder aufzumachen, verstehe ich nun wirklich nicht.

Herr Kollege Itzek, ich war zunächst etwas betroffen, als Sie von der Besteuerung der Großunternehmen sprachen. Sie haben aber glücklicherweise in die richtige Richtung geguckt. Ich habe dies konsequent verfolgt.

Ihre Blickrichtung war in Ordnung. Ich will sagen, dass wir einen Kollegen unter uns haben, der genau Ihre Bedenken teilt. Den könnte man auch dazurechnen.

(Zuruf des Abg. Itzek, SPD)

Herr Itzek, der wohnt auch nicht weit von Ihnen.

Dann haben wir in der Tat Einigkeit. Da muss man draufschauen. Da ist eine Schieflage, mit der man sich bei der Bundessteuergesetzgebung etwas genauer auseinander setzen sollte.

Dann hat mir Herr Bracht eine Steilvorlage geliefert. – Herr Kollege Bracht, schönen Dank.

Er sagte, der Minister hätte noch nicht gemerkt, dass wir kein Geld in der Kasse haben.

(Bracht, CDU: Sie auch nicht!)

Das sagte er. Da erinnerte ich mich „urplötzlich“ – man wird auch schlauer –, dass ich neulich einmal für einige Minuten oder eine halbe Stunde im Medienausschuss war. Das kann nur bilden. Da habe ich etwas Interessantes gehört.

Herr Bracht, da bitte ich Sie einmal um Aufklärung in Ihrer eigenen Fraktion. Wenn wir dieses Umdenken, dessen Notwendigkeit wir deutlich gemacht haben, in den Oppositionsfraktionen nicht hinbekommen, dann gnade uns Gott!

(Zuruf des Abg. Dr. Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dann werden wir eine Haushaltsdebatte führen, wie wir sie immer geführt haben.

Da hat ein Kollege, dessen Namen ich jetzt nicht nennen muss, vorgeschlagen, wir sollten Kinos in Zusammenhang mit einer anstehenden Digitalisierungstechnik sofort subventionieren. Da muss schon die Knete her. Die Knete vom Land muss her.

(Zuruf der Abg. Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diese Technik ist noch nicht einmal im Ansatz bereit, da soll das Geld schon fließen.

Hören Sie bitte auf mit diesem alten Denken. So etwas geht nicht mehr. Beginnen Sie nicht die Haushaltsdebatte auf diesem Niveau mit immer neuen Forderungen. Die Zeiten sind vorbei.

(Beifall bei FDP und SPD)

Dann habe ich mir Herrn Braun angeschaut. Ich habe gedacht, jetzt müsste vonseiten der Grünen ein berechtigter Einwand kommen, dass man so etwas nicht ma

chen kann. Aber da war Funkstille. Sie haben dies auch nicht kritisiert.