Protokoll der Sitzung vom 05.12.2002

1. Welche Ursachen sieht die Landesregierung für die seit Jahren rückläufigen Zahlen neuer Altenpflegeschülerinnen und -schüler in Rheinland-Pfalz?

2. Welche Konsequenzen hat diese Entwicklung für die Personalsituation in der Altenpflege?

3. Wie erklärt die Landesregierung die zeitliche Platzierung ihres aktuellen Projektes „Menschen pflegen“ vor dem Hintergrund dieser bereits seit einigen Jahren fes tzustellenden Entwicklung?

4. Wie erklärt die Landesregierung, dass sie sich erst in Beantwortung einer Großen Anfrage der CDUFraktion dazu bekennt, die Kenntnisse der Pers onalsituation in der Pflege müssten vor dem Hintergrund eines zunehmenden Fachkräftebedarfs in stationären Pflegeeinrichtungen ergänzt werden?

Es antwortet Frau Staatsministerin Malu Dreyer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Dr. Rosenbauer und Dr. Enders beantworte ich namens der Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: Vom Schuljahr 1997/98 mit 1.884 Schülerinnen und Schülern im dreijährigen Ausbildungsberuf Altenpflege sank die Zahl der Auszubildenden kontinuierlich bis zum Schuljahr 2000/01 auf 1.728 Schülerinnen und Schüler. In den vergangenen beiden Schuljahren ist diese Zahl wieder gestiegen. Im aktuellen Schuljahr 2002/03 gibt es wieder 1.831 Altenpflegeschülerinnen und -schüler. Von seit Jahren rückläufigen Zahlen kann also keine Rede sein.

Angesichts der Fachkräfteproblematik in den stationären und ambulanten Pflegeeinrichtungen im Land wäre allerdings eine deutlichere Steigerung der Schülerzahlen sehr wünschenswert. Im Wesentlichen sind zwei Ursachen für die begrenzte Steigerung zu nennen. Zum einen stellen die Träger der Einrichtungen nicht genügend fachpraktische Ausbildungsplätze in den Pflegeeinrichtungen zur Verfügung, um die von der Landesregierung bereitgestellten Schulplätze besetzen zu können. Zum anderen führt die derzeit begrenzte Attraktivität der

Altenpflegeberufe zu einer nicht ausreichenden Anzahl von Interessentinnen und Interessenten für die Ausbildung in der Altenpflege. Daran hat die Diskussion über die Pflege leider auch einen Anteil. Deshalb muss das Image dieser Ausbildung unbedingt verbessert werden.

Zu Frage 2: Nach der aktuellen Pflegestatistik waren am 15. Dezember 1999 in stationären Pflegeeinrichtungen bei einem Gesamtpersonalbestand von 21.698 insgesamt 14.226 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Pflege und in der Betreuung tätig. Davon waren 3.687 Altenpflegerinnen und Altenpfleger, 298 Altenpflegehelferinnen und Altenpflegehelfer, 2.115 Krankenschwestern und Krankenpfleger, 1.365 Krankenpflegehelferinnen und Krankenpflegehelfer, und 801 Beschäftigte hatten einen sonstigen pflegerischen Beruf. Einen hohen Anteil am Personalbestand haben Kräfte mit sonstigem oder ohne Berufsabschluss.

Die Statistik macht deutlich, dass im stationären Bereich die Altenpflegerinnen und Altenpfleger die größte pflegerische Berufsgruppe darstellen. Pflegekräfte mit einer einjährigen Ausbildung und Hilfskräfte spielen ebenfalls eine bedeutende Rolle.

Es ist festzustellen, dass in den Ballungsgebieten, besonders an der Rheinschiene, ein Mangel an Pflegefachkräften, das heißt, an Altenpflege- und Krankenpflegekräften mit einer dreijährigen Ausbildung, herrscht. Die Entwicklung der Schülerzahlen in der dreijährigen Altenpflegeausbildung bis zum Schuljahr 2000/01 hat auch zu einer Verschärfung der Situation beigetragen, da sie logischerweise zu einem Rückgang der Absolventenzahlen führte.

Die gestiegenen Schülerzahlen in den vergangenen beiden Jahren sowie die vielfältigen Aktivitäten der „Bildungs- und Fachkräfteoffensive Pflege für RheinlandPfalz“ im Rahmen der Qualitätsoffensive „Menschen pflegen“, die zu einer weiteren Steigerung der Schülerzahlen führen soll, werden die Absolventenzahlen in der Altenpflege in den nächsten Jahren hoffentlich wieder erhöhen.

Zu Frage 3: Mit „Menschen pflegen“ setzen wir einen Arbeitsschwerpunkt, mit dem wir die vielzähligen Herausforderungen, vor denen die Pflege auch angesichts der demographischen Entwicklung steht, aufgreifen und mitgestalten. Daher haben wir die Qualitätsoffensive „Menschen pflegen“ mit ihren Säulen „Mehr Qualität in der Pflege“, „Bessere Hilfen für Menschen mit Demenzerkrankungen“, „Bildungs- und Fachkräfteoffensive Pflege“ und „Mehr Informationen und Mitsprache für pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen“ sowie die Verbesserung der Rahmenbedingungen in der Pflege auf den Weg gebracht.

Die Beobachtung der Bedarfsentwicklung in der Pflege und eine differenzierte Bedarfsdeckung im Bereich des Personals ist natürlich eine Daueraufgabe dieses Ministeriums, der seit vielen Jahren nachgekommen wird. Die Einschätzungen der Fachkräftesituation in der Pflege in Rheinland-Pfalz haben sich erst in den vergangenen beiden Jahren bei einzelnen Akteuren in der Pflege geändert und waren sehr unterschiedlich. Die Einrichtungsträger und die Pflegeverbände berichteten von

einer angespannten Lage auf dem Pflegearbeitsmarkt, während die Einrichtungsträger im Krankenhaussektor, die Kostenträger und die Arbeitsverwaltung von einer insgesamt ausgeglichenen Situation ausgingen.

Aufgrund dieser unterschiedlichen Einschätzungen untersuchte die Arbeitsgruppe „Zukunft der Pflegeberufe“ der Landespflegekonferenz unter Federführung des Ministeriums exemplarisch die Pflegearbeitsmärkte in Ludwigshafen und Trier. In der Arbeitsgruppe wirken alle wesentlichen Akteure in der Pflege – wie die Kostenund Einrichtungsträger, das Landesarbeitsamt und die Pflegeverbände – mit. Diese Arbeitsgruppe kam zu dem Ergebnis, dass auf dem Pflegearbeitsmarkt große regionale, sektorale sowie berufsbezogene Unterschiede existieren und von einem Fachkräftemangel bezogen auf Pflegekräfte mit einer dreijährigen Ausbildung in den stationären und ambulanten Pflegeeinrichtungen vor allem auf der Rheinschiene und in den Ballungsgebieten des Landes ausgegangen werden muss.

Entsprechend beauftragte die Landespflegekonferenz im Januar 2002 die Arbeitsgruppe mit der Ausarbeitung einer „Bildungs- und Fachkräfteoffensive Pflege für Rheinland-Pfalz“. Diese wird derzeit umgesetzt.

Zu Frage 4: Die Beobachtung der Personal- und Ausbildungssituation in der Pflege ist eine kontinuierlich geleistete Aufgabe des Ministeriums. So wird schrittweise seit über zwei Jahren ein systematisch gepflegtes Berichtswesen zu den Pflegeausbildungen aufgebaut. Ebenfalls hat Rheinland-Pfalz die Federführung der Projektgruppe „Ländereinheitliche Datengrundlage zur Fachkräfte- und Ausbildungssituation in den nicht ärztlichen Gesundheitsberufen“, bei der die Pflegeberufe eine zentrale Rolle spielen, übernommen. Sie soll bundeseinheitliche Standards für die Weiterentwicklung der Berichterstattung in den Pflegeberufen entwickeln.

Bereits auf der Landespflegekonferenz im Januar 2002, also deutlich vor der Beantwortung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU im Oktober 2002, schlug das Ministerium vor, eine Studie zur Fachkräftesituation und zum Fachkräftebedarf in der Pflege in Auftrag zu geben. Rheinland-Pfalz reagierte damit als erstes Land auf Wissenslücken, die bundesweit beklagt werden. Die Studie startete im Oktober dieses Jahres. Erste Zwischenergebnisse werden Mitte des Jahres 2003 vorliegen.

So weit die Antwort der Landesregierung.

(Beifall bei SPD und FDP)

Eine Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Thelen.

Sehr geehrte Frau Ministerin, Sie haben dargestellt, dass der Rückgang der Zahl der Pflegefachkräfte nicht so exorbitant sei wie das vielleicht nahe gelegt wurde. Fest steht aber, dass sich die Relation zwischen der

wachsenden Zahl Pflegebedürftiger und derjenigen, die bereit sind, sich in diesem Beruf ausbilden zu lassen, weiter ungünstig entwickelt. Die Imagesteigerung des Berufs ist wichtig.

Eine Belastung des Berufs ist der hohe bürokratische Aufwand, der unter anderem mit der Pflegedokumentation zusammenhängt. Halten Sie das Angebot, das seitens der Pflegekasse bei der Anhörung gemacht wurde, zum Beispiel pauschalierten Zahlungen wieder näher zu treten, für eine denkbare Lösung, um den Dokumentationsaufwand zu reduzieren?

Sehr geehrte Frau Abgeordnete Thelen, es existiert bereits eine Arbeitsgruppe als Unterarbeitsgruppe des Landespflegeausschusses, die sich mit den derzeitigen Problemen der Pflege und deren Ursachen beschäftigt. In dieser Arbeitsgruppe wird unter anderem über die Dokumentation und darüber diskutiert, wie Entgeltsysteme möglicherweise überarbeitet werden können.

Ich bin optimistisch, dass wir gemeinsam mit den unterschiedlichen Leistungsträgern – wir können nur moderierend tätig sein – Lösungen finden, um das Thema „Dokumentationspflicht“, wozu ich später noch etwas sagen werde, ein Stück weit zu relativieren. Wir brauchen die Dokumentation. Das ist selbstverständlich. Wir sollten uns in dieser Arbeitsgruppe darum bemühen, dass einerseits das Entgeltsystem verwaltungsunaufwändig gestaltet wird und andererseits die Dokumentation so gestaltet wird, dass nicht unnötig bürokratisiert und dokumentiert wird.

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Rüddel.

Frau Ministerin, die Anforderungen an die Qualität in Pflegeeinrichtungen steigen. Sieht die Landesregierung die Altenpflegeschulen ausreichend vorbereitet, ihre Schülerinnen und Schüler auf diese steigenden Qualitätsanforderungen und das Qualitätsmanagement im stationären Einrichtungen einzustellen?

Herr Abgeordneter, durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, dass das Altenpflegegesetz Rechtsgültigkeit besitzt, wird es zu größeren Umstrukturierungen der Altenpflegeschulen kommen müssen. Die Ausbildung wird sich in Zukunft ein Stück weit verändern. Ich denke, dass wir gemeinsam an diesem Punkt arbeiten müssen und die Altenpflegeschulen sich noch stärker darauf einstellen müssen, was künftig auf dem Pflegemarkt an Qualifizierung und Qualifikation erforderlich ist.

Ich erteile Herrn Abgeordneten Dr. Rosenbauer für eine Zusatzfrage das Wort.

Sehr geehrte Frau Ministerin, gibt es derzeit seitens der Landesregierung in Bezug auf die Altenpflegehilfe konkrete Pläne? Durch dieses Urteil ist eindeutig festgestellt worden, dass dies in die Hoheit des Landes gehört. Gibt es Pläne, für diesen Beruf Jugendliche zu begeistern, damit sie sich bewerben? Wie soll das umgesetzt werden?

Herr Abgeordneter, ich habe leider den Anfang Ihrer Frage akustisch nicht verstanden.

Gibt es seitens der Landesregierung schon eigene Pläne zum Bereich der Altenpflegehilfe, die nach dem Urteil eindeutig dem Land zugeordnet ist, mehr Menschen für diesen Beruf zu begeistern, und wie möchte man das strukturiert im Land angehen?

Die Ausbildung sowohl der Fachkräfte als auch in der Altenpflegehilfe ist insgesamt einer unserer Schwerpunkte im Rahmen der Qualitätsoffensive. Die gesamte Fachkräfteoffensive, die von der Landespflegekonferenz erarbeitet worden ist, enthält unterschiedliche Bausteine – auch für die Altenpflegehilfe. Es gibt ganz konkrete Vorstellungen, wie wir das im Land entwickeln können. Das beruht nicht nur auf der Frage, wie ich das Image verbessern kann und wie ich Schülerinnen und Schüler für diesen Beruf gewinnen kann. Das ist nur ein Element dieser Kampagne. Ein anderes Element ist, dass wir uns auch ein Stück weit um die Fortentwicklung der Ausbildung und um neue Ausbildungsformen kümmern.

Eine Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Ebli.

Frau Ministerin, teilen Sie mit mir die Auffassung, dass man zur Attraktivität des Pflegeberufs, insbesondere in der Altenpflege, dazu beitragen kann, wenn man diesen Beruf und seine Ausübung positiv besetzt? Es wird uns nicht gelingen, Nachwuchskräfte für die Pflege zu finden, wenn wir uns weiter auf der Ebene des Jammerns und des negativ Beredens und Beschreibens begeben.

Sehr geehrte Frau Abgeordnete Ebli, Sie sprechen einen wichtigen Punkt an. Wir müssen zum einen die Probleme sehen, sie aufgreifen und versuchen, die Probleme zu lösen. Auf der anderen Seite ist es für die Zukunft der Pflegeberufe auch sehr wichtig, dass wir ein positives Image gemeinsam im Land aufbauen. Es täte meiner Meinung nach der Pflege insgesamt sehr gut, wenn wir gerade gegenüber jungen Menschen signalisieren würden, dass es sich lohnt, im Bereich der Pflege in der Zukunft tätig zu sein.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Ich mache darauf aufmerksam, dass ich angesichts der Uhrzeit nur noch eine Zusatzfrage zulasse. Ich erteile Herrn Abgeordneten Dr. Rosenbauer für eine weitere Zusatzfrage das Wort.

Sehr geehrte Frau Ministerin, plant die Landesregierung eine ähnliche Aktion wie Baden-Württemberg? BadenWürttemberg hat unmittelbar reagiert und neue Personalschlüssel für das Jahr 2003 angekündigt, was selbs tverständlich einen Abzug von Altenpflegekräften nach Baden-Württemberg nach sich zieht. Die ganz konkrete Frage lautet: Wird auch Rheinland-Pfalz einen ähnlichen Weg gehen und die Budgets für die Altenheime, ambulanten Dienste und Pflege erhöhen?

Herr Abgeordneter Dr. Rosenbauer, Sie wissen, dass die Hoheit für die Pflegesätze nicht in der Verantwortung der Landesregierung liegt. Die Partner haben sich vor zwei oder drei Wochen erneut über die Pflegesatzschlüssel geeinigt. Ich bin der Meinung, dass sie jetzt auf einer ganz guten Grundlage agieren können. An die Verhandlungspartner richtet sich die Frage, inwieweit sie die Pflegesätze weiterentwickeln oder nicht.

Vielen Dank, Frau Ministerin.

(Beifall der SPD und der FDP)

Wir sind am Ende der Fragestunde angekommen.

(Jullien, CDU: Zur Geschäftsordnung!)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Jullien zur Geschäftsordnung das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die CDUFraktion beantragt eine Aussprache zur Mündlichen Anfrage, Auswirkungen der Gesetzesvorhaben der Bundesregierung auf die Krankenhäuser in Rheinland-Pfalz – Nummer 2 der Drucksache 14/1698 – betreffend.

Ich erteile Herrn Abgeordneten Hartloff zur Geschäftsordnung das Wort.