Protokoll der Sitzung vom 07.05.2003

Bei aller Unterstützung, Beratung und Förderung bleiben bäuerliche Unternehmen freie Unternehmer, die selbst entscheiden, was sie anbauen, ob sie sich auf die Tierzucht spezialisieren oder mit wem sie Handel betreiben. Aufgabe unserer Politik muss es sein, Wettbewerbsnachteile zu verhindern oder auszugleichen und Ausgleichszahlungen für Leistungen nicht produktiver Art zu leisten, das heißt Leistungen in der Landschaftspflege, die dem Naturschutz oder beispielsweise dem Tourismus und damit der Allgemeinheit dienen.

(Beifall bei der SPD)

Ich sehe es auch als unsere Aufgabe an, Maßnahmen zu fördern, die die Vertrauensbildung in die bäuerlichen Produkte unterstützen. Es kann nicht darum gehen, unterschiedliche Produktionsweisen gegeneinander auszuspielen. Es muss um die Transparenz der Produktionsweisen und den Herkunftsnachweis von Produkten und Tieren gehen.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Es muss auch daraum gehen, die Arbeitsweisen der guten fachlichen Praxis zu definieren, die Richtlinien des integrierten Landbaus Verbrauchern und Verbraucherinnen näher zu bringen und den zunehmenden Bedarf an ökologischem Landbau zu fördern. Ich denke, dass wir dahin gehend in unserem Land recht gut aufgestellt sind.

Nun heißt es, in die Zukunft zu schauen und rechtzeitig zu erkennen, wie wir europäische Vorgaben positiv für unser Land und den ländlichen Raum nutzen können, um damit auch Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern. Richtig ist, dass die anstehende EU-Agrarreform auch für uns eine große Herausforderung bedeutet.

Herr Minister Bauckhage, wir können in vollem Umfang Ihre Reformüberlegungen, die Sie vorgetragen haben, und Ihre Aussagen und Forderungen unterstützen, angefangen bei den konkreten Abbauschritten der europäischen Agrarsubvention über die Vereinheitlichung von umweltpolitischen Regelungen, Tierschutz, Lebensmittelsicherheit bis hin zu Ihren Aussagen im Bericht über die Ängste der Entwicklungsländer, aber auch der USA, die in den europäischen Umweltstandards nur den Sinn sehen, dass wir uns vor Agrarimport schützen wollen. Wir wissen alle, dass dies nicht so ist. Wir wollen unsere Produkte auch exportieren. Deshalb können wir uns nicht vor Import schützen oder unsere Tore zumachen; denn andere landwirtschaftliche Produkte stellen auch eine Bereicherung auf der Produktpalette der Märkte dar.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Für die bäuerlichen Betriebe ist es einfach nur fair, wenn die Produktion unter fairen Bedingungen überall stattfindet, dass Landarbeiterinnen und Landarbeiter anständig behandelt und bezahlt werden, keine Kinderarbeit stattfindet und Flüsse nicht überheizt werden, sodass kein Fisch mehr darin leben kann. Das verstehen wir unter fairem Wettbewerb. Das sind wir unseren Bäuerinnen und Bauern schuldig.

Ich bin davon überzeugt, dass wir in Rheinland-Pfalz viele mutige, moderne und zukunftsgerichtete Betriebe haben, die sich den neuen europäischen Herausforderungen stellen und sie auch bestehen werden. Sie kennen die Kriterien und erkennen auch für sich wirtschaftliche Alternativen, wie beispielsweise im touristischen Bereich, im Dienstleistungsbereich, im Bereich der nachwachsenden Rohstoffe und im Energie gewinnenden Bereich. Ich vertraue auf die jungen innovativen Landwirte und weiß all das vorher Gesagte in guten Händen.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall der SPD und der FDP)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Baumann.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das Landwirtschaftsministerium geht hinsichtlich der Situation im Weinbau davon aus, dass sich der Strukturwandel nachhaltig und zügig fortsetzt. In einem Szenario, das ich für durchaus realistisch halte, unterstellt das Ministerium für das Jahr 2010, dass ca. 4 % weniger Rebfläche bewirtschaftet werden und es ca. 30 % weniger Betriebe geben wird, die das tun.

Meine Damen und Herren, die Rebflächenreduzierung von knapp 66.000 Hektar auf ca. 63.000 Hektar kann uns unberührt lassen; denn wenn wir sehen, dass es 1960 lediglich 45.000 Hektar waren, können wir mit der prognostizierten Rebflächenentwicklung sicher gut leben.

Gravierender ist die Veränderung der Betriebsstruktur. Gab es 1979 noch ca. 29.000 Betriebe, waren es 1999 16.000 Betriebe. Für 2010 rechnen wir mit ca. 10.000 Betrieben. Richtig ist, dass Betriebe für Menschen stehen, die die Betriebe führen oder die dort arbeiten. Richtig ist auch, dass diese mittelständischen Betriebe aus wirtschaftlicher und strukturpolitischer Sicht wichtig sind.

Die Weinmarktpolitik, das heißt, das, was wir tun können, kann diese Entwicklungen aber allenfalls steuernd begleiten. Das ist auch gut so. Die Akteure auf dem Weinmarkt müssen die für sie betriebswirtschaftlich richtigen Entscheidungen selbst treffen; denn staatliches Handeln kann und darf die Eigenverantwortung nicht ersetzen.

Ich möchte zwei Beispiele nennen, die ein positives Licht auf die Eigenverantwortlichkeit der Winzerinnen und Winzer werfen. Ich möchte als erstes einen jungen Winzer von der Obermosel, ein problematisches Gebiet, anführen, der im Angesicht von Rebflächen direkt auf der anderen Seite der Mosel in Luxemburg ein anderes Denken angestrebt hat. Er hat gesagt: Ich kann mit diesem Elbling kein Geld verdienen. – Was hat er gemacht? Er hat die Umstrukturierungsmittel und das

Junglandwirteprogramm des Landes genutzt und andere Rebsorten angepflanzt. Er hat ertragsreduziert gearbeitet. Er hat Erfolg damit, obwohl sein Vater gesagt hat, dass das zum Scheitern verurteilt ist. Ich denke, das ist ein leuchtendes Beispiel auch für die Obermosel.

(Beifall der SPD und der FDP – Glocke der Präsidentin)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Frau Abgeordnete Kiltz das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Sie kennen mich alle als engagierte Kritikerin. Ich kann auch loben, wenn Lob angebracht ist. Damit spare ich nicht.

Jetzt kommt zuerst das Lob. Ich schicke ein dickes Dankeschön an die Fachabteilung des Agrarministeriums und vermutlich auch des Umweltministeriums für diese Fülle von Fakten und Details, die zusammengetragen und ausgewertet worden sind.

Der Bericht ist deutlich besser als der letzte, weil auf unsere Forderung hin schon im letzten Bericht über die reinen Betriebszahlen hinausgegangen worden ist. Ich finde das gut. Dieser Bericht ist noch ausführlicher. Da viele Details und Fakten aufgelistet sind, würden wir es begrüßen, wenn wir im Agrarausschuss diesen Bericht ausführlich würdigen und über eventuell bei den einzelnen Fraktionen in der Bewertung und Einschätzung aufgetretene Differenzen reden würden.

Gut gefallen hat mir, dass die eine oder andere Forderung aus unserer Fraktion aufgenommen worden ist. Zum Beispiel hat man angefangen, Leitlinien zu formulieren. Das wollten wir schon lange.

(Ministerpräsident Beck: Mit „d“ oder mit „t“?)

Herr Ministerpräsident, das können Sie interpretieren, wie Sie wollen, ob Sie leiden, wenn Sie über den Agrarbericht reden müssen, oder ob Sie darin leitende und zündende Ideen finden. Das bleibt Ihnen überlassen.

Meine Damen und Herren, die Eingangskapitel zur EUAgrarpolitik, den WTO-Verhandlungen und der Osterweiterung sind zum Teil zeitlich schon überholt. Wir werden das im Ausschuss weiter diskutieren müssen. Die Zwischenbewertung der Betrachtung der Agenda 2000 und die WTO-Verhandlungen sind weitergegangen. (Unruhe im Hause)

Frau Präsidentin, der Level vom Ton ist ein bisschen zu hoch, sodass ich mich sehr mit dem Reden anstrengen muss. Das macht das Reden schwer.

Wir haben natürlich an der einen oder anderen Stelle einen Dissens zwischen der Bundesregierung und der

Landesregierung entdecken können. Die Landesregierung befindet sich manchmal ein bisschen auf der Bremserspur. Wenn die Bundesregierung sagt, wir müssen mit der weiteren Agrarreform jetzt schon beginnen, wendet die Landesregierung ein, dass sie wegen der Planungssicherheit lieber bis 2006 warten will, bis der Planungshorizont abgelaufen ist. Auch da gibt es noch Beratungsbedarf.

Ich will noch eine Feststellung vorweg treffen: Die wirtschaftliche Situation der Landwirtschaft hat sich im Berichtszeitraum verbessert, in Rheinland-Pfalz nicht ganz so deutlich, weil wir nach wie vor die schlechte Situation im Fassweinbereich beim Weißwein haben, Herr Minister Bauckhage. Insofern sind unsere Zahlen nicht so erfreulich wie in anderen Bundesländern.

Mein erster Eindruck beim Lesen war: Große Überraschung, die Agrarwende ist jetzt auch in Rheinland-Pfalz angekommen, zumindest verbal,

(Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Hört, hört!)

oder besser gesagt, im Aufbau des Berichts. Es wird sehr viel ausführlicher zum ökologischen Anbau berichtet als in der Vergangenheit. Es gibt sogar ein Extrakapitel. Es wird ausführlich berichtet zum Thema „Verbraucherschutz“ der Landesregierung, hier insbesondere Ihres Ministeriums. Ich sage jetzt nichts über den Inhalt, sondern dass überhaupt berichtet wird. Der Bericht betont die Bedeutung nachhaltiger Landbewirtschaftung, Verbraucherschutz und der Lebensmittelsicherheit, zumindest in den Kapiteln über die EU und die nationalen Rahmenbedingungen. Wie weit das dann geht, wenn es im eigenen Zuständigkeitsbereich ist, das haben wir dann beim nächsten Tagesordnungspunkt zu diskutieren.

Die Formulierung über die Leitbilder – darauf habe ich bereits hingewiesen – begrüßen wir. Wir müssen dann natürlich darüber diskutieren, weil wir an der einen oder anderen Stelle andere haben.

Im Detail betrachtet muss ich jetzt doch Wasser in den Wein gießen. Es sieht ein bisschen anders aus als auf den ersten Blick. Da ist dann doch an vielen Stellen das Festhalten an eingefahrenen Wegen. Es sind auch diverse Widersprüche festzuhalten. Sie sagen in dem Bericht zu Recht, in großen Teilen des Landes wird umweltgerechter gewirtschaftet als in anderen Bundesländern. Das liegt an unseren Strukturen, die wir in der Landwirtschaft in Rheinland-Pfalz haben.

Sie machen aber den Fehler, Sie reden damit die ökologischen Belastungen in den Regionen unseres Landes, die zum Beispiel im ZIL noch als Intensivstandorte der Sonderkulturen und des Ackerbaus aufgeführt werden, klein. Ich rede jetzt zum Beispiel vom gesamten Oberrheingraben, das heißt, Vorder- und Südpfalz, Frau Kollegin, vom Maifeld, vom Neuwieder Becken und von der Grafschaft bis hin nach Ahrweiler. Es verbessert natürlich die Bodenqualität und die Wasserqualität an einem Intensivstandort nicht, wenn an anderer Stelle umweltgerechter gewirtschaftet wird. Insofern müssen Sie schon bei der Wahrheit bleiben und auch sagen, wie

Sie es im ZIL – der Zukunftsinitiative Landwirtschaft – ansprechen. Das wird jetzt nicht mehr angesprochen. Statt dessen heißt das immer blumig „weitgehend wird umweltgerecht gearbeitet“. Die Durchschnittswerte liegen zum Glück in großen Teilen des Landes, gerade was den Einsatz stickstoffhaltiger Mineraldünger, Phosphat- und Kalidünger oder den Eintrag von Pflanzenschutzmitteln angeht, unter dem Bundesdurchschnitt. Das ist aber nicht überall so. Das heißt, wir haben noch Handlungsbedarf.

Sie sprechen auch davon, dass noch Handlungsbedarf besteht. Sie verweisen dann auf den Beitrag der Landesregierung zu diesem Handlungsbedarf in Form von Förderung für artgerechte Tierhaltung und vor allem auf das FUL, das Förderprogramm Umweltschonende Landbewirtschaftung.

Dann gibt es Differenzen zwischen uns und der Landesregierung, weil dann wiederum deutlich wird – auf Seite 45 –, dass die Beachtung der Kriterien der guten fachlichen Praxis unmittelbare Fördervoraussetzungen für die Ausgleichszulage und die Prämien des FUL sind. Das ist ein bisschen zu hart, weil die Erfinder der Agrarumweltprogramme auf europäischer Ebene keineswegs die gute fachliche Praxis damit haben honorieren wollen, sondern das, was darüber hinaus geht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da liegt bei der Landesregierung ein gravierendes Missverständnis vor. Es macht aber auch noch einmal die Praxis deutlich, die die ganzen Jahre gefahren wird. Da hat Rheinland-Pfalz ein relativ singuläres Dasein unter den Bundesländern. Es gibt nur noch eins, das außer Rheinland-Pfalz diese integrierten Förderprogramme fährt.

Der zweitgrößte Batzen aus dem FUL geht nach der Grünlandextensivierung in den integrierten umweltschonenden Anbau, der nur minimal über die gute fachliche Praxis hinausgeht und im Weinbau beispielsweise Herbizideinsatz zulässt. Das finden wir nicht in Ordnung. Wir werden das so lange kritisieren, solange es das gibt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da Sie an anderer Stelle für die Verbraucher von Transparenz sprechen, dass man der Verwirrung vorbeugen muss – auch Frau Kollegin Ebli hat gesagt, dass man Transparenz schaffen muss –, muss ich Ihnen einfach noch einmal deutlich sagen: Mit dieser Förderpraxis betreiben Sie einen Etikettenschwindel. – Welcher Verbraucher und welche Verbraucherin sind sich denn so sicher, wenn sie lesen „aus kontrolliertem oder umweltschonenden Anbau“, wo der Unterschied ist? Wer von den Menschen, die die Produkte einkaufen, kennt denn die Förderbedingungen? Das ist Etikettenschwindel, das ist Verwirrung der Verbraucherinnen und Verbraucher. Das werden wir geißeln, solange es das gibt. Es hat vor allen Dingen schwere Nachteile für den ökologischen Landbau, weil die sehr viel mehr Anstrengung zu leisten haben. Sie haben auch mehr Einbußen. Sie müssen aber dann mit denen konkurrieren, die so tun, als wenn sie aus ökologischem Anbau kämen.

Meine Damen und Herren, es ist im Übrigen ein Skandal bei der Haushaltslage, die wir haben, bei dem Versprechen, das Sie seit Monaten oder seit zwei Jahren geben, Sie würden jetzt nur noch die Ökoanträge aus dem FUL bedienen, wenn das Geld nicht reicht, dass Sie jetzt den integriert wirtschaftenden Betrieben, bei denen die Förderung ausläuft, Anschlussverträge versprochen haben. Was soll das denn? Das ist eine Verbeugung vor einer Lobbygruppe und Angst vor dem Verlust von Wählerstimmen. Das nutzt der Umwelt und der Landwirtschaft nicht. Das ist nicht im Sinn der Erfinder der Agrarumweltprogramme. Wir verurteilen das aufs Schärfste.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Bauckhage, Sie hätten die Gelegenheit gehabt, an dieser Stelle diese Betriebe herüberzuleiten in den ökologischen Anbau oder sie auf die Prämien verzichten zu lassen, wenn Sie bei der guten fachlichen Praxis bleiben wollen.

(Glocke der Präsidentin)

Ist meine Redezeit schon abgelaufen?