Protokoll der Sitzung vom 04.06.2003

Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir, aus der damaligen Diskussion ein Zitat zu bringen: „Die Reduzierung nicht zwingender Standards ist notwendiger denn je, daran gibt es überhaupt keine Zweifel, nimmt doch die gegenwärtige“ – also die vor acht Jahren – „Finanzkrise dramatische Züge an, sodass die kommunale Selbstverwaltung Mitte der 90er-Jahre vor einer ihrer größten Herausforderungen überhaupt steht.“ Der Minister wird seine eigenen Worte wiedererkannt haben. Heute sind wir acht Jahre später. Es ist alles noch schlimmer. Die Situation der kommunalen Selbstverwaltung und die der kommunalen Finanzen ist noch dramatischer geworden. Keiner der Redner der Regierungsfraktion hat erwähnt, dass damals in der Diskussion immer gesagt wurde: Nun hört auf mit eurem Mist, wir haben eine Arbeitsgruppe. – Die Arbeitsgruppe nennt sich „Reduzierung kommunaler Standards“. Die SPD war ganz begeistert, was diese Arbeitsgruppe zustande bringt.

Nichts ist passiert, von 1995 bis heute nicht. Ich bin der Auffassung, dass alles, was bei uns aus der Schublade kommt, immer noch besser als das ist, was Sie überhaupt nicht zustande bringen.

(Beifall der CDU)

Der Berg der damals kreißte, gebar nämlich noch nicht einmal ein Mäuschen. Nun kündigt die Landesregierung wiederum etwas an. Wollen wir einmal hoffen, dass das so ist und wir das dann bekommen. Eines können wir

jetzt schon festhalten, nämlich unseren ersten Erfolg; denn dadurch, dass wir nochmals mit einem Entwurf herauskommen, hat sich die Landesregierung wenigstens in diesem Punkt bewegt. Das allein ist schon ein Erfolg. Mit Spannung erwarten wir diesen Gesetzentwurf. Dann wollen wir einmal sehen, wie ernst die Landesregierung es mit dem nimmt, was sie sagt, und wie viele dieser Standards tatsächlich benannt werden. Dann ist abzuwarten, ob in einer Beratung – etwa im Innenausschuss und Anhörung der Spitzenverbände und anderer, wenn man beide Entwürfe dann gegeneinander legt –, die sagen, um die es geht, was Ihnen mehr hilft: Das, was von der Landesregierung kommt, oder das, was wir entwickelt haben.

Diese Diskussion wird spannend werden. Ich bin unverändert der Überzeugung, dass es keine Alternative für die Kommunen gibt, als dass die Standards heruntergefahren werden. Das Verfahren ist eigentlich auch in dem, was wir beschrieben haben, klar. Es ist so, dass das Innenministerium als das für die Kommunen zuständige nach Anhörung und nach Benehmensherstellung mit den obersten Landesfachbehörden, also den anderen Ministerien, sehr wohl sagen kann, warum es an diesem Standard festhalten will.

Lassen Sie mich noch eine einzige Bemerkung zum Herrn Kollegen Hohn machen, der offensichtlich auch die Notwendigkeit erkannt hat. „Gut Ding braucht Weile“ haben Sie gesagt. Die Kommunen brauchen Eile, sehr geehrter Herr Kollege.

(Beifall der CDU)

Wenn es nicht endlich dazu kommt, dass wir ihnen die Möglichkeit geben, ein Stück mehr eigenverantwortlich mit ihren eigenen, viel zu knappen Finanzressourcen umzugehen, dann werden die Kommunen am Schluss in Schönheit untergehen.

(Beifall der CDU)

Für die SPD-Fraktion spricht nun Herr Abgeordneter Noss.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Deregulierung, Abbau von Standards – hier meinen wir nicht sinnvolle Standards, die abgebaut werden sollen –, mehr Eigenverantwortlichkeit, mehr Effizienz des Verwaltungshandelns, all dies sind Begriffe und notwendige Forderungen, die, wie wir eben gehört haben, bei allen Fraktionen hier unumstritten sind. Umstritten ist aber sehr wohl der richtige Weg und die Methode, wie diese Forderungen umgesetzt und mit Leben erfüllt werden sollen.

Vor allen Dingen ist dabei eines erforderlich: die nötige Ernsthaftigkeit und der Wille, die Situation für die Kommunen und die Verwaltungen tatsächlich zu verbessern. – Dies ist bitte aber losgelöst von bloßer Effektha

scherei zu sehen. Genau an diesem Punkt haben wir unsere Probleme mit dem CDU-Antrag. Herr Kollege Schweitzer ist vorhin schon auf Ihren Entwurf des Standardanpassungsgesetzes eingegangen. Sie von der CDU haben es sich einfach gemacht. Sie haben nach dem Motto „Hauptsache, das Thema ist besetzt“ versucht, ohne größeren Arbeitsaufwand auf einen fahrenden Zug aufzuspringen. Das haben Sie getan.

(Beifall der SPD)

Sie sind dabei allerdings leider auf das Bremserhäuschen aufgesprungen und versuchen jetzt aber jedem klarzumachen, dass Sie in der Lokomotive sitzen.

(Kramer, CDU: Ach du lieber Gott!)

Dies alles geschieht nach dem einfachen Rezept: Man nehme einen Gesetzentwurf, der irgendwann schon einmal abgelehnt wurde, gegen den darüber hinaus erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken bestehen, und mische diesen mit dem saarländischen Gesetzentwurf zur gleichen Thematik. – Meinen Sie ernsthaft, dass Ihr Entwurf dadurch besser und rechtmäßiger werden würde als der von 1995?

(Beifall der SPD und der FDP)

Herr Hörter, in diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen sagen, weniger ist manchmal mehr. Was Sie machen, ist Rosstäuscherei und bloße Effekthascherei. Was Sie vorlegen, ist darüber hinaus der Entwurf eines Standardanpassungsgesetzes „light“. „Light“ ist heute überall in. Gesetzlich fixierte Standards lassen Sie ganz außen vor. Zeitgleich bringen Sie darüber hinaus noch einen Antrag zum Abbau rechtlicher Vorgaben ein, wobei dieser auch in den Gesetzentwurf hätte Eingang finden können. Sie schaffen dadurch neue zusätzliche Regelungen. Zusätzlich wollen Sie den Kommunen den schwarzen Peter zuschieben, die das ganze selbst beantragen sollen und entscheiden sollen, was sie abschaffen wollen.

(Schnabel, CDU: Es wird doch immer verrückter“)

Diese Sache ist mit uns nicht zu machen.

(Beifall der SPD)

Wir haben in den letzten Jahren viele Verwaltungsvorschriften abgeschafft. Das werden wir auch weiterhin tun. Die von Ihnen beschriebenen neuen Entscheidungswege für den Abbau von Standards und gesetzlichen Vorgaben in Form von Diskussionsrunden mit Verwaltungen, Verbänden usw. schafft neue Verwaltungsabläufe und Regulierungen ebenso wie die beabsichtigten Befristungen und Probezeiten für Abschaffung von Standards und gesetzlichen Vorhaben. Wenn die Regelungsdichte tatsächlich so groß ist, wie wir alle meinen, und die Standards zu hoch sind, dann sollten wir beherzt, aber mit Verstand, ohne Hektik und zielorientiert ans Werk gehen, ohne dabei neue zusätzliche Findungs- und Abstimmungsmechanismen zu schaffen.

(Kramer, CDU: Dann tun Sie es doch!)

Darüber hinaus setzt sich das Land selbstverständlich beim Bund und bei der EU dafür ein, Regulierungen zu begrenzen und Regulierungen überall dort abzuschaffen, wo sie überflüssig sind. Aber überall dort – beim Bund, der EU und bei Verbänden – sitzen auch CDUVertreter. Manchmal haben diese sogar die Mehrheit. Dort sollten Sie vielleicht Ihren Einfluss entsprechend geltend machen, damit versucht wird, entsprechend der vorliegenden Anträge zu handeln.

In der Sache, dem Erfordernis, Verwaltungsabläufe zu verkürzen, Vorgaben zu straffen und Standards abzubauen, sind wir uns alle einig. Wie ernsthaft Sie das meinen, können Sie in den nächsten Wochen und Monaten bei der Behandlung des Themas in Ausschüssen und im Landtag beweisen.

(Anhaltend Beifall der SPD und der FDP)

Ich begrüße Gäste im rheinland-pfälzischen Landtag, und zwar die Frauengemeinschaft Eschelbach/Elgendorf, die Mitglieder des Seniorenbeirats Kaiserslautern und ehrenamtliche Mitglieder der FreiwilligenAgentur Kaiserslautern und die „Herz ist Trumpf TennisTurnier“-Gruppe. Seien Sie herzlich willkommen im rheinland-pfälzischen Landtag!

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat nun Herr Abgeordneter Marz das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich will festhalten, dass das Wiederherausholen von alten Anträgen aus irgendwelchen Schubladen absolut nichts über deren Qualität aussagt. Wenn in einem Parlament ein Antrag abgelehnt worden ist, dann heißt das nicht, dass er falsch war, es heißt auch nicht, dass er schlecht war, sondern es heißt einfach, dass die Mehrheit einer anderen Ansicht war.

(Kuhn, FDP: Es gibt auch andere Gründe!)

Deshalb ist das zuerst einmal gar kein Argument. Es ist übrigens noch nicht einmal verboten – das darf man auch sagen –, im Saarland abzuschreiben, wenn die etwas Gutes machen.

(Billen, CDU: So ist das!)

Bitte schließen Sie daraus jetzt nicht, dass ich gesagt habe, die haben etwas Gutes gemacht. Ich habe nur gesagt, es ist grundsätzlich nicht verboten.

(Dr. Weiland, CDU: Das wäre einmal etwas gewesen! – Billen, CDU: Jetzt waren Sie wirklich einmal auf einem guten Weg!)

Es ist mir nur wichtig für die allgemeine Debatte. Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, weshalb diese Dis

kussion insbesondere von Koalitionsseite so verläuft. Ich habe auch meine kritischen Anmerkungen zum CDUEntwurf gemacht. Langsam wird es mir klar, insbesondere nach dem Beitrag des Ministers. Was uns fehlt, ist sozusagen die lange angekündigte Alternative, Herr Minister.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zum Teil wütend, zum Teil mit Süffisanz, zum Teil beleidigt wird herumdiskutiert, was alles nicht richtig gemacht würde und dass nun der große Gesetzentwurf der Landesregierung zu erwarten sei. Dieser Gesetzentwurf ist natürlich viel besser. Das wissen wir sowieso schon, bevor er eingebracht ist. Das ist schon klar.

(Staatsminister Zuber: Vor allem ist er verfassungsgemäß!)

Wir würden ihn gern zumindest einmal lesen. Leider ist er noch nicht da. Deswegen diskutieren wir sozusagen über einen nicht vorhandenen Gesetzentwurf im Geist mit – das kann in der Realität nicht funktionieren –, statt uns mit dem auseinander zu setzen, was auf dem Tisch liegt. Ich bedauere das.

(Staatsminister Zuber: Die Verfassung interessiert Sie überhaupt nicht!)

Ich bin gespannt, was Sie bringen. Von Tag zu Tag, den Sie warten, muss es umfänglicher und qualitätsmäßig höher werden. Passen Sie nur auf, dass Sie nicht noch die Sommerpause brauchen. Dann muss es noch besser werden.

Ich will noch einen kleinen Punkt abarbeiten, den vorhin Kollege Schnabel zwischenrufend aufgebracht hat, nämlich die Frage der zweiten Regelung, die Sie vorsehen und von der ich behauptet habe, dass es die eigentlich schon gibt, und zwar kann sich jeder mit Vorschlägen zur allgemeinen Rückführung von Standards an die zuständigen Behörden wenden. Dieses Recht gibt es heute im Wege des allgemeinen Beschwerde- und Petitionsrechts. Natürlich können im Wege dieses Rechts Standards in Rede stehen. Nichts anderes fordern Sie jetzt noch einmal in Ihrem Gesetzentwurf, aber speziell für die Standards. Ich habe darauf hingewiesen, dass, bis zum Beweis des Gegenteils, dieser § 5, den Sie aufgeführt haben, überflüssig ist. Aber das ist nur eine Petitesse am Rand.

Ich danke Ihnen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Schnabel das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Regelungsflut von Standards bei unseren Kommunen, aber auch auf Landes-, Bundes- und europäischer Ebene, ist

mit Sicherheit keineswegs von uns in Zweifel zu ziehen. Ich glaube, wir haben in dieser Frage alle die gleiche Meinung.

Mein Kollege Michael Hörter hat gefragt, wer den Kollegen Schweitzer heute von der Leine gelassen hätte. Ich habe mir das überlegt und mich gefragt, ob es am Wetter liegt. Wenn auf der einen Seite unser Vorsitzender Christoph Böhr an das Rednerpult kommt und darum bittet zu versuchen, dieses interessante und wichtige Thema für die Kommunen gemeinsam zu lösen, dann muss man sich nicht wundern, wenn es am Ende zu nichts führt, wenn Herr Schweitzer so reagiert.