Protokoll der Sitzung vom 05.06.2003

Kündigung des Staatsvertrages Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Entschließung – – Drucksache 14/2252 –

Die Fraktionen haben sich auf eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion verständigt. Ich erteile Herrn Abgeordneten Baldauf für die Berichterstattung das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Durch Beschluss des Landtags vom 7. Mai 2003 ist der Gesetzentwurf an den Haushalts- und Finanzausschuss – federführend – und an den Rechtsausschuss überwiesen worden. Der Haushalts- und Finanzausschuss hat den Gesetzentwurf in seiner 29. Sitzung am 15. Mai 2003 beraten. Der mitberatende Rechtsausschuss hat den Gesetzentwurf in seiner 19. Sitzung am 3. Juni 2003 beraten. Die Beschlussempfehlung lautet jeweils: Der Gesetzentwurf wird angenommen.

Ich erteile Frau Abgeordneter Kohnle-Gros das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich kann mich kurz fassen. Die Ausschüsse haben nach der Debatte im Landtag vor wenigen Wochen diesen Staatsvertrag ausführlich beraten. Wir sind fraktionsübergreifend zu der Einschätzung gelangt, nachdem die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ein Rechtsgutachten zu der Frage beantragt hat, ob wir diesen Staatsvertrag brauchen, dass wir diesen Staatsvertrag wahrscheinlich gebraucht haben. Dennoch denke ich, dass die Rechtsfragen, die aufgeworfen worden sind, durch das Gutachten beantwortet worden sind. Sie sind insbesondere vor wenigen Tagen im Rechtsausschuss diskutiert worden.

Die Fraktion der CDU hält die Verlagerung der RheinMain Air Base von Frankfurt nach Ramstein und Spangdahlem für eine wichtige Entscheidung, auch für die Entwicklung der beiden Regionen. Es wird viel Geld in unsere Regionen fließen und eine Verbesserung im Hinblick auf den Arbeitsmarkt damit verbunden sein. Durch ein Gutachten der Universität Kaiserslautern wurde bestätigt, dass sich die Strukturen verändern werden. Wir beziehen uns ausdrücklich darauf.

Wir stimmen diesem Staatsvertrag zu, weil wir dem dahinter stehenden Staatsvertrag ausdrücklich zustimmen.

Ich bedanke mich.

(Beifall bei der CDU)

Es spricht Herr Abgeordneter Hartloff.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Rahmen ist vorgegeben. Es wurde ein Vertrag über die Verlagerung von Frankfurt nach Ramstein abgeschlossen. Das ist das Ziel der Vereinbarung. Das wird erfolgen und ist zurzeit in der baulichen Vorbereitung.

Unterschiedliche Auffassungen gab es dazu, ob ein Staatsvertrag hierzu notwendig ist. Ich mache keinen Hehl aus meiner Rechtsauffassung, dass er nicht notwendig ist, weil der Kabinettsbeschluss einen so genannten Haushaltsvorbehalt enthält. Das heißt, den anderen Vertragspartnern wurde mitgeteilt, dass diesen Verträgen unter Haushaltsvorbehalt zugestimmt wurde.

Nach vier Jahren wurde ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes eingeholt, der zu anderen Überzeugungen kam. Die Landesregierung hat daraufhin

gesagt: Dann machen wir halt den Staatsvertrag. Wir schließen uns dem an.

Jetzt könnte man meinen, dass das rechtsdogmatisch nicht ganz schlüssig ist, weil wir das andere gar nicht zu machen brauchen, wenn wir die Rechtsauffassung vertreten, dass das gar nicht notwendig ist.

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Dürfen wir gar nicht!)

Für Rechtsdogmatik – wenn man sagt, es sei möglicherweise ein Fehler, aber wir machen einen Schritt mehr – habe ich in der Praxis herzlich wenig übrig; denn es ist genau das Bemühen, das Parlament entsprechend damit zu befassen.

Darüber hinaus gibt es die Frage der Gesetzesnotwendigkeit und die Frage der Rückwirkung. Zur Frage der Rückwirkung wurde in einem weiteren Gutachten die Ausführung gemacht, dass die Rückwirkung möglich sei. Wenn ich einem Sachverhalt zustimme, der vorher schon gewirkt hat, signalisiere ich damit, dass ich den bereits entfalteten Wirkungen zustimme.

Frau Thomas, jetzt haben Sie einen Antrag auf Kündigung dieses Staatsvertrags gestellt, weil von der Ausführung her die Landebahn nicht verschwenkt wird, was in einem Annex des Vertrags enthalten ist.

Rechtlich klingt das sicherlich recht kompliziert. Diese Frage ist aber eine Frage, die nicht substanzieller Bestandteil dafür ist, weshalb das Parlament einem Staatsvertrag zustimmt, sondern das ist eine Frage, die dem Regierungshandeln vorbehalten ist. Deshalb trifft Ihre Formulierung nicht zu, die lautet: „Das Land RheinlandPfalz und die anderen Beteiligten haben offensichtlich im Genehmigungsverfahren die Festlegungen im Staatsvertrag bezüglich Ramstein missachtet. Daher ist eine Kündigung des Vertrages erforderlich.“ Das ist falsch. Wenn Sie einmal die so genannte SomaliaEntscheidung des Bundesverfassungsgerichts lesen, werden Sie dort finden, dass es einen Gestaltungsspielraum für die Exekutive, für die Regierung, gibt, wie sich so etwas rechtmäßig entwickelt. Das sind keine substanziellen Bestandteile, sondern das ist eine Frage der Ausführung.

Bei diesem Vertrag gibt es etwas Positives, nämlich die Bürgerbeteiligung, weil die Genehmigungsverfahren nach dem Luftverkehrsgesetz und dem Landbeschaffungsgesetz durchgeführt werden. Da wird geprüft, ob das rechtmäßig ist. Das wäre bei militärischen Anlagen sonst überhaupt nicht erforderlich. Das hat die Landesregierung erstritten, um den Vertrag vernünftig umsetzen zu können, weil wir natürlich wissen, dass die Bevölkerung durch eine solche Entscheidung auch belastet wird. Deshalb wird sie beteiligt. Deshalb ist das eine gute Entscheidung. Deshalb werden wir dem Vertrag auch so zustimmen. (Beifall der SPD und der FDP)

Ich erteile Frau Abgeordneter Thomas das Wort.

Meine Damen und Herren, in den vergangenen Debatten ist deutlich geworden, dass wir zu unterschiedlichen Bewertungen in Bezug auf die Ausbaumaßnahmen, die Verlagerungen und den Nutzen für die Regionen Westpfalz und Eifel kommen werden. Das können wir jetzt in fünf Minuten auch nicht aufholen. Frau Kohnle-Gros, nur so viel an Sie und auch an die Regierungsfraktionen: Wir sind der Auffassung, dass Sie kurzfristige wirtschaftliche Vorteile in der Abwägung zu hoch bewerten.

(Zuruf der Abg. Frau Kohnle-Gros, CDU)

Durch die Erweiterungsmaßnahmen erfolgt eine langfristige Belastung der Menschen und der Umwelt. Dadurch werden aber auch die Entwicklungsmöglichkeiten der Regionen eingeschränkt. Das reicht hin bis zu dem Punkt, dass wir uns auch in der begründeten Skepsis und in der Kritik an der veränderten sicherheitspolitischen Strategie der USA unterscheiden, die auch Auswirkungen auf Einsatzstandorte und Militärstandorte hat. Das will ich nur voranschicken. Das steht aber in der Diskussion um den Staatsvertrag nicht im Zentrum, sondern ich möchte gern noch auf die Punkte eingehen, die Herr Hartloff angesprochen hat.

Mit der Vorlage des Staatsvertrags räumt die Landesregierung schon ein, dass die Aussagen im Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Landtags zu Recht getroffen wurden und unsere Forderung nach Beteiligung des Parlaments zu Recht erhoben wurde. Ich bin der Meinung, dass auch die Landesregierung nicht in Gänze Ihre Auffassung teilt, es wäre kein Staatsvertrag notwendig gewesen; denn aus dem Justizministerium war schon zu hören, dass ohne die Übertragung des Haushaltsvorbehalts in den Staatsvertrag, was offensichtlich vom Finanzministerium versäumt wurde, eine solche Wirksamkeit nicht eingetreten wäre. Herr Hartloff, das ist allein Ihre Linie, oder Sie liegen da zumindest nicht auf einer Linie mit der Landesregierung; denn sonst hätte sie sicherlich rechtsdogmatisch überhaupt keinen Vertrag vorlegen müssen.

Sie bringt uns aber damit irgendwie schon in eine absurde Situation. Zum einen wissen wir alle, dass wir eigentlich den Mangel der vorauslaufenden Zustimmung damit nicht heilen können. Man kann dem nur noch im Nachhinein zustimmen. Eine Heilung im materiellen Sinn kann so nicht stattfinden. Herr Mertes, Sie schauen so skeptisch. Das ist keine Haarspalterei

(Mertes, SPD: Mindestens!)

und keine juristische Finesse, sondern das ist schon ganz wesentlich für das Verhältnis zwischen Regierung und Parlament. Das ist etwas, worauf wir als gesamtes Parlament schon achten sollten.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für uns ist zum anderen nach wie vor ungeklärt – dazu vermisse ich nach wie vor eine schriftliche Stellungnahme der Landesregierung, die uns eigentlich im Rahmen der Beratungen im Haushalts- und Finanzausschuss zugesagt worden ist –, ob der Staatsvertrag völkerrecht

lich wirksam zustande gekommen ist. Auch das zweite Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Landtags lässt es zu, zumindest auch die Position zu vertreten, dass das völkerrechtlich unwirksam sein kann, wenn das in dieser Form zustande gekommen ist.

(Zuruf der Abg. Frau Kohnle-Gros, CDU)

Ich habe aber das Gefühl, das interessiert überhaupt nicht. Frau Kohnle-Gros, Sie schon gar nicht. Sie gehen nach dem Motto vor „Augen zu und durch“ und wollen diese Frage gar nicht verteilt geklärt haben.

(Frau Kohnle-Gros, CDU: Das ist doch gar nicht wahr!)

Wir halten diese Frage aber für wichtig, und wir halten es für problematisch, dass diese Frage nicht eindeutig und vor allem nicht über eine schriftliche Stellungnahme der Landesregierung geklärt wurde. Meine Damen und Herren, das sind Mängel im gesamten Verfahren, auf die wir hinweisen wollen.

Jetzt zu dem letzten Punkt, den wir über einen Entschließungsantrag eingebracht haben, auf den wir uns beziehen. Da geht es noch einmal um die Absurdität dieser gesamten Abstimmungssituation. Wir sollen heute über einen Staatsvertrag beschließen, wissen aber, dass das, was derzeit geplant wird, eigentlich darin nicht mehr abgebildet ist. Das bezieht sich auf eine Frage, die nicht das größte Finanzvolumen darstellt, die aber auch nicht unwesentlich ist, weil es um die Nutzung und Ausrichtung der Start- und Landebahn geht. Dies ist verändert worden. Dem sollen wir aber heute in dieser Form zustimmen. Das ist mehr als eine absurde Situation.

Im Haushalts- und Finanzausschuss wurde noch einmal darauf hingewiesen, dass die Veränderungen aus verschiedenen Gründen erfolgt sind. Es wurde nicht dargestellt, dass sich die Landesregierung für die Verschwenkung, die mit einem größeren Finanzvolumen hätte umgesetzt werden müssen, eingesetzt hat. Deshalb haben wir unseren Entschließungsantrag eingebracht und wollen ihn auch abgestimmt sehen, weil wir der Meinung sind, dass die Landesregierung zunächst rechtsstaatliche Grundsätze ignoriert hat, als sie auf eine Zustimmung des Parlaments verzichtet hatte. Heute wird das Parlament in irgendeiner Form missbraucht – ich sage das jetzt nicht in juristischer Form –, indem man eine Planung und einen Vertrag in dieser Form dem Parlament zur Zustimmung vorlegt.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb werden wir dem Staatsvertrag nicht zustimmen und unseren Entschließungsantrag zur Abstimmung stellen.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Hartloff für eine Kurzintervention das Wort.

Frau Kollegin Thomas, zunächst darf ich noch einmal kurz auf die Frage des Haushaltsvorbehalts eingehen. Unter § 10 des Vertrags steht in der Vereinbarung, dass dieser unter dem Vorbehalt der Zustimmung durch den Ministerrat des Landes Rheinland-Pfalz steht. Vor dieser Zustimmung hat der Ministerrat beschlossen, dass seine Zustimmung mit dem Haushaltsvorbehalt gegeben wird. Die Zustimmung steht also nur unter diesem Vorbehalt. Das ist so verknüpft und an § 10 so angedockt. Aus meiner Sicht kommt das im ersten Gutachten zu wenig zum Ausdruck. So viel zu diesen Fragen.

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie haben gehört, was Herr Mertin im Rechtsausschuss gesagt hat!)

Ich habe das noch einmal klargestellt: Am 21. Dezember ist damals das Schreiben zugegangen, und am 23. Dezember wurde ratifiziert.

In der Somalia-Enscheidung steht: „Das Mitwirkungsrecht des Parlaments“ – in diesem Fall bezogen auf den Bundestag – „nach Artikel 59 ist zugleich auch begrenzt, und zwar in verfahrensmäßiger wie in gegenständlicher Hinsicht. Die Bundesregierung führt in eigener Kompetenz die Vertragsverhandlungen und hat das Initiativrecht für ein Zustimmungsgesetz im Sinne des Artikels 59 und bestimmt gegenüber dem Gesetzgeber den Vertragsinhalt, den dieser, sofern der Vertrag nicht Entscheidungsspielräume offen lässt, nur insgesamt billigen oder ablehnen kann.“

Das Zustimmungsgesetz enthält auch nur eine Ermächtigung. Es überlässt also der Bundesregierung die Kompetenz zu entscheiden, ob sie den völkerrechtlichen Vertrag abschließt und nach seinem Abschluss Völkerrecht beendet oder aufrechterhält.

Die weiteren Änderungen sind in der Rechtsprechung auch so zitiert, dass es dynamische Entwicklungen in Verträgen geben kann und muss. Das ist notwendig. Nichts anderes geschieht. Es sind juristische Fragen, die wir in diesem Zusammenhang besprechen, die man auch juristisch beurteilen muss. Man kann sie aber natürlich auch politisch beurteilen. Dann sage ich: Politisch gewollt ist die Verlagerung nach Ramstein und nach Spangdahlem. (Beifall der SPD und der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Frau Kollegin, dies nicht deshalb, weil wir die kurzfristigen Effekte wirtschaftlicher Art überschätzen, sondern weil wir dauerhafte Standortsicherung im Sinne der Regionen damit betreiben wollen und gleichzeitig in Frankfurt Spielräume über zehn Jahre erweitern wollen.

(Zuruf der Abg. Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)