Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die CDU-Fraktion hat diese Aktuelle Stunde beantragt, um im Parlament über die Zukunft des Handwerks unseres Landes zu sprechen.
Wir tun dies vor dem Hintergrund der Absicht der Bundesregierung, sowohl die Strukturen als auch die wirtschaftlichen Grundlagen des Handwerks gravierend zu verändern.
Meine Damen und Herren, das Handwerk ist nach wie vor ein wichtiger Eckpfeiler der deutschen Wirtschaftsordnung. Mehr als 520.000 junge Menschen nutzen Handwerksbetriebe als Einstieg in das Berufsleben. Die Ausbildungsbereitschaft liegt mit 10 % dreimal so hoch wie der Bundesdurchschnitt anderer Betriebe. 417 Milliarden Euro Umsatz im Jahr 2002 und mehr als 5,3 Millionen Arbeitsplätze in rund 580.000 Betrieben unterstreichen den Stellenwert des Handwerks sehr eindrucksvoll.
Die Auswirkungen einer verfehlten Wirtschaftspolitik machen aber auch vor diesem erfolgreichen Wirtschaftszweig nicht Halt. Umsatzrückgänge, Insolvenzen und rückläufige Beschäftigungszahlen sind die Folge.
Meine Damen und Herren, nicht das Handwerk, sondern Rotgrün hat mit den ökonomischen Fehlentscheidungen der vergangenen Jahre die Ursache für die aktuelle Misere gesetzt.
Meine Damen und Herren, in diesen Tagen und Wochen erreicht uns in nie da gewesener Fülle eine Anzahl von Briefen und Anrufen, nicht nur von Kammern und Verbänden, sondern auch von Betriebsinhabern, Familienbetrieben und einzelnen Handwerksmeistern. Das sind keine Standardschreiben, die organisiert verschickt werden, sondern zum großen Teil ganz persönliche, sorgenvolle Briefe.
Der massive Protest der Handwerksbetriebe in ihrer ganzen Breite sollte uns allen sehr zu denken geben. Man muss von einem regelrechten Aufstand der Basis sprechen.
Deshalb muss sich auch diese Landesregierung darüber im Klaren sein, ob sie Reformen mit oder gegen die Menschen machen will.
Ich möchte, da mir nur fünf Minuten zur Verfügung stehen, nur einige wichtige Punkte aufgreifen, die nach dem Konzept von Herr Clement wesentlich verändert werden sollen.
1. Der Meisterbrief: Er hat sich bewährt und muss uns eres Erachtens als Qualitätssiegel des deutschen Handwerks erhalten bleiben.
Der von der Bundesregierung geplante Kahlschlag der Meisterberufe schießt weit über das Ziel einer verantwortlichen Anpassung an geänderte Verhältnisse hinaus. Es geht nicht nur um den Gefahrenaspekt. Unseres Erachtens müssen es drei Kriterien sein, die den großen Befähigungsnachweis notwendig machen, nämlich die Ausbildungsleistung, die Gefahrengeneigtheit und der Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter.
Anhand dieser Maßstäbe wird der große Befähigungsnachweis auf eine solide zukunfts- und europafeste Grundlage gestellt.
2. Es muss eine Option für solche Gewerbe geben, die nicht in der Anlage A der Handwerksordnung aufgeführt sind. Das sind Gewerbe, die aufgrund der Gefahrengeneigtheit oder dem Umweltschutzaspekt nicht in der Anlage A enthalten sind und das Ausbildungskriterium nur knapp unterschreiten.
Auch diese Gewerbe müssen eine zweijährige Optionschance für mehr Ausbildung bekommen. Damit werden nachhaltige Ausbildungsanreize gesetzt, die mehr jungen Menschen eine Ausbildung und einen Einstieg in das Berufsleben ermöglichen.
3. Qualitätssicherung muss auch für die Berufe in der Anlage B gewährleistet bleiben. Dies bedeutet, dass für alle Berufe im ersten Abschnitt der Anlage B der Gewerbeordnung sowohl die Gesellenprüfung als auch der Leistungsnachweis ausreichender Ausbildungsqualitäten zur Existenzgründung obligatorisch sein müssen. Gleichzeitig muss diesen Berufen die Option zum Erwerb des großen Befähigungsnachweises weiter offen stehen.
4. Die von der Bundesregierung geplante Sonderregelung der Altgesellen, die sich nach zehn Jahren Berufserfahrung und fünfjähriger Tätigkeit in – wie es heißt – herausgehobener verantwortlicher oder leitender Stellung auch ohne Meisterbrief in der Anlage A selbstständig machen dürfen, lehnen wir strikt ab.
5. Die über die so genannten Ich-AGs möglichen Betriebsgründungen müssen auf handwerkliche Tätigkeiten der Anlage B beschränkt bleiben. Sie führen zwar zu einer wirklichen Scheinselbstständigkeit, sie schaffen aber – so auch der DGB – im Wesentlichen keine Arbeitsplätze und lösen damit unsere Probleme nicht.
Meine Damen und Herren, vonseiten der Landesregierung ist bis heute leider keine verbindliche, eindeutige Position zu erkennen. Aus den Regierungsparteien, erst recht auf Bundesebene, ist sehr Unterschiedliches zu hören.
Das Parlament und die Handwerksbetriebe haben ein Recht zu erfahren, wie sich diese Landesregierung beim Gesetzgebungsverfahren verhalten und entscheiden wird.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Wirz, ich stimme mit dem, was Sie zu der Wichtigkeit des Handwerks und der hohen Leistung, die das Handwerk sowohl in unserer Wirtschaft als auch im Ausbildungsbereich erbringt, zu. Das ist ein wichtiger Fakt. Das sollte man anerkennen und auch bei den jetzt anstehenden Novellierungen nicht vergessen.
Aber wir alle wissen, dass Reformen kommen müssen, und zwar schnell. Wir alle wissen, dass es sich keinesfalls um revolutionäre Neuerfindungen handelt, sondern es fast immer Anpassungen an veränderte Wirklichkeiten sind.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das gilt auch für die Handwerksordnung. Wenn wir davon absehen, dass geringfügige Kleinigkeiten geändert wurden, besteht diese Handwerksordnung mittlerweile 50 Jahre. Wenn wir uns anschauen, dass der Meisterzwang im Vorfeld einen hohen Aufwand an Zeit und finanziellen Ressourcen der einzelnen fordert, dann ist das auch ein gewisses Hemmnis für viele junge Leute, diese Meisterprüfung zu machen und damit in die Selbstständigkeit zu gehen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, bei aller Diskussion, die wir führen, sollten wir uns vor Augen halten, dass die deutsche Handwerksordnung nicht erst, seitdem die Bundesregierung Reformvorschläge zur Änderung der Handwerksordnung eingebracht hat, in der Kritik steht, sondern seit vielen Jahren.
Anfang der 90er-Jahre forderte die damals eingesetzte Deregulierungskommission, die Zugangsregulierungen der Handwerksordnung verbunden mit der Einstellung der Gewerbefreiheit abzuschaffen.
Im Jahr 1997 plädierte die beim Bundeskartellamt angesiedelte Monopolkommission für eine umfassende Deregulierung des Handwerksrechts. Im Jahr 2000 stellte die Monopolkommission in einem Sondergutachten fest, die Handwerksordnung sei eine verkrustete, bis ins Mittelalter zurückreichende Verordnung, die die Schaffung neuer Arbeitsplätze behindere.
Am 3. Oktober 2000 urteilte der Europäische Gerichtshof, dass Vorschriften der Deutschen Handwerksordnung dem Grundsatz der Dienstleistungsfreiheit des Gemeinschaftsvertrags widersprächen. Die Monopolkommission veröffentlichte daraufhin auf der Grundlage des Urteils Ende des Jahres 2000 ein Sondergutachten zur Reform der Handwerksordnung. Auf der Basis des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen forderte sie die Abschaffung des großen Befähigungsnachweises als Voraussetzung für den Marktzutritt im Handwerk.
Auch der Zentralverband des Deutschen Handwerks arbeitete an einem Konzept zur Reform der Handwerksordnung. An dieser Stelle zitiere ich Herrn Lambsdorff: Die Union liegt mit ihrer Gegnerschaft zur geplanten Reform des Handwerksrechts ordnungspolitisch falsch.
Meine Damen und Herren, unstrittig ist sicher, dass die Regelungen der Handwerksordnung nicht mehr zeitgemäß sind. Wir müssen sie anpassen und verändern. Der hartnäckige Widerstand der Kammerfunktionäre und der CDU gegen eine Liberalisierung der Handwerksordnung steht im krassen Gegensatz zu den Ratschlägen der Fachleute. Das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung urteilt richtig, indem es die Novelle zur Handwerksordnung befürwortet, weil sie nicht mehr zeitgemäße Strukturen aufbricht und für mehr Wettbewerb sorgen will.
Meine Damen und Herren, im Wesentlichen teilen wir die Auffassung der Bundesregierung, wenn es darum geht, dass das neue Handwerksrecht weiterhin den hohen Rang des Meisterbriefs als Qualitätssiegel für die Zukunft stärken wird.
Wir sind davon überzeugt, dass der Meisterbrief weiterhin ein Wettbewerbsvorteil sein und damit deutlich machen wird, dass vom Kunden Qualität gefordert wird. Der große Befähigungsnachweis wird zukunfts- und europafester werden und – das ist ein ganz wichtiger Punkt, Herr Wirz – die Inlandsdiskriminierung wird vermieden werden. Das vorhandene Potenzial der Wachstums- und Innovationschancen wird gehoben. Es wird zu einer höheren Nachfrage nach handwerklicher Dienstleistung führen. Es wird mehr Existenzgründungen, mehr Beschäftigung und mehr Ausbildung im Handwerk geben.
Daher halten wir es für realistisch, dass durch eine entschlossene Liberalisierung mehr als 100.000 Stellen geschaffen und die Ausbildungskapazitäten gestärkt werden können.
Lassen Sie mich noch einen Abschlusssatz sagen. Ich befinde mich derzeit gemeinsam mit meiner Frau mit sieben Gewerben in einer massiven Umbaumaßnahme. Seitdem Hans-Artur Bauckhage nicht mehr in der Backstube steht, muss ich mein Brot bei einem hervorragenden Bäcker kaufen, der das beste Siegerländer Schwarzbrot backt. Die Leute haben mir gesagt: Wir sind so selbstbewusst, dass wir wissen, was ein Meister im Handwerk ausmacht. Wir wissen ganz genau, dass uns weder die Meisterprüfung noch die Handwerksord
nung rettet, wenn wir schlecht sind. Sie rettet uns weder vor Insolvenz noch vor einem wirtschaftlichen Rückgang. Wir wissen, dass sich Handwerksmeister am Markt behaupten müssen. – Dieses Selbstbewusstsein haben die Handwerksmeister. Nehmen Sie ihnen das Ghetto und lassen Sie sie am Markt agieren! Dann werden Sie sehen, dass die Handwerksordnung revidiert werden muss.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich will meine Rede ein bisschen anders als Herr Kollege Schwarz beginnen. Die CDU treibt mich langsam zur Verzweiflung. Der Fraktionsvorsitzende der CDU stellt sich ans Pult und sagt: Wir brauchen drastische Reformen, dringend Innovationen und die Umsetzung von dem, was uns in die Zukunft führt. – Er sagt uns aber nie, was wir brauchen. Er sagt nur, dass wir dringend Reformen brauchen würden. Jetzt gehen wir einmal einen reformistischen Schritt an die Handwerksordnung heran. (Kuhn, FDP: Wer ist wir?)