Protokoll der Sitzung vom 11.12.2003

Unbeschadet dessen steht es Landwirten selbstverständlich frei, auf freiwilliger Basis etwa im Rahmen einer kollektiven Selbstverpflichtung auf den Anbau gentechnisch veränderter Nahrungsmittel in bestimmten Regionen zu verzichten.

Man sollte sich keine Illusionen machen. Auch GVOfreie Zonen setzen wirksame Regeln zur Koexistenz von Gentechnik und konventioneller bzw. ökologischer Landwirtschaft voraus. Diese müssen aber erst noch entwickelt werden.

Zu Frage 3: Ziel der Landesregierung ist es, denkbare nachteilige Auswirkungen der Anwendung der Gentechnik in der Landwirtschaft durch die Erarbeitung angemessener Regeln für die Koexistenz der verschiedenen landwirtschaftlichen Wirtschaftsformen zu vermeiden oder zu vermindern.

Die Europäische Kommission hat am 23. Juli 2003 eine Empfehlung mit Leitlinien für die Erarbeitung einzelstaatlicher Strategien und geeigneter Verfahren für die Koexistenz gentechnisch veränderter, konventioneller und ökologischer Kulturen abgegeben. Diese Empfehlung – es wurde bewusst keine Richtlinie oder Verordnung erlassen – lässt Raum für eine einzelstaatliche oder sogar regionale Vorgehensweise. Dänemark hat eine Koexistenz-Strategie entwickelt, die bereits mit den beteiligten Kreisen und der Öffentlichkeit diskutiert wurde und in ein Gesetz einmünden soll, das 2004 zur Verabschiedung ansteht.

Auch in der Bundesrepublik ist diese Debatte in Gang. Unter anderem haben sich die Agrarminister sowie die Umweltminister mit dieser Frage beschäftigt. Die Bundesregierung wurde gebeten, die erforderlichen Rah

menbedingungen für den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen zu schaffen und damit einerseits der anstehenden Aufhebung des Moratoriums Rechnung zu tragen und andererseits Verbraucher- und Umweltschutz, Wahlfreiheit und Transparenz sowie Koexistenz und Haftungsfragen sicher zu regeln.

Ein erster Referentenentwurf aus dem Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft zur Regelung dieser Fragen im Rahmen einer Novellierung des Gentechnikgesetzes ist auch schon bekannt geworden. Er bedarf allerdings einer sorgfältigen Prüfung.

Dabei werden vielfältige Fragen einzubeziehen sein. So bestehen große Unterschiede im Ausbreitungspotenzial verschiedener Nutzpflanzenarten. Das heißt, damit sind auch die Kontaminationsmöglichkeiten unterschiedlich. Bei manchen Kulturen mag keine oder eine geringe Kontaminationsgefahr bestehen, während für andere Kulturen sinnvolle Isolationsmaßnahmen festgelegt werden müssen, um eine ungewollte Fremdbestäubung oder Verschleppung von Saatgut oder Erntegut im Interesse einer Koexistenz unterschiedlicher Erzeugungsformen zu minimieren.

Allerdings lässt sich noch nicht abschließend die Frage beantworten, inwieweit und unter welchen Bedingungen eine Koexistenz zwischen gentechnikfreien und gentechnisch veränderten Organismen in der Landwirtschaft möglich ist. Mit dieser Frage beschäftigen sich zurzeit gerade zwei Facharbeitsgruppen der Umweltministerkonferenz.

Klar ist auch, dass wir uns hier in einem Spannungsfeld befinden. Einerseits steht den Akteuren der grünen Gentechnik die wirtschaftliche Freiheit zur Anwendung und zum Inverkehrbringen dieser modernen Technologie zu. Andererseits sollen Landwirte und Verbraucher die Wahlmöglichkeit haben, gezielt konventionelle, ökologische oder auch gentechnisch veränderte Pflanzen zu kultivieren bzw. zu konsumieren. Was nutzt in diesem Fall die Kennzeichnungspflicht, wenn es keine europaweit funktionierenden Regelungen zur Koexistenz gibt? Dieses zentrale Problem lösen regionale Initiativen allein nicht.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD und der FDP)

Eine Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Kiltz.

Frau Ministerin, ist Ihrem Haus bekannt, dass es in Baden-Württemberg Fälle gegeben hat, in denen Kühe erkrankt sind und es nicht auszuschließen ist, dass diese Erkrankungen auf den jahrelangen Genuss von gentechnisch veränderten Futtermitteln zurückzuführen sind? Wie bewerten Sie das?

Frau Abgeordnete Kiltz, wenn Sie den Fall ansprechen, der vor kurzem in „Report“ Schlagzeilen gemacht hat, es handelt sich dabei um einen landwirtschaftlichen Betrieb, bei dem die Erkrankung oder der Tod von einigen Kühen auf die frühere Anpflanzung und Verzehr von BT-Mais zurückgeführt worden ist. Mir ist die Debatte bekannt, mir sind auch verschiedene Stellungnahmen bekannt, ohne dass ich in der Lage bin, dies abschließend zu bewerten.

Eine weitere Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Kiltz.

Frau Ministerin Conrad, Ihre Vorgängerin hat mir vor einigen Jahren im Rahmen einer Großen Anfrage auf die Frage nach der Koexistenz geantwortet, notfalls müsse der ökologische Anbau seine Richtlinien ändern, wenn Verunreinigungen durch gentechnischen Transfer nicht auszuschließen wäre. Teilen Sie diese Auffassung?

Frau Abgeordnete, ich habe eben deutlich gemacht, was ich für notwendig halte bzw. was wir für notwendig halten, um einer „klaren“ Trennung, einem Nebeneinander, aber nicht Vermischen von unterschiedlichen Lebensmittel- und Produktionsformen tatsächlich eine Chance zu geben.

Es ist so, dass – ich sage das einmal salopp – die EUKommission bewusst dieses heiße Eisen nicht angefasst hat und sich an dieser Stelle auf das Subsidiaritätsprinzip bezogen hat. Gerade die aktuelle Debatte in der Bundesrepublik, und im Übrigen auch die Diskussion, wie sie von den Bauern- und Winzerverbänden, aber auch von Naturschutzverbänden geführt wird, geht genau in diese Richtung: Reichen an dieser Stelle zum Schutz der Verbraucher, im Interesse einer klaren Kennzeichnung und Wahlmöglichkeit der Verbraucherinnen und Verbraucher zum Schutz der Landwirtschaft und ihrer unterschiedlichen Produktionsweisen tatsächlich einzelstaatliche Regelungen, oder braucht man nicht europaweite klare Regelungen, weil auch Produkte und Saatgut an den Grenzen nicht mehr Halt machen.

Insofern ist das eine spannende Diskussion. Ich tendiere im Interesse von fairen Wettbewerbsbedingungen in der Tat an dieser Stelle für europaweite klare Regelungen, die dann auch Sicherheit schaffen.

(Beifall bei SPD und FDP)

Eine Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Schäfer.

Frau Ministerin, eine Voraussetzung für Wahlfreiheit ist Information. Wir wissen aus vielen Umfragen, dass sich viele Verbraucher über die grüne Gentechnik nicht richtig informiert fühlen. Was gedenkt die Landesregierung zu tun, um die Verbraucher zu informieren?

Sehr geehrte Frau Abgeordnete, dies ist eine bundesweite Debatte, eine Diskussion, in der wir zusammen ressortübergreifend Aufklärung leisten müssen. Ich glaube sehr wohl, dass es in der Bevölkerung Ängste und Vorbehalte gibt, die nicht gerechtfertigt sind.

(Vereinzelt Beifall bei der FDP)

Umgekehrt ist es aber auch so, dass wir an vielen Stellen ein echtes Kommunikationsproblem haben, wie die heutige Debatte zeigt, weil wir zurzeit noch nicht die Formen kennen und die Maßnahmen genau beschreiben können, um tatsächlich sicherzustellen, dass Verbraucherschutz und Information gewährleistet ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich halte es auch vor dem Hintergrund Ihrer Frage für enorm wichtig, dass diese Debatte offen, fair und möglichst emotionsfrei sowie sehr stark auf wissenschaftlicher Basis geführt wird.

(Vereinzelt Beifall bei SPD und FDP)

Ich halte das im Interesse der Transparenz für notwendig. Ich weiß aber auch um die Anfälligkeit gerade der Diskussion über Verbraucherschutz oder Lebensmittelsicherheit für reißerische Parolen. Deswegen mache ich mir keine Illusionen, dass es eine schwere Aufgabe wird, dies hier wirklich vorurteilsfrei und vorbehaltsfrei in der Öffentlichkeit zu kommunizieren. Wir werden uns diesem Weg verschreiben.

(Beifall bei SPD und FDP)

Ich sehe keine weiteren Fragen. Die Mündliche Anfrage ist beantwortet.

Vielen Dank, Frau Ministerin.

Wir kommen nun zur Mündlichen Anfrage des Abgeordneten Dr. Peter Schmitz (FDP), Praxisgebühr – Nummer 5 der Drucksache 14/2732– betreffend.

Bitte schön, Herr Dr. Schmitz.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie weit sind die Planungen zur Umsetzung der vorgesehenen Praxisgebühr gediehen, und welche

konkreten Einzelregelungen sind bislang vorges ehen bzw. geplant?

2. In welcher Weise wirken sich Überweisungen und die Reihenfolge der aufgesuchten Leistungserbringer auf die Gesamthöhe der in einem Quartal zu leistenden Gebühren konkret aus, und inwieweit entspricht die Höhe der Zuzahlung (10 Euro) bei zum Beispiel ausschließlicher Inanspruchnahme der Leistungsposition BEMA „Ä 1“ (Honorar ca. 5 Euro) dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit?

3. Wenn ein Sozialhilfeempfänger als Notfall die 10 Euro nicht zahlt, er auch wegen der Unpfändbarkeit der Sozialhilfezahlungen nicht in Anspruch genommen werden kann, muss dann das Sozialamt zahlen oder der Leistungserbringer dennoch zehn Euro an die Kasse abführen?

4. Welche Kosten werden den Leistungserbringern voraussichtlich durch die Ausstellung der Quittung oder aber das Inkassorisiko entstehen, und inwieweit ist hier an eine Kompensation gedacht?

Es antwortet Frau Gesundheitsministerin Malu Dreyer.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Herren und Damen! Die Mündliche Anfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schmitz beantworte ich für die Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: Von 2004 an zahlen gesetzlich Versicherte eine Praxisgebühr von 10 Euro pro Quartal bei erstmaliger Inanspruchnahme eines Arztes, ganz gleich, ob es sich um einen Hausarzt, einen Facharzt oder einen Psychotherapeuten handelt. Wenn die Versicherten dann mit Überweisung zu weiteren Ärzten gehen, brauchen sie die Praxisgebühr nicht noch einmal zu zahlen. Das bedeutet: Die Praxisgebühr fällt nur einmal pro Quartal an, egal, wie oft die Versicherten zum selben Arzt gehen, oder egal, wie viele Ärztinnen und Ärzte sie mit Überweisung aufsuchen.

Auch wenn sich Versicherte im Krankenhaus ambulant behandeln lassen wollen, bezahlen sie die Praxisgebühr von 10 Euro, es sei denn, sie haben eine Überweisung.

Beim Zahnarzt muss eine separate Praxisgebühr bezahlt werden. Eine „praxisgebührbefreiende“ Überweisung vom Hausarzt zum Zahnarzt ist nicht möglich. Die Zahlung entfällt aber bei den jährlichen Kontrolluntersuchungen beim Zahnarzt.

Vorsorge- und Früherkennungsuntersuchungen und Schutzimpfungen bleiben generell kostenfrei, ebenso die jährlichen zahnärztlichen Kontrolluntersuchungen im Rahmen der Bonusregelung; denn es ist ein wichtiges Ziel der Gesundheitsreform, die Prävention zu fördern

und das Engagement der Versicherten für die eigene Gesundheit zu stärken.

Kinder bis zum vollendeten 18. Lebensjahr sind generell von Zuzahlungen befreit, damit also auch von der Praxisgebühr.

Auch chronisch kranke Patientinnen und Patienten bezahlen die normale Praxisgebühr. Auf ihre besondere Situation wird jedoch durch eine geringere Belastungsobergrenze Rücksicht genommen. Sie müssen jährlich nicht 2 %, sondern maximal 1 % ihrer Bruttoeinnahmen an Zuzahlung leisten.

Die gesetzlichen Krankenkassen müssen ihren Versicherten ab dem Jahr 2004 eine hausarztzentrierte Versorgung anbieten. Dazu können die Kassen mit Hausärzten entsprechende Verträge schließen. Wenn Versicherte daran teilnehmen wollen, dann verpflichten sie sich gegenüber ihrer Krankenkasse, ausschließlich einen bestimmten Hausarzt zu besuchen. Im Gegenzug können sie von ihrer Krankenkasse eine Ermäßigung bei den Praxisgebühren oder einen anderen Bonus bekommen.

Dasselbe gilt für die Teilnahme an Chronikerprogrammen oder für die regelmäßige Teilnahme an Früherkennungsuntersuchungen: Ihre Krankenkasse kann ihnen eine Ermäßigung bei den Praxisgebühren gewähren.