Protokoll der Sitzung vom 18.03.2004

Das Wort hat Herr Abgeordneter Pörksen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich empfehle Ihnen doch einmal, lesen Sie das Urteil. Man kann keine Leitsätze nehmen und daraus eine Schlussfolgerung ziehen. (Zuruf der Abg. Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist juristisch sehr gefährlich, Frau Kollegin.

Wenn Sie zitieren, dass sich das Bundesverfassungsgericht mit der Frage der Strafverfolgung beschäftigt hat, dann können Sie daraus nicht schließen, dass es Gleiches meint bei der Prävention. Das können Sie nicht einfach so machen.

Es hatte sich nur mit der Strafverfolgung zu beschäftigen, mit der StPO, und nicht mit dem POG oder ähnlichen Gesetzen.

(Zuruf der Abg. Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Von daher ist diese Analogie nicht zulässig, die Sie vornehmen.

(Staatsminister Zuber: Es liegt noch nicht einmal vor!)

Man kann durchaus der Auffassung sein, dass dieser Kernbereich auch bei der Prävention geschützt ist. Dieser Auffassung kann man durchaus sein. Ich halte es nicht für abwegig. Im Gegenteil, ich halte sie sogar für sehr nahe liegend.

Aber so zu tun, als wäre das sogar entschieden, das ist ein absoluter Irrglaube, den Sie nicht verbreiten sollten.

(Zuruf der Abg. Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielleicht nur ganz kurz noch zu einem dritten Bereich – ich hatte etwas zum Straftatenkatalog gesagt –, der verfahrensrechtlichen Sicherung:

Der Minister hat schon kurz darauf hingewiesen, dass man es mit einer richterlichen Genehmigung zu tun hat. Nun hat das Bundesverfassungsgericht nur über eine richterliche Genehmigung von einem Monat entschieden, hat dazu nichts gesagt, sondern hat einen Monat für ausreichend oder auch nicht für zu lang gehalten bei der Entscheidung, die sehr häufig erfolgen soll: die richterliche Kontrolle.

Wir haben drei Monate. Man muss darüber nachdenken, ob das richtig ist, ob wir das bei drei Monaten belassen können oder diese Frist entsprechend kürzen müssen.

Das Gleiche gilt natürlich bei der Frage, ob bei dringender Gefahr oder – wie es bei uns heißt – bei Gefahr im

Verzug dann eine Verordnung durch den Behördenleiter erfolgen darf. Mit dieser Frage hat sich das Gericht nicht auseinander gesetzt. Aber es sagt sehr deutlich, wie hoch die richterliche Anordnung zu werten ist, wie wichtig sie ist. Von daher meine ich, ist dieser Punkt auch noch einmal von uns zu erörtern.

Die Frage der Mitteilung haben wir in § 40 entsprechend der Entscheidung des Sächsischen Verfassungsgerichtshofs geregelt, dass auch dann, wenn ein verdeckter Ermittler dann nicht mehr seine Arbeit weitermachen kann, die Benachrichtigung seitens der zuständigen Stelle zu erfolgen hat. Das haben wir mit unserem Gesetz aufgegriffen.

(Zuruf der Abg. Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist ein ganz schmaler Bereich, ein sehr wichtiger Bereich – gar nicht abgestritten – in unserem Gesetz, den wir einer Kontrolle unterziehen müssen. Das werden wir in aller Ruhe und Beständigkeit tun, wenn wir die entsprechenden Unterlagen, die Stellungnahmen der Ministerien und die unseres Wissenschaftlichen Dienstes vorliegen haben.

Wir werden uns nicht bis zum 30. Juni nächsten Jahres Zeit nehmen.

(Glocke des Präsidenten)

Aber wir werden die Zeit haben, bis wir die entsprechenden Gutachten vorliegen haben.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD und der FDP)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Schneiders.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich hätte nach dem Beitrag meiner Kollegin Frau Kohnle-Gros, des Herrn Pörksen und vor allem des Innenministers auf meine Wortmeldung verzichten können, wenn nicht Frau Grützmacher erneut die Dinge falsch in den Raum gestellt und falsch interpretiert hätte.

Es sei noch einmal ganz deutlich gesagt, dass sich dieses Urteil mit der Strafprozessordnung befasst und nur insoweit für die repressive Strafverfolgung Verfassungswidrigkeit einiger Bestimmungen des § 100 c ff StPO festgestellt hat.

(Zuruf der Abg. Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist kein Wort zum rheinland-pfälzischen POG gesagt worden. Niemand verwehrt Ihnen aber, diese Frage im Parlament aufzuwerfen: Könnte das denn Auswirkungen auf unser rheinland-pfälzisches POG haben?

Aber das machen Sie in dieser Form nicht. Sie fragen nur, wie es weitergehen soll und Sie sagen:

Unser POG ist nicht verfassungskonform! – Das hat niemand bis heute festgestellt und ist auch mit Sicherheit in dieser Form nicht der Fall.

(Beifall der CDU – Zurufe der Abg. Frau Grützmacher und Wiechmann, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist sicher zutreffend – wie der Innenminister sagt –, dass man diese Frage vor dem Hintergrund der Bundesverfassungsgerichtsentscheidung überprüfen muss, aber es geht nicht so, wie Sie es machen.

Frau Grützmacher, wenn Sie zitieren, dann sollten Sie erstens richtig, zweitens komplett zitieren und drittens dann nicht falsch interpretieren.

Natürlich steht dort: „so gehören Gespräche über begangene Straftaten ihrem Inhalt nach nicht zum absolut geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung.“ Ja, aber Ihre Interpretation ist falsch.

Dort heißt es nämlich nicht, dass alles andere zum geschützten Kernbereich gehören würde.

Es heißt weiter, dass „eine auf die Überwachung von Wohnraum in solchen Fällen gerichtete gesetzliche Ermächtigung unter Beachtung des Grundsatzes der Normenklarheit nähere Sicherungen der Unantastbarkeit der Menschenwürde enthalten muss. Das Risiko ihrer Verletzung ist auszuschließen.“ Damit ist ausdrücklich gesagt, dass es – anders als Ihre Interpretation vorhin – möglich ist, es muss jedoch das Risiko der Verletzung dieser persönlichen Sphäre ausgeschlossen werden.

An anderer Stelle heißt es: Führt die Überwachung unerwartet zur Erhebung von absolut geschützten Informationen, muss diese abgebrochen werden und die Aufzeichnungen müssen gelöscht werden; jede Verwendung solcher im Rahmen der Strafverfolgung erhobener absolut geschützter Daten ist ausgeschlossen.“

Um es festzuhalten: Zum einen geht es immer nur um die Strafverfolgung, und zum anderen ist auch darin ausdrücklich gesagt, dass es möglich sein muss und möglich sein wird.

Aber Sie sollten sich einmal die Frage stellen, mit welchem Personalaufwand dies in Zukunft möglich ist. Vor diesem Hintergrund hätten Sie die Frage stellen sollen: Was setzt die Anwendung unseres POG und die Umsetzung bei der Prävention in Zukunft voraus? – Diese Fragen haben Sie nicht gestellt.

(Glocke des Präsidenten)

Sie haben versucht, aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts Ihren ideologischen Kampf und Ihre ideologisch bekannte Fragestellung aufzuarbeiten. In dieser Form können wir dabei nicht mitm achen.

(Beifall der CDU – Zuruf von der CDU: Sehr gut!)

Für die FDP-Fraktion spricht nun Herr Abgeordneter Reinhold Hohn.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Losgelöst von der Bewertung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts auf die Rechtslage in Rheinland-Pfalz hat uns das Urteil eines deutlich gezeigt: Es war ungemein wichtig, dass die beiden Regierungsfraktionen als Ergebnis der parlamentarischen Beratung noch einmal Änderungen am POG vorgenommen und die Amts- und Berufsgeheimnisträger wie Geistliche, Ärzte und Rechtsanwälte vor verdeckten Maßnahmen umfassend geschützt haben.

Meine Damen und Herren, losgelöst von der Frage, ob, und wenn ja, inwieweit die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Auswirkungen auf das rheinlandpfälzische Polizei- und Ordnungsbehördengesetz hat, warne ich dringend davor, in der Öffentlichkeit den Eindruck zu vermitteln, wir wären auf dem Weg in einen Überwachungsstaat.

(Frau Kohnle-Gros, CDU: Sehr richtig!)

Frau Grützmacher, nichts anderes tun Sie.

(Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Davon habe ich kein Wort gesagt! Es gibt andere, die das s agen, aber nicht ich! Ich habe das nicht gesagt! Ich will das Urteil des Bundesverfas- sungsgerichts nur richtig interpretieren! – Staatsminister Zuber: Dann lesen Sie es zuerst einmal und nicht nur die Pressemitteilung!)

Meine Damen und Herren, die Ermittlungsbehörden in Rheinland-Pfalz sind im Vorfeld akustischer Wohnraumüberwachungsmaßnahmen stets mit großer Vorsicht und Bedacht vorgegangen. Herr Innenminister Zuber hat das schon deutlich gemacht. Zu keiner Zeit wurde das verdeckte Abhören als strafprozessuale Routinemaßnahme eingesetzt. Wir haben gehört, in sechs Jahren – – –

(Staatsminister Zuber: In 18 Jahren fünf Fälle!)