Protokoll der Sitzung vom 26.05.2004

Wir werden sehen, wie diese Interventionsstellen arbeiten. Wenn man sich die Zahlen aus Westerburg und Mainz betrachtet, handelt es sich nicht überall um Straftatbestände. Wir werden sehen, ob die Maßnahme, wenn sie allgemein bekannt ist, weiter zunimmt oder sich stabilisiert. Wir haben das auch bei den Vergewaltigungen in der Ehe erlebt. Solange dies ein großes Thema ist, gibt es ganz viele Menschen, die das zur Anzeige bringen und – ich sage es mit aller Vorsicht – als Instrument benutzen.

Zu gegebener Zeit können wir über die Details sprechen. Wir sind, wie wir auch in der Vergangenheit bei der Beratung mitgewirkt haben, bereit, mit zu diskutieren.

(Beifall der CDU)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Morsblech.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Trotz allem Konsens ist es mit der Opposition – zumindest mit den GRÜNEN – so wie immer. Wenn wir eine positive neue Struktur in Rheinland-Pfalz schaffen und etwas Positives aufbauen und ins Leben rufen, ist der schrittweise Aufbau nicht genug. Es soll gleich vom ersten Tag an flächendeckend vorhanden sein. Schade, dass wir uns wieder mit dem gleichen Thema auseinander setzen, obwohl sich qualitativ und quantitativ im Bereich der Vernetzung und der Niedrigschwelligkeit sehr viel getan hat.

Auch wenn wir insgesamt einen hohen Konsens haben, würde ich gern noch ein Thema ansprechen, das nach wie vor in unserer gesamten Gesellschaft mit sehr großen Tabus belegt ist, aber mit dem Gewaltschutzgesetz in genau so engem Zusammenhang wie das steht, was wir bisher diskutiert haben – nämlich die Gewalt gegen Männer.

Das sind in der polizeilichen Statistik 22 % der Fälle. Ich möchte einfach gern noch einmal sagen, dass Dunkelziffern auch davon ausgehen, genauso wie im Bereich der Frauen, dass das auf keinen Fall alles ist, dass die Zahlen erheblich größer sind. Wir haben in diesem Bereich so gut wie keine Hilfsangebote. Als ich in dem Bereich „Sexueller Missbrauch“ gearbeitet habe, haben wir schrittweise die Station auch für Männer geöffnet. Man erfährt dann, dass es einem Mann erheblich schwerer fällt, gegenüber einer Frau oder seinen Geschlechtsgenossen zuzugeben, dass er Gewaltopfer geworden ist

und dass es für den Mann selbst schon ein sehr schwieriger Schritt ist, auch aus der männlichen Rolle heraus.

Wir wissen auch, dass es dort, wo keine Hilfsangebote sind, dort, wo es nicht niedrigschwellig ist, sich auch an Hilfe zu wenden, besonders problematisch wird, diesen Schritt zu gehen. Ich denke, wir sollten auch aus unserer Erfahrung als Frauen heraus ein bisschen an die Männer mitdenken. Ich glaube, gerade im männlichen Teil der Gesellschaft gibt es noch sehr große Tabus, dieses Thema überhaupt zu diskutieren.

(Beifall bei FDP und SPD)

Man kann natürlich dann noch die Diskussion – auch das ist häusliche Gewalt; das hat Frau Kollegin Dreyer in der letzten Sitzung angesprochen – im Bereich der Pflegenden zu Hause anführen. Auch da ist es mit Sicherheit wichtig, dass wir unser Augenmerk auch darauf richten. Sie haben auf Hilfsangebote gerade für Pflegende aufmerksam gemacht, weil es auch in einer häuslich sehr angespannten Situation mit einem alten pflegebedürftigen Menschen oftmals zu Gewalttaten kommt. Ich denke, auch das ist ein schwieriger Teil im Bereich häuslicher Gewalt, den wir nicht aus den Augen verlieren dürfen.

Zum Schluss noch ein Satz zu den Kindern, die oft gar keinen Ansprechpartner haben. Wenn im familiären Umfeld Gewalt gegen Kinder passiert, ist oft der Partner, der nicht gewalttätig ist, sehr hilflos und ohnmächtig dem gegenüber. Es bleibt dann oft in der Familie ein Tabu. Diese Kinder haben nicht die Möglichkeit, eine Anzeige zu erstatten. Deshalb auch noch einmal das Augenmerk darauf. Auch hier findet häusliche Gewalt statt.

Vielen Dank.

(Beifall bei FDP und SPD)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich der Frau Abgeordneten Kiltz das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte auch etwas zu der Atmosphäre sagen. Ich bin das von meinen anderen Themenbereichen etwas anders gewöhnt.

(Frau Morsblech, FDP: Von Ihnen aber auch!)

Ich muss das einmal so sagen. Ich empfinde das auch sehr wohltuend. Das hat auch meistens etwas miteinander zu tun, Frau Kollegin.

Frau Ministerin, ich finde es schön, dass Sie das mit der wissenschaftlichen Begleitung und mit dem Blick auf das ehrenamtliche Engagement noch einmal klargestellt haben. Ich vermute einmal, Sie haben auch ehrenamtliches Engagement mit im Blick oder damit gemeint.

Ich will noch einmal klarstellen: Natürlich wissen wir, dass die Interventionsstellen nicht alles retten sollen. Sie haben selbst auch den Begriff „Scharniere zwischen der polizeilichen Arbeit und den vorhandenen Hilfsangeboten“ benutzt. Insofern wollen wir von denen auch nicht mehr erwarten, als sie machen können. Sie sagen selbst, es ist ein massives gesellschaftliches Problem, und sie haben gesagt, wir haben ein gemeinsames Verständnis in diesem Raum für dieses massive gesellschaftliche Problem. Auf dieser Grundlage können wir doch versuchen, eine bessere Ausstattung und mehr Interventionsstellen zu erreichen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Ahnen, ich glaube, Sie würden sich sicher nicht wehren, wenn der Landtag als Haushaltsgesetzgeber die Mittel für weitere Interventionsstellen bereitstellen würde. Sie würden dann doch nicht sagen: Nein, die nehme ich nicht, ich werde keine weiteren Interventionsstellen einrichten.

(Zuruf der Abg. Frau Elsner, SPD)

Nein, ich habe jetzt nicht den Straßenbau im Sinn, sondern ganz andere Mittel. Aber darüber können wir in der nächsten Ausschusssitzung reden.

Frau Elsner, ich habe an Sie eine Bitte: Nicht so defensiv. – Ich bin es auch aus meinen anderen Themenbereichen gewöhnt, dass die Herren und die Institutionen, die beim Wirtschaftsminister wegen einer Förderung anstehen, nicht so bescheiden sind. Dabei geht es nicht immer um solch sinnvolle Aufgaben wie bei den Interventionsstellen. Insofern muss man sich dann schon bei manchen Beratungen fragen: Tut man das Geld, das zur Verfügung steht, besser dahin oder dorthin?

Werte Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns gemeinsam in diesem Verständnis, das wir alle gemeinsam von dieser Aufgabe haben, darum kämpfen, dass die wichtigen Scharniere bei den Hilfsangeboten weiter ausgebaut werden können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:

Regierungserklärung

„Bilanz und Perspektiven ehrenamtlichen Engagements in Rheinland-Pfalz“

Für die Landesregierung spricht Herr Staatsminister Zuber.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen, meine Herren! In Rheinland-Pfalz sind mehr als 1,3 Millionen Menschen aller Altersstufen – das entspricht rund einem Drittel unserer Bevölkerung – ehrenamtlich tätig. Es gibt kaum einen gesellschaftlichen Bereich – das haben wir eben bei der Diskussion festgestellt –, in dem die Bürgerinnen und Bürger nicht engagiert sind. Ich werde später noch im Einzelnen darauf zu sprechen kommen.

Neben den klassischen Bereichen in Verbänden, Vereinen und Organisationen sind zusätzlich in den vergangenen beiden Jahrzehnten zahlreiche Gruppen und Initiativen entstanden, die sich mit einem bestimmten Thema oder einem bestimmten Problem in ihrem unmittelbaren Umfeld in der Regel beschäftigen möchten und dies mit dem Wunsch nach einer demokratischen Mitgestaltung in ihrer Gemeinde verbinden.

Diese beiden Sparten des bürgerschaftlichen Engagements sind es, die man mit den Begriffen „altes“ und „neues“ Ehrenamt unterscheiden. Allerdings belegen unsere Erfahrungen in Rheinland-Pfalz, dass sich auch in vielen als traditionell geltenden Ehrenamtsbereichen innovative Projekte mit demokratischem Anspruch entwickelt haben. Umgekehrt mussten zahlreiche Gruppen, die erst seit relativ kurzer Zeit bestehen, entdecken, dass feste Strukturen und Satzungen durchaus hilfreich sein können, wenn es darum geht, das Engagement – etwa einer Selbsthilfegruppe – auf feste Beine zu stellen und zu verstetigen.

Meine Damen und Herren, die Politik hat die Aufgabe, die Bedingungen für die Weiterentwicklung und Förderung ehrenamtlichen Engagements stetig zu verbessern. Deshalb ist für die Landesregierung die Förderung bürgerschaftlichen Engagements seit vielen Jahren eine Aufgabe von hoher politischer Priorität.

(Beifall bei SPD und FDP)

Der notwendige und aktuelle Umbau des Sozialstaates darf allerdings nicht dazu führen, das Bürgerengagement quasi als Alibiveranstaltung für all jene Aufgaben zu missbrauchen, die der Staat aus finanziellen Gründen nicht mehr gewährleisten kann. Das Erfordernis bürgerschaftlichen Engagements ist vielmehr seit jeher mit der Einsicht einhergegangen, dass der Staat nicht alles tun kann und auch nicht alles tun sollte, meine Damen und Herren.

(Beifall bei SPD und FDP)

Vor allen Dingen stößt er dort an seine Grenzen, wo es um Fragen der Sinn stiftenden Einbindung von Bürgerinnen und Bürgern in soziale und kulturelle Projekte geht. Die Freude am eigenen Handeln zu wecken und zu erhalten, die eigenen Bedürfnisse zu erkennen und sie konsequent einzufordern, das kann niemand besser als der Bürger selbst.

Unser Grundgesetz spricht von einem autonomen und handlungsfähigen Bürger, der die Freiheitsrechte nicht als Abwehrrechte gegen den Staat, sondern als Chance

zur Beteiligung an der Gestaltung des öffentlichen Lebens sieht.

Diese Grundsätze erlangen aktuell eine besondere Bedeutung.

Die notwendig gewordenen Reformen gerade im sozialen Bereich machen auch eine neue Definition der Beziehungen zwischen Staat und Gesellschaft erforderlich.

Dabei geht es nicht um das Abwälzen finanzieller Lasten, sondern um die Stärkung der Eigenverantwortung jedes einzelnen. Eine Gesellschaft, die sich nur auf die fürsorgliche Hand des Staates verlässt, kann nicht gedeihen.

(Beifall der SPD und der FDP)

Meine Damen und Herren, dies gilt keineswegs nur in Zeiten enger finanzieller Spielräume der öffentlichen Hand, wird aber dann besonders offenkundig.

Der Appell an die Eigenverantwortung entbindet den Staat auch keineswegs von seiner Verpflichtung, die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse möglichst gerecht zu gestalten. Vielmehr ist dies die unabdingbare Voraussetzung für eine lebendige Bürgergesellschaft.

(Beifall der SPD und der FDP)

Öffentliche Aufrufe zur Eigeninitiative und Eigenverantwortung der Bürgerinnen und Bürger werden allerdings nur dann erfolgreich sein, wenn sie mit den notwendigen Mitwirkungs- und Gestaltungsrechten einhergehen.

(Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sehr richtig!)