Meine Damen und Herren, insofern hat mich bereits im März wenig überrascht, dass die GRÜNEN das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Großen Lauschangriff zum Anlass genommen haben, zum einen ihre generelle ideologische Ablehnung gegenüber den Änderungen des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes zu untermauern und zum anderen aber auch die Entscheidung aus Karlsruhe dazu zu nutzen, sich in der Öffentlichkeit als Wahrer der Grundrechte unserer Bürgerinnen und Bürger aufzuspielen. Ich finde das unerträglich. Das wurde auch schon von meinen Vorrednern ebenfalls in dieser Richtung interpretiert.
Meine Damen und Herren, bereits damals habe ich dieses Vorgehen aufs Schärfste kritisiert. Dem stimmte im Übrigen nicht nur unser Koalitionspartner – also die die Landesregierung tragenden Fraktionen – zu, auch die CDU hat das genauso gesehen.
Meine Damen und Herren, mit dem vorliegenden Gesetzentwurf versuchen die GRÜNEN erneut, der Bevölkerung den Eindruck zu vermitteln, sie allein seien die Hüter unserer Verfassung, und das Polizei- und Ordnungsbehördengesetz des Landes Rheinland-Pfalz sei verfassungswidrig.
Herr Kollege Dr. Braun, genauso ist es doch. Dem ist auch nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Großen Lauschangriff nicht so. Im Gegenteil, die Verfassungsrichter haben entschieden, dass die Befugnis zur Durchführung der akustischen Wohnraumüberwachung zum Zweck der Strafverfolgung mit der Verfassung im Einklang steht. Teilweise verfassungswidrig sind nach dem Urteil der Karlsruher Richter lediglich die Regelungen in der Strafprozessordnung, die die akustische Wohnraumüberwachung konkret umsetzen, wobei das Gericht dem Bundesgesetzgeber bis zum 30. Juni 1995 Zeit eingeräumt hat, die Strafprozessordnung entsprechend den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts zu ändern.
Meine Damen und Herren, dies bedeutet, dass auf den heutigen Tag genau noch exakt ein Jahr lang die von Karlsruhe beanstandeten Normen unter Beachtung der vom Gericht aufgestellten Grundsätze weiter angewendet werden dürfen.
Frau Grützmacher, auch das wissen Sie. Wenn denn schon für die von dem Urteil betroffenen Normen der Strafprozessordnung eine solch lange Frist zur Anpassung an die höchstrichterliche Rechtsprechung eingeräumt wurde, dann gilt dies doch erst recht für mögliche Änderungen im hiesigen Polizeirecht.
Meine Damen und Herren, Zeitdruck ist in keinem Fall vorhanden. Die vom Bundesverfassungsgericht eingeräumte Frist wurde nach unserem Dafürhalten mit Absicht so lang bemessen. Änderungen gerade in den von dem Urteil betroffenen Bestimmungen sind mit schwierigen rechtlichen Fragen verbunden und bedürfen deshalb einer sorgfältigen Prüfung. Frau Grützmacher, Schnellschüsse, wie von den GRÜNEN nun zum wiederholten Mal vorgelegt, sind in diesem – ich betone – eigentlich hoch sensiblen Bereich nicht nur völlig unangebracht, sondern meines Erachtens im höchstem Maße unseriös.
Meine Damen und Herren, auch wenn ich mich gegenüber meinen beiden Vorrednern wiederhole, so möchte auch ich noch einmal ausdrücklich betonen, dass die Verfassungsrichter nicht über die Verfassungsmäßigkeit der präventiven Wohnraumüberwachung nach den Polizeigesetzen der Länder entschieden haben. Das sollte einfach festgehalten werden. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts befasst sich ausschließlich mit der Strafprozessordnung und hat nur insoweit für die repressive Strafverfolgung die Verfassungswidrigkeit einiger Bestimmungen festgestellt. Die Behauptung von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die Ermächtigung zur präventiv motivierten akustischen und visuellen Wohnraumüber
wachung, wie sie in § 29 des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes normiert ist, sei mit Artikel 13 Abs. 4 des Grundgesetzes nicht vereinbar, ist also schlichtweg falsch.
Meine Damen und Herren, ob das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Großen Lauschangriff für die im Polizei- und Ordnungsbehördengesetz vorgesehene präventive Telefonüberwachung gilt, und wenn ja, in welchem Umfang aus dieser Entscheidung ein Nachbesserungsbedarf für das rheinland-pfälzische Polizeirecht abzuleiten ist, wird derzeit umfänglich und sorgfältig geprüft. Dass die GRÜNEN den Abschluss dieser Prüfungen nicht abwarten, zeigt, dass es ihnen vorrangig nicht um die Sache geht, sondern einzig und allein zur Selbstdarstellung dient.
(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aber wir haben es vielleicht auch geprüft! Herr Hohn, warum sagen Sie eigentlich, wir warten nicht ab?)
Meine Damen und Herren, obgleich auch wir Anpassungen und Ergänzungen im Polizei- und Ordnungsbehördengesetz an das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Großen Lauschangriff für wahrscheinlich halten, so bitte ich dennoch eindringlich darum, das Ergebnis der Prüfungen abzuwarten. Wir gehen davon aus, dass diese in Kürze abgeschlossen sind, sodass wir dann zügig, aber dennoch vor allem seriös die Beratungen aufnehmen können.
Hierbei ist es meines Erachtens unerlässlich, dass wir insbesondere durch den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neuregelung der akustischen Wohnraumüberwachung in unsere Arbeit mit einfließen lassen. Dass dieser erst letzten Donnerstag den Ländern und Verbänden zur Stellungnahme übersandt wurde, dürfte auch Ihnen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nicht entgangen sein.
Meine Damen und Herren, selbstverständlich ist auch die FDP-Fraktion bestrebt, das hiesige Polizeirecht – sofern erforderlich – an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anzupassen. Ob allerdings der Anwendungsbereich der präventiven Telekommunikationsüberwachung derart eingeschränkt werden muss, wie in dem Gesetzentwurf der GRÜNEN vorgesehen, bleibt abzuwarten. Dies würde letztendlich zulasten eines der entscheidenden Ziele der jüngst erfolgten Änderung des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes, nämlich die Bekämpfung der unterschiedlichsten Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität und den Schutz der Bevölkerung vor terroristischen Anschlägen effektiv zu gewährleisten, gehen.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN, wenn Sie das wollen, dann müssen Sie dies auch öffentlich gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern in Rheinland-Pfalz vertreten.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach der Begründung soll der Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Konsequenzen aus der neuesten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, insbesondere aus dem Urteil zum Großen Lauschangriff, ziehen.
Die Frage stellt sich, ob wir durch den vorgelegten Gesetzentwurf diesem Ziel einen Schritt näher gekommen sind.
Erinnern wir uns: Bereits am 18. März dieses Jahres haben wir über das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Großen Lauschangriff und die Auswirkungen auf das rheinland-pfälzische Polizeirecht kontrovers debattiert. Bereits damals habe ich zu Ruhe und Besonnenheit aufgerufen. Ich kann diesen Appell nur noch einmal wiederholen.
Die Aussagen meiner damaligen Rede gelten noch heute. Sie sind wichtig, um den Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN richtig beurteilen und einschätzen zu können.
Die Verfassungsrichter haben in dem Urteil zum Großen Lauschangriff entschieden, dass die im Jahr 1998 im Grundgesetz geschaffene Befugnis zur Durchführung der akustischen Wohnraumüberwachung zum Zweck der Strafverfolgung mit der Verfassung in Einklang steht.
Demgegenüber sind die Regelungen der Strafprozessordnung – ich betone ausdrücklich „Strafprozessordnung“, damit das vielleicht einmal verstanden wird –, die die Grundgesetzänderung konkret umsetzen, teilweise verfassungswidrig.
Das Urteil bezieht sich somit auf Maßnahmen im Rahmen der Strafverfolgung. Wenn nunmehr in der Begründung des Gesetzentwurfs pauschal ausgeführt wird, dass die Ermächtigung zum präventiven Lauschangriff im POG nicht mit der Verfassung vereinbar ist, ist diese Behauptung unredlich und schlichtweg falsch.
Ich will deshalb noch einmal betonen: Die Verfassungsrichter haben nicht über die Verfassungsgemäßheit der präventiven Wohnraumüberwachung nach den Polizeigesetzen der Länder entschieden. Gleichwohl prüft die Fachabteilung im Ministerium, ob das Urteil rechtliche Konsequenzen für die präventive Wohnraumüberwachung besitzt. Ferner wird untersucht, ob das Urteil allgemeine Aussagen über sonstige verdeckte Maßnahmen wie die Telekommunikationsüberwachung trifft.
Es ist bereits darauf hingewiesen worden, dass die SPDFraktion weiterhin ein Gutachten beim Wissenschaftlichen Dienst des Landtags in Auftrag gegeben hat, das Auskunft darüber geben soll, ob und in welchem Umfang aus dieser Entscheidung Nachbesserungsbedarf für das POG besteht. Die Ergebnisse dieser Prüfungen sollen ferner im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsgleichheit mit dem Gesetzgebungsvorhaben des Bundes und der übrigen Länder abgestimmt werden.
Das Bundesverfassungsgericht hat dem Bundesgesetzgeber bis zum 30. Juni 2005 aufgegeben, einen verfassungsgemäßen Zustand herzustellen. Heute schreiben wir den 30. Juni 2004.
Das Gericht gesteht somit dem Bundesgesetzgeber eine angemessene Frist zur Umsetzung zu. Nach meiner Ansicht hat es hierfür gute Gründe gegeben. Gesetzesänderungen müssen, zumal in diesem Bereich, sorgfältig geprüft und überdacht werden.
Zwischenzeitlich hat das Bundesjustizministerium einen Referentenentwurf zur Änderung der Strafprozessordnung erarbeitet, mit dem die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zum Großen Lauschangriff umgesetzt werden sollen. Bis zur Umsetzung dürfen die beanstandeten Normen unter Beachtung der vom Gericht aufgestellten Grundsätze weiter angewandt werden.
Danach gelten die rechtsstaatlichen Anforderungen des Urteils hinsichtlich der Einhaltung der Menschenwürde und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit mit dessen Verkündigung unmittelbar.
In der polizeilichen Praxis in Rheinland-Pfalz werden – wie gesagt – diese Grundsätze bei der Durchführung der Wohnraumüberwachung beachtet. Somit wird der Kernbereich der privaten Lebensführung absolut geschützt.
Richtig ist, dass der Gesetzentwurf versucht, die Vorgaben des Urteils des Bundesverfassungsgerichts umzusetzen. Meine Damen und Herren, doch mit welchem Ergebnis?
Nach meiner Beurteilung und der meines Hauses ist die Balance zwischen der Wahrung der Grundrechte der
Insbesondere wird das rechtsstaatliche Gebot der Normenklarheit – es ist eben schon einmal darauf hingewiesen worden – nicht eingehalten. Dies will ich auch anhand von wenigen Beispielen verdeutlichen.
In dem Entwurf werden die Voraussetzungen für die präventive Wohnraumüberwachung restriktiver als bisher gefasst. Die bestehende Ermächtigungsnorm im POG – darauf will ich ausdrücklich hinweisen – setzt bereits im Einklang mit den verfassungsrechtlichen Bestimmungen die Abwehr einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit voraus.
In diesem Zusammenhang ist auch interessant – ich wiederhole auch das noch einmal, um das deutlich zu machen, was Frau Kohnle-Gros schon gesagt hat –, dass seit dem Jahr 1986, also seit insgesamt nunmehr 18 Jahren, in Rheinland-Pfalz nicht mehr als fünf Maßnahmen überhaupt durchgeführt worden sind.
Meine Damen und Herren, dies zeigt den besonders verantwortungsvollen Umgang unserer Polizei mit dieser Befugnis. Ferner bestätigt diese Tatsache, dass insoweit gesetzgeberischer Handlungsbedarf nicht gegeben ist.