Protokoll der Sitzung vom 11.11.2004

Meine Damen und Herren, diesen eingeschlagenen Weg müssen wir konsequent fortsetzen.

Vielen Dank. (Beifall bei FDP und SPD)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Frau Abgeordnete Grützmacher das Wort.

Meine Damen und Herren, wenn über der heutigen Debatte und über den beiden Berichten, die der Debatte zugrunde liegen, „Zukunft der Polizei“ steht, ist das etwas hoch gegriffen, vor allem – hier gebe ich Herrn Pörksen Recht – bei der Großen Anfrage. Es dreht sich hier um die Entwicklung von Beschäftigungszahlen, um zu sehen, wie die reale Beschäftigung mit der Sollbeschäftigung übereinstimmt. Das ist sicher ein wichtiges Thema, aber wenn es um die Zukunft der Polizei geht, nur ein Teilbereich.

Dass uns die Entwicklung der Beschäftigtenzahlen bei der Polizei ein wichtiges Anliegen ist, haben wir mit unserem Antrag vor zwei Jahren zum Haushalt deutlich gemacht, in dem wir ein langfristiges Personalkonzept gefordert und dadurch den Bericht, den die Landesregierung im Januar 2004 vorgelegt hat, mit auf den Weg gebracht haben.

(Zuruf des Abg. Pörksen, SPD)

Na gut, Herr Pörksen, das wusste ich doch. Er passt genau auf bei solchen Sachen. Dazu kennt man sich schon zu lange.

Meine Damen und Herren, wenn es um die Frage geht, wie viel Polizistinnen und Polizisten für unser Land ausreichend sind – das war gerade wieder in der Diskussion –, lassen sich schwer feste Quoten feststellen. Das ist auch der Antwort der Landesregierung zu entnehmen. Hier hat auch die CDU-Fraktion kein klares Bild. Das ist auch vernünftig.

Realistischerweise ist es so, dass wir in Zeiten knapper Kassen nicht von einer Ausweitung der Beschäftigtenzahlen bei der Polizei ausgehen können. Wir von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben es in diesem Bereich immer wieder betont, dass es auf die Qualität und nicht unbedingt nur auf die Quantität ankommt, und zwar Klasse statt Masse, um es einmal etwas schlagwortartig zu formulieren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben immer betont, dass die Zahl der Polizeibeamten nicht die alleinige Messgröße sein kann, sondern die Qualität der Ausbildung zum Beispiel eine wichtige Rolle spielt. Daher haben wir von Anfang an die Einführung der zweigeteilten Laufbahn mit unterstützt. Ich glaube, Rheinland-Pfalz war nach dem damals rotgrünen Hessen das zweite Bundesland, das das eingeführt hat.

Die CDU stellt aber immer wieder allein die Personalstärke der Polizei in den Mittelpunkt ihrer Polizeipolitik. Die Zukunft der Polizei hängt aber doch von vielen weiteren und anderen Faktoren ab, zum Beispiel von der Frage der Entwicklung der Kriminalität. Wo entstehen in Zukunft neue Kriminalitätsfelder? Das steht auch deutlich in dem Bericht der Landesregierung drin. Es hat sehr viel mit der internationalen politischen, gesellschaftlichen und militärischen Entwicklung zu tun, wie stark die Einsatzbelastung der Polizei in Zukunft sein wird.

Wenn man sich die letzten 15 Jahre anschaut, welche politischen Einwirkungen es gegeben hat, die auf die Belastung der Polizei Einfluss haben, scheue ich mich immer ein bisschen zu sagen, dass ich genau vorhers ehen kann, wie viel Polizisten wir im Jahr 2030 benötigen. Natürlich müssen wir vorhersehen, aber wir müssen auch wissen, dass solche Statistiken immer mit sehr viel Vorsicht zu genießen sind, weil sehr viel unvorhersehbare Dinge und vor allem politische und internationale Entwicklungen hineinspielen.

Hinzu kommt natürlich auch noch die Frage der dem ographischen Entwicklung. Wie ist es, wenn weniger junge Menschen in unserer Gesellschaft sind? Wird sich das auch auf eine Herabsetzung der Jugendkriminalität auswirken? Vielleicht wird sich die Qualität der Delikte verändern. Ältere Menschen haben stärker dieses subjektive Unsicherheitsgefühl, das wir immer wieder beklagen. Auch daran muss man denken. Ich denke, auch die demographische Entwicklung wird auf die Arbeit der Polizei einen wichtigen Einfluss nehmen.

Dann gibt es noch die Frage der technologischen Entwicklung, die auf der einen Seite ganz neue Kriminalitätsfelder öffnet – darüber wurde auch schon gesprochen –, aber auf der anderen Seite die Arbeit der Polizei effizienter und – wie man manchmal hofft – weniger personalintensiv machen könnte.

Schließlich stellen wir von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN immer wieder an diese Landesregierung die Frage, ob sie Initiativen zur Entkriminalisierung, zum Beispiel zur Entkriminalisierung von Bagatelldelikten, plant, was auch zu einer Entlastung der Polizei führen würde. Wenn man über die Zukunft der Polizei redet, muss man auch über diesen Bereich etwas sagen.

Meine Damen und Herren, für uns von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist es ganz wichtig, dass die Herstellung und Aufrechterhaltung von Sicherheit auf jeden Fall eine staatliche Aufgabe bleiben muss. Sicherheit muss auch in Zukunft die Aufgabe des Staates bleiben und darf nicht zu einer Frage des Geldbeutels werden. Dafür stehen wir von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ganz eindeutig.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ebenso wichtig ist es für uns, dass es gerade jetzt in der Föderalismusdiskussion nicht wieder durch die Hintertür doch noch dazu kommt, dass eine Zuständigkeit oder eine Zuschreibung polizeilicher Aufgaben auf Bundesebene beim BKA wieder diskutiert wird.

Meine Damen und Herren, Polizei ist Ländersache und ein wichtiger Grundpfeiler unserer föderalen Ordnung.

(Zuruf des Abg. Pörksen, SPD)

Das ist bei den GRÜNEN noch sehr unterschiedlich. Dass es dabei zu einer verbesserten Zusammenarbeit zwischen den Länderpolizeien, aber auch über die nationalen Grenzen hinweg kommen muss, ist selbstverständlich.

Das ist im Moment das ganz große Problem. Seit vielen Jahren gibt es große Probleme bei der Vernetzung der Kommunikationstechnik zwischen den einzelnen Polizeien aus den Bundesländern. Ich denke, wenn man über eine bessere Zusammenarbeit spricht, dann muss dort der Schwerpunkt liegen. Aber eine Verwischung der originären Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern lehnen wir ab.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Natürlich gibt es auch mittelfristige und kurzfristige Herausforderungen an die Polizei, die schon absehbar sind, zum Beispiel die WM 2006. Dann werden viele Menschen aus anderen Ländern, aus fremden Ländern bei uns sein. Natürlich sind gerade die Fußballstadien auch beliebte Anziehungspunkte für Hooligans und Rechtsextremisten. Durch diese Gemengelage wird sicher auch die Polizei zu diesem Zeitpunkt gefordert sein.

Meine Damen und Herren, wir treten für eine Polizei ein, die auch sehr gut mit gesellschaftlichen Gruppen zusammenarbeitet. Die Präventivräte, bei denen die Polizei mitarbeitet – wir legen den Schwerpunkt auf „mit“ – sind die Möglichkeit dafür. Ich denke aber, auch die Sachbearbeiter für die Jugend oder in betroffenen Kommunen auch die Sachbearbeiter für Rechtsextremismus sind nach meiner Erfahrung gute und sinnvolle Einrichtungen, um die Probleme in diesen Bereichen nicht etwas besser in den Griff zu bekommen, aber etwas besser damit umzugehen.

Das sind qualitative Verbesserungen im Polizeibereich, aber da gibt es sicher auch noch viel zu tun. Es wurde schon von meinen Vorrednern, von Frau Kohnle-Gros, aber auch von Herrn Pörksen angesprochen: Frauen in der Polizei. – Ich glaube schon, wenn das jetzt dieses Ausmaß annehmen wird, wie es im Bericht steht, dass wir im Jahr 2010 300 Frauen oder Männer in Elternteilzeit haben werden, dass wir uns überlegen müssen, dass diese Polizeidienststellen, in denen verstärkt Frauen beschäftigt sind, ein Ersatz oder eine Vertretung zur Verfügung gestellt werden muss. Das würde natürlich auch die Akzeptanz von Frauen im Polizeidienst noch einmal besonders fördern.

Meine Damen und Herren, ein Punkt ist weder in dem Bericht noch in der Anfrage angesprochen, der aber in Zukunft immer wichtiger werden wird. Das ist die Frage der Ausländerinnen oder Ausländer in der Polizei. Ich weiß, wie problematisch das ist. Es ist sehr schwierig, die geeigneten Anwärter oder Anwärterinnen zu finden. Aber das sollte uns trotzdem nicht davon abhalten, dass wir weiterhin versuchen, für die Arbeit der Polizei bei den Ausländerinnen oder Ausländern oder den Menschen, die aus anderen Ländern kommen, aber inzwischen Deutsche geworden sind, zu werben. Ich glaube, damit kann man vieles an Problematik, was kommunal entsteht, leichter entschärfen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube, Herr Hohn hat den Schwerpunkt angesprochen, dass die Polizei mehr sichtbar wird. Leider hat es diesbezügliche eine negative Entwicklung in den letzten Jahren gegeben. Das lässt sich aus den Statistiken

ablesen. Nachdem von 1998 bis 2000 die Einsatzstunden von 125.263 auf 133.500 gestiegen sind, sind sie seitdem wieder stark zurückgegangen. Im Jahr 2002 sind es nur noch 102.568 Einsatzstunden. Meine Damen und Herren, das meinen wir damit, wenn wir darüber reden, dass es problematisch ist, wenn man beispielsweise bei der Rasterfahndung Polizisten monatelang vor den Computer setzt. Diese Leute fehlen auf der Straße, sie fehlen vor Ort. Das ist etwas, was wir kritisieren.

(Hörter, CDU: Also doch ein Thema der Quantität!)

Meine Damen und Herren, die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN tritt für eine gut ausgebildete, eine demokratische Polizei ein. Wir werden weiterhin die Arbeit der Polizei in Rheinland-Pfalz kritisch und konstruktiv begleiten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu einer Kurzintervention erteile ich Frau Abgeordneter Kohnle-Gros das Wort.

Frau Grützmacher, ich wollte nur noch einmal kurz etwas sagen, weil Sie gesagt haben, es wären so viele Punkte nicht angesprochen worden. Ich habe mich eigentlich auf die beiden Drucksachen konzentriert. Ich glaube auch nicht, dass heute der Zeitpunkt ist, um Haushaltsberatungen vorzunehmen. Das bleibt jetzt nachher der eigentlichen Debatte überlassen. Das ist mir ein bisschen zu billig. Mir ging es heute darum, weil die SPD das beantragt hatte, die beiden Vorlagen zu diskutieren und gewisse Widersprüche herauszuarbeiten. Wir wollten heute nicht sagen, welche Haltung die CDU vertritt. Das war nicht die Frage. Das war auch nicht die Frage, was man sonst noch alles diskutieren kann. Heute ging es um diese beiden Vorlagen und die Diskussion darüber.

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Staatssekretär Bruch das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich habe die Debatte aufmerksam verfolgt. Es wurde formuliert, dass beide Berichte mit dem Begriff „Zukunft“ überschrieben sind. Wenn Sie das allein auf die Personalbewirtschaftung beziehen, dann können Sie die Zukunft natürlich insoweit voraussagen, dass Sie bestimmte Zahlen darstellen können. Ich glaube, wenn man es darauf reduzieren würde, wäre das zu kurz gegriffen. Die Frage ist – da wir die Zukunft nicht prognostizieren können –: Bauen wir heute die Basis für die Zukunft? – Das ist für mich die Frage, die sich stellt, wenn ich die Be

richte lese, wenn ich das, was ich im Moment tue, versuche zu bewerten. Wir haben die Aufgabe, ein Produkt, nämlich das Produkt „Sicherheit“, anzubieten, den Bürgerinnen und Bürgern zu gewährleisten, dass sie in diesem Land sicher leben können. Das ist die spannende Aufgabe

Wenn Sie heute – Sie haben mehrfach zitiert, dass Sie häufig mit Polizistinnen und Polizisten reden – Polizistinnen und Polizisten nach ihren Problem fragen, dann werden Sie an erster Stelle tatsächlich finden, dass sie sagen: Wir haben zu wenig Polizistinnen und Polizisten, und zwar dort, wo wir sie direkt brauchen, nämlich – ich nenne immer die „Feuerwehrpolizei“ – in den Wachen, die Tag und Nacht besetzt sind. Das bleibt der Landesregierung nicht verborgen – im Gegenteil. Sie werden aber nicht hören, dass es irgendwelche Probleme in Fragen der Technik, in der Frage der Ausstattung, in der Frage der Arbeitsumstände und Ähnliches mehr gibt.

Ich bin seit 1987 bis 2001 Mitglied dieses hohen Hauses gewesen. Ich könnte Ihnen darstellen, wie es gewesen ist, als ich an diese Stelle gekommen bin, 1987 zum ersten Mal eine Große Anfrage zu stellen, was mir da die Landesregierung berichten musste. Herr Kollege Mertes hat damals den Begriff – er ist immer für Begriffe gut – der Sperrholzdienststellen geprägt. Das haben wir alles hinter uns gelassen. Das ist auch gut so. Dabei haben viele mitgewirkt, auch die Opposition. Auch wir als Opposition mussten unser Bild als Sozialdemokraten damals umdenken.

(Dr. Weiland, CDU: Heute haben wir leere Dienststellen!)

Lieber Herr Kollege, genau das Gegenteil ist der Fall. Als wir die Regierung übernommen haben, hatten wir weniger als 8.600 Polizistinnen und Polizisten in diesem Land.

(Hörter, CDU: Bei einer anderen Bevölkerungs- zahl in Rheinland-Pfalz! – Weitere Zurufe von der CDU)

Jetzt wollen wir uns einmal mit dem Begriff der Polizeidichte beschäftigen. Es ist immer interessant für mich, das zu hören, weil ich auch früher darauf reflektiert habe, 1 : 400. Das ist eine schöne Zahl. Sie hört sich gut an. Dann habe ich mich später gefragt, wo kommt diese Zahl eigentlich her? Wenn man ehrlich ist, haben wir sie nie erreicht, und jetzt gilt sie auch nicht. Ich habe dann einmal im Kreis meiner Staatssekretärinnen und Staatssekretäre gefragt: Wie ist das denn bei euch, wo ist denn diese Zahl her? – Helles Entsetzen! Frau Kohnle-Gros, wir sind dann in Rheinland-Pfalz fündig geworden. Die Zahl kommt von der französischen Gendarmerie. Wie Sie wissen, ist dieses Land unter General Koenig entstanden. Damals hat die französische Gendarmerie die Polizei aufgebaut. Damals hatte sie auch noch blaue Uniformen.

(Hörter, CDU: Hamburg hat sie schon wieder!)

Schauen wir einmal, Herr Kollege.

Die Gendarmerie war damals keine Polizei, sondern sie war in Frankreich dem Militär unterstellt. Von daher kommt die Zahl 400.

Meine Damen und Herren, von daher gesehen ist es so: Als ich mich umgefragt habe, habe ich festgestellt, kein Bundesland hat ein objektiviertes Verfahren zur Ermittlung von Personal.

Wie wird das gemacht? Man greift die Zahl.

(Zuruf der Abg. Frau Kohnle-Gros, CDU)