Protokoll der Sitzung vom 20.01.2005

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem ich gestern Abend die SWR-Sendung „Quergefragt“ gesehen habe, die sich auch mit diesem

Thema beschäftigt hat und den für populäre Vorschläge gehörten Beifall aus dem Publikum vernommen habe, war mir klar, dass meine heutige Rede nicht bei allen Menschen in Rheinland-Pfalz auf Zustimmung stoßen würde.

In der Diskussion über die Ausweitung der DNA-Analyse passt haargenau die Aufforderung des „Helgoländer Vorboten“ an Politiker auch in Rheinland-Pfalz, eine Speichel- oder Haarprobe abzugeben und wahlweise an die für sie zuständige Polizeidienststelle oder an den „Helgoländer Vorboten“ zu versenden.

(Zuruf des Abg. Kuhn, FDP)

Meine Damen und Herren, nach der schnellen Aufklärung des Mordes an Rudolph Moshammer ist erneut die Diskussion um eine Ausweitung und Vereinfachung der Anwendung der DNA-Analyse entbrannt. Einer jüngsten Umfrage zufolge sind inzwischen zwölf der 16 Landesregierungen für die rechtliche Vereinfachung der krim inalistischen DNA-Analyse. Dies deckt sich nach meiner Einschätzung mit dem Stimmungsbild in der Bevölkerung.

(Vizepräsidentin Frau Hammer übernimmt den Vorsitz)

Die FDP-Fraktion warnt dringend davor, Einzelfälle, wie den Mord an Rudolph Moshammer, zum Anlass dafür zu nehmen, bei den Regelungen zu der DNA-Analyse tief greifende gesetzliche Veränderungen vorzunehmen.

(Beifall der FDP)

Rechtsstaatliche Sicherungen wie der Schutz informationeller Selbstbestimmung, Unschuldsvermutung und rechtliches Gehör sollten auch im 21. Jahrhundert nicht leichtfertig aufgegeben werden.

(Beifall der FDP und vereinzelt bei der SPD)

„Meine DNA gehört mir.“ Dieser Grundsatz ist durch Artikel 1 des Grundgesetzes verbürgt und durch das Bundesverfassungsgericht in seinen Entscheidungen vom 14. Dezember 2000 und vom 15. März 2001 ausdrücklich bestätigt. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts gewährt seinen Trägern Schutz gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe der auf sie bezogenen individualisierten und individualisierbaren Daten. Diese Verbürgung darf nur im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden. Die Einschränkung darf nicht weiter gehen, als es zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich ist. Das Interesse der Betroffenen an einem effektiven Grundrechtsschutz wird nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts durch den Richtervorbehalt berücksichtigt, der die Gerichte zur Einzelfallprüfung zwingt.

Die Forderung, den Katalog der Anlasstaten zu erweitern, wird in der Allgemeinheit der Wert setzenden Bedeutung des Grundrechts auf informationelle Selbstbe

stimmung und den hierzu vom Bundesverfassungsgericht für die DNA-Identitätsfeststellung aufgestellten Anforderungen nicht gerecht. Eine derartige Erweiterung des Kreises der Anlasstaten würde sich nicht nur über den Inhalt des vom Bundesverfassungsgericht aufgezeigten verfassungsrechtlichen Rahmen bewegen, nach den Grundsätzen des Bundesverfassungsgerichts im so genannten Volkszählungsurteil ist auch eine Vorratsdatenspeicherung unzulässig.

Die von den Repräsentanten der beiden großen Volksparteien erhobene Forderung, das Erheben von DNAMaterial mit normalen erkennungsdienstlichen Merkmalen gleichzusetzen, erachte ich als äußerst problematisch; denn für mich gehen die aufgestellten Forderungen dramatisch in Richtung des gläsernen Menschen.

(Beifall der FDP)

Das Ausstreuen von so genanntem Referenzmaterial, zum Beispiel kleinste Hautpartikel oder Haare, mit dem das gespeicherte Identifizierungsmuster abgeglichen werden kann, ist nicht steuerbar. Die Gefahren, dass genetisches Material eines nicht Tatbeteiligten zufällig an den Tatort gelangt, ist in weitaus größerem Maß, als dies beim herkömmlichen Fingerabdruck der Fall ist, gegeben. Dies kann mit zunehmender Verbreitung des genetischen Fingerabdrucks für Betroffene ein Art Umkehr der Beweislast nach sich ziehen. Auch bietet der so genannte genetische Fingerabdruck einfach zu viele Erkenntnismöglichkeiten, wie beispielsweise das Geschlecht, das Alter, Hinweise auf bestimmte Krankheiten und die ethnische Herkunft, als dass ein Vergleich mit dem bloßen Fingerabdruck herangezogen werden könnte.

Die DNA-Analyse ist deshalb nicht mit einem Standardwerkzeug der erkennungsdienstlichen Behandlung im Rahmen der Aufklärung und Verhütung von Straftaten gleichzusetzen. Deshalb hat das Bundesverfassungsgericht auch in seiner Entscheidung vom 14. Dezember 2000 ausgeführt,

(Glocke des Präsidenten)

dass die Maßnahme der DNA-Analyse auf besondere Fälle beschränkt bleiben muss und die Bedeutung der auf richterlichen, auf Tatsachen beruhenden Einzelfallprüfung hervorgehoben.

Im zweiten Teil komme ich noch auf weitere Bedenken.

Danke. (Beifall der FDP und vereinzelt bei der SPD)

Herr Abgeordneter Hörter hat das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich habe es befürchtet, es werden alle theoretischen Möglichkeiten

vermengt. Es werden Szenarien entwickelt, die in Wirklichkeit niemand will und niemand fordert und die nur ein einziges Ziel haben, Ängste zu schüren und die Notwendigkeit zu erarbeiten, warum die Bürgerrechte in Gefahr seien.

(Beifall der CDU – Pörksen, SPD: Da verstehen Sie besonders viel von!)

Wir wollen festhalten, niemand will den gläsernen Menschen, hier im Land nicht, die Fraktionen dieses Parlaments nicht, die Polizei nicht und im Bund auch nicht.

Die bundesweit laufende Diskussion zielt auf die Rücknahme einiger restriktiver Einschränkungen. Wenn wir die Diskussion im Land führen, dann müssen wir doch die Frage stellen dürfen, warum es über die bundesgesetzlichen Regelungen in Rheinland-Pfalz noch weiter gehende Restriktionen gibt. Lassen Sie uns diese Diskussion in unserem Land über die Situation in unserem Land führen.

(Beifall der CDU)

Ich will dazu zwei Beispiele geben. Das erste ist die Frage der Freiwilligkeit. Überall darf mit Zustimmung des Betroffenen DNA-Material entnommen und Speichelproben abgegeben werden. Das klingt dramatisch. Nur in Rheinland-Pfalz darf man das nicht. Dort bedarf es eines richterlichen Beschlusses über eine freiwillige Abgabe einer Speichelprobe.

In dem Zusammenhang ist doch schon einmal interessant, dass auf Beschluss der Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister vom 17. und 18. Juni 2004 die Justizminister und Justizministerinnen übereingekommen sind, einen Verzicht auf den Richtervorbehalt bei dokumentierter Freiwilligkeit vorzusehen. Abstimmungsergebnis: 15 Ja-Stimmen, keine Nein-Stimme, eine Enthaltung. Die Enthaltung kommt aus SchleswigHolstein. Rheinland-Pfalz hat mitgestimmt. Aber hier in der Praxis in Rheinland-Pfalz läuft es anders.

(Beifall der CDU)

Ich kann das nur erklären, es kann nur ein abgrundtiefes Misstrauen gegen die rheinland-pfälzische Polizei geben; denn ansonsten würde man es längst aus den Regelungen herausgenommen haben.

(Beifall der CDU – Zurufe der Abg. Hartloff und Pörksen, SPD)

Lassen Sie mich eine Feststellung treffen, die eigentlich Konsens aller sein müsste. Das ist wieder vermengt worden. Es geht um den Vergleich der DNA-Muster zur Identifizierung, also um die nicht codierte DNS, die keine Rückschlüsse auf Erbanlagen, Krankheiten usw. zulässt. Dies ist gesetzlich eindeutig geregelt. Ich empfehle den Blick in § 81 e der Strafprozessordnung, Feststellungen über andere Tatsachen dürfen nicht erfolgen, hierauf gerichtete Untersuchungen sind unzulässig.

Darüber reden wir. Wer alles andere mit reinpackt, verhindert eine sachliche Diskussion über das Thema „DNA-Analyse“ und die polizeilichen Möglichkeiten.

(Beifall der CDU)

Malen Sie also den Teufel nicht an die Wand, den es überhaupt nicht gibt.

(Zuruf der Abg. Frau Kiltz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will ein zweites Beispiel aufgreifen, nämlich die Frage der Datenspeicherung während des laufenden Verfahrens beim BKA. Auch dies ist in Rheinland-Pfalz nicht möglich. Dort darf die Bundesdatei erst nach dem Urteil mit den Daten versehen werden. Jetzt nehmen Sie sich einfach das Beispiel eines in Rheinland-Pfalz gefassten Exhibitionisten.

Nach allen anderen Länderverfahren ist es möglich, einen Abgleich mit der Datenbank beim BKA mit bisher nicht identifizierten Spuren von Straftaten, von Straftätern vorzunehmen. Nur in Rheinland-Pfalz ist dies nicht möglich. Dort muss man warten, bis es zu einem Urteil gekommen ist, was in der Konsequenz die Möglichkeit hat, dass dieser Straftäter in Rheinland-Pfalz, der einige Monate auf sein Urteil als Exhibitionist wartet, die Gelegenheit hat, eine weitere Straftat zu begehen.

Wenn Sie eben ausgeführt haben, dass es um eine Ausweitung geht, will ich auch noch einmal auf einen Beschluss der Justizministerinnen- und Justizministerkonferenz eingehen.

(Glocke des Präsidenten)

Einen Satz noch: Die gegenwärtigen gesetzlichen Regelungen für DNA-Analysen zum Zweck der Identifizierung in künftigen Strafverfahren schöpfen den verfassungsrechtlichen Rahmen aber nicht voll aus und belassen dem Gesetzgeber Spielräume für eine Ausweitung des Anwendungsbereichs. – Auch hier wurde das mit den Stimmen von Rheinland-Pfalz so beschlossen. Es stellt sich wirklich die Frage, warum man in der Justizm inisterkonferenz so beschließt und hier in die andere Richtung marschiert.

(Beifall der CDU – Frau Spurzem, SPD: Das wird jetzt gleich der Justizm inister erklären!)

Für die SPD-Fraktion hat Herr Abgeordneter Pörksen das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Kollege Hörter, ich glaube nicht, dass Ihr Beitrag gerade eben

einen Beitrag zu einer sachlichen Diskussion bei diesem Thema betrifft.

(Beifall der SPD – Zuruf des Abg. Hörter, CDU)

Ganz ruhig bleiben. Ich bemühe mich auch, ruhig zu bleiben.

Auf die Punkte, die Sie angesprochen haben, die in Rheinland-Pfalz anders geregelt seien als im Bund, komme ich in meinem Ausführungen noch zurück. Aber dass gerade Sie hier darüber reden, dass wir oder die FDP Ängste in der Bevölkerung schüren wollen, gerade in der Frage der Verbrechensbekämpfung, das finde ich schon als etwas, was mir starker Tobak zu sein scheint.

(Beifall bei SPD und FDP – Schweitzer, SPD: Das ist ein Witz!)