Protokoll der Sitzung vom 16.03.2005

und erfährt jetzt an einer strittig diskutierten Stelle eine Ergänzung.

Wir sind bewusst behutsam vorgegangen und haben uns für einen Schulversuch von 12 Schulen entschieden, weil wir Erfahrungen und Hinweise sammeln wollen, wie wir unser Schulsystem weiterentwickeln können. Ich darf Ihnen versichern, wir werden unsere innovativ angelegte Bildungspolitik konsequent fortsetzen und dabei Aufgeregtheiten keinen Platz lassen. Wir handeln verantwortungsbewusst, und das gemeinsam.

(Anhaltend Beifall der SPD und der FDP)

Es spricht noch einmal Herr Abgeordneter Keller.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! So viel nur zur FDP:

(Mertes, SPD: Was ist mit dem Zitat?)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, sollten die Medien nicht deutlich morgen über Ihr überholtes Umfallen berichten, dann werde ich auf eigene Kosten all Ihre Funktionsträger schriftlich über Ihr Umfallen in dieser Frage und auch in anderen Fragen informieren, weil es so doch nicht geht. (Beifall der CDU)

Verehrte Frau Kollegin Morsblech, man kann ja anderer Meinung sein, aber was Sie hier vollführt haben, bringt mich zu dem Schluss, ich kann Sie nicht mehr ernst nehmen. Wer selbst noch vor wenigen Tagen diesen Schulversuch in den Medien bekämpft hat und nachdem etwas geändert wurde sagt, der Schulversuch entspricht der Zielsetzung liberaler Bildungspolitik, der muss eine Gehirnwäsche durchgemacht haben.

(Beifall der CDU)

Da das nicht gereicht hat – das muss man sich vorstellen –, haben Sie sich bei der Regierung für den Schulversuch bedankt. Das ist doch Masochismus, was Sie hier machen. Also wirklich, wo sind wir denn.

(Beifall der CDU – Zuruf des Abg. Mertes, SPD)

Ich komme jetzt zu den Ausführungen der Ministerin. Ja, Sie haben zwei Jahre gebraucht, um ein Zitat von mir zu bringen. Dazu stehe ich nach wie vor. Das war eine Frage. Im Gegensatz zu Ihnen, Sie stellen keine Fragen, Sie haben angeblich immer die richtigen Antworten.

(Frau Spurzem, SPD: Das hat Sie!)

Diese Frage hat sich dann erledigt.

Da kam die PISA-Ergänzungsstudie. Eindeutig waren Bayern, Baden-Württemberg, Thüringen mit gegliederten Schulsystemen die PISA-Sieger. SPD- und GRÜNgeführte Länder mit vielen integrativen Schulformen waren eindeutig PISA-Verlierer. Es ist klar, welche Schulsysteme besser sind.

(Beifall der CDU – Zuruf des Abg. Hartloff, SPD – Zurufe von der CDU)

Natürlich soll man vom PISA-Sieger Finnland lernen. Wir haben vor drei Jahren entsprechende Anträge zu einer neuen Förderkultur von Anfang an gestellt. Die haben Sie abgelehnt.

(Zuruf des Abg. Kuhn, FDP)

Unsere neue Grundschule greift das auf. Systematisch, massiv von Anfang an fördern, dann kann man das Sitzenbleiben vermeiden. Man muss ernsthaft unten anfangen. Dazu sind Sie nicht bereit. Was Sie jetzt machen, ist pädagogischer Humbug. In den Diskussionen wird es schon noch klar werden. Ich bin gespannt, welche Schulen sich auf dieses pädagogische Himmelfahrtskommando einlassen.

Danke. (Beifall der CDU)

Es spricht nun Herr Abgeordneter Heinrich.

Herr Keller, es war mir klar, dass Sie zu diesem Thema eine sehr beengte Sichtweise haben. Ich möchte deshalb vielleicht nur wenige Sätze hinzufügen, wobei ich fest davon überzeugt bin, dass ich Sie damit auch nicht überzeugen kann.

Wir freuen uns auf die Begleitung dieses Modellversuchs. Wir werden ihn sehr aufmerksam beobachten. Wenn Schulen die Möglichkeit bekommen, mehr in eigener Verantwortung zu regeln, dann wird das viel Phantasie und Kreativität mobilisieren, die bisher vielleicht brach liegen. Wir haben volles Vertrauen in die Lehrerinnen und Lehrer. Sie offensichtlich nicht.

(Beifall bei SPD und FDP – Lelle, CDU: Das ist unverschämt! Jedes Mal dieselbe Leier!)

Die Lehrerinnen und Lehrer müssen die pädagogische Freiheit haben, sich um jeden Einzelnen so zu kümmern, dass sie ihm so gut wie irgend möglich gerecht werden. Die Schulen haben von größerer Selbstständigkeit dann am meisten, wenn sie ihre Erfahrungen austauschen und vergleichen können und die Öffentlichkeit daran Anteil nehmen kann. Es wäre insgesamt viel gewonnen, wenn alle, die bildungspolitisch interessiert sind, und alle, die bildungspolitisch Verantwortung tragen, bereit wären, ihre Positionen und ihre Thesen dem rauen Wind der Wirklichkeit auszusetzen. Wir könnten uns dann manche Diskussion wie die heutige über falsche Alternativen ersparen.

(Beifall bei SPD und FDP)

Das Wort hat noch einmal Herr Abgeordneter Wiechmann.

Meine Damen und Herren, selten habe ich mich auf eine Debatte so gefreut, aber auch selten habe ich sowohl Frau Kollegin Morsblech als auch die Frau Ministerin so herumeiern sehen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Sie haben sich offensichtlich bei Ihrem Krisengipfel gestern nicht einigen können, tatsächlich die individuelle Förderung aller Schülerinnen und Schüler auch gemeinsam auf den Weg zu bringen. Deshalb haben Sie innovative Ideen über den Haufen geworfen.

Meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen eine Frage stellen, Herr Kollege Keller, weil Sie schon wieder angefangen haben, davon zu reden, wie gut Bayern bei

PISA abgeschnitten habe. Können Sie mir vielleicht die Frage beantworten, wer bei PISA vorn war? War das Finnland, oder war das Bayern?

(Keller, CDU: In Deutschland!)

Herr Kollege Keller, es geht darum, dass wir uns Finnland zum Vorbild nehmen und uns nicht in der zweiten Liga umsehen. Bayern gehört zur zweiten Liga.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, die Einführung von Lernentwicklungsberichten anstelle von Noten wäre ein richtiger Schritt auf dem Weg hin zu einer gerechteren und leistungsfähigeren Lernkultur.

Außerdem müssen wir auch über das so genannte Sitzenbleiben diskutieren. Das widerspricht nämlich dem, was auch Frau Kollegin Morsblech gesagt hat, nämlich der allgemeinen Forderung nach einer besseren individuellen Förderung aller Schülerinnen und Schüler. Nach einer Studie der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft „Bildung neu denken – das Finanzierungskonzept“ könnte der Staat durch das Abschaffen des Sitzenbleibens jährlich 1 Milliarde Euro einsparen. Dieses Geld könnten wir durchaus sehr viel besser für die individuelle Förderung von Schülerinnen und Schülern einsetzen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, die größere Selbstständigkeit für die einzelne Schule ist ein international bewährtes Konzept, das einen entsprechenden rechtlichen Rahmen braucht. Die Handlungsfelder sind längst bekannt und erprobt. Dazu bräuchten wir eigentlich überhaupt keinen Modellversuch mehr, sondern das, was wir brauchen, ist eine entschlossene öffentliche Diskussion und endlich die Umsetzung der längst bewährten Maßnahmen.

(Glocke des Präsidenten)

Ich danke Ihnen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat nun Herr Abgeordneter Kuhn.

(Jullien, CDU: Werner, du hast die Rede liegen lassen!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Keller, wie groß muss der angestaute Frust bei Ihnen sein.

(Beifall der FDP und bei der SPD)

Das haben wir heute erlebt. Wenn Sie von „Gehirnwäsche“ reden, dann sage ich Ihnen, Ihrem Gehirn würde

eine bildungspolitische Wäsche wirklich gut anstehen. So geht das hier nicht.

(Starker Beifall der FDP und der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie diese Rede noch einmal nachlesen, werden Sie merken, dass eine Hilflosigkeit aus dieser Rede spricht, die kaum zu überbieten ist.

(Beifall der FDP und der SPD)