Protokoll der Sitzung vom 16.03.2005

(Kuhn, FDP: Was? – Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist ein Kompliment!)

Sie sagen, wir übernehmen die Regelungen, die der Bund in der Strafprozessordnung vorschlägt, praktisch 1 zu 1 für die Prävention und die Polizeiarbeit. Das ist ein Punkt, der von den Betroffenen auch so kritisiert wird. Das ist schon ein wichtiger Ansatzpunkt.

(Beifall bei der CDU)

Wir hoffen darauf, dass wir bei den Beratungen im Ausschuss an dieser Stelle zusammen mit den Sachverständigen noch eine Veränderung Ihrer Haltung erreichen können.

Meine Damen und Herren, das wirkt sich zum Beispiel an der Stelle konkret aus, an der es darum geht, wie lange denn eine solche Anordnung getroffen werden kann, wie lange also der Richter vorgeben darf, dass diese Überwachungsmaßnahme stattfindet. Sie haben die Frist, die in dem jetzigen Polizeigesetz mit drei Monaten festgelegt ist, auf zwei Monate verkürzt.

In der Begründung kann man es ein wenig nachlesen. Sie haben auch zur Kenntnis genommen, dass das zu großen praktischen Problemen führen wird. Vielleicht können Sie sich das alle vorstellen. Wenn Sie eine solche Maßnahme beim Richter beantragen, also in eine Wohnung hinein Überwachungsmaßnahmen zu installieren, dann bedarf dies einer bestimmten Vorbereitung. Sie können doch nicht einfach nur klingeln und sagen, ich möchte bei Ihnen hereinkommen, ich bin der Gasmann, oder so etwas.

(Pörksen, SPD: Klingeln sollte man besser nicht!)

Ich denke, das ist sehr deutlich. Sie brauchen einen gewissen Vorlauf. Die Polizisten sagen, das kann vier bis sechs Wochen dauern. Dann dauert die Überwachungsmaßnahme insgesamt mit Verlängerung zwei Monate, aber die vier Wochen sind schon herum.

An der Stelle gibt es zwei Vorschläge. Einer ist zu sagen, wir fangen erst beim Zählen dieser zwei Monate mit der tatsächlichen Überwachungsmaßnahme an, oder wir sagen, wir verlängern es wieder auf drei Monate und kommen damit auch den Ansprüchen unseres Staates und der Polizei ein Stück weit entgegen.

(Beifall der CDU)

Der zweite Bereich, der mir sehr wichtig erscheint, ist der Straftatenkatalog. Das ist der Punkt, den ich vorher genannt habe, dass Sie eben sagen, wir übernehmen das 1 zu 1, was in der Strafprozessordnung bei der Repression angesetzt ist. Wegen des unterschiedlichen Rechtsgutes, das durch diese Geschichte geschützt werden soll, denken wir, dass es absolut sinnvoll wäre, noch einmal gemeinsam darüber zu reden.

Ich möchte zwei Beispiele nennen, damit klar ist, um was es mir geht. Es sind erstens die Delikte im Zusammenhang mit Brandstiftung. Natürlich haben wir uns Ihre Papiere auch genau angeschaut. Sie hatten es offensichtlich in Ihrem ersten Entwurf auch enthalten. Auf der Seite 15 unten kann man unten noch den Satz lesen, dass man eben § 306 des Strafgesetzbuchs unbedingt enthalten haben wollte.

(Pörksen, SPD: Das ist auch ein Prozess!)

Er ist in Ihren Verhandlungen herausgefallen. Wir sind der Meinung, gerade wegen der Gefährlichkeit solcher Delikte, dass Sie unbedingt dabei bleiben sollten.

Ein zweiter Bereich sind die Straftaten, die sich gegen die sexuelle Selbstbestimmung von Kindern und Frauen und andere Dinge richten. Das sind die Sexualstrafdelikte insgesamt. Wir sind der Meinung, dass es auch in diesem Bereich sehr viel Sinn macht, wenn die Polizei auch kriminelle Strukturen sehr viel besser im Auge behalten kann, um auch in diesem Bereich Auswüchse zu verhindern.

(Beifall der CDU)

Frau Grützmacher und Frau Ebli, wir waren bei einer Diskussion am Montagabend, bei der es um Menschenhandel, Zwangsprostitution und Ähnliches ging. Das sind kriminelle Strukturen, bei denen es um viel Geld geht, um eine unglaubliche Situation für die betroffenen Frauen. Ich meine, man muss noch einmal das eine oder andere außer dem, was schon enthalten ist, mit einbeziehen.

Lassen Sie mich noch etwas sagen, was mir in dem Zusammenhang sehr wichtig erscheint. Sie haben eben auch noch einmal darauf hingewiesen, Herr Pörksen, dass der Richter in diesen Fragen von Anbeginn an mit einbezogen bleiben soll. Das hat auch etwas mit der Verwertbarkeit dessen, was aufgenommen worden ist, zu tun. Ich glaube, dass es ein richtiger Weg ist, an

dieser Stelle die Kontrolle noch auf eine dritte Person zu verlagern. Das Parlament ist auch mit einbezogen, das haben wir schon gehört.

Nachher geht es um die Frage, welche aufgenommenen Bänder – Masterbänder, wie die Sachverständigen sagen – dann letztendlich vernichtet werden müssen, welche Beweise manchmal auch zugunsten eines Tatverdächtigen letztendlich in einem Prozess verwertet werden können.

Ich möchte noch eine letzte Bemerkung machen. Ich habe es mir bei der Vorbereitung auf dieses Thema noch einmal durch den Kopf gehen lassen. Vielleicht sollten wir bei den Beratungen noch einmal ein Augenmerk auf die Einbindung der Staatsanwaltschaften richten. Es geht zwar um Prävention, und die Staatsanwaltschaft ist eigentlich erst dann gefragt, wenn es darum geht, Strafverfolgung zu betreiben, aber es gibt auch Grenzbereiche. Vielleicht sollten wir uns im Sachverständigenbereich noch einmal mit der Frage beschäftigen, damit wir auch an dieser Stelle, wenn wir jetzt schon novellieren, nicht etwas übersehen oder etwas nicht mit einbeziehen.

Ich denke, insgesamt kann man es so machen, wie Sie das vorschlagen. Es ist nicht unser Weg, das sage ich ganz deutlich. Aber ich habe schon angedeutet, es liegt natürlich ein Stück weit an der Koalition und an den Interessen der einzelnen Koalitionäre. Aber insgesamt werden wir an dieser Beratung intensiv mitarbeiten.

Wir hoffen, dass wir uns nachher an der einen oder anderen Stelle mithilfe der Sachverständigen noch einmal wiederfinden. Ich denke, dann wird es auch eine vernünftige Lösung geben.

(Beifall der CDU und des Abg. Pörksen, SPD)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Hohn das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Exakt vor etwa einem Jahr hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zum so genannten Großen Lauschangriff einige Vorschriften der Strafprozessordnung zur Durchführung der akustischen Wohnraumüberwachung für verfassungswidrig erklärt.

Die verfassungsrechtliche Grundlage für die akustische Wohnraumüberwachung zur Strafverfolgung in unserem Grundgesetz ist hingegen nach dem Richterspruch aus Karlsruhe für mit der Verfassung vereinbar erklärt worden. Das Bundesverfassungsgericht hat also nicht per se die akustische Wohnraumüberwachung für verfassungswidrig erklärt. Meine Damen und Herren, dies ist mir an dieser Stelle ganz besonders wichtig.

Nicht minder bedeutsam ist die Tatsache, dass sich das Urteil des Bundesverfassungsgerichts formaljuristisch lediglich auf Abhörmaßnahmen im Rahmen der Strafverfolgung, also zum Zweck der Aufklärung bereits begangener Straftaten bezieht. Inwieweit es auch auf präventive Maßnahmen im Bereich der Gefahrenabwehr anzuwenden ist, ließen die Karlsruher Richter allerdings offen.

Meine Damen und Herren, die Frage, wie mit dem Urteil umzugehen ist, war insofern für die beiden Regierungsfraktionen nicht leicht zu beantworten. Mehrere Lösungsansätze wären möglich gewesen. Zum einen hätte der Standpunkt vertreten werden können, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts trifft nur Aussagen zur repressiven Wohnraumüberwachung. Änderungsbedarf für den präventiven Bereich erübrigt sich insofern.

Man hätte allerdings auch argumentieren können, aus dem Urteil zum so genannten Großen Lauschangriff sind sehr wohl Konsequenzen für die Ausgestaltung der präventiven Wohnraumüberwachung und mithin für das hiesige Polizeirecht zu ziehen und man hätte demnach das Urteil 1 zu 1 umsetzen können.

Meine Damen und Herren, die beiden Regierungsfraktionen haben mit dem vorgelegten Gesetzentwurf zur Änderung des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes einen, wie ich denke, rechtsstaatlich sehr vernünftigen und vor allem auch sehr pragmatischen Weg eingeschlagen, der zum einen an der präventiven Wohnraumüberwachung als notwendiger Maßnahme der Gefahrenabwehr festhält, zum anderen aber auch durch die Aufnahme von Erhebungs-, Überwachungs- und Verwertungsverboten sowie Löschungspflichten in das Polizei- und Ordnungsbehördengesetz eine hinreichende verfahrensmäßige Absicherung dafür schafft, dass bei einer verdeckten Maßnahme in Wohnungen ein Eingriff in den Kernbereich privater Lebensgestaltung vermieden wird.

(Vizepräsident Creutzmann übernimmt den Vorsitz)

Meine Damen und Herren, die Fraktion bekennt sich klar zu dem Instrument der verdeckten Datenerhebung in Wohnungen, als notwendige Maßnahme der Gefahrenabwehr. Bei der Kriminalitätsbekämpfung ist insbesondere der effektiven und flächendeckenden Informationsgewinnung, Informationsverarbeitung und -auswertung eine besondere Bedeutung beizumessen, um Aktivitäten terroristischer und somit krimineller Strukturen möglichst früh und wirkungsvoll zu unterbinden. Dies haben nicht zuletzt die Festnahmen von Al-Kaida-Mitgliedern in Mainz und Bonn vor einigen Wochen deutlich gezeigt.

Meine Damen und Herren, solche Erfolge kann die Polizei nur dann verbuchen, wenn sie alle rechtlichen und taktischen Möglichkeiten der Informationsgewinnung ausschöpfen kann. Das Instrument der verdeckten Datenerhebung aus Wohnungen hat sich hierfür als ein unverzichtbares Instrument erwiesen. Gerade um Erkenntnisse aus dem inneren Kreis krimineller Organis ationen zu erlangen, reichen herkömmliche Befugnisse vielfach nicht aus. Insofern war es uns wichtig, mit den Änderungen im Polizei- und Ordnungsbehördengesetz

das Instrument der verdeckten Datenerhebung in Wohnungen als notwendige Maßnahme der Gefahrenabwehr in der Praxis nicht zu entwerten, sprich es nicht tot zu machen.

Hätte man aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts den Schluss gezogen, es müsse nunmehr stets live mitgehört werden, wäre man zu diesem sicherlich für alle, aber insbesondere für die Polizei unbefriedigenden Ergebnis gelangt. Ich denke, das wollte keiner.

Selten kann die Polizei durch einmaliges Mithören oder durch Beobachten das Geschehens in einer Wohnung dies richtig einordnen. Verschlüsselte Gesprächsinhalte oder Gespräche in einer für die Beamten nicht verständlichen Sprache erfordern in der Regel, dass ein Gespräch oftmals sogar in Anwesenheit von Dolmetschern mehrfach abgehört werden muss.

Unabhängig davon bedürfen entsprechende Aufzeichnungen oftmals der technischen Aufbereitung, um beispielsweise Fernseh- oder Radiogeräusche oder andere Nebengeräusche herauszufiltern. Um diesen Aspekten Rechnung zu tragen, ermächtigt der Gesetzentwurf die Polizei zur Live- und zeitversetzten Überwachung und Auswertung der erhobenen Daten gleichermaßen.

Meine Damen und Herren, daneben wird ein umfassender Rechtsschutz des Betroffenen durch eine umfassende begleitende gerichtliche Kontrolle gewährleistet. Das erscheint uns sehr wichtig. Demnach ist das Gericht nach den geplanten Änderungen laufend über den Verlauf der Maßnahme einer verdeckten Datenerhebung und deren nähere Umstände zu unterrichten. Es kann zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung polizeiliche Maßnahmen überprüfen und erforderlichenfalls richterliche Anordnungen treffen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Intensivierung der richterlichen Kontrolle im Hinblick auf die Durchführung der akustischen Wohnraumüberwachung war unserer Fraktion bei den geplanten Änderungen besonders wichtig. Als Liberale betrachten wir den Schutz und den Erhalt der Freiheit als vornehmste Aufgabe. Jede Erweiterung von polizeilichen Befugnissen kann die Freiheit eines jeden Einzelnen einschränken. Durch die geplante Aufnahme einer begleitenden gerichtlichen Kontrolle werden jedoch nicht nur die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zum so genannten großen Lauschangriff umgesetzt, sondern insbesondere auch die Freiheitsrechte eines jeden Einzelnen umfassend geschützt. Ich denke, das ist wichtig.

Meine Damen und Herren, das Gericht kann zu jeder Zeit korrigierend eingreifen oder die Maßnahmen der verdeckten Wohnraumüberwachung gänzlich abbrechen, wenn sich zeigt, dass die Voraussetzungen der Anordnung nicht mehr vorliegen.

Losgelöst von den im Licht des Urteils zum so genannten Großen Lauschangriffs geplanten Änderungen im rheinland-pfälzischen Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes warne ich jedoch dringend davor, in der Öf

fentlichkeit den Eindruck zu vermitteln, wir wären auf dem Weg in einen Überwachungsstaat.

(Pörksen, SPD: So ein Quatsch!)

Gerade von den GRÜNEN wird gern versucht, dies der Bevölkerung zu suggerieren, um mit den Ängsten unserer Bürgerinnen und Bürger politisch zu punkten.

(Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Was macht die FDP auf Bundesebene?)

Meine Damen und Herren, dem ist mitnichten so. Mit dem Instrument der verdeckten Datenerhebung wird in der rheinland-pfälzischen Praxis äußert restriktiv und kontrolliert umgegangen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall der FDP und der SPD)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Grützmacher.