Protokoll der Sitzung vom 28.04.2005

Sie werfen Vorgänge aus den Jahren 1997 und 2001 ins Feld, die den Geschäftsführer betreffen und worüber wir in den Ausschüssen sehr detailliert gehört haben, um welche Vorwürfe es sich handelt. Aus dem leiten Sie ab, der Aufsichtsrat hätte seiner Verantwortung nicht Genüge getan. Der Aufsichtsrat hat neben den Geschäftsführer eine weitere Person gestellt, die die Aufgabe hatte, im Betrieb mehr auf die Abläufe zu schauen. Die Finanzamtsprüfungen und die Wirtschaftsprüfungen hatten weitere Anlässe nicht gesehen.

Ihre Behauptung, die Sie im Ausschuss aufgestellt haben, dass man selbstverständlich hätte arbeitsrechtliche Konsequenzen betreiben können, trifft nicht zu.

(Vereinzelt Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg. Dr. Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Darüber können wir inhaltlich streiten, welches Fehlverhalten da ist.

Sehr geehrter Herr Dr. Braun, ich komme zu dem Punkt. Wenn Sie auf der einen Seite den Maßstab über die Frage, wann ich Untersuchungsausschüsse mache, wie ich Vorverurteilungen vornehme oder nicht, sehr eng auslegen, dann haben wir beim Visa-Ausschuss in Berlin durchaus Anschauungsmaterial mit Beigeschmack. Auf der anderen Seite sprechen Sie Vorverurteilungen sehr schnell aus, wenn es Ihnen in den Kram passt. Sie müssen sich dann fragen lassen, welches rechtsstaatliche Gefühl Sie für solche Fälle haben.

(Beifall bei SPD und FDP)

Nein, da schütteln Sie ganz eifrig den Kopf. Ich habe die Vorverurteilung von Herrn Dr. Braun im Ausschuss gehört.

(Dr. Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Was denn?)

Als ich dagegen etwas gesagt habe, war er sehr entrüstet.

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Was denn? – Dr. Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Was denn?)

Zum Beispiel das Recht auch von Angeklagten, zu Vorwürfen schweigen zu können. Das ist ein ganz wichtiges rechtsstaatliches Prinzip.

(Beifall bei der SPD – Dr. Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Zitieren aus dem Protokoll! Es gab keine Vorverurteilung!)

Kartell des Schweigens, Herr Dr. Braun. Ja? Das ist ein Punkt.

(Dr. Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja!)

Die Behauptungen, die Sie in Bezug auf den Staatssekretär aufgestellt haben und die Sie in der Presse wiederholen,

(Dr. Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Welche denn?)

sind natürlich auch Vorverurteilungen, dass Sie sagen, er hat seine Aufsichtspflichten nicht gewahrt.

(Beifall bei SPD und FDP)

Das gehört sicherlich zum politischen Geschäft, mögen Sie meinen. Ob es denn ein gutes Geschäft ist, ob es wirklich der Aufklärung dient, ist die Frage. Wir haben reichlich Erfahrung gerade mit dem Untersuchungsausschuss „Rodalben“. Wenn ich mir da angeschaut habe, was der Kollege Weimer dann in der „PZ“ für ein Resümee gezogen hat, nach langen Beweisaufnahmen, dann

graust mir vor manchem, was da als Rückschluss oder bessere Aufklärung angesehen wird.

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Mein Gott, reden Sie doch einmal zur Sache!)

Ich sehe momentan keinen Anlass, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen. Die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen sind abzuwarten. Wir werden darüber in vollem Umfang genauso wie über die Ergebnisse der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft informiert. Damit werden wir dann auch sehen, ob weitere Handlungen veranlasst sind. (Beifall der SPD und der FDP)

Für die CDU-Fraktion hat Herr Kollege Baldauf das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir reden heute – da müssen wir auch einmal beleuchten, welche Vorwürfe wir hier zu erörtern haben – über eine Situation, die uns schon mehrfach mit unterschiedlichen Vorwürfen beschäftigt hat, die allerdings unter dem Strich immer nur unterschiedliche Personen betreffen und im Einzelnen aber doch immer wieder deckungsgleich sind.

Die Frage ist, was wir hier insgesamt haben und was die Staatsanwaltschaft im Moment verfolgt: Kann das nach heutigem Ermessen einem Aufsichtsratsvorsitzenden in irgendeiner Form in die Schuhe geschoben werden?

Da haben wir die Situation, dass die Staatsanwaltschaft im Moment – das ist leider kein Einzelfall – einen wirklich kriminellen Sumpf auszuheben hat. Da gibt es ein VierAugen-Prinzip. Herr Hartloff hat es erwähnt. Diese vier Augen arbeiten zusammen mit vielen, vielen anderen dazu mit der Konsequenz, dass sich dann die Frage stellt: Wie läuft die Vergabe? Wie läuft die Rechnungsprüfung? Welche Möglichkeit hat der Aufsichtsratsvorsitzende, oder anders herum gesagt, welche Verpflichtung hat der Aufsichtsrat oder der Aufsichtsratsvorsitzende, dies im Einzelnen zu prüfen?

Da sage ich Ihnen ganz klar, wenn Sie sich das genauer anschauen, aus juristischer Sicht keine. Was kann er denn mehr machen? Er setzt zwei Personen ein. Was kann er weiteres machen? Er kann eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft einsetzen. All dies ist geschehen. Dann kommen wir relativ schnell zu der Situation, dass zu den Vorwürfen, die jetzt wieder aufgekocht worden sind – Herr Dr. Braun, jetzt ist es halt einmal ein Schiff; ich weiß nicht, wie es weitergeht und was noch alles kommt –, aber all diese Vorwürfe sind immer wieder in irgendeiner Form korrupte Vorwürfe, die aber mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden oder dem Aufsichtsrat zunächst kausal nichts zu tun haben.

(Beifall der CDU und bei der FDP)

Sie unterstellen, wenn Sie das hier vortragen, dass den Aufsichtsratsvorsitzenden eine gesteigerte Prüfungspflicht treffen würde. Wie stellen Sie sich das vor? Soll der sich den ganzen Tag hinsetzen und jede einzelne Rechnung prüfen? Es müsste ihm allenfalls auffallen, wenn es irgendwelche augenscheinlich absolut überhöhte Rechnungen wären, nicht mehr nachvollziehbare Rechnungen über Dinge, die nicht sein können. Aber solange es solche nicht gibt – meiner Erinnerung nach sind solche bisher nicht aufgetaucht –, die augenscheinlich ins Auge fallen, dass sie nicht sein können, bin ich der Auffassung – ich sitze selbst in einem Untersuchungsausschuss –, dass man mit einem solchen Instrument sehr vorsichtig sein muss. Wir hatten damals einen ganz anderen Anlass, dies zu fordern. In diesem Fall hier sehen wir aber absolut überhaupt nichts im Moment, was dazu führen könnte, dem Aufsichtsrat oder dem Vorsitzenden in irgendeiner Form etwas nachsagen zu müssen.

(Staatsminister Mittler: Es sei denn, er wäre von der SPD!)

Interessant. Das wäre auch nicht anders, wenn er von der SPD wäre. Herr Mittler, ich weiß jetzt nicht, was dieser unqualifizierte Einwurf jetzt hier soll.

(Staatsminister Mittler: Das würde natürlich die Sichtweise verändern!)

Das wundert mich immer wieder. Herr Mittler, schauen Sie, jetzt bin ich vier Jahre hier im Parlament. Das meiste, was mich immer beschäftigt, ist, warum so wenig Leute wählen gehen. Glauben Sie, das versteht noch einer, wenn Sie einen solchen Einwurf machen? Das kann ich nicht nachvollziehen.

(Beifall der CDU)

Herr Dr. Braun, wir kommen dann zu dem zweiten Komplex. Der ist auch schon von Herrn Hartloff angesprochen worden. Es geht um die Frage, was in der Vergangenheit bezüglich der Vorwürfe war, die auch vom Aufsichtsrat und vom Aufsichtsratsvorsitzenden geahndet wurden. Jetzt bin ich wie zufälligerweise auch noch Arbeitsrechtler. Ich kann Ihnen so viel sagen: Keine Chance. – Verlangen Sie vom Aufsichtsratsvorsitzenden sehenden Auges, eine Kündigung auszusprechen, in einen Prozess hineinzugehen, wo er weiß, dass er ihn verliert? Das können Sie doch im Ernst nicht gemeint haben. Damit sind unserer Auffassung nach die bisherigen Vorwürfe – im Übrigen ermittelt komischerweise die Staatsanwaltschaft gegen den Aufsichtsrat oder den Aufsichtsratsvorsitzenden nicht – im Moment nicht darauf übertragbar. Dass dort aller Voraussicht nach – das wird sich nicht vermeiden lassen; ich habe die Befürchtung, dass es so kommt – Weiteres noch kommt, eventuell mit weiteren Firmen, das kann alles sein, aber dann stellt sich immer die Frage der Kausalität bezüglich der dem Aufsichtsratsvorsitzenden zu machenden Vorwürfe. Die sehen wir nach wie vor nicht.

Unserer Auffassung nach ist bisher – das wurde auch angesprochen – in drei Ausschüssen umfasssend informiert worden. Es wurde nichts vorenthalten, gar nichts. Auch in vertraulicher Sitzung wurde berichtet. Deshalb

können wir hier nicht sehen, dass in irgendeiner Form das Parlament nicht ausreichend über diesen Fall informiert wäre. Das ist nicht so. Deshalb werden wir Ihrem Ansinnen in dieser Form nicht folgen können. Das kann nicht passen. Dann würden wir wirklich Politpopulismus betreiben. Sie werden sicherlich noch etwas dazu sagen, inwiefern eine Kausalkette kommt.

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Da sind Sie mir der Richtige, Herr Baldauf! – Zurufe von der SPD)

Ja, das sagt genau der Herr Baldauf. Der Herr Baldauf hat den Untersuchungsausschuss auch mitverfolgt, Frau Klamm. Sie haben wahrscheinlich von dem ganzen Protokoll von 1.400 Seiten noch keine einzige gelesen. Deshalb darf ich das auch einmal dazu sagen.

(Glocke der Präsidentin – Beifall bei der CDU – Schweitzer, SPD: Wir haben aber Ihre hoch geistigen Ergüsse gelesen!)

Herr Schweitzer, ich weiß nicht, woher Sie unsere hoch geistigen Ergüsse schon gelesen haben. Die haben wir noch gar nicht abgegeben.

(Zuruf des Abg. Schweitzer, SPD)

Das ehrt mich sehr. Ich sage lieber nichts mehr dazu. Ich habe versucht, es sachlich zu halten. Sie können danach noch etwas dazu sagen.

Ich bedanke mich.

Für die FDP-Fraktion hat Herr Kollege Creutzmann das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Braun, wie Sie immer mit der Wahrheit umgehen, zeigt der Beginn Ihrer Ausführungen. Da wird gegen „20 Firmen, vielleicht auch gegen 30 Firmen“ ermittelt, obwohl definitiv feststeht, es gibt 29 Ermittlungsverfahren zurzeit. Wenn Sie die zwei Hauptbeschuldigten abziehen, sind es 27. Obwohl wir im Ausschuss gehört haben, dass es mehrere Geschäftsführer von einer Firma gibt, wird einfach irgendetwas davon behauptet.

(Dr. Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das stimmt doch überhaupt nicht!)

Ihre Vorwürfe „alles kriminell“ und Ihre Stoßrichtung zielen natürlich darauf ab, den Staatssekretär der FDP in der Öffentlichkeit zu beschädigen. Das ist Ihre einzige Stoßrichtung.

Das versuchen Sie immer wieder. Sie haben mittlerweile gemerkt, dass der Aufsichtsratsvorsitzende sich nicht hinter den Vorstand stellen konnte. Es ist übrigens der

Aufsichtsrat. Wenn jemand versagt hat, hat der Aufsichtsrat versagt. Das will ich Ihnen auch nur einmal sagen. Aber dann versuchen Sie zu sagen, der Aufsichtsratsvorsitzende hätte sich hintendran stellen müssen, vielleicht jede Rechnung überprüfen müssen. Dann merken Sie, das funktioniert nicht. Dann versuchen Sie, eine Kausalität herzustellen zwischen denjenigen Vorgängen, die waren, die mit Korruption null und nichts zu tun hatten, um zu sagen: Hättet ihr den Vorstand damals rausgeschmissen – das ist Ihr Thema –, dann hätte er das alles nicht machen können.

Dann setzten Sie wieder solche Dinge in die Welt. Mir liegt hier ein Gutachten vor. Das Wirtschaftsministerium hat um eine gutachtliche Stellungnahme gebeten, ob Herr Kunkel nach den Verfehlungen, die vor ein paar Jahren aufgetreten sind, hätte rausgeworfen werden können. Das Rechtsgutachten kommt zu dem Ergebnis: Nein.