Protokoll der Sitzung vom 03.06.2005

Die Größenordnungen wurden genannt. 5 % der ursprünglich in Europa stationierten Nuklearwaffen werden hier angenommen. 95 % sind, so sagt man, abgezogen. Dies haben wir dem nuklearen Nichtverbreitungsvertrag und der Verpflichtung der Nuklearwaffenstaaten zur Abrüstung ihres Nuklearwaffenarsenals zu verdanken.

Meine Damen und Herren, wo sich in Rheinland-Pfalz die Atomwaffen konkret befinden, kann ich Ihnen genauso wenig sagen wie jeder andere in diesem Saal. Das ist gut so.

Frau Grützmacher, ich habe eine Frage an Sie. Wissen Sie wirklich genau, wo und wie viele Atomwaffen hier geheim gelagert sind?

(Zuruf der Abg. Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, dies wird geheim gehalten, um die Bürger zu schützen. Dies ist in Zeiten des zunehmenden Terrorismus umso wichtiger. Tatsache ist aber auch, dass die Nuklearwaffen unabhängig von ihrem Standort die Bürgerinnen und Bürger beunruhigen. Tatsache ist auch, dass wir aufgrund der veränderten weltpolitischen Sicherheitslage darüber diskutieren können und sollen, ob wir in Europa, in Deutschland und in Rheinland-Pfalz noch taktische Atomwaffen brauchen.

Die FDP-Bundestagsfraktion hat schon den Abzug gefordert. Dies unterstützen wir als rheinland-pfälzische Landtagsfraktion ausdrücklich. Die Landesregierung und an ihrer Spitze unser Ministerpräsident Kurt Beck hat dies erst kürzlich bekräftigt. Der Verteidigungsminister führt diesbezüglich bereits Gespräche mit den Bündnispartnern der NATO.

Das alles begrüßen wir vonseiten der FDP-Fraktion.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn ich den Antrag der GRÜNEN zu diesem Tagesordnungspunkt lesen muss, welche Horrorszenarien eintreten könnten, so lese ich dies mit Bedauern. Dafür, dass die GRÜNEN nach wie vor lieber mit der Angst der Menschen und einer gezielten Panikmache – – –

(Zuruf der Abg. Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Kollegin, das haben Sie eben genauso getan. Sie wollen mit der Angst der Menschen Wahlen gewinnen und nicht mit den Themen.

Sie schreiben beispielsweise – ich zitiere –: „Das bedeutet: Im Kriegsfall und nach Freigabe durch den Präsidenten der USA könnte die Bundeswehr etwa 20 in Büschel gelagerte Atomwaffen aus US-Beständen einsetzen.“ Meine Damen und Herren, das Wort „bedeutet“ steht im Deutschen für eine Tatsache, während Sie es für Kausalzusammenhänge benutzen, die in dieser Form mehr als unwahrscheinlich sind. Das genau ist es. Lesen Sie Ihren Antrag einmal durch. Ich habe das getan. Es geht auch hier um die Wortwahl.

Im weiteren Verlauf Ihres Antrags fordern Sie die Landesregierung zu Handlungen auf, die allerdings, wie ich eben aufgezeigt habe, bereits erfolgt sind. Entweder sind Sie schlecht informiert oder Ihnen gehen tatsächlich die Themen aus oder beides, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir von der FDP fordern den Abzug der in Europa und in Deutschland und in Rheinland-Pfalz stationierten Atomwaffen, weil wir sie nicht mehr für erforderlich halten, wir als Nicht-Nuklearwaffen-Staat ausdrücklich und entschieden hinter dem nuklearen Nichtverbreitungsvertrag und der Abrüstung der Atomwaffenarsenale stehen und weil wir mit unserer Forderung ein klares Zeichen setzen wollen, und nicht zuletzt, weil die Bürger in der heutigen weltpolitischen Situation auch kein Verständnis mehr für die Präsenz der Atomwaffen in unserer Region RheinlandPfalz haben können.

Meine Damen und Herren von den GRÜNEN, Sie fordern die vollständige Offenlegung aller Atomwaffenstandorte mit Zahl und Art der Waffen.

(Dr. Altherr, CDU: Ein Nuklear- waffenregister!)

Ist Ihnen überhaupt bewusst, dass Sie damit den Terroristen quasi die Logistik für Anschläge frei Haus liefern?

(Beifall bei der FDP)

Sieht so Ihr Verantwortungsbewusstsein für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger in unserem Land aus? Meine Damen und Herren, wir alle wünschen uns wohl eine Welt ohne nukleare Bedrohung und auch ohne Krieg. Wir von der FDP-Fraktion meinen, dass wir mit dem geforderten Abzug der Atomwaffen aus Europa, aus Deutschland und Rheinland-Pfalz einen Schritt in die richtige Richtung gehen.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit, adieu.

(Beifall bei FDP und SPD)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Frau Abgeordnete Thomas das Wort.

Lieber Herr Geisen, ich hoffe, Sie gehen noch nicht, weil Sie „adieu“ gesagt haben und hören sich wenigstens noch an, was ich dazu zu sagen habe.

Ich meine, Sie waren jetzt wirklich bemüht, Dissens dorthin zu tun, wo eigentlich Konsens besteht. Der Kollege der SPD-Fraktion hat es deutlich gemacht, wir waren so weit, dass es in weiten Teilen, außer dass es Herrn Altherr von der CDU nicht über die Lippen kommt, eine Übereinstimmung in diesem Parlament gibt, dass Atomwaffen, die in Rheinland-Pfalz oder an anderer Stelle in Europa gelagert sind, abgezogen werden sollen. Herr Altherr hat nur gesagt: „Wenn sie nicht mehr notwendig sind.“ – Wenn Sie mit Militärexperten, mit Sicherheitsexperten reden, wenn Sie sich die sicherheitspolitische Lage anschauen – wir sind nur von Partnern und nicht von Feinden umgeben, die man mit diesen Waffen bedrohen möchte – kommen Sie zu dem Ergebnis: Diese Waffen sind nicht mehr notwendig –, dann erwarte ich von Ihnen, dass Sie das heute sagen können, dass Sie erwarten und sich dafür einsetzen, dass diese Waffen abgezogen werden.

Herr Geisen, Sie versuchen, einen Dissens herzustellen und bemühen sich, Textpassagen dieses Antrags exegetisch fehlzudeuten. Wir erläutern, was technische nukleare Teilhabe bedeutet – das ist dieser Passus, den Sie vorgelesen haben –, es bedeutet nämlich, dass nach Freigabe des US-Präsidenten diese Waffen eingesetzt werden können, und zwar mit Flugzeugen der Luftwaffe, – – –

(Zuruf des Abg. Dr. Altherr, CDU)

Das bedeutet es und deshalb ist dieser Satz formuliert. Wir machen mitnichten ein Schreckensszenario auf. Sie sollten doch einfach einmal ertragen können, meine Damen und Herren von der FDP, dass es einen Konsens gibt, der über die Koalitionsfaktionen hinausgeht, so wie ich es begrüße, dass nach 50 Jahren, nachdem die ersten Atomwaffen hier hergekommen sind, nicht mehr die GRÜNEN allein diejenigen sind, die fordern, dass sie abgezogen werden sollen, sondern dass diese Forderungen von vielen aufgegriffen werden. Dass man dafür mit diesem breiteren Konsens auch eine Umsetzungsmöglichkeit hat, ohne die Amerikaner zu erschrecken. Herr Altherr, wir müssen wirklich Konsequenzen auch aus dem Scheitern der Konferenz in New York ziehen und sagen: Wir machen erste Schritte, diese Waffen sind sicherheitspolitisch nicht mehr erforderlich, militärisch nicht mehr erforderlich, und man braucht sie auch politisch nicht mehr.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen sollten wir genau für diesen Zweck möglichst gemeinsam aus diesem Parlament heraus ein entsprechendes politisches Signal setzen und uns hier nicht in Kleintreibereien zerreiben lassen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Dr. Altherr, CDU)

Für die Landesregierung hat Herr Staatsminister Bruch das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist sicherlich sehr bedauerlich, dass die Vereinbarung bei der letzten Konferenz nicht erzielt werden konnte und es drei zentrale Bereiche gab, in denen man sich nicht einigen konnte, in der Abrüstung, in der wirksamen Kontrolle und in der friedlichen Nutzung der Atomenergie. Frau Abgeordnete Grützmacher, was wir aus der Konferenz wissen, ist, dass es nicht allein um Sicherheitsprobleme ging, sondern auch um wirtschaftliche Probleme, dass sich verschiedene dort auch wirtschaftlich positioniert haben und das vielleicht auch ein bisschen unter die Sicherheit subsumiert haben.

Ich will deutlich machen, dass die Landesregierung hier für die Landesregierung spricht und der Ministerpräsident eine Aussage gemacht hat, die eigentlich der Kernpunkt dessen ist, was hier heute gesagt worden ist.

Ich will einige Bemerkungen machen:

Es gibt keine Bestätigung für Lagerung von Atomwaffen in Rheinland-Pfalz.

Die Bundesrepublik Deutschland ist ein NichtNuklearwaffen-Staat und bekennt sich zum Primat der Nichtverbreitung von Atomwaffen. Das tragen wir voll mit und ist ein Teil der Politik dieser Landesregierung.

Die Lagerung von Atomwaffen, egal wo, sehen wir als nicht mehr notwendig an. Wir haben die Sorge, dass es durch die Veröffentlichung, die Sie, Frau Grützmacher, zum Beispiel, ich denke leichtfertig, in Ihrem Antrag haben, eine Frage gibt, wie die Sicherheit in bestimmten Bereichen zu gewährleisten ist. Ich frage mich auch, ob Sie die Sorge haben, dass die Atomwaffen eingesetzt werden, oder ob Sie von der Sorge der Atomwaffenlagerung ausgehen. Sie fordern in Ihrem Antrag, dass die Atomwaffen abgezogen werden im Bereich der NATO. Die Frage ist, ob Sie dann sicher sind. Ich glaube, die Forderung müsste heißen: Die Atomwaffen, die vorhanden sind, müssen zerstört werden, damit von ihnen keine Gefahr mehr ausgeht.

Die Bundesregierung, vertreten durch Bundesminister Struck, und die Landesregierung, vertreten durch Herrn Ministerpräsidenten Beck, haben in Ramstein erklärt, dass sie davon ausgehen, dass 95 % aller Atomwaffen aus dem Bereich der NATO nicht mehr vorhanden sind und es noch 5 % geben würde – das war die Auskunft von Minister Struck – und man sich im Moment bemüht, diese 5 % abzuziehen.

Der Ministerpräsident hat unterstrichen, dass er Wert darauf legt, dass solche Waffen aus dem Bereich Europa abgezogen werden. Dies ist der Sachverhalt.

Wenn Sie die Landesregierung unterstützen wollen, dann wäre dies mit zwei Sätzen möglich gewesen, näm

lich die Meinung der Bundesregierung und die Meinung der Landesregierung, geäußert in Ramstein am 6. Mai, einfach zu unterstützen.

Meine Damen und Herren, ich will eine weitere Bemerkung machen, weil zwei Seelen in meiner Brust sind, nicht in der Brust des Amtsträgers, sondern in der Brust des Karl-Peter Bruch.

Einmal ist es so, dass wir wissen, dass durch diese Waffen über lange Zeit das Gleichgewicht des Schreckens hergestellt werden konnte. Ich denke, aus meiner politischen Arbeit heraus, dass es dazu geführt hat, dass diese Friedenszeit stattfinden konnte, unter anderem, aber sie ist ein wichtiger Punkt.

Die Frage, die sich dann wieder stellt, wenn ich jetzt darauf dränge, dass auch der letzte Rest abgezogen wird, ist, dass ich dann schon gern wissen möchte, wohin, weil es keinen Sinn macht, Waffen möglicherweise aus Belgien in ein möglicherweise unsicheres Land zu transportieren.

(Zuruf des Abg. Dr. Altherr, CDU – Zuruf der Abg. Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Frage der Abwägung, die eine Rolle gespielt hat, ist die Abwägung, ob man etwas sagt.

Ich bekomme keine offizielle Auskunft, wenn ich als Minister frage. Walter Zuber bekam keine offizielle Auskunft, als er als Minister fragte: „Wo gibt es solche Waffen?“

Dann gibt es das Prinzip der Geheimhaltung in dieser Sache. Die NATO und die Bundesregierung haben dies übernommen. Die Landesregierung übernimmt sie und sagt: „Wir wissen es nicht.“

Wir bekommen auch keine Auskunft. Das ist so. Wir wissen es auch nicht.

Von daher gesehen gibt es eine Frage der Abwägung, mache ich es möglicherweise öffentlich, wo solche Waffen sind, oder bleibe ich bei dieser Geheimhaltung.

Ich denke, wenn ich das abwäge in der heutigen Zeit, die eine andere Sicherheitsterminologie braucht als vor zehn Jahren noch – für mich ist das Stichwort dann tatsächlich der 11. September 2001 –, neige ich dazu, bei der Linie der Landesregierung zu bleiben und zu sagen: Wir wollen keine Stationierung. Wir wollen keine Atomwaffen.