Protokoll der Sitzung vom 18.11.2010

Aktionsplan der Landesregierung zur Politik für Seniorinnen und Senioren in Rheinland-Pfalz „Gut Leben im Alter“ Besprechung des Berichts der Landesregierung (Vorlage 15/5362) auf Antrag der Fraktion der SPD – Drucksache 15/5004 –

Es wurde eine Grundredezeit von fünf Minuten vereinbart. Ich erteile Herrn Kessel für die CDU-Fraktion das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Eigens zu betonen, dass ältere Menschen ein wichtiger Aktivposten unserer Gesellschaft sind, hieße Eulen nach Athen tragen. Gerade im 21. Jahrhundert, in dem der Anteil älterer Menschen in unserem Land mit der demografischen Entwicklung stetig zunimmt, wächst die Bedeutung dieser Altersgruppe für unser Gemeinwesen. Seniorinnen und Senioren gehören längst nicht zum „alten Eisen“, sondern sind ein Silberschatz für unsere Gesellschaft.

(Beifall bei CDU und FDP)

Dieses Kapital des Alters gilt es, zukünftig stärker zu nutzen, und dafür müssen wir die Lebensbedingungen älterer Menschen in unserem Land verbessern.

Mit ihrem Antrag „Dem Älterwerden aller Generationen gerecht werden“ hat die CDU diesem Erfordernis Rechnung getragen und gleichzeitig Perspektiven für ein zukunftsorientiertes Landesseniorenkonzept aufgezeigt. Dies soll einerseits der Situation, dem Selbstverständnis

und den Vorstellungen älterer Menschen in unserem Land gerecht werden, andererseits aber auch durch die Einbindung aller Generationen zur Zukunftsfähigkeit unseres Landes beitragen. Die Bemühungen, auf der Grundlage unseres Antrags einen gemeinsamen Antrag aller Fraktionen zu erstellen, waren leider nicht erfolgreich. Verhindert wurden die gemeinsamen Bemühungen durch die von der CDU geforderte schrittweise Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters auf 67 Jahre bis zum Jahre 2029, eine wichtige Maßnahme zur dauerhaften Finanzierung unserer Sozialsysteme und zur Vermeidung eines Fortschreitens des Fachkräftemangels in den nächsten Jahren.

Dagegen schloss sich die FDP-Fraktion auf der Grundlage eines gemeinsamen Änderungsantrags der CDUInitiative an. Dieser Antrag formuliert Zielsetzungen und Schwerpunkte zu Beschäftigungschancen, Freiräumen für ältere Menschen, zur Integration älterer Menschen in das gesellschaftspolitische Leben, zu seniorengerechten Produkten und Dienstleistungen, zum barrierefreien Wohnen und Lebensumfeld, zu seniorenpolitischen Belangen im Verbraucherschutz, zur Hilfe nach Bedarf und zum Wissen über ältere Menschen zur Gestaltung ihrer Lebensbedingungen.

Die SPD hat den Antrag von CDU und FDP abgelehnt und mit dem Aktionsplan „Gut leben im Alter“ der Landesregierung heute zur Besprechung gebracht. Dieser deckt zwar die bedeutendsten Themenfelder ab, und auch die Handlungsansätze sind breit angelegt, allerdings sind berechtigte Zweifel angebracht, ob die Landesregierung ihre ambitionierten Ziele überhaupt umsetzen, geschweige denn finanzieren kann. Das Thema „Sicherheit im Alltag“ finden wir im Aktionsplan der SPD zu oberflächlich und nicht konsequent zu Ende gedacht. Gerade ältere Menschen haben ein ausgeprägtes Sicherheits- und Schutzbedürfnis. Mit Informationsmaterialien zur Kriminalprävention eine Stärkung des persönlichen Sicherheitsgefühls allein zu erreichen – wie es im Aktionsplan der Landesregierung heißt –, lässt sich dem indes nicht gerecht werden. Ängste älterer Menschen werden nicht durch gefühlte Sicherheit abgebaut, sondern durch reale Sicherheit in Form von direkter Polizeipräsenz vor Ort.

(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Dann müssen sie ja schon abgebaut sein!)

Dieses gilt insbesondere in ländlichen Räumen, wo die nächste Polizeidienststelle oftmals mehr als 30 Kilometer entfernt liegt.

In einigen Bereichen ergeht sich der Aktionsplan in vagen Absichtserklärungen. Als Beispiel darf ich die flächendeckende Breitbandversorgung nennen. Zwar will die Landesregierung einen altersgerechten Zugang zu neuen Medien schaffen, doch zeigt die Realität, dass das DSL-Netz in Rheinland-Pfalz längst nicht flächendeckend ausgebaut ist. Zudem verschweigt die Landesregierung geflissentlich, dass es in Rheinland-Pfalz kein eigenständig finanziertes Landesprogramm zur Förderung der Breitbandinfrastruktur gibt und für den Ausbau des DSL-Netzes bereitgestellte Gelder über das Konjunkturprogramm II des Bundes und das Programm zur Förderung der Breitbandversorgung im Rahmen der

Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ geflossen sind.

(Frau Pepper, SPD: Wer hat Ihnen das denn aufge- schrieben?)

Es macht auch wenig Sinn, unentwegt neue Projekte mit wohlklingenden Namen ins Leben zu rufen und Initiativen zu starten, wenn diese nicht sinnvoll aufeinander abgestimmt sind.

(Beifall bei der CDU)

Demografie ist eine Querschnittsaufgabe, die mehrere Bereiche umfasst und prägt, wie etwa den Gesundheitsbereich, den Arbeitsmarkt sowie die Familienwirtschaftspolitik. Um diese Querschnittsaufgabe auf Verwaltungsebene besser bündeln und somit effizienter gestalten zu können, hält die CDU die Einrichtung eines Generationenministeriums für Rheinland-Pfalz für dringend erforderlich.

(Pörksen, SPD: Hört, hört! Nicht jeder Quark, der erzählt wird, ist richtig!)

Meine Damen und Herren, ich hätte mir gewünscht, dass wir in diesem Haus zu einer gemeinsamen Lösung der Frage nach der Gestaltung des gesellschaftlichen Zusammenlebens der Zukunft gekommen wären. Das wäre in der Tat ein starkes Signal an die Menschen im Land gewesen. Mit der Vorlage des Aktionsplans durch die Landesregierung wurde diese Chance vertan. Ich bedaure dies und danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU – Ministerpräsident Beck: Das war wieder vernichtend!)

Für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Dröscher das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir beraten heute den im August 2010 veröffentlichten Aktionsplan der Landesregierung zur Politik für Seniorinnen und Senioren in Rheinland-Pfalz. Der Aktionsplan mit dem Titel „Gut leben im Alter“ ist allerdings mehr als ein – wie die Tagesordnung zunächst vermuten lässt – abschließender Bericht. Er zeigt die wesentlichen Entscheidungen und Maßnahmen sozialdemokratischer Politik für Ältere in den vergangenen Jahren auf, und er ist Grundlage für eine weiterhin auf Nachhaltigkeit angelegte Politik für ein gutes Leben im Alter in unserem Land, eine Politik, die generationsübergreifend wirkt und von der alle Altersgruppen gleichermaßen profitieren, sowohl die jetzigen als auch die künftigen Generationen älterer Menschen.

Der Aktionsplan „Gut leben im Alter“ versteht die demografischen Veränderungen auch als Chance für innovati

ve Gestaltungskonzepte und lädt alle gesellschaftlichen Gruppen zum Dialog ein. Es wird zunächst beim Seniorenkongress am 29. November gestartet. Dann ist eine Arbeitsgruppe „Leben im Alter“ im Zusammenhang mit der Leitstellte „Älter werden“ vorgesehen. Gespräche mit den Akteuren im sozialen Handlungsfeld und den Betroffenen sind ebenfalls vorgesehen. Geplant ist eine kontinuierliche Umsetzung und Weiterentwicklung, also nicht Stillstand.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, unser Altersbild hat sich in den vergangenen Jahrzehnten entscheidend verändert. Es ist differenzierter und sensibler für die Bedürfnisse der Menschen geworden. Die Leitfrage ist – so beschreibt es auch der in dieser Woche veröffentlichte 6. Altenbericht der Bundesregierung, den Sie im Internet finden und herunterladen können –: „Inwieweit trägt die Politik dazu bei, dass Menschen bei der Verwirklichung individueller Lebensentwürfe, bei der Kompensation von Einbußen und Einschränkungen, bei der Bewältigung von Problemlagen und in ihrem Bemühen um soziale Teilhabe optimal unterstützt werden.“ – Das war ein Zitat.

Das ist die Leitfrage, und: Inwieweit schaffen wir auch Räume, in denen sich ältere Menschen in ihren Stärken und Kräften wahrnehmen können und herausgefordert werden, zugleich aber in ihrer potenziellen Verletzlichkeit ernst genommen, angenommen und respektiert werden?

Diese Verletzlichkeit ist neben den Potenzialen des Alters heute auch eine Geschichte, die wir sehr ernst nehmen müssen. Die deutlichsten Veränderungen gibt es in den sehr hohen Altersgruppen. Unabhängig davon, dass Menschen heute im Allgemeinen nicht nur älter, sondern gesünder alt werden, ist mit einem deutlichen Anstieg der Anzahl pflegebedürftiger Menschen und auch mit dem Ansteigen der Zahl der unter einer Demenz leidenden Menschen zu rechnen. Hier wird die Frage nach der Lebensqualität bei Demenz und nach neuen Konzepten in der Versorgung demenzkranker Menschen im Mittelpunkt stehen.

Sensibel müssen wir auch sein für die Erwerbsbiografien älter werdender Menschen und für die Frage, welche Auswirkungen das auf die Alterssicherung, die Altersversorgung haben wird. Ich habe mit Interesse in der Presse gelesen, dass die CDU auf ihrem Parteitag einen Beschluss gefasst hat, die Rente nach Mindesteinkommen einzuführen. Ich bin mal gespannt, wie sie das umsetzen wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Aktionsplan beschreibt zu diesen Fragen fünf Ziele und die dazugehörigen Handlungs- und Politikfelder. Er nennt bisher Erreichtes und zeigt zukünftig notwendige und sinnvolle Schritte auf.

Die Schritte sind: Selbstbestimmt Wohnen im Alter, Stichwort „Barrierefreiheit“, neue Wohnformen, wohnortnahe Unterstützung, auch Wohnen in Pflegebedürftigkeit. – Als zweites Ziel wird genannt: mobil und fit im Alter. – Hier spielt die Gesundheitsversorgung auch unter dem Gesichtspunkt Eigenverantwortlichkeit und Prävention eine große Rolle, aber auch Punkte wie der öffentliche Personennahverkehr. Drittes Ziel: Im Alter gut

und sicher leben. – Da geht es natürlich auch um die Frage von Vermeidung von Altersarmut und um altersgerechte Arbeit.

Da will ich auch noch das Wort „sicher“ aufgreifen. Herr Kessel, das war der Punkt in Ihrem Antrag, bei dem wir uns nicht einigen konnten. Wir sind der Meinung, dass wir dazu nicht mehr Polizisten einstellen müssen.

(Beifall und Zuruf des Abg. Pörksen: Sehr richtig!)

Punkt 4: Solidarität der Generationen stärken. Ich meine, dazu muss ich keine Stichworte nennen. Das ist ein Schwerpunkt sozialdemokratischer Arbeit in dieser Zeit.

Auf den Punkt 5 lege ich besonderen Wert auch als Vertreter der älteren Generation im politischen Bereich: Die Beteiligung älterer Menschen stärken, bürgerschaftliches Engagement, Ehrenamt und lebenslanges Lernen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich meine, dass wir auf der Grundlage des Aktionsplans weiter gute und nachhaltige Politik für Ältere, aber auch generationenübergreifend gestalten können. Darin bestärkt mich auch ein Gespräch, das ich zu Beginn dieser Woche mit einer Gruppe älterer Menschen geführt habe, mit denen ich mir gemeinsam den Aktionsplan angeschaut habe. Dort ist der Begriff „Aktionshandbuch“ gefallen. Dieser Begriff passt meiner Meinung nach ganz gut dazu. Mir ist auch gesagt worden, das sei endlich einmal ein verständliches politisches Programm. Vielen Dank, Frau Ministerin.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall der SPD)

Für die FDP-Fraktion hat nun Herr Dr. Schmitz das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Aktionsplan „Gut leben im Alter“ ist vom Herrn Kollegen Dröscher schon im Detail vorgestellt worden, sodass ich mir das sparen kann. Die Geschichte, die Genese ist auch schon beleuchtet worden. Auch das will ich nicht wiederholen.

Ich will aber festhalten, dass wir in den Bewertungen – bürgerschaftliches Engagement, Ehrenamt und lebenslanges Lernen – und im Hinblick auf eine potenzialorientierte statt einer defizitorientierten Betrachtung einer Meinung sind. Wir sind auch alle einer Meinung, dass wir kein Gegeneinander der Generationen zulassen dürfen, sondern das Miteinander im Vordergrund stehen muss. Das sind Dinge, die auch für uns Liberale unstrittig sind.

Die Zahlen, die gestern in anderem Zusammenhang genannt wurden, dass wir im Jahr 2025 jeden dritten Rheinland-Pfälzer in einem Alter von über 60 haben, zeigt uns, wie wichtig dieser Aktionsplan ist. Da geht es

nicht um eine Randgruppe, um eine Minderheit, sondern da geht es, wenn wir das Jahr 2025 in den Blick nehmen, auch für uns darum, dass viele von uns dieser Gruppe angehören werden. Deshalb sprechen wir, wenn wir über diesen Aktionsplan sprechen, auch über unsere Zukunft. Umso wichtiger ist dieser Aktionsplan.

Neben den vielen Dingen – ich kann das schlecht in Prozenten ausdrücken, aber dazu gehört die Mehrzahl der Themen und Beurteilungen –, bei denen wir einer Meinung sind, gibt es auch Dinge, die wir strittig sehen. Dazu gehören die Fragen des Sicherheitsbedürfnisses und des Sicherheitsgefühls älterer Menschen. Wir sind zwar auch der Meinung, dass wir das nicht in erster Linie über mehr Polizeibeamte regeln müssen,

(Frau Thelen, CDU: Mehr vor Ort!)

sondern über andere Dinge, aber „Mehr vor Ort“ ist ein richtiges Stichwort. Ich weiß auch nicht, weshalb man sich dieser Sache so krass entzogen hat. Das müssen aber Sie beurteilen.

Ein weiterer Punkt, der durchaus landespolitisch relevant ist, der aber von uns nicht zu entscheiden ist, betrifft die Frage der Rente mit 67. Für viele, die meinen, dass das der falsche Weg ist, ist es schon irritierend, wenn eine große Volkspartei erst zustimmt und dann die Rolle rückwärts macht. Das trägt nicht dazu bei, dass sich das Sicherheitsgefühl im Hinblick auf den Rentenbezug verstärkt. Das ist aus meiner Sicht zumindest eine Form – – – Das geht vielleicht zu weit. Ich verkneife mir das. Ich sage es einmal so: Das ist eine Form, um mit der Realität eher flexibel umzugehen.

Ein anderer Bereich ist schon immer für mich ein Stein des Anstoßes gewesen. Das ist der Umgang mit der Pflege. Inzwischen ist die Landesregierung auch der Meinung, dass man die Ergebnisqualität betonen sollte und nicht so sehr die Prozess- und die Strukturqualität. Danke schön. Die Landesregierung als lernendes System. Das ist immerhin etwas.

(Pörksen, SPD: Das gilt für Sie umgedreht!)

Immer wieder wird in den Vordergrund gerückt, in der Pflege benötigen wir einen neuen Pflegebegriff. Das ist auch unsere Meinung. Die Demenz muss stärker berücksichtigt werden. Das ist auch unsere Meinung. Es war aber kein Ruhmesblatt, dass man im letzten Jahrzehnt nachhaltig den Fragen einer langfristigen demografiegerechten Finanzierung ausgewichen ist.