Protokoll der Sitzung vom 17.01.2007

„Importabhängigkeit von Öl und Gas – Nach- haltiges Energiekonzept für Rheinland-Pfalz“ auf Antrag der Fraktion der SPD – Drucksache 15/698 –

Ich erteile Herrn Abgeordneten Langner das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zuletzt hat die geschlossene Erdölpipeline aus Russland für heftige Irritationen gesorgt und uns einmal mehr deutlich vor Augen geführt, in Deutschland sind wir abhängig vom Ausland, wenn es um Rohstoffe zur Energiegewinnung geht.

Aus den Reihen der CDU kam prompt der Ruf nach einer Wiederbelebung der Atomenergie. Wir kennen das bereits. Meine Damen und Herren von der CDU, immer wenn Sie das Wort „Energie“ hören, denken Sie an die Atomkraft.

Wenn Sie aber fordern, die Atomenergie wieder aufleben zu lassen, weil die Erdöllieferungen ins Stocken geraten sind, ist dies in etwa so, als wenn Sie zu Hause feststellten, dass kein Brot mehr im Schrank sei, und Sie Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin vorwerfen würden, er oder sie hätte doch daran denken sollen, mehr Bier einzukaufen.

(Zuruf des Abg. Schreiner, CDU)

Bekanntlich fahren bei uns nur wenige Autos mit Atomstrom. In Deutschland wird selten mit Strom geheizt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Atomenergie ist nicht die Antwort auf die anstehenden Fragen; denn auch Uran wird in 50 Jahren zum Mangelrohstoff werden.

Diesen Sachverhalt beklagen wir zurzeit bei Erdöl und -gas und wollen dennoch auf Atomenergie setzen? Die Endlagerung der Brennstäbe ist noch immer nicht gelöst, aber wer A wie Atomstrom sagt, muss auch B den Bürgern sagen, wo mit Endlagern zu rechnen ist.

Es gibt einen weiteren, sicherlich den gewichtigsten Punkt, der auch wohl dazu beiträgt, dass Atomkraft in der Bevölkerung einen so schlechten Ruf hat und in Umfragen regelmäßig abgelehnt wird: Die Risiken sind schlicht und ergreifend zu groß.

Der von der rot-grünen Bundesregierung eingeleitete Atomausstieg war und bleibt richtig. Dies hat auch die Bundeskanzlerin erkannt und ihre eigene Partei aufgefordert, also auch Sie, dies endlich zu akzeptieren.

Nur am Rande sei an dieser Stelle bemerkt, dass wir aufgrund dieses Atomkonsenses auch eine Milliardenklage der RWE in Zusammenhang mit dem stillgelegten AKW in Mülheim-Kärlich für das Land abgewendet haben.

(Beifall der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Strategie in der Energiepolitik der Landesregierung ist eine bessere, durchdachtere und nachhaltigere. Ich habe mit Freude gelesen, dass sich der Ministerpräsident und die Umweltministerin noch einmal verstärkt diesem Thema widmen wollen.

Die Zukunft unseres Landes hängt schließlich davon ab, wie wir die Frage nach Energie beantworten. Ich denke, dass diese Behauptung keineswegs übertrieben ist: Die Zukunft unseres Land hängt davon ab, wie wir die Frage nach Energie beantworten.

Unsere Wirtschaft kann nur dann wettbewerbsfähig bleiben, wenn die Produktion mit geringen Energiekosten verbunden ist. Somit sind Arbeitsplätze und Existenzen von der Energiefrage abhängig.

In drei Säulen lässt sich die Strategie der Landesregierung aus meiner Sicht aufteilen:

1. Wir wollen in Rheinland-Pfalz verstärkt Energiequellen nutzen, die wir vor Ort finden: Wind, Wasserkraft, Geothermie, Sonnenenergie, Biomasse und nicht zuletzt Holz. Jede vierte in Rheinland-Pfalz erzeugte Gigawattstunde Strom stammt bereits heute aus erneuerbaren Energien.

2. Wir wollen in die Forschung investieren, um neue Bezugsquellen und Rohstoffe nutzbar zu machen. Wenn wir in Deutschland weiter auf dem regenerativen Energiemarkt eine Vorreiterrolle einnehmen wollen, dann müssen wir weiter forschen und bestehende Systeme weiterentwickeln.

(Beifall der SPD)

3. Wir wollen den Energiebedarf deutlich senken. Es ist sinnvoll, auf eine Informationskampagne für die Bürgerinnen und Bürger zu setzen, die zu Investitionen in Isolierung, in sparsame Geräte oder in alternative Heizsysteme führt. Niedrigenergiehäuser oder gar Passivhäuser sind leider noch viel zu wenig verbreitet.

Hier muss die Politik Aufklärung betreiben und mit den richtigen Argumenten werben.

Wir wollen in Rheinland-Pfalz in Sachen Energieeffizienz bundesweit an die Spitze. Meine Damen und Herren, all dies schafft auch Arbeitsplätze, und zwar mehr Arbeitsplätze, als die Atomenergie je zur Verfügung gestellt hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie uns den Mut zeigen, dass wir in unserem Land neue Wege beschreiten und nicht veralteten Ideen hinterherlaufen. So übernehmen wir eine Vorreiterrolle, die auch im Ausland Anerkennung und Nachahmer findet. RheinlandPfalz geht einen konsequenten und zukunftsfähigen Weg. Die SPD-Fraktion begleitet diesen Weg gerne und mit großer Unterstützung an der Seite der Landesregierung.

Ich danke Ihnen.

(Beifall der SPD)

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Wirz das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund der jüngsten Vorkommnisse bei der Öl- und Gaslieferung Russlands an Deutschland und andere EUStaaten ist es in der Tat nicht nur angebracht, sondern notwendig, unsere Energiesituation und das Energiesicherungskonzept Deutschlands kritisch zu betrachten. Wenn ich kritisch sage, meine ich auch kritisch. Dies schließt dann aber solche Hofjubelarien, wie wir sie gerade von Herrn Kollegen Langner vernommen haben, aus, meine Damen und Herren.

Kritische Betrachtung heißt jedenfalls für meine Fraktion und auch für mich, dass dann, wenn Dinge einmal nicht so gut sind oder wenn die Plausibilität eines Konzepts infrage steht, nicht eine latent vorhandene Ideologie notwendige Korrekturen verhindert, sondern dass die Bereitschaft zur Korrektur vorhanden ist. Genau dies ist der Punkt, der die derzeitige politische Realität unseres Landes beschreibt: Hier findet eine wirklichkeitsfremde, nicht an der Notwendigkeit des Handelns, sondern an ideologisiertem Wunschdenken orientierte Energiedebatte statt, meine Damen und Herren.

Dies alles geschieht zu einem Zeitpunkt, wo sowohl die Zeichen der Zeit und die Erklärung der Experten als auch die wissenschaftlichen Erkenntnisse ganz eindeutig in eine andere Richtung weisen, wo erkennbar ist, dass alternative Energien zwar einen wichtigen Beitrag zur Energieversorgung leisten können und müssen, aber wegen der fehlenden Grundlastfähigkeit und der nicht zu erreichenden Quantität die derzeit genutzten Hauptenergiequellen wie zum Beispiel die Kernkraft eben nicht ersetzen können.

So fragt denn auch die „FAZ“ in ihrem Leitartikel von gestern oder vom Dienstag dieser Woche nicht nur nach der Zuverlässigkeit der russischen Öl- und Gaslieferungen, sondern auch nach der Zuverlässigkeit der deutschen Energiepolitik, und sagt für das Jahr 2020 eine neue radikale Kehrtwende voraus, nachdem die Große Koalition die von Rot-Grün beschlossene vorzeitige Abschaltung der Kernkraftwerke gegen alle Vernunft fortführt. Ich zitiere:

„Welche Farbe die Bundesregierung im Jahr 2020 haben wird, wenn zwanzig Prozent des deutschen Strombedarfs mit erneuerbaren Energien gedeckt werden sollen, weiß niemand. Mit ziemlicher Sicherheit aber wird sie die Energiepolitik der Jahrtausendwende in Grund und Boden verdammen – und abermals eine Wende einleiten.

Denn bis dahin wird der erste Öltanker auf einen der zu Hunderten in Nord- und Ostsee stehenden Rotormasten geprallt sein; es wird mehrfach zu Netzzusammenbrüchen mit europäischer Auswirkung gekommen sein, und es wird immer lautere Kritik daran geben, dass Deutschland zwar bei der Nutzung erneuerbarer Energien mit an der Weltspitze liegt, aber beim Klimaschutz trotzdem schlecht abschneidet. Die Verbraucher werden über die hohen deutschen Strompreise murren,“ – das tun sie jetzt schon – „die Umweltverbände laut klagen über zerschredderte Vogelschwärme und über Walherden, die in Wäldern von 40 Meter hohen Betonsockeln die Orientierung verlieren.

All das sind absehbare Folgen des von Rot-Grün eingeschlagenen und der Großen Koalition fortgeführten Kurses. Doch von Umweltschäden durch Schiffshavarien und Gefahren für die Fisch- und Vogelwelt spricht man allenfalls an der Küste. Die Warnungen von Energiefachleuten, dass der Ausbau der Regelenergie mit dem der Windkraft nicht Schritt halte, werden buchstäblich in den Wind geschlagen. Und krampfhaft verschwiegen wird, dass der Neubau von Kohle- und Gaskraftwerken mit Sonderregelungen bei der Vergabe von Emissionsrechten forciert werden soll. Das passt nun wirklich nicht mehr in die von Umweltminister Gabriel beschworene schöne neue Welt der Erneuerbaren. Aber sein Parteichef Beck will es nun einmal so, weil er ahnt, dass das rot-grüne Konzept nicht aufgeht: Mit Sonne, Wind und Gasturbinen allein lassen sich die deutschen Kernkraftwerke bis 2020 nicht ersetzen.“ – So weit das Zitat, meine Damen und Herren. Niemand von uns hätte es besser sagen können.

Für die Abschätzung der Möglichkeiten der Kraftstoffgewinnung aus Bioenergie empfehle ich Ihnen einen Artikel aus der „Frankfurter Rundschau“ vom letzten Samstag, in dem berichtet wird, dass Agrarexperten im letzten Jahr der OECD berichtet haben, dass beispielsweise die Vereinigten Staaten für den Ersatz von 10 % ihres Kraftstoffverbrauchs im Jahr 2004 allein 30 % ihrer Agrarfläche brauchen, die EU der alten 15 Mitgliedsländer gar 72 %. Meine Damen und Herren, dies spricht zwar nicht gegen die Nutzung der Agrarprodukte zur Energiegewinnung, es zeigt uns aber die derzeitige Beschränktheit unserer Möglichkeiten sehr eindrucksvoll auf.

Energie muss auf Dauer ohne Subventionen marktfähig sein. Dies gilt insbesondere für alternative Energien, wenn sie denn Ersatz für bisherige herkömmliche Energieversorgung sein sollen.

(Glocke der Präsidentin)

Alles andere ist ökonomischer Unsinn, meine Damen und Herren.

Ich komme nun zum Schluss und möchte meine Ausführungen im zweiten Teil beenden, meine Damen und Herren.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall der CDU)

Für die FDP-Fraktion erteile ich Frau Kollegin Schellhaaß das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das Problem der Importabhängigkeit von Öl und Gas ist nicht neu. Zweifellos muss die bundesdeutsche Abhängigkeit von Energieimporten generell reduziert werden, und zwar aus Sicherheitsgründen und wegen der weltweit zu erwartenden Preisanstiege, die durch zunehmende

Nachfrage bevölkerungsreicher Staaten wie Indien oder China verursacht werden. Aber das wissen wir schon lange.

Die Bundesrepublik ist kurzfristig, solange es um Tage oder wenige Wochen geht, nicht von einzelnen Quellen oder Staaten abhängig. Die größte Abhängigkeit besteht bei Gas von Russland und – solange die direkte Pipeline durch die Nordsee nicht fertig ist – auch von Weißrussland. Von dort kommen ca. 30 % unseres Gases. Auch bei Öl sind die GUS-Staaten mit 41 % der größte Importeur, während die arabischen Staaten inklusive Libyen, von denen man es immer annimmt, nur insgesamt 19 % und nur Öl liefern.

Meine Damen und Herren, die Weltpolitik und sogar Kriege sind seit Langem von Öl und Gas beeinflusst. Embargos und Lieferstopps werden nicht erst seit einigen Tagen als Druckmittel benutzt. Wenn einmal jemand am Gashahn dreht, müssen wir nicht heute ein aktuelles Ereignis überbewerten und morgen alles beim Alten lassen. Das Thema „Nachhaltige Energiekonzepte für Rheinland-Pfalz“ kann nicht, von vorgestern auf heute in der Aktuellen Stunde mit nur sieben Minuten Redezeit von der SPD auf die Tagesordnung gesetzt, sinnvoll behandelt werden. Im Übrigen ist ein eigenes Energiekonzept für Rheinland-Pfalz nicht möglich; dazu ist Rheinland-Pfalz zu klein.

Vorweg gesagt – darin sind wir uns alle einig –, vernünftig ist es, einen ausgewogenen Energiemix anzustreben und regenerative Energien weiter zu fördern. Wir, die FDP, meinen aber auch, dass es vernünftig ist, bestehende Anlagen weiter zu betreiben, solange sie sicher sind und die Emissionen, die sie in die Atmosphäre abgeben, keinen Anlass zum Abschalten geben.

Bei dem Thema „Atomstrom“ geht es uns auch nicht um neue Atomkraftwerke. Die wollen wir ganz klar nicht. Es geht ausschließlich um den Zeitpunkt des Abschaltens funktionierender, nach menschlichem Ermessen sicherer deutscher Atomkraftwerke. Stattdessen werden aus Ländern in der nächsten oder weiteren Nachbarschaft Atomstrom oder andere Energiearten importiert, die dort oft unter Inkaufnahme von Unsicherheit und höchster Umweltverseuchung produziert werden.

Es kann auch nicht darum gehen, den Anschein zu erwecken, dass nun regenerative Energien weniger gefördert werden müssten, wenn man bestehende Atomenergieanlagen – ich betone – einige Zeit lang weiter nutzt.

Ein Entweder-oder kann da nur sehen, wer eine Ideologiebrille vor den Augen hat. Das Gegenteil ist der Fall; denn der in den Betriebskosten billige Atomstrom hilft, die noch auf Subventionen angewiesenen regenerativen Energien weiterzuentwickeln.

Wie nötig die einsetzbaren finanziellen Mittel an dieser Stelle gebraucht werden, zeigen die folgenden Zahlen: Die jährlichen Kosten für den Ausbau der regenerativen Energien werden pro Jahr in der EU mit 18 Milliarden Euro eingeschätzt. Für Deutschland werden bis 2012 20 % regenerativer Strom für möglich gehalten. Derzeit sind es etwa 5 %.