Protokoll der Sitzung vom 17.01.2007

Wie nötig die einsetzbaren finanziellen Mittel an dieser Stelle gebraucht werden, zeigen die folgenden Zahlen: Die jährlichen Kosten für den Ausbau der regenerativen Energien werden pro Jahr in der EU mit 18 Milliarden Euro eingeschätzt. Für Deutschland werden bis 2012 20 % regenerativer Strom für möglich gehalten. Derzeit sind es etwa 5 %.

Meine Damen und Herren, Rheinland-Pfalz wird vielleicht für immer, mit Sicherheit aber noch lange Jahrzehnte Energien weitgehend von außerhalb des Landes beziehen. Das heißt, Rheinland-Pfalz hat seiner Arbeitsplätze wegen und aus sozialen Gründen ein besonderes Interesse daran, dass die Energiepreise, zu denen in Rheinland-Pfalz Energie eingekauft werden kann, niedrig sind.

Leider gibt es Entscheidungen der SPD/CDU-Koalition in Berlin, die diesen Interessen von Rheinland-Pfalz nicht Rechnung tragen und die Strompreise erhöht haben oder erhöhen werden. Ich nenne nur die Mehrwertsteuererhöhung. Zu diesem Thema nachher noch mehr.

(Beifall der FDP)

Ich erteile Staatsministerin Frau Conrad für die Landesregierung das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist richtig, dass der Streit zwischen Russland und Weißrussland um die Ölpreise und die damit verbundene zeitweilige Abschaltung der Öl-Pipeline „Druschba“ in Deutschland einmal mehr die extreme Abhängigkeit in unserer Energieversorgung von wenigen wichtigen Energielieferanten deutlich gemacht hat.

Wenn wir das als Warnhinweis verstehen, dann ist das richtig und gut so, da darin eine Chance steckt. Es zeigt natürlich einmal mehr auf, dass es eine grundsätzliche Debatte ist und eine Notwendigkeit zur Diskussion besteht. Es geht auch um die Endlichkeit genau dieser fossilen Ressourcen Öl und Gas, über deren Versorgungssicherheit und Liefersicherheit wir zurzeit diskutieren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer auf die Versorgungssicherheit bezüglich dieser beiden Ressourcen antworten will, muss sich zunächst einmal vor Augen halten, wo sie als Energieressource Einsatz finden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Öl wird überwiegend im Verkehrssektor eingesetzt, natürlich auch im Wärmesektor und als Chemierohstoff für die Grundstoffchemie, Gas etwas weniger im Verkehr, vor allen Dingen im Wärmesektor, aber auch als Chemierohstoff und bei Kraftwerken in der Spitzenlast.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, deswegen wird eine vernünftige und sachliche Diskussion nur dann zu führen sein, wenn man sie auf diese Grundlagen stützt. Deshalb kann die Frage der Versorgungssicherheit kurzfristig nur so beantwortet werden, dass man eine Diversifizierung, also eine Streuung der Bezugsquellen sucht – das ist richtig –, aber auch eine Streuung bei den Energierohstoffen. Die zweite, eigentliche Antwort ist – diese ist die einzige Antwort, die zukunftsfähig ist –, dass man auf die verstärkte Nutzung heimischer Energien setzt. Diese schließt auch die enormen Mög

lichkeiten der Einsparenergie ein, die wir mobilisieren könnten, die Effizienztechnologien, auch bezogen auf Kraftwerkstechnologien, und insbesondere natürlich die heimischen Energien der sogenannten nachwachsenden Rohstoffe, der Geothermie, der Wind-, Wasser- oder Sonnenkraftwerke.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin Herrn Abgeordneten Langner sehr dankbar, dass er schon auf das nächste Thema eingegangen ist, ich kann es sehr kurz machen. Herr Wirz, ich bedaure es sehr, dass Sie sich, nachdem auch in der Öffentlichkeit gerade von sehr vielen Medienvertretern deutlich gemacht worden ist, dass Atomenergie keine Antwort und keine Alternative für Öl und Gas ist, ausgerechnet diesen polemischen Artikel, der gestern in der „FAZ“ zu lesen war, zu eigen gemacht haben. Damit lösen wir natürlich ernsthaft keine Energie- und Ressourcenprobleme. Damit können wir ernsthaft keine Energiedebatte der Zukunft führen.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist natürlich so, dass Atomkraftwerke heute Grundlaststrom liefern. Öl spielt im Stromsektor so gut wie keine Rolle, Gas nur bei der Spitzenlast. Das muss man wissen. Die Alternative zu Gas in der Spitzenlast sind eindeutig die erneuerbaren Energien. Bereits heute verdrängen die erneuerbaren Energien Gas aus der Spitzenlast, weil sie dort eine teure Energieform ersetzen.

Im Übrigen ist Windkraft genau die Energieform, die heute dort am meisten damit dazu beiträgt, dass Spitzenlaststrom in Deutschland ausgesprochen billig geworden ist, gerade im letzten Jahr.

Wenn Sie schon die Presse zitieren, wäre es interessant gewesen, Sie hätten zum Beispiel einen Artikel von vorgestern aus der „Frankfurter Rundschau“ zitiert, in dem Folgendes deutlich gemacht worden ist – ich zitiere –: „Gigantische Windstrommengen drücken den Preis für die Elektrizität teilweise auf Null.“ Das ist die Realität. Das ist der Beitrag der erneuerbaren Energien auch heute, gerade auch der Windkraft, wenn es um Preisbildung in Deutschland geht.

(Zuruf des Abg. Wirz, CDU)

Man muss die Zusammenhänge verstehen. Nur dann kann man eine energiepolitische Debatte zu diesem Thema führen.

(Beifall bei der SPD)

Sie polemisieren hier nicht nur, indem Sie die „FAZ“ an der Stelle zitieren. Ich nenne die „FAZ“ an anderen Stellen auch schon einmal, aber nicht an dieser.

Sie polemisieren auch permanent gegen Windkraft. Wir führen heute noch eine Debatte über Windkraft. Auch das ist nicht zukunftsführend, was Sie machen, weil Sie natürlich ehrlicherweise sagen müssen, wo die Windkraft eine wichtige Rolle spielt, nämlich gerade beim Ausbau von Offshore und in der Leistungsverstärkung vorhandener Standorte und Anlagen, die wir auch bei uns ha

ben. Eine andere Alternative zur Versorgungssicherheit, als auch Ja zur Windkraft zu sagen, gibt es nicht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Frau Schellhaaß, es ist nicht so, dass erneuerbare Energien heute in der Stromversorgung erst 5 % einnehmen. Erneuerbare Energien haben heute bezogen auf den Stromverbrauch bereits einen Anteil von knapp 12 %. Das ist im Übrigen genau der Anteil, den Gas als Spitzenlaststrom heute bereits einnimmt. Wir sehen, dass wir damit Alternativen aufbauen können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, man muss natürlich ein Weiteres wissen. Atomkraftwerke können nicht Öl und Gas und schon gar nicht Spitzenlaststrom ersetzen. Atomkraftwerke sind nicht einfach an- und abschaltbar. Das ist auch jedem Nichttechniker relativ einfach erklärbar. Spitzen- und Mittellaststrombereiche können nur bedient werden, wenn sie sehr flexible zuschaltbare Kraftwerkskapazitäten mobilisieren können. Das sind nicht diese Anlagen, von denen Sie gesprochen haben, schon gar nicht Atomkraftwerke. An dieser Stelle ist es eindeutig für jeden Fachmann, dass Atomenergie in diesem Punkt keine Alternative ist, im Übrigen auch nicht im Verkehrssektor, natürlich auch nicht im Wärmesektor. Niemand hat einen Atomofen in seinem Keller.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist richtig, dass wir bei der Einsparenergie mehr machen müssen. Der Ministerpräsident hat die Parole ausgegeben: Wir wollen das energieeffizienteste Land werden. Unsere Energieeinsparkampagne setzt genau dort an. Wir werden sie in Verbindung mit der größten Verbrauchermesse in Rheinland-Pfalz, nämlich mit der „Rheinland-PfalzAusstellung“ auch als Mitmachkampagne zur Beschleunigung und qualitativ anspruchsvolleren Umsetzung der Programme, die die Bundesregierung zur Verfügung stellt, starten.

Wir werden im Gebäudeenergiesektor auf anspruchsvolle Standards setzen. Wir werden auch mit Landesmitteln gerade an dieser Stelle Innovationen fördern und Effizienztechnologien voranbringen, um einen Beitrag zu leisten.

Fakt ist, wir können im Gebäudesektor total ohne Öl und Gas bei hochgedämmten Häusern, bei niedrigen Passivenergiehäusern und auch dann auskommen, wenn wir den Restenergiebedarf beispielsweise über Wärmepumpen aus Erdwärme decken. Im Übrigen setzt unsere Wärmepumpeninitiative genau in diesem Feld an.

Im Verkehrssektor brauchen wir dringend drei Entwicklungen. Deswegen bin ich Bundesumweltminister Gabriel dankbar, dass er dies auf die Tagesordnung gesetzt hat. Wir brauchen weniger Kraftstoffverbrauch der Automobile. Das ist vollkommen einleuchtend. Wir haben bzw. wollen den Anteil der Biotreibstoffe ausbauen. Die Beimischungspflicht ist umgesetzt. Wir haben heute bereits einen Anteil von knapp 5,6 %. Wir haben im Übrigen sichergestellt, dass Vollölkraftstoffe ihren Einsatz in der Land- und Forstwirtschaft steuerfrei finden.

Drittens brauchen wir im Verkehrssektor die Hybridtechnik.

Zum Schluss noch Folgendes: Wir tun auch in Rheinland-Pfalz gut daran, der Kohle eine Perspektive zu geben. Wir tun das, indem wir unter bestimmten Bedingungen zur Kohletechnologie im Kraftwerkssektor Ja sagen. Das gilt zum Beispiel für Investitionsvorhaben, wie sie in Mainz zurzeit diskutiert werden. Das gilt selbstverständlich unter den Bedingungen, dass sie klimaverträglich und mit hohem Wirkungsgrad umgesetzt werden.

Meine sehr vereehrten Damen und Herren, gerade als Chemieland Rheinland-Pfalz tun wir ebenfalls gut daran, Vorbehalte gegen die Kohle abzubauen. Wir werden sie als den Rohstoff, der am längsten zur Verfügung steht, viel länger als Kohle und Gas, zukünftig brauchen. Wir werden die Kohle auch als Grundstoff für die chemischen Grundstoffe brauchen. Das ist Standortpolitik für die Chemische Industrie, eine offensive Strategie zu fahren und nicht Vorbehalte zu schüren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die energiepolitischen Strategien der Landesregierung geben eine Antwort auf die Herausforderungen, wie sie sich kurzfristig gestellt haben, mit einem langfristigen Energiekonzept, welches Versorgungssicherheit mit Klimaschutz, Innovation und Arbeitsplätze in unserem Land verbindet.

Vielen Dank.

Herr Abgeordneter Guth hat das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Energiepolitik ist nicht nur Umweltpolitik, sie ist auch Wirtschaftspolitik, Standortpolitik und Strukturpolitik. Hunderttausende von Beschäftigten hängen direkt oder indirekt an der Energiewirtschaft. Unsere Industrie und das verarbeitende Gewerbe sind auf wettbewerbsfähige Energiepreise angewiesen. Da brauchen wir eine langfristige Zukunftsperspektive.

Deutsche Technologie bei erneuerbaren Energien wird mittlerweile weltweit exportiert. Die Branche ist ein Jobmotor für unsere Wirtschaft. Über 150.000 Arbeitsplätze sind in der Branche neu entstanden und bieten zum Beispiel bei den Biogasanlagen gerade im ländlichen Raum den Landwirten eine Alternative für die Zukunft. Das bekräftigt der Bauernverband in seiner Erklärung vom 21. Dezember, indem er fordert, die erneuerbaren Energien weiter voranzubringen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist nicht neu, dass insbesondere die Damen und Herren der CDU den regenerativen Energien sehr skeptisch gegenüberstehen und dafür weiter auf Atomkraft setzen. Das haben wir gerade wieder von Herrn Kollegen Wirz erfahren. Selbst wenn man der Meinung ist, die es geben soll, dass man in naher Zukunft nicht ganz auf die Atomkraft verzichten kann, kann es dennoch nicht Ihr Ernst sein,

dass wir an den alten, störanfälligen Atomoldies wie Biblis oder Philippsburg festhalten.

(Beifall bei der SPD)

Dieses Risiko können und dürfen wir nicht den Bürgerinnen und Bürgern zumuten.

Die Kanzlerin sagt, sie vermisse Alternativen. Welche Alternativen zeigt sie auf? Die Atomkraftwerke einfach länger laufen zu lassen – tolle Vorschläge, meine Damen und Herren.

Abgesehen von der Sicherheitsfrage und der Endlagerung, das ist nicht besonders zukunftsorientiert und innovativ. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund der verfügbaren Uranvorräte von nur noch geschätzten 40 bis 50 Jahren. Herr Kollege Langner hat bereits darauf hingewiesen. Nebenbei bemerkt, Uran wird auch importiert. Das ist auch nicht in unseren heimischen Gefilden zu finden.

Herr Kollege Baldauf ist neu in den Bundesvorstand gewählt worden und hat Herrn Kollegen Böhr erlöst. Er möchte doch bitte seiner Kanzlerin sagen, dass es Alternativen gibt, die aber nicht weiter vorangetrieben werden, wenn man nicht endlich Fakten schafft und den Atomkraftwerksbetreibern klipp und klar sagt, Atomkraft hat in Deutschland keine Zukunft.

(Beifall der SPD – Zuruf von der CDU – Vizepräsident Bauckhage übernimmt den Vorsitz)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es wäre deshalb nicht nur angebracht, sondern auch notwendig, wenn die großen Energiekonzerne etwas mehr von ihren Milliardengewinnen in die Forschung und Entwicklung investieren würden; denn die knappste Ressource ist nicht das Öl, das Gas oder das Uran, sondern es ist die Zeit, die uns bleibt, um unsere Verhaltensweisen den Anforderungen und Grenzen unserer Umwelt anzupassen. Es wäre gut, wenn die Damen und Herren von der CDU das auch endlich kapieren würden.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD – Zuruf des Abg. Billen, CDU)

Das Wort hat Herr Kollege Wirz.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich will den Faden noch einmal aufnehmen. Ich habe es als Unsinn bezeichnet, dass diese Subventionen von Energie im Endeffekt nicht dazu führen, dass diese auch marktfähig wird. Ich will ganz deutlich sagen, ich halte es für Unsinn, wenn der von Ihnen, Frau Ministerin Conrad, angesprochene Herr Gabriel eine neue allgemeine Abgabe

einführen will, um regenerative Energien auf Dauer staatlich zu subventionieren.

Wir sollten gemeinsam unsere Energie darauf verwenden, dafür zu sorgen, einen Weg zu finden, dass Ökonomie und Ökologie in Einklang kommen. Wir sollten gemeinsam versuchen, die sehr deutlich vorhandenen ideologischen Vorstellungen auszuräumen.

Herr Guth, ich befinde mich in guter Gesellschaft, wenn der ehemalige Wirtschaftsminister Werner Müller, heute Vorstandsvorsitzender der Ruhrkohle AG, deutlich macht und sagt, wir können auf die Kernkraftwerke nicht verzichten. Er vertritt die Ruhrkohle AG. Herr Müller hat bekanntlicherweise nicht unser Parteibuch. Wenn einer wie er das vertritt, nehme ich das sehr ernst. In einem kürzlichen „Focus“-Interview hat er dazu noch mehr gesagt.