Protokoll der Sitzung vom 26.04.2007

Meine Damen und Herren, dieser lesenswerte Aufsatz schlägt den Bogen zu Werten wie Erziehung und Bildung. Er formuliert, dass die Demokratie ohne Freiheit unmöglich ist, dass Freiheit ohne Bildung zu Freiheit und Verantwortung unmöglich ist und dass es Bildung nicht ohne eine Erziehung geben kann, die innerhalb und außerhalb der Familien stattfinden muss.

(Beifall der FDP)

Diese Bildung muss sehr viel mehr als die Entwicklung kognitiver Fähigkeiten und die Anhäufung formalen Wissens sein.

(Beifall der FDP)

Meine Damen und Herren, ich darf mit drei Zitaten aus diesem Artikel von Karl Kardinal Lehmann schließen:

1. Bei der Erziehung geht es um die Grundlagen für die Bildung einer eigenverantwortlichen Person.

2. Oberstes Ziel ist es, verantwortungsbewusste und verantwortungsfähige Individuen zur Entfaltung zu bringen, mündige Bürger und solidarische Mitmenschen.

Der Artikel endet: Es geht nicht erstrangig um die Erzeugung arbeitsmarktkompatibler Fachkräfte und auch nicht um Betreuung von Kindern zur Freistellung der Eltern für die Arbeitswelt, wenngleich auch diese Aspekte ihre Bedeutung besitzen. Erziehung und Bildung haben eine andere Ausrichtung: Befähigung zur Freiheit. –

Danke schön.

(Beifall der FDP)

Ich erteile Frau Staatsministerin Ahnen das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Lassen Sie mich auch ein paar Anmerkungen zu diesem Thema machen.

Bereits mehrfach ist der Mainzer Kardinal Lehmann mit seinem Eingangsstatement zu der „Woche des Lebens“ zitiert worden. Er hat dort auch ganz ausdrücklich einen Bezug zu der ARD-Themenwoche „Kinder sind Zukunft“ geschlagen. Ich nenne die beiden Themenwochen und Aktivitäten, weil ich glaube, sie drücken aus, dass die Frage des Zusammenlebens der Generationen, die

Frage des Lebens von Kindern in dieser Gesellschaft, die Aufgaben von Erziehung und Bildung tatsächlich in den letzten Jahren einen verstärkten Aufmerksamkeitswert erfahren und dass das ausgesprochen gut so ist.

Wenn darauf hingewiesen worden ist, dass die Politik bei vielen Fragen, wenn junge Menschen vor der Frage stehen, ob sie eine Familie gründen, keine unmittelbaren Einwirkungsmöglichkeiten hat, was auch richtig so ist, dass der Staat dies nicht hat, so geht es doch darum, über solche Aktionswochen, aber auch über solche Debatten hier deutlich zu machen, wie die Rahmenbedingungen sind, ein Stück weit Sicherheit zu geben – ich möchte das ausdrücklich unterstützen – und auch Perspektiven aufzuzeigen.

Herr Baldauf, auf die Frage des demografischen Wandels angesprochen, die eng mit diesen Fragen zusammenhängt, haben Sie gesagt, jemand hat davon einmal als Chance gesprochen. Ich glaube, man muss schon der Fairness halber sagen, dass zwei Dinge zum demografischen Wandel dazugehören: Das eine ist, dass wir in unserer Gesellschaft zu wenig Kinder haben und die Geburtenrate auch im internationalen Vergleich zu niedrig ist. Die andere Dimension, die in der Tat eine positive ist, ist diejenige, dass viele Menschen in dieser Gesellschaft auch länger gesund alt werden können. Auch das beeinflusst natürlich den demografischen Wandel. Das ist durchaus auch ein positiver Effekt, den man sehen muss, der auch den demografischen Wandel beeinflussen muss.

(Beifall bei der SPD)

Keine Frage, es geht aber darum, was die Politik dazu tun kann, dass sich junge Menschen für Familie und Familiengründung entscheiden, dass sie vor allem aber ihre Wünsche und Perspektiven leben können. Dazu gehört oft beides dazu, also sowohl Familie als auch Berufstätigkeit.

Ich möchte noch einmal auf die Frage der Sicherheit zurückkommen. Ich glaube, für vieles, was sich an Fragen für die Familien stellt, kann die Politik keine Sicherheit geben. Dann sollte sie aber wenigstens versuchen, dies in den Bereichen zu machen, wo sie es kann.

Zu dieser Sicherheit gehören natürlich auch Fragen, die gar nichts unmittelbar mit Familien- und Bildungspolitik zu tun haben. Empfinden Familien Sicherheit, dass sie einen Beruf finden werden, dass sie nicht arbeitslos sind? Empfinden Familien Sicherheit, dass sie eine gute Wohnung finden werden, wenn sie Kinder haben? Empfinden Familien Sicherheit, dass sie für ihr Kind ein gutes Bildungs- und Betreuungsangebot finden?

Ich bin der Meinung, wir können auf so viele Fragen keine Sicherheit geben, dass wir uns als Politik darauf konzentrieren sollten, wenigstens bei dem, wo wir es können, ein Höchstmaß an Sicherheit zu vermitteln und damit auch zur Familiengründung zu ermutigen.

(Beifall bei der SPD)

Es kommt ein Zweites hinzu, über das wir heute Morgen gesprochen haben. Es kommt hinzu, dass Eltern in der

Tat für die Aufgabe, die sie übernehmen, Kinder zu erziehen, dafür auch gesellschaftliche Anerkennung brauchen. Das gilt in erster Linie für die Eltern, denn sie sind die ersten Ansprechpartner ihrer Kinder, aber es gilt auch für die, die professionell in diesem Bereich tätig sind, also für die Erzieherinnen und Erzieher, für die Lehrerinnen und Lehrer. Ich glaube, dass hier über viele Jahre hinweg in der Bundesrepublik Deutschland ein großer Fehler gemacht worden ist, dass nämlich pädagogische Arbeit, also Arbeit von Eltern, von Erzieherinnen und Erziehern und Arbeit von Lehrerinnen und Lehrern in dieser Gesellschaft nicht den Stellenwert hatte, der ihr gebührt.

Ich habe immer gesagt, für mich war das einschneidendste Erlebnis, als ich nach PISA in Finnland war, dass dort die Philosophie war: Die Besten eines Jahrgangs kümmern sich um das Wichtigste, was wir haben, nämlich die Kinder in unserer Gesellschaft. Es ist die Philosophie, die Besten eines Jahrgangs sollen Erzieherinnen und Erzieher, Lehrerinnen und Lehrer werden. Davon sind wir in der Bundesrepublik Deutschland immer noch ein gutes Stück weit entfernt.

(Beifall bei der SPD)

Ich glaube, diese Frage der Anerkennung ist etwas, wo Politik etwas tun kann, nämlich Anerkennung für diese wichtige Aufgabe zu vermitteln.

(Bracht, CDU: Wann fangen wir damit an?)

Dann kann sich Politik natürlich Fragen und Bereichen zuwenden – auch das gehört zu dem Thema –, in denen es Probleme gibt. Da bin ich sehr schnell bei dem Thema der Früherkennung, mit dem wir uns aus gegebenen Anlässen sehr intensiv befassen müssen, wo es um den Schutz von Kindern und darum geht, Familien präventiv erst gar nicht in solche schwierigen Situationen kommen zu lassen.

Sie wissen – das machen wir in weiten Teilen auch gemeinsam –, dass es momentan auch ein Schwerpunkt der Kollegin Dreyer ist, sich dieses Themas anzunehmen und die Bedingungen möglichst gut zu entwickeln.

Politik kann auch mit ihren Beitrag dazu leisten, dass Kinderfreundlichkeit in dieser Gesellschaft etwas ist, was nicht allein eine Anforderung an die Politik ist, sondern sie kann deutlich machen, dass Kinderfreundlichkeit in allererster Linie eine Anforderung an jeden Einzelnen in seinem tagtäglichen Leben ist und dass jeder und jede Situationen erleben, wo man so oder so entscheiden kann. Politik kann dafür werben, dass im Zweifelsfall immer für die Kinder entschieden wird, dass sie gute Aufwachsbedingungen in dieser Gesellschaft haben, dass sie ihre Rechte eingeräumt bekommen, dass Familien Unterstützung erfahren und dass damit für Kinder in dieser Gesellschaft eine gute Perspektive entsteht.

Ich will ganz ausdrücklich sagen, weil der Ausgangspunkt die Aktivität und Initiative „Woche des Lebens“ der Kirche ist, dass für die Landesregierung die Kirchen in diesen Fragen ein ausgesprochen wichtiger Partner sind. Es geht einerseits um die Debatten, die wir miteinander führen, andererseits geht es auch um die ganz

wichtigen praktischen Fragen. Die beiden großen Kirchen sind mit der größte Träger, den wir im Kindertagesstättenbereich haben. Sie sind ein unheimlich wichtiger Partner in der Ganztagsschule. Wir arbeiten eng mit den Kirchen bei vielen Fragen der Familienbildung, -beratung und Ähnlichem zusammen. Insofern will ich diese Debatte heute auch dafür nutzen, mich bei den Kirchen für dieses gesellschaftliche Engagement zu bedanken.

(Beifall der SPD, der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Ich will in diesem Zusammenhang mit einem Zitat von Kardinal Lehmann schließen. Er hat in diesem Statement – das ist einer der wenigen Sätze, den Sie noch nicht zitiert haben, es lohnt sich offensichtlich, fast jeden Satz zu zitieren – gesagt: „Wir wollen Mut machen, Kinder auf dem Weg des Erwachsenwerdens zu begleiten, ihnen Orientierung zu geben und für ihre Erziehung und Bildung Sorge zu tragen.“ Das verdient volle Unterstützung, ist aber auch Anforderung an dieses Parlament.

(Beifall der SPD, der FDP und vereinzelt bei der CDU – Baldauf, CDU: Das war die erste gute Rede von Ihnen!)

Vielen Dank.

Das Wort hat Frau Dickes.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir müssen auf vielen Wegen handeln, um auch in Zukunft Kinder zu haben. Neben der Initiative der Kirchen ist auch der ARD-Schwerpunkt „Kinder sind Zukunft“ ein genau richtiger Weg, der Weg, dass endlich die Medien auch einmal Werbung für Kinder machen.

Ich selbst komme leider oder vielleicht zum Glück wenig dazu, Fernsehen zu schauen. Diejenigen, die das öfter machen, erleben viele Scheinwelten in den täglichen Soaps. Das sind Welten, in denen Kinder heutzutage überhaupt nicht mehr vorkommen oder, wenn sie vorkommen, dann nur in der Theorie und ganz weit weg. Wenn Kinder im Fernsehen erscheinen, dann erscheinen sie entweder im weißen Kleidchen auf der Blumenwiese, weil wir Werbung machen, oder sie erscheinen in den Negativschlagzeilen, in denen es heißt, Kinder machen die Kariere kaputt, Kinder kosten viel, Kinder sind ein Armutsrisiko.

Ich bin froh, dass jetzt alle scheinbar an einem Strang unter dem Motto ziehen, Kinder sind echt klasse. Die Forschung sagt immer wieder, nur da, wo Kinder wahrgenommen werden und Kinder sind, kommt der Wunsch nach Kindern auf. Eine Gesellschaft, die keine Kinder sieht, möchte auch keine haben.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Deshalb richtet sich mein Dank an dieser Stelle noch einmal ganz speziell neben den Kirchen, die das Thema aufgegriffen haben, auch an die Medien, die sich dem endlich angenommen haben.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Lust auf Kinder, das heißt, dass man die Freiheit hat, sich dafür zu entscheiden, Zeit für die Kinder zu haben. Ein guter Schritt – das ist jetzt wieder die politische Ebene – ist deshalb die Einführung des Elterngeldes auf Bundesebene.

Ich möchte unsere Bundesfamilienministerin in diesem Zusammenhang ausdrücklich loben; denn mit ihrer Diskussion um die Familie, die sie angestoßen hat, hat sie es geschafft, die Familienpolitik endlich aus dem Bereich des Gedöns herauszuholen, wo sie immer abgeschoben war.

(Beifall bei der CDU)

Sie hat es geschafft, Familienpolitik in den Mittelpunkt der Bemühungen aller Parteien zu setzen.

(Glocke der Präsidentin)

Ich denke, das ist der Weg weiterzugehen, dass auch in Zukunft die Deutschen merken, Kinder sind klasse.