Es stellt sich natürlich die Frage, was die Politik in diesem Zusammenhang tun kann. Bekannterweise haben zwar auch Politiker und Politikerinnen Kinder, aber sie können niemanden verpflichten, Kinder zu bekommen.
Wenn man sich überlegt, dass es schon ausreichend wäre, von der Zahl 1,3 Kinder pro Mutter auf die Zahl von 1,8 zu kommen, um damit den Level zu halten – zwar wird dann die Bevölkerung immer noch älter, aber die Anzahl bleibt die Gleiche –, dann müssen wir uns ernsthaft überlegen, was wir hierzu tun können, Frau Brede-Hoffmann.
Mein Vorteil ist, dass ich Ihnen dies nun auch als Praktiker sagen kann, der selbst zwei kleine Kinder hat: Ich erlebe bei vielen jungen Familien oder vor allem auch bei potenziellen Familien, dass es den Menschen vor allen Dingen darauf ankommt, Sicherheit zu haben. Sie haben Angst, weil sie nicht wissen, was auf sie zukommt, wenn sie Kinder in die Welt setzen und großziehen sollen. Sie wissen nicht, ob sie ihren Job behalten, ob sie finanziell dazu in der Lage sind und welche Perspektiven man ihnen bietet bzw. wie sie in Konfliktfällen auch unterstützt werden.
Ich bin der festen Überzeugung – so große Unterschiede bestehen innerhalb der Parteienlandschaft zu diesem Thema gar nicht –, wir müssen deshalb die Rahmenbedingungen verändern, um verschiedene Positionen zu verbessern. Stellen Sie sich bitte einmal vor: Wir haben im Jahr in Deutschland 670.000 Geburten und 120.000 Abtreibungen. Wenn wir uns diese Zahl vorstellen, müssen wir auch ernsthaft darüber nachdenken, wie wir es erreichen können, dass sich die Zahl der Abtreibungen verringert.
Ich bin davon überzeugt, dass es sicherlich auch Fälle gibt, in denen eine Abtreibung verhinderbar wäre, wenn man denn ausreichend aufklären würde.
Es ist doch elementar für diesen Staat, Frau BredeHoffmann, es ist doch elementar für Ihre Rente, dass es eine große Anzahl an Kindern gibt, die dies auch einmal bezahlen werden.
Ich denke, deshalb müssen wir auf jeden Fall überlegen, wie wir dieses Thema zukünftig gemeinsam angehen können. Ich bitte darum, dies so aufzunehmen. Über Spätabtreibungen haben wir schon gesprochen. Wir müssen uns ernsthaft überlegen, wie wir diese Abtreibungsproblematik verringern können. Dazu gehört für mich im nächsten Schritt auch, dass wir die verpflichtende Früherkennungsuntersuchung für den Fall durchführen, dass Kinder schon geboren sind, zum Wohle der Kinder. Um die Sicherheit für potenzielle Eltern zu gewährleisten, sollten wir auch darüber nachdenken, ob wir in den verschiedensten Bereichen – sowohl im Arbeitsrecht als auch bei der Wahlfreiheit – entsprechende Änderungen einführen. Allerdings muss ich dazusagen, die Wahlfreiheit ist aus meiner Sicht so nicht gegeben, Frau Ahnen, wobei ich Ihnen zugestehe, dass man auf der einen Seite zunächst über die Betreuung bzw. Erziehung in qualitativer Form nachdenken und sie auch erbringen muss, aber dabei sollte man diejenigen, die ihre Kinder zu Hause erziehen, nicht vergessen. Das ist ganz wichtig. (Beifall der CDU)
Dass das nicht morgen kommt, ist mir klar. Wir müssen des Weiteren über die Entlastung der Frauen nachdenken, die Mehrlingsgeburten haben.
Ich komme zum Schluss. Wir müssen zu der Frage Stellung beziehen, wie die Bildungs- und Betreuungsangebote ausgestaltet sind. Wenn wir all dies beachten, so bin ich mir sicher, werden wir es erreichen – die Franzosen, die Isländer, die Irländer und viele andere haben es vorgemacht –, wieder mehr Kinder in diesem Staat zu haben. Gestatten Sie mir noch diesen einen Satz: Kinder sind etwas ganz Tolles. Das sollte man auch denen sagen, die gerne Kinder möchten, und wir sollten ihnen eine Sicherheit geben.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Kirchen ermutigen zum Kinderkriegen in einer „Woche für das Leben“. Ich glaube, es ist etwas ganz Wichtiges, dass auch die Kirchen dieses gesellschaftspolitische Thema, das für uns alle wichtig ist, aufnehmen und dass auch wir Politikerinnen und Politiker dieses gesellschaftspolitische Thema tagtäglich aufgreifen und uns mit den Medien, mit Vertretern des öffentlichen Lebens, mit Familien und Verbänden darüber Gedanken machen.
Die hannoveranische Landesbischöfin Margot Käsmann hat gesagt: Wir wollen junge Menschen ermutigen, Kinder in ihre Lebensplanung einzubeziehen. – Es ist so viel, was in diesem Satz steckt.
Auch der Eröffnungsgottesdienst im Sankt Petri Dom in Bremen und auch die vielen Gottesdienste und Veranstaltungen der evangelischen und katholischen Kirche wie beispielsweise Krabbelgottesdienste oder Familiengottesdienste zeigen, dass sich auch die Kirchen diesem wichtigen familienpolitischen Thema in einer besonderen, aber ich möchte auch sagen, in einer neuen Form zuwenden.
Herr Baldauf, Sie haben soeben völlig zu Recht die Frage gestellt: Was können wir in der Politik tun? – Wir können dafür sorgen, dass die Rahmenbedingungen stimmen, dass die Menschen Spaß am Leben haben und alles bewerkstelligen können – Kinder, Beruf und Familie –, was sie sich in ihrem Leben vorgenommen haben. Was wir des Weiteren tun können ist, ungewollte Schwangerschaften zu verhindern, sodass alle Kinder gewollt sind und mit Glück auf dieser Erde sein können.
Lust machen, Kinder zu bekommen – es wäre schön, wenn wir das in der Politik tun könnten. Ich stimme Ih
nen einfach zu, wenn ich sage: Was gibt es Schöneres, als das Lachen eines Kindes zu sehen oder es zu trösten, wenn es sich beim Fußballspielen das Knie verletzt?
Das Nachbarland Frankreich hat uns vorgemacht, wie Frauen und Männer Beruf und Familie in wunderbarer Weise miteinander verbinden können. Ich denke, wir sind in Rheinland-Pfalz diesen Rahmendaten einen solch großen Schritt nähergekommen, dass es auch bei uns wunderbar klappt, Beruf und Familie zu vereinbaren.
Aber Familien müssen die Wahlfreiheit haben. Sie haben die Möglichkeit, zwischen zertifizierten Tagesmüttern, Kindertagesstätten, Ganztagsschulen oder der Erziehung in der Familie zu wählen. Das ist entscheidend. Entscheidend ist auch, was die Bischöfinnen und Bischöfe gesagt haben, nämlich, dass sie Bildung und Erziehung für die Kinder fordern. Die Bischöfe sind für den Krippenausbau, und das ist etwas, was wir uns in Rheinland-Pfalz nicht nur zu Herzen genommen haben, sondern wir haben Geld in die Hand genommen und setzen es bis hin zum Rechtsanspruch um.
Karl Kardinal Lehmann sagt deutlich, die Hälfte der Kindertagesstätten befindet sich in kirchlicher Trägerschaft. Dafür sind wir dankbar, und darüber sind wir froh. Auch er erwähnt, dass dort gute Arbeit geleistet wird und dass das Qualitätsaugenmerk ganz entscheidend ist. Dies ist auch uns wichtig, und das können auch wir als Politikerinnen und Politiker tun. Wir haben es mit den Bildungs- und Erziehungsempfehlungen getan. Wir haben es mit dem Weiterbildungsstudiengang für Erzieherinnen und Erzieher an der FH in Remagen getan, und wir haben es mit den über 400 Ganztagsschulen getan. Mittlerweile entscheiden sich auch Kinder aus Nachbarbundesländern für unsere Schulen, beispielsweise für Gymnasien, wenn Ganztagsschule oder GT 8 in Baden-Württemberg oder Hessen nicht so gut umgesetzt werden, und kommen in unser Land RheinlandPfalz.
Aber Kinderkriegen hört nicht mit der Kinderkrippe auf. Wir sorgen auch dafür, dass es ein gebührenfreies Erststudium gibt. Wir sorgen dafür, dass es weitere familienfreundliche Universitäten gibt. Fünf gibt es bundesweit, und drei davon befinden sich in Rheinland-Pfalz.
Für Eltern ist es wichtig, dass das, was gefordert wird, auch Realität wird. Für Eltern ist es aber auch wichtig, dass ein positives Klima in familienfreundlichen Betrieben herrscht. Ich erwähne in diesem Zusammenhang das Programm „Viva Familia“, das viele Facetten davon aufgreift und auf das ich gleich noch näher eingehen möchte.
Wir als Sozialdemokraten in diesem Land wollen miteinander gute Chancen für Kinder und Familien schaffen. Auch wir werden mit einer Themenwoche den mentalen Klimawandel, der gefordert ist, positiv mitbegleiten.
Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin der CDU dankbar, dass sie das Thema „Woche für das Leben“ heute aufgegriffen hat. Aber meinen beiden Vorrednern möchte ich sagen, ich denke nicht daran, eine Diskussion, die von den Kirchen als eine ethischreligiöse Diskussion angestoßen wird, primär politisch zu führen. Ich werde mich an dieser Diskussion auf dieser Ebene nicht beteiligen. Es kommt mir so vor, als werde der letzte Teil der Aktuellen Stunde nahtlos mit dem üblichen Schlagabtausch fortgesetzt.
Dabei geht es – davon bin ich überzeugt – den Kirchen um etwas ganz anderes. Wenn Sie sich den Artikel von Karl Kardinal Lehmann „Befähigung zur Freiheit“ zu Gemüte führen und sich vergegenwärtigen, was Erziehung und Bildung bedeuten, wenn Sie seinen Einstieg mit einem Fichte-Zitat nachvollziehen: „Erziehung ist Aufforderung zur Freiheit“,
Kardinal Lehrmann stellt in diesem Artikel zwei für die Demokratiefunktionsfähigkeit unverzichtbare Voraussetzungen in den Mittelpunkt. Das ist Freiheit und Familie. Wenn ich jetzt doch noch einmal am Rande die aktuelle Diskussion aufgreifen darf, die wir jetzt gerade wieder nachvollzogen haben, dann sind wir alle der Meinung, dass der Staat neue große Anstrengungen in Bildungs- und Familienpolitik zu Bekämpfung großer Defizite unternehmen muss, die im Übrigen nicht vom Himmel gefallen sind, sondern die quasi demokratische Altlast sind. Meine Damen und Herren, das sind aber neue große Anstrengungen eines bereits überanstrengten Staates. Das dürfen wir nicht vergessen.
Deshalb ist es mir wichtig, was Frau Kollegin Morsblech gesagt hat, diese neuen großen Anstrengungen kann man bei allem Finanzierungsstreit nicht obendrauf satteln.
Meine Damen und Herren, zugrundelegend das, was Kardinal Lehmann sagt, bin ich davon überzeugt, die Politik wird auch in diesen Fragen ins Leere laufen, ohne
Eine Diskussion, die fiskalischen und technokratischen Schlagabtausch sucht, wird auf diese Fragen keine Antwort geben.