Protokoll der Sitzung vom 26.04.2007

„Mittelfristig nur“ ist wirklich eine sehr bemerkenswerte Formulierung, Frau Abgeordnete Morsblech. Ihnen sollte bekannt sein, dass kein Land der Bundesrepublik Deutschland so weitgehende Vorstellungen wie das Land Rheinland-Pfalz hat.

(Beifall der SPD)

In diesem Zusammenhang und angesichts dieser finanziellen Aufwendungen von „nur“ zu sprechen, scheint mir nicht angemessen zu sein. Wir haben uns einer großen Aufgabe gestellt. Wir werden dies verlässlich umsetzen, wie wir es gesagt haben. Vor uns liegt eine wirklich große Aufgabe. Das wird in Rheinland-Pfalz kommen. Das ist ein großer Meilenstein.

Eine weitere Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Morsblech.

Frau Ministerin, auch wenn das „nur“ im Sinne von „ausschließlich“ gemeint war, ist die Antwort damit klar.

Welche Maßnahmen hat die Landesregierung ergriffen, um die Möglichkeit einer betriebsnahen Betreuung, wie sie mit der vergangenen Novelle des Kindertagesstättengesetzes in der vergangenen Legislaturperiode beschlossen wurde, zu befördern und um bei Betrieben und Eltern dafür zu werben, dass diese Regelung bekannt wird und die Möglichkeiten der betriebsnahen Betreuung verstärkt geschaffen werden?

Sie haben bereits darauf hingewiesen, dass wir mit der vergangenen Novellierung des Kindertagesstättengesetzes gemeinsam eine entsprechende Regelung geschaffen haben, mit der vor allen Dingen das Problem angegangen werden sollte, dass derartige Einrichtungen oft daran gescheitert sind. Das Gleiche gilt für Belegplätze in Einrichtungen, was eine sehr flexible Form ist. Dabei fühlte sich das Jugendamt nur für die Kinder aus dem Jugendamtsbezirk zuständig.

Deswegen haben wir eine entsprechende Flexibilisierung geschaffen, die es leichter macht, dass betriebsnahe Einrichtungen oder Belegplätze in Kindertagesseinrichtungen genutzt werden können. Selbstverständlich versuchen wir, in all unseren Gesprächen, die wir sowohl auf der Ebene der Jugendämter als auch mit der Wirtschaft und anderen führen, diese Regelung noch stärker bekannt zu machen.

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Hartloff.

Frau Ministerin, teilen Sie meine Auffassung, dass die Diskussionen in Deutschland um die Verbesserung der Kinderbetreuung ein wenig nach dem Motto „Kann’s ein bisschen mehr sein“ geführt werden, ohne dass dazu gesagt wird, wie man das finanzieren kann?

Ich würde es aus meiner Sicht gern so ausdrücken, dass aus der Summation von Wünschen noch kein Konzept wird. Aufgabe der Politik ist es, Prioritäten und nächste Schritte zu formulieren und diese auch umzusetzen. Diesen Weg sind wir in Rheinland-Pfalz gegangen. Ich glaube, das ist für die Betroffenen ein verlässlicher Weg. Ich würde mir wünschen, dass das in dieser Debatte insgesamt so ist.

Eine Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Pepper.

Frau Ministerin, sind Sie mit mir der Meinung, dass die Kindertagesstätten in den letzten Jahren insofern ein Höchstmaß an Flexibilisierung bewiesen haben, dass sie sehr unterschiedlich auf die regionalisierte Situation eingegangen sind und ihre Öffnungszeiten insgesamt und hinsichtlich der Betreuung über Mittag auch den Bedürfnissen der Eltern angepasst haben?

Wir haben in den letzten Jahren eine erhebliche Flexibilisierung der Angebotsformen und der Öffnungszeiten erreicht und mit dem deutlichen Ausbau der Ganztagsplätze einen weiteren Schwerpunkt gesetzt. Sie haben völlig recht, die konkrete Bedarfssituation muss vor Ort erfasst werden, und es muss vor Ort darauf reagiert werden. Es bedarf sehr unterschiedlicher Antworten, weil die Situationen verschieden sind. Wir haben aber die Flexibilität dafür geschaffen, dass man auch auf entsprechende Nachfragen reagieren kann.

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Baldauf.

Ich bitte im Anschluss an die Frage des Kollegen Hartloff um Auskunft, ob Sie davon ausgehen, dass Herr Steinbrück und Frau von der Leyen eine Lösung finden werden, wie dieses Konzept bezahlt wird.

Ich sage es einmal so: Wenn eine solche Debatte damit enden würde, dass man schöne Ideen hatte, Monate über diese diskutiert und bei den Eltern Hoffnungen erweckt hat und dann keine Lösung zustande käme, hätte sich die Politik einen Tort von einer Dimension angetan, der aus meiner Sicht wirklich hoch problema

tisch wäre und die Glaubwürdigkeit infrage stellen würde. (Beifall der SPD und der CDU)

Nach dieser Debatte ist vor allen Dingen die Bundesfamilienministerin gefordert, die entsprechende Ankündigungen vorgenommen hat, auch ein entsprechendes Finanzierungskonzept vorzulegen.

(Beifall der SPD)

Dieser Tage ist in der Zeitung zu lesen gewesen, es existiere ein solches bei ihr in der Schublade. Das müsse aber erst einmal diskutiert werden. Wir hoffen, dass dem so ist und sich Berichte vom Wochenende, nach denen es zum Beispiel das Gerücht gebe, es ginge bei dieser Frage nur um die Investitionskosten, hoffentlich als Zeitungsente entpuppen. Ansonsten wäre das für die Kommunen ein herber Rückschlag.

(Beifall bei der SPD)

Eine weitere Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Morsblech.

Frau Ministerin, ohne zu bezweifeln, dass die Landesregierung erhebliche finanzielle Anstrengungen unternimmt, um die Betreuungsangebote auszubauen, möchte ich Sie dennoch hinsichtlich der Prioritätensetzung fragen, wie sie konkret dazu stehen, neben der Kostenfreiheit eines Angebots auch die Wahlfreiheit bei dem finanziellen Aus- und Aufbau zu berücksichtigen, wie es beispielsweise in anderen Ländern durch Gutscheinmodelle erprobt und teilweise mittlerweile auch erfolgreich durchgeführt wird.

Ich habe darauf hingewiesen, dass man nicht eine Leistung isoliert herausgreifen kann, nämlich die Frage der Beitragsfreiheit der Kindergärten, sondern es im Steuersystem und bei den Familientransfers bestimmte Mechanismen gibt. Auch gibt es den Bereich der Infrastruktur. Es ist völlig unumstritten, dass im internationalen Vergleich Deutschland insbesondere Defizite bei der Frage der Infrastruktur hat.

Ich bin froh, dass gemeinsam über diese Defizite in der Infrastruktur diskutiert wird. Jetzt sagen Sie, man soll gleich alles andere mit in den Blick nehmen. Ich stehe – das habe ich deutlich gesagt – zu der Priorität für den Ausbau der Infrastruktur, weil hier die Defizite in der Bundesrepublik Deutschland am größten sind.

(Beifall der SPD)

Ich komme zu der Frage eines Gutscheinsystems in der Wahl zwischen unterschiedlichen Angebotsformen. Ihr

freundliches Lächeln bei der Aussage „und inzwischen auch funktioniert“ spielt wohl auf die Situation in Hamburg an, wo man sich vorgenommen hatte, Betreuungsgutscheine einzuführen. Nachdem es zunächst ein ziemliches Chaos gab, hat sich jedoch inzwischen ein entsprechendes System etabliert.

Ich sage Ihnen, man kann über viele Steuerungsmechanismen reden. Für mich ist beim Ausbau der Kinderbetreuung die sichere und optimale Unterstützung der Träger das Wichtigste, damit wir die Trägerpluralität in Rheinland-Pfalz sichern können. Hier sehe ich bei den Gutscheinen noch einige Probleme.

Insofern ist das in Rheinland-Pfalz überhaupt keine vorrangige Debatte. Es geht darum, das Angebot auszubauen, die Trägerpluralität abzusichern und dass die Eltern und ihre Kinder konkret spüren, dass wir vor Ort Fortschritte machen.

Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Frau BredeHoffmann.

Frau Ministerin, teilen Sie mit mir die Auffassung – diese Ideen sind sowohl bei den Bischöfen leise als auch bei der CSU laut formuliert worden –, dass Eltern, die ihre Kinder nicht in eine öffentliche Betreuung geben, dafür einen finanziellen Ausgleich bekommen sollten, um mit solchen Eltern gleichgestellt zu werden, denen man Beitragsfreiheit gewährt?

Besteht dort nicht die Gefahr, dass Eltern allein aus Gründen des Geldes in der Haushaltskasse darauf verzichten, ihren Kindern die Chance einer sozialen Bildung in einer solchen Betreuungseinrichtung zu geben? Teilen Sie mit mir außerdem die Auffassung, dass damit schon wieder soziale Ungleichheiten produziert würden?

Ich will gern noch einmal betonen, dass ich sowohl unter betreuungspolitischen als auch unter bildungspolitischen Aspekten – diese haben Sie angesprochen – und dem Aspekt der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, nämlich dass wir Kindern möglichst früh ein gutes Angebot machen, eine Priorität beim Ausbau der Kinderbetreuung sehe.

Ich glaube, dass wir hier gerade unter dem Aspekt der Chancengleichheit entsprechende Angebote machen müssen. Der Aspekt, dass es auch um die Frage der Bildung und eines guten Angebots für die Kinder geht, gerät leider in manchen Debatten etwas in den Hintergrund.

Im Übrigen möchte ich noch einmal das aufgreifen, was Herr Fraktionsvorsitzender Hartloff in seiner Frage gesagt hat. Ich glaube, nach der Methode zu arbeiten,

jeder macht noch einen Vorschlag, und am Ende ist das überhaupt nicht mehr handhabbar, bringt den Eltern in diesem Land nichts. Es geht jetzt um die Frage des Ausbaus der Infrastruktur und insbesondere des Angebots für die unter Dreijährigen.

(Beifall bei der SPD)

Eine Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Grosse.

Frau Ministerin, können Sie uns noch etwas zum Stand von Rheinland-Pfalz im Vergleich zu den anderen Bundesländern sagen, was den Status quo der Kinderbetreuung und den Ausbau in den letzten zwei Jahren insbesondere für die Betreuung der unter Dreijährigen angeht?

Wir liegen in Rheinland-Pfalz nach den letzten uns vorliegenden Zahlen – Sie wissen, das ist ein sehr dynamischer Prozess – bei etwas über 10 %. Wir liegen damit an der Spitze der Flächenländer. Bei der letzten offiziellen Bundesstatistik waren wir mit unserem Angebot das zweitbeste Flächenland.

Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass wir inzwischen sogar noch einen Schritt weiter sind. Die Entwicklung war gerade seit Ankündigung des Programms „Zukunftschance Kinder – Bildung von Anfang an“ seit Februar 2005 enorm dynamisch und ist auch im Moment noch in massiver Entwicklung begriffen, sodass ich sehr optimistisch bin, dass wir es in Rheinland-Pfalz relativ gut schaffen, mit dem, was wir jetzt vorgesehen haben, schrittweise bis zum Jahr 2010 auch in die Größenordnung von 30 % zu kommen.

Aber selbstverständlich, wenn es auf Bundesebene eine entsprechende Einigung gäbe, könnten wir manches noch beschleunigen.

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schreiner.

Frau Ministerin, teilen Sie die Einschätzung, dass sich durch ein Gutscheinsystem, wie vorhin von Frau Kollegin Morsblech erwähnt, die größte Trägervielfalt entwickeln würde, zumindest eine größere Trägervielfalt als bei rein staatlicher Planung?

(Zuruf des Abg. Hartloff, SPD)

Zuerst einmal müsste man dann definieren, was denn eigentlich ein Gutscheinsystem ist. Es ist immer schön, so einen Begriff in die Welt zu setzen und zu sagen, wir vergeben einmal Gutscheine. Für was denn? In welchem Umfang? An wen? Wer soll es einlösen können?

(Beifall der SPD)

Die Debatte im Kindertagesstättenbereich ist schon ein bisschen differenzierter, als nur einen Begriff in die Welt zu setzen und damit Fragen unbeantwortet zu lassen.

Ich sage Ihnen Folgendes: Natürlich haben Sie einen Vorteil beim Gutscheinsystem – einen vermeintlichen. Sie erwecken den Eindruck, diesen könne man überall abgeben. Aber Sie haben von dem Gutschein nur etwas, wenn die Infrastruktur steht.