Protokoll der Sitzung vom 27.09.2007

Frau Ministerin, zur Klarstellung meiner Frage von eben, die auch in die gleiche Richtung zielt wie die von Frau Thelen: Wenn der Vater in der Familie übergewichtig ist, dann schützt dies das Kind nicht vor Mangelernährung. Es geht schon darum, wie werden die Mittel in der Familie verteilt. Die Pauschalen für die Kinder sollen für die Kinder eingesetzt werden. Da sind wir uns sicherlich einig. Jetzt erwähnen Sie „VIVA FAMILIA“ und sagen, wir tun vieles, um zu informieren und auf die Familien einzuwirken. Das ist gut. Das unterstützen wir.

Neben dem, was Sie als Motivation für die Familien einsetzen: Welche weiteren Möglichkeiten haben Sie? Sehen Sie auch Sanktionsmöglichkeiten für Eltern, die die Mittel nicht im Rahmen ihrer Eltern- und Erziehungspflichten für ihre Kinder einsetzen?

Sanktionsmöglichkeiten halte ich für sehr problematisch. Ich glaube, wir müssen die Eltern in den Familien mit eher prekären Lebenssituationen dazu befähigen, sinnvoll mit den Dingen umzugehen, damit sie ihre Kinder stärken und auf dem richtigen Weg begleiten können.

(Beifall bei der SPD)

Ich sage ergänzend dazu: Das Konzept der Landesregierung, nämlich dass die Kindertagesstättenbetreuung schon im ganz frühen Alter beginnt, zielt auch auf die Frage ab, dass Familien oder Kinder aus prekären Le

benssituationen die Chance haben, im Rahmen einer Kindertagesstätte die Förderung zu erhalten, die notwendig ist.

Meine Kollegin Frau Ahnen hat es gestern dargestellt. Wir haben einen hohen Beteiligungsgrad. Unser Ziel wird sein, über die Beitragsfreiheit die Kinder noch stärker an den Bildungs- und Erziehungsangeboten beteiligen zu lassen. Ich denke, dann haben wir eine gute Palette aufzubieten, um den Kindern den Schutz und die Unterstützung zu gewährleisten, die sie brauchen.

Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Raab.

Frau Ministerin, Sie haben aufgezeigt, dass die Landesregierung ein dichtes Netz gewebt hat, um Kindern, die in Armut leben, Schutzmöglichkeiten und Fördermöglichkeiten anzubieten. Welchen Beitrag können die Kommunen in diesem Bereich leisten? Es gibt einige gute Beispiele, wie zum Beispiel die Startpaten in Kusel oder eine Initiative in Betzdorf. Begleiten Sie diese vonseiten der Landesregierung? Wie bewerten Sie das?

Das war in der Kürze der Zeit schwer darstellbar.

(Zuruf der Abg. Frau Kohnle-Gros, CDU)

Wir definieren letztendlich Armut nicht nur an der Einkommensarmut. Wir sagen, Armut ist ein Lebenslagenproblem, das sich vor allem in der sozialen Teilhabe, im Bildungsbereich, aber auch bei der Gesundheit niederschlägt. Deshalb ist es nicht nur die Politik, die handeln kann, sondern wir brauchen Partner vor Ort in sehr vielschichtiger Art und Weise, die diesen Kindern Unterstützung leisten.

(Frau Kohnle-Gros, CDU: Sehr gut!)

Deshalb ist es außerordentlich begrüßenswert, wenn beispielsweise Kommunen lokale Bündnisse für Familien gründen. Das wird vom Land unterstützt. Wir haben eine Servicestelle in der Landeszentrale für Gesundheitsförderung, um die Netzwerke zu stützen. Dort ist das Thema „Kinderarmut“ im weitesten Sinn ein durchaus gut aufgehobenes Thema, bei dem man überlegen kann, welche Initiativen gestartet werden können, um diesen Kindern eine umfassende Unterstützung zu geben, und zwar auch über das freiwillige Engagement, wie die Patenschaften, die genannt worden sind.

Eine weitere Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Thelen.

Sehr geehrte Frau Ministerin! Sie haben als eine der Maßnahmen zur Vermeidung von Kinderarmut die Bundesratsinitiative für den Mindestlohn angeführt. Kann ich daraus schließen, dass die SPD einen Mindestlohn möchte, der das Leben mit Kindern so weit absichert, dass keine ergänzenden Leistungen mehr notwendig werden? Wie hoch müsste dieser Mindestlohn Ihrer Berechnung nach sein?

Sehr geehrte Frau Thelen, Sie kennen unsere Bundesratsinitiative genau. Sie orientiert sich am Einkommen eines voll Erwerbstätigen, aber nicht an dem gesamten Familienbedarf. Wir haben heute wieder die wunderschöne Arbeitslosenzahl von Rheinland-Pfalz von 6,0 % erhalten. Hätten wir bundesweit 500.000 Menschen weniger, die nur aufstockende Sozialhilfe bzw. ALG II erhalten, weil sie nicht ausreichend verdienen, hätten wir dort eine erheblich komfortablere Situation, als wir sie heute schon haben.

(Beifall der SPD)

Ausreichend zu verdienen, ist die Voraussetzung dafür, um überhaupt das Existenzminimum in einer Familie gewährleisten zu können. Es gibt Maßnahmen wie der Kinderzuschlag, der eigentlich in Rheinland-Pfalz entwickelt worden ist. Der Kinderzuschlag hat aber nicht den Sinn, Erwerbseinkommen, das nicht bezahlt wird, zu ergänzen, sondern dass Menschen, die arbeiten gehen, nicht durch Kinder in die Armut kommen. Der Kinderzuschlag hat genau die Funktion, wie ich sie beschrieben habe, nämlich den zusätzlichen Bedarf, der durch Kinder entsteht, abzudecken.

Eine komplette Fehlinterpretation wäre, wenn Sie davon ausgehen würden, dass wir das familiäre Geschehen, sozusagen den Mindestlohn, mit einbeziehen. Es ist aber die Grundvoraussetzung dafür, um anständig eine Familie gründen zu können, und damit man weiß, ausreichend Lohn für die Arbeit zu erhalten, der man nachgeht.

(Beifall der SPD)

Damit ist die Fragestunde beendet. Wir haben die Fragestunde etwas ausgeweitet. Wir benötigen am Anfang zu viel Zeit und kommen nicht mehr über die Beantwortung der fünften Mündlichen Anfrage hinaus. Es tut mir leid. Die anderen Mündlichen Anfragen werden in Kleine Anfragen umgewandelt.

Herr Bracht, ich lese es auf Ihrer Stirn. Sie wollten mir doch bestimmt sagen, dass meine Bemerkungen das ganze Rund angehen.

(Bracht, CDU: Wir werden uns jetzt rächen!)

Ich rufe Punkt 13 der Tagesordnung mit dem ersten Thema auf:

AKTUELLE STUNDE

„Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Festsetzung der Rundfunkgebühren – Auswirkungen und Einschätzungen“ auf Antrag der Fraktion der SPD – Drucksache 15/1510 –

Das Wort hat Herr Abgeordneter Heinrich.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 11. September hat das Bundesverfassungsgericht ein neues Fernsehurteil verkündet. Es hat eindeutig festgestellt, dass die Festsetzung der Rundfunkgebühren für den Zeitraum vom 1. April 2005 bis 31. Dezember 2008 gegen die Rundfunkfreiheit verstößt.

(Unruhe im Hause)

Ich glaube, die wenigsten Beobachter der mündlichen Verhandlung am 2. Mai dieses Jahres haben mit einer so eindeutigen Entscheidung gerechnet.

(Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, es müsste schon ein bisschen ruhiger zugehen.

Danke schön, Herr Präsident.

Die Verfassungsrichter sind mit ihrer Entscheidung ihrer Linie treu geblieben, die sie mit ihrem letzten großen Fernsehurteil im Jahr 1994 der Medienpolitik ins Stammbuch geschrieben haben.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat einen hohen Rang als Informations-, Kommunikations- und Kulturträger. Um diesen Funktionsauftrag erfüllen zu können, wird er deshalb vorrangig über öffentlich-rechtliche Gebühren finanziert.

Der im Grundgesetz in Artikel 5 enthaltene Auftrag zur Gewährleistung der Rundfunkfreiheit zielt auf eine Ordnung, die sicherstellt, dass die Vielfalt der bestehenden Meinungen im Rundfunk in möglichst großer Breite und Vollständigkeit Ausdruck findet. So formulierten es die Richter.

Dies könne nur geschehen, wenn sich der öffentlichrechtliche Rundfunk vom ökonomischen Markt abkoppelt und sich das Programm allein an publizistischen Zielen und Vielfalt orientiert.

Die duale Ordnung eines Nebeneinanders von öffentlichrechtlichem und privatem Rundfunk trägt zur Sicherung

der Breite und Vielfalt des Programmangebots bei. Während wir von den Privaten erwarten, dass sie sich im Wesentlichen von Marktprozessen bei ihrer Programmgestaltung leiten lassen, erwarten wir zu Recht von den Öffentlich-Rechtlichen die Erfüllung des klassischen Funktionsauftrags, und zwar unabhängig von Einschaltquoten und Werbeaufträgen.

Das Gericht schließt im Übrigen Einnahmen aus Werbung und Sponsoring nicht aus. Dieser Teil der Einnahmenseite dürfe allerdings nicht im Vordergrund stehen. An dieser Stelle möchte ich erwähnen, dass es eine durchaus ernst zu nehmende Diskussion in der Medienpolitik gibt, im Öffentlich-Rechtlichen auf Werbung gänzlich zu verzichten. Auch ich könnte gerne auf Werbung wie „Geiz ist geil“, „Saubillig“ und „20 % auf alles außer Tiernahrung“ verzichten.

Man muss natürlich dazusagen, dass der Verzicht auf solche Einnahmen Einfluss in durchaus nennenswerter Höhe auf die Rundfunkgebühren hätte.

Das Gericht hat auch noch einmal auf das dreistufige Verfahren zur Gebührenfestsetzung hingewiesen, welches als Konsequenz aus dem Verfassungsgerichtsurteil von 1994 im Dritten Rundfunkstaatsvertrag zum 1. Januar 1997 geregelt wurde.

Erste Stufe: Die Rundfunkanstalten melden ihren Finanzbedarf auf der Grundlage ihres geplanten Programmes an.

Zweite Stufe: Die KEF – das ist die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs – überprüft als unabhängige Kommission, ob sich die Programmentscheidungen im Rahmen des Rundfunkauftrags halten und der daraus abgeleitete Finanzbedarf im Einklang mit den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit steht.

Die dritte Stufe: Die Landtage setzen die Gebühren auf der Grundlage des von der KEF ermittelten Bedarfs fest.

Bei dieser Stufe sind wir am Zuge. Es ist aber keineswegs so, dass wir durch das Urteil vom 11. September dazu verpflichtet sind, dem Vorschlag der KEF 1 : 1 zu folgen.

Das Verfassungsgericht hat allerdings festgestellt, dass eine Abweichung vom KEF-Vorschlag allein mit dem Hinweis auf die allgemein angespannte wirtschaftliche Lage nicht ausreichend begründet war.

Zur Erinnerung: Mindestens drei Ministerpräsidenten aus CDU-regierten Bundesländern meinten, es könnte auch etwas billiger sein. – Am Ende eines langen politischen Streites hat man sich auf 21 Cent unter dem KEFVorschlag geeinigt.

Herr Rüddel geht sogar noch weiter und meint, man könne die Gebühr in der nächsten Gebührenperiode sogar noch senken.

Es gäbe noch viele Punkte anzusprechen wie zum Beispiel die Umsetzung der EU-Vorgabe für die Präzisierung des öffentlich-rechtlichen Auftrags oder den Rahmen, in dem die Öffentlich-Rechtlichen in neue Verbrei