Meine sehr verehrten Damen und Herren, im Übrigen weise ich Sie darauf hin, dass Sie auch noch eine Aktuelle Stunde zu diesem Thema durchführen werden.
und wir kommen nach 26 Minuten zu der Mündlichen Anfrage der Abgeordneten Christian Baldauf und Dr. Thomas Gebhart (CDU), Haltung der Landesregierung zu den energiepolitischen Meinungen des früheren Wirtschaftsministers und Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen Wolfgang Clement – Nummer 2 der Drucksache 15/1846 – betreffend, auf.
1. Teilt die Landesregierung die Auffassung des früheren nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten
Wolfgang Clement, dass der Einsatz von Kohlekraftwerken und Atomkraftwerken für die Sicherstellung der Grundlast an elektrischer Energie unerlässlich ist?
2. Vertritt die Landesregierung im Gegensatz hierzu die Auffassung der hessischen Landtagsabgeordneten Ypsilanti, dass wir in Deutschland künftig sowohl auf Kohlekraftwerke als auch auf Kernkraftwerke verzichten können und müssen?
3. Welche Energietechniken können nach Auffassung der Landesregierung den Beitrag von fossilen Brennstoffen und Kernkraft zur Sicherstellung der Grundlast an elektrischer Energie ausreichend ersetzen?
4. Begrüßt und unterstützt die Landesregierung in diesem Zusammenhang den Bau eines neuen Kohlekraftwerkes in Mainz durch die städtischen Versorgungswerke von Mainz und Wiesbaden?
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Mündliche Anfrage Nummer 2 der Abgeordneten Christian Baldauf und Dr. Thomas Gebhart beantworte ich namens der Landesregierung wie folgt:
Zu Frage 2: Die hessische Spitzenkandidatin der Sozialdemokratischen Partei, Andrea Ypsilanti, hat in ihrem Klima- und Energieprogramm für Hessen einen klaren Akzent gesetzt: Weg von der Atomenergie, Ausbau der erneuerbaren Energien und der Effizienztechnologien und Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung als Schwerpunkt zur Deckung des Restenergiebedarfs. Es gibt keine grundsätzlichen Differenzen zur rheinland-pfälzischen Energie- und Klimaschutzpolitik.
Allerdings bestehen erhebliche Unterschiede zu den Vorstellungen des amtierenden hessischen Ministerpräsidenten, Herrn Roland Koch, der die Laufzeit der Atomkraftwerke, auch die der beiden Blöcke Biblis A und Biblis B, an der Grenze zu unserem Land verlängern und darüber hinaus neue Atomkraftwerke bauen will. Beides lehnt die rheinland-pfälzische Landesregierung aus vielen guten Gründen entschieden ab.
Zu Frage 3: Mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien ändern sich die Anforderungen an das Energiesystem grundlegend. Was wir künftig vermehrt brauchen, ist nicht Grundlaststrom; wir brauchen vielmehr Energie, die als Ausgleichsenergie kurzfristig verfügbar ist, das heißt, die die Lücken ausfüllt, wenn sogenannte fluktuierende
Energien wie Wind und Sonne nicht ausreichend zur Verfügung stehen, weil Wind nicht immer weht und Sonne nicht immer scheint. Heute und für eine Übergangszeit sind solche Ausgleichsenergien vor allen Dingen flexible Gas-, aber auch Kohlekraftwerke.
In der weiteren Zukunft werden es neben der Wasserkraft auch Bio- und Geothermiekraftwerke sein, die die notwendigen Ausgleichsenergien liefern können. Die dezentrale Energieversorgung durch die erneuerbaren Energien und die Kraft-Wärme-Kopplung stellen weitere Anforderungen an die Netzinfrastruktur, an Stromspeichermöglichkeiten und an die Kommunikations- und Steuerungstechnologien. Gerade deswegen fördern wir seit Jahren die Entwicklung sogenannter virtueller Kraftwerke, um in einer dezentralen Struktur vieler kleiner Energieanlagen Angebot und Nachfrage besser aufeinander abzustimmen und Netzstabilität sowie Versorgungssicherheit zu gewährleisten.
Zu Frage 4: In unserem integrierten Energiekonzept für Klima, Wachstum und sichere Versorgung haben neben Energie sparen, Effizienz steigern und erneuerbare Energien ausbauen die fossilen Energieträger, das heißt auch Kohle, in begrenztem Umfang als Übergangsenergie eine Bedeutung, allerdings unter den Voraussetzungen: modernste Technologie hocheffizient und in KraftWärme-Kopplung. – Dies setzt verbrauchsnahe Standorte voraus – das sind am ehesten Ballungsräume –, um neben dem Strom auch die Abwärme nutzen zu können. Nur so kann ein Beitrag für den Klimaschutz gewährleistet werden.
Auch die Verteilung der Energieproduktionsstandorte in Deutschland ist wichtig für die Netzstabilität, aber auch, um Hochpreisregionen für Strom und damit Standortnachteile zu vermeiden. Letzteres ist für Südwestdeutschland in den nächsten Jahren ein wichtiges Thema.
Was die konkrete Investitionsabsicht, ein Kohlekraftwerk für Mainz/Wiesbaden zu bauen, anbelangt, verweise ich auf das aktuelle Genehmigungsverfahren. Es gibt keine Vorabgenehmigung. Hier wird ein ordnungsgemäßes, transparentes Verfahren durchgeführt, in dem alle Belange der Gesundheit und der Umwelt berücksichtigt werden. Alle Einwendungen, ob von links oder rechts des Rheines, werden sorgfältig geprüft und bewertet.
Frau Ministerin Conrad, in welchem Ausmaß werden nach Auffassung der Landesregierung neue Kohlekraftwerke in Rheinland-Pfalz gebraucht?
Es geht dabei gar nicht um Rheinland-Pfalz, sondern es geht um die gesamte Versorgungsregion Südwestdeutschland. Ich verweise darauf, dass wir insgesamt schauen müssen, wie die Verteilung der Kraftwerksstandorte für einen Übergangszeitraum ist. Ich mache aber noch einmal darauf aufmerksam, es geht viel mehr um den gewollten Zuwachs, im Übrigen auch von der Bundesregierung beschlossenen Zuwachs,
dies so in ein sicheres Versorgungsnetz und eine Versorgungsstruktur zu integrieren. Dazu braucht man alle die in der Antwort zu Frage 3 dargestellten Technologien. Das sind die Bausteine für Versorgungssicherheit auch in unserer Region.
Frau Ministerin, die Frage 2 haben Sie nicht beantwortet. Dort wird eindeutig Folgendes gefragt: Vertritt die Landesregierung die Auffassung, „dass wir in Deutschland künftig sowohl auf Kernkraftwerke als auch auf Kohlekraftwerke verzichten können und müssen?“ – Diese Frage ist nicht beantwortet. Ich bitte Sie so, wie sie klar gestellt ist, zu beantworten.
Sie fragen dezidiert nach der, wie Sie es formulieren, „Auffassung der hessischen Landtagsabgeordneten Ypsilanti“. Da ich das Programm der Spitzenkandidatin der Sozialdemokratischen Partei sehr gut kenne, die Debatte in Hessen und im Übrigen auch auf unseren Parteitagen die Anträge der hessischen Sozialdemokratischen Partei sehr genau verfolge, kann ich Ihnen nicht bestätigen, dass diese Plattheit so, wie Sie es in der Enge formuliert haben, das Programm der hessischen Sozialdemokratischen Partei ist. Es ist wesentlich differenzierter und hat die klar von mir hier auch dargestellten Akzente gesetzt. Ich habe sie Ihnen noch einmal dargestellt. Ich kann natürlich nichts dafür, dass Ihnen diese Antwort nicht passt.
(Ramsauer, SPD: Untauglicher Versuch! – Keller, CDU: Der Strom kommt aus der Steckdose! – Zurufe von der SPD: Oh je!)
Frau Ministerin, Sie haben auf die Frage des Herrn Kollegen Dr. Gebhart für meine Begriffe widersprüchlich geantwortet. Würden Sie die Auffassung teilen – erst recht vor dem Hintergrund Ihrer Aussage, dass man dort, wo Menschen wohnen, auch diese Kraftwerke bauen soll, so haben Sie sich eben ausgedrückt –, dass die Frage sauber beantwortet werden muss, was denn für Rheinland-Pfalz an Kohlekraftwerken von Ihnen erwartet wird?
Herr Abgeordneter Licht, die Landesregierung ist nicht der Investor in Kraftwerke. Es wäre aber auch viel zu verkürzt gesehen, dabei nur den Standort RheinlandPfalz zu betrachten. Deshalb habe ich gesagt, wir müssen die Verteilung in Deutschland betrachten, natürlich insbesondere Südwestdeutschland, weil wir wissen, welche Kraftwerkskapazitäten vom Netz gegangen sind und in absehbarer Zeit noch gehen werden. Es gibt daher weder einen Regelkreis noch berechenbaren Kreis nur für unser Land Rheinland-Pfalz.
Natürlich haben wir nie einen Hehl daraus gemacht – auch in der Regierungserklärung von mir zum integrierten Energie- und Klimaschutzprogramm der Landesregierung –, dass Ballungsräume die wichtigen Räume sind – da braucht man kein Energiepolitiker zu sein –, die zu betrachten sind, wenn es für eine Übergangszeit um fossile Kraftwerke geht, weil wir sie – hier unterscheiden wir uns auch nicht von den Sozialdemokraten in Hessen – nur in Kraft-Wärme-Kopplung umgesetzt sehen wollen. Deswegen ist es vollkommen klar, dass auch die Ballungsräume in Rheinland-Pfalz interessante Standorte sind. Aber das ist nicht Frage der Landesregierung, hierüber vorab zu entscheiden. Wir treffen auch keine Investitionsentscheidung.
Frau Ministerin, Sie haben den vereinbarten Atomausstieg angesprochen. Welche konkreten Vorteile sehen Sie speziell für das Land Rheinland-Pfalz bei diesem vereinbarten Atomausstieg?
Ich glaube, für die Menschen in Rheinland-Pfalz ist es von ganz erheblichem Interesse – darauf sollten wir auch die Debatte konzentrieren, wenn wir Wahlkämpfe in Nachbarländern beobachten –, ob die Auswirkungen einer Energiepolitik, wie sie in einem Nachbarbundesland gemacht wird, unseren Sicherheitsinteressen, das heißt, der Menschen in Rheinland-Pfalz entsprechen oder nicht.
Ich kann dazu sagen, vor dem Hintergrund der beabsichtigten Laufzeitverlängerung für die Pannenreaktoren Biblis A und Biblis B, die eigentlich 2009 und 2011 vom Netz gehen sollen, liegt es nicht im Sicherheitsinteresse der Bevölkerung von Rheinland-Pfalz, denn sie stehen an der Grenze von Rheinland-Pfalz, wenn sie weiter betrieben werden sollen, wie das die CDU offensichtlich vorhat.
Frau Ministerin Conrad, aus welchen Gründen vertritt die Landesregierung in der Energiepolitik, und zwar speziell in der Frage der Kohlekraftwerke, nicht die Position, die die hessische SPD vertritt?