Protokoll der Sitzung vom 24.01.2008

Frau Ministerin Conrad, aus welchen Gründen vertritt die Landesregierung in der Energiepolitik, und zwar speziell in der Frage der Kohlekraftwerke, nicht die Position, die die hessische SPD vertritt?

Ich habe Ihnen gesagt, ich sehe dort keine grundlegenden Unterschiede.

(Eymael, FDP: Ach!)

Nein. Ich kann Ihnen einmal einen Antrag vorlesen, damit Sie das auch sehen. Wir müssen doch hier keine Parteipolitik machen, aber Sie haben die Fragen gestellt, also bekommen Sie auch eine Antwort.

Es gibt eine klare Position, die im Übrigen so auf dem Bundesparteitag in Hamburg formuliert wurde, die von Hessen stammt: „Die SPD tritt dafür ein, dass neue Kraftwerke auf der Grundlage fossiler Brennstoffe nur noch genehmigt werden können, wenn sie nachweislich Kraft-Wärme-Kopplung verwirklichen und die Nutzung der Wärme gesichert ist.“ Wo ist da die große Differenz zu dem, was ich für Rheinland-Pfalz gesagt habe?

(Beifall bei der SPD)

Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Kollegen Baldauf.

Frau Ministerin, wie bewerten Sie die Situation, dass in Mainz ein Gaskraftwerk abgeschaltet wird und jetzt ein Antrag auf Errichtung eines wesentlich leistungsfähigeren Kohlekraftwerkes vorliegt? Entspricht das dem Duktus Ihrer Ausführungen, oder wäre es nicht besser gewesen, an einem Gaskraftwerk festzuhalten?

Ich bitte um Verständnis, wir befinden uns zurzeit in einem Genehmigungsverfahren. Dies werden wir nach Recht und Gesetz ganz ordentlich und transparent abarbeiten. Ich habe Ihnen das gesagt. Natürlich werden wir auch alle diese Fragen, die Gegenstand von Einwendungen sind, dann bewerten, wenn es an der Zeit ist. Das geschieht im Übrigen auch in einem Erörterungstermin. Dann werden wir abschließend dazu Stellung nehmen.

Ich finde diese Frage hier im Parlament vom CDULandesvorsitzenden etwas merkwürdig, weil Ihre Partei – das kann ich schon beurteilen – in Mainz für das Kraftwerk gestimmt hat und Sie als Landesvorsitzender hier eine andere Position beziehen.

(Baldauf, CDU: Die SPD auch!)

Das ist bemerkenswert, muss ich aber nicht weiter kommentieren.

(Beifall der SPD)

Zu einer Zusatzfrage hat Herr Kollege Dr. Mittrücker das Wort.

Frau Ministerin Conrad, Sie haben darauf hingewiesen, dass eine räumliche Verteilung von Energiegewinnungsanlagen Sinn macht, obwohl Sie eigentlich wissen müssten, dass wir in Daxlanden europaweit elektrische Energie verschieben. In größeren Dimensionen können wir Energie auch transportieren.

Ich komme zur Frage. Wenn Sie schon keine kleinen räumlichen Aussagen zu Rheinland-Pfalz bezüglich der Energiegewinnungsanlagen machen wollen, dann nehmen wir den größeren Raum Deutschland. Wie sehen Sie da die Notwendigkeit der Energiegewinnung durch Kohle?

Hier unterstütze ich ausdrücklich die Position der Bundeskanzlerin, des Bundesumweltministers und die Position vieler kompetenter Umweltverbände wie zum Bei

spiel des WWF, dass wir einen begrenzten Ausbau von fossilen Energiekraftwerken in höchster Effizienz brauchen. Ich habe die Kraft-Wärme-Kopplung hinzugefügt. Das habe ich für die Landesregierung so formuliert.

Ich muss sagen, mir bereitet Sorge, wie momentan bundesweit damit umgegangen wird. Ich sehe, dass Genehmigungsverfahren im Norden von Deutschland im Gange sind. Diese sind rein auf Kondensationskraftwerke ausgerichtet. Diese arbeiten mit einer sehr geringeren Energieausnutzung des Brennstoffs Kohle. Deswegen haben wir einen deutlich anderen Akzent gesetzt. In diesen Umfang halte ich fossile Energieträger als Übergangsenergie für möglich und notwendig.

Ich habe es noch einmal deutlich gesagt, ich halte es auch notwendig als Ausgleichsenergie, weil unsere Priorität ganz klar auf eine Ausweitung der dezentralen Versorgungsstruktur gerichtet ist. Das sind kleine Kraftwerke mit erneuerbaren Energien und mit fossilen Energieträgern. Diese brauchen die Regelenergie von zuschaltbaren Kraftwerken. Das sind auch fossile.

Zu einer Zusatzfrage hat Herr Abgeordneter Eymael das Wort.

Frau Ministerin, teilen Sie die Auffassung von Frau Ypsilanti, dass Sonne, Wind und Wasser nichts kosten? Wie sehen Sie die Strompreisentwicklung in den nächsten Jahren gerade bei diesem Umstellungsprozess? Sie sprechen immer noch von einem Übergangszeitraum, in dem Sie fossile Energien nutzen wollen. Wie lange wird dieser Zeitraum dauern? Wo werden die Strompreise letztlich landen?

Herr Eymael, zu der ersten Frage sage ich Folgendes: Man müsste nur ein Verb vertauschen, dann könnte der Satz von mir sein. Ich glaube, so ist das auch gemeint. Sonne, Wind und Wasser stellen uns keine Rechnung. Wenn wir uns die zukünftige Energiepreisentwicklung anschauen, dann sind die erneuerbaren Energien ein Beitrag zur Stabilisierung der Energiepreise. Ich könnte Ihnen das wunderbar an den Effekten an der Strombörse deutlich machen. Das würde die Redezeit sprengen. Das geht vor allem dann, wenn wir durch die Einspeisung und den Vorrang der erneuerbaren Energien von Wind und Sonne Wettbewerb nicht nur in der Spitze haben. Dann sehen wir, wie die Energiepreise reduziert werden. Es gibt deswegen den Kampf von großen Kraftwerksbetreibern gegen diesen Ausbau, weil wir mittlerweile wissen, was auch berechnet ist, dass die Stromkosten für ganz Deutschland durch die erneuerbaren Energien u. a. in den Engpässen um 5 Milliarden Euro reduziert werden.

(Eymael, FDP: Stimmt doch gar nicht!)

Wenn man diese Effekte für die Zukunft extrapoliert, dann habe ich keine Sorge.

(Zuruf des Abg. Baldauf, CDU)

Zu der Ehrlichkeit in der Gesellschaft gehört Folgendes: Es ist völlig klar, Klimaschutz kostet Geld. Das wissen wir. Herr Eymael, kein Klimaschutz kostet wesentlich mehr Geld. Das bereitet momentan die EnqueteKommission des Parlaments sehr ausführlich vor.

(Beifall bei der SPD)

Als Nächstes kommt eine Zusatzfrage des Herrn Kollegen Ramsauer. Ich habe Sie alle aufgeschrieben.

Frau Ministerin, ich will noch einmal auf den Wunsch der CDU nach Atomstrom zurückkommen und auf die höchst intelligente Auslassung des Herrn Kollegen Keller, dass Strom aus der Steckdose komme. Können Sie sagen, welches Finanzierungsrisiko unsere Landesregierung von der alten Landesregierung mit MülheimKärlich übernommen hat und was dieses im Worst Case für das Land Rheinland-Pfalz bedeutet hätte?

(Wirz, CDU: Jetzt hört aber auf!)

Herr Abgeordneter Ramsauer, es ist absolut richtig, dass Sie noch einmal darauf hinweisen. Das zeigt die Unsicherheit, die Unkalkulierbarkeit und nicht nur die Sicherheitsrisiken für die zukünftigen Generationen auf, sondern auch die mit dieser Technologie verbundenen finanziellen Risiken. Ich kann Ihnen die Zahl nicht genau sagen. Es waren zweistellige Millionenbeträge nötig, um die notwendigen Prozesse durchzuführen.

Es wäre ein existenzielles Finanzrisiko gewesen, wenn wir uns nachher nicht durchgesetzt hätten und wenn der Ministerpräsident zusammen mit meiner Vorgängerin und mit Gerhard Schröder als Kanzler nicht die Abwicklung für Mülheim-Kärlich in den Atomkonsens hineingebracht hätte. Dies hätte unter Umständen ein Finanzrisiko von einem geschätzten Streitwert von ca. 7 Milliarden DM in der damaligen Zeit ergeben, hätte also ungefähr 3 Milliarden Euro für das Land bedeutet. Das war eine existenzielle Frage. Deswegen haben wir gerade in Rheinland-Pfalz viele Gründe, am Atomkonsens festzuhalten.

(Beifall der SPD)

Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Kollegen Langner.

Frau Ministerin, für wie seriös halten Sie die Forderung des noch amtierenden Ministerpräsidenten von Hessen, Roland Koch, nach dem Bau von neuen Atomkraftwerken? Das frage ich auch vor dem Hintergrund der Stichworte „Genehmigungsverfahren“, „Standortsuche“, „Finanzierung“ und „Bauzeit“.

(Zuruf von der SPD: Endlager!)

Das ist eine Diskussion, die uns etwas erstaunen sollte. Herr Abgeordneter Langner, hier rechne ich damit, dass mittlerweile in der Gesellschaft ein breiter Konsens gegen diese Hochrisikotechnologie Atomkraftwerke besteht. Dazu zählt auch die Erkenntnis, dass diese zumindest langfristig eigentlich keinen Beitrag zum Klimaschutz leisten können, jedenfalls nicht im Weltmaßstab. Deswegen hoffe ich darauf. Umgekehrt macht mich diese Position natürlich besorgt.

Wir haben zwei laufende Kraftwerke an unserer Grenze. In Baden-Württemberg gibt es auch noch Philippsburg direkt an der Grenze. Es macht mich besorgt, wenn tatsächlich das durchgesetzt würde und in Hessen neue Atomkraftwerke entstehen. Dann geht das wegen des hohen Kühlbedarfs nur in der Rheinschiene. Dann würden sie wieder an der Grenze zu Rheinland-Pfalz stehen. Das soll man den Menschen in Rheinland-Pfalz durchaus sagen.

Es wäre interessant, wenn hier die rheinland-pfälzischen Abgeordneten auch der CDU dazu einmal klar Position beziehen würden.

(Beifall der SPD)

Es liegen noch die Wortmeldungen des Kollegen Schreiner, des Kollegen Creutzmann und der Kollegin Frau Schellhaaß vor. Danach schließe ich die Rednerliste. Herr Schreiner, bitte schön.

Vielen Dank. Frau Ministerin, teilen Sie die Auffassung des Fraktionsvorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion, dass der ehemalige SPD-Ministerpräsident Clement aus der SPD ausgeschlossen werden sollte, und gegebenenfalls warum bzw. warum nicht.

(Pörksen, SPD: Also die Frage gehört hierhin!)

Herr Abgeordneter Schreiner, die Landesregierung gedenkt nicht, zu parteiinternen Diskussionen der Sozial

demokratischen Partei Stellung zu nehmen. Sie können aber in der Presse lesen, dass sich der Parteivorsitzende eindeutig dazu geäußert hat.

(Beifall der SPD)

Herr Kollege Creutzmann, bitte schön.

Frau Staatministerin, teilen Sie die Auffassung des Herrn Merz heute im „Handelsblatt“, der schreibt, dass er dem energiepolitischen Programm der SPD, das in jeder Zeile die Handschrift des erfolgreichsten Vorkämpfers für die Solarenergie aller Zeiten trägt, man könnte auch sagen, eines Lobbyisten, gelungen ist, so viel Subventionen für erneuerbare Energien locker zu machen, dass sie mittlerweile sogar schon die für den Kohlenbergbau übersteigen?

(Ramsauer, SPD: Das glaubt doch nicht einmal die Frau Merkel!)

Ich sage Ihnen ganz einfach, ich teile diese Auffassung entschieden nicht, und ich glaube, ich habe jetzt in dieser Debatte auch viele Gründe dafür dargestellt.