Protokoll der Sitzung vom 28.02.2008

Ich meine auch persönlich, dass unabhängig von diesem Antrag, der heute fraktionsübergreifend vorliegt, die Landesregierung auch aufgefordert ist, den Kommunen das Recht zu übertragen, selbst vor Ort zu entscheiden, ob an Tankstellen weiterhin nachts Alkohol verkauft werden darf. Nächtliche Trinkgelage in diesem Umfeld außerhalb jeder sozialen Kontrolle sind zumindest an bekannten sozialen Brennpunkten zu begrenzen. Hier erwarte ich, dass auch da schnell gehandelt wird. Das geht jetzt über diesen Antrag als persönliche Bemerkung noch hinaus.

Ich möchte gar nicht parteipolitisch werden. Wir sind uns heute in der Diskussion sehr einig. Diese Verantwortung, die wir haben, haben wir als Erwachsene insgesamt. Dieser müssen wir gerecht werden. Zu diesem Gerechtwerden gehört eine Vorbildfunktion. Wer sich zum Beispiel vor Kindern betrinkt, und wenn es nur auf Festen ist, zeigt ihnen unter Umständen, dass das Ganze gar nicht so schlimm ist. Er macht sie neugierig und ist damit alles andere als ein Vorbild.

Wenn wir uns einreden, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass bedrohlicher Alkoholmissbrauch nur von wenigen Jugendlichen verübt wird, dann irren wir. Das ist eben auch gesagt worden. Es sind auch Abi-Feten, Schützenfeste und ähnliche Veranstaltungen, bei denen volltrunkene Jugendliche eine Gefahr für sich und ihre Umgebung darstellen. Die obskure Flatrate-Party ist die Ausnahme. Das Besäufnis auf Dorfplätzen oder Spielplätzen

mit Schnaps von der Tankstelle wird man häufiger vorfinden.

Ich bin deswegen der Ansicht, dass Alkohol bei Schul- und Kindergartenfesten und im Jugendsportbereich generell nichts zu suchen hat. Da muss die Botschaft öfter heißen: Es geht auch ohne. – Wenn unsere Kinder mit dieser Botschaft aufwachsen, dass Feiern und Alkohol nicht automatisch zusammengehören, dann handeln wir als Erwachsene in diesem Bereich, in dem Kinder dabei sind, sehr verantwortungsvoll, denke ich, und sind damit der Jugend auch ein Beispiel.

Meine Damen und Herren, dazu unseren Beitrag zu leisten, ist unsere Pflicht als Politiker. Ich denke, dass dieser gemeinsame Antrag auch ein sichtbares Zeichen dafür ist.

(Beifall der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Dr. Enders.

Für die Landesregierung erteile ich Frau Staatsministerin Dreyer das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Herren und Damen Abgeordnete! Wir sprechen heute über ein Problem, über das wir leider sprechen müssen, so muss man sagen. Alle Abgeordneten sehen es genauso. Es ist ein aktuelles Problem. Wir alle haben festgestellt, es ist nicht nur ein gesundheitspolitisches und suchtpolitisches Problem. Man kann es leider nicht mehr auf diesen Bereich beschränken, sondern wir sprechen tatsächlich über ein gesellschaftliches Problem.

Es hat mir sehr gut gefallen, dass auch alle Abgeordneten genau auf diesen Punkt eingegangen sind. Wir sind alle bei dem Thema gefordert, wie die Gesellschaft mit Alkohol umgeht, auch mit dem Thema „Jugendliche und Alkohol“. Dort sind wir alle gefordert. Es sind an erster Stelle die Eltern. Wie sind sie in ihrer Vorbildfunktion ihren Kindern gegenüber? Was vermitteln sie zum Thema „Alkohol“? Von Herrn Enders ist das schöne Stichwort gefallen: „Feiern geht nur mit Alkohol.“ Das ist schon ein Stück weit das Bild, das vermittelt wird, selbstverständlich auch über die Medien.

Wenn man manchmal Menschen im Fernsehen sieht, die Vorbild für die Jugendlichen sind, für die sich die Jugendlichen so richtig begeistern, also im Sport oder in sonstigen Bereichen, dann hören wir oft bei Siegesfeiern, dass man sich jetzt endlich erst einmal richtig einen „hinter die Hacke trinken“ und mit Bier anstoßen möchte. Dann ist das sicherlich erst einmal ein Problem. Jugendliche verbinden damit, dass ein Sieg, Freude, Feiern immer mit Alkohol verbunden sein müssen. Das ist das Problem, das wir signalisieren.

Wir sehen es in der Werbung. Das Bier ist heute ganz extrem von der Werbung her auf Jugendliche zugeschnitten. Früher hat man Bier getrunken und war schon ein bisschen älter. Es war eigentlich das klassische Getränk für den 40-, 50-, 60-Jährigen und aufwärts. Heute ist Bier das Alkoholgetränk für junge Leute. Junge Leute, vor allem Jungen, trinken gerne Bier, das erst recht nach dem Sport. Keiner kann sich eigentlich mehr vorstellen, dass man nach dem Fußballtraining oder nach dem Fußballspiel nicht auch zusammen mit einem Bier anstößt. Häufig wird aus diesem Anstoßen mit dem Bier dann auch exzessives Trinken.

Es geht um die Hersteller, es geht um die Produzenten. Es geht auch um den Handel, was ich ausdrücklich sagen möchte. Es ist beängstigend, wenn man sieht, dass sich Jugendliche vor allem vor Feten oder Ähnlichem bei Lidl, ALDI oder anderen Einrichtungen für 3,50 Euro einen Liter Wodka kaufen. Ich denke, das muss man auch einmal deutlich sagen.

(Beifall der SPD)

Natürlich geht es auch um die Betreiber von Gaststätten. In der Anfrage sind wir auf die Vielfalt der Maßnahmen der Landesregierung eingegangen. Das sind die Maßnahmen und Anstrengungen, die wir unternehmen, um dem Problem des Alkoholmissbrauchs von jungen Menschen entgegenzuwirken. Ich will auf die ganzen Maßnahmen an dieser Stelle nicht eingehen.

Ich will nochmals betonen, was schon mehrfach gesagt worden ist. Im Jahr 2004 und 2005 hatten wir einen leichten Rückgang beim Alkoholkonsum von Jugendlichen. Es gab die Hoffnung, dass sich die Phase etwas entspannt. Aus neueren Daten wissen wir, dass im Jahr 2007 der Alkoholkonsum wieder etwas gestiegen ist. Er ist besonders bei den 16- und 17-Jährigen gestiegen. Beim sogenannten Rauschtrinken hat eine extreme Zunahme stattgefunden.

Es ist zweifelsohne nicht leicht, einen Konsens darüber zu finden, wie man dem Suchtmittelmissbrauch und der -abhängigkeit am besten vorbeugen kann. Umso erfreulicher ist es, dass die Fraktionen eine gemeinsame Linie gefunden haben und heute den Antrag gemeinsam verabschieden.

Die Landesregierung wird im Sinne des Antrages weiter darauf hinwirken, dass Interessenverbände von Gastronomie und Handel auf die Abgabe- und Verbreitungsbeschränkungen nach dem Jugendschutzgesetz hingewiesen werden. Wir werden alles dafür tun, dass sie sich daran halten. Wir haben bereits im vergangenen Jahr mit dem Hotel- und Gaststättengewerbe gesprochen und nochmals auf die Verantwortung von Gaststättenbetreibern hingewiesen.

Es gibt einen Beschluss des Bund-Länder-Ausschusses zum Gewerberecht. Seitdem gibt es durch die Ordnungsbehörden konkrete Handhabungsmöglichkeiten, die sogenannten Flatrate-Partys in Gaststätten im Vorfeld durch die Ordnungsbehörden zu verbieten. Das wird von vielen Kommunen wahrgenommen. Entsprechend hat die Landesregierung die Ordnungsämter informiert.

Die Maßnahmen und Projekte zur Frühintervention bei Jugendlichen haben wir auf neue Füße gestellt. Im Jahr 2007 haben wir dieses Angebot erweitert. Was heißt das? Wir setzen bei den Jugendlichen an, die schon konsumieren. Früher haben wir nur Primärprävention gemacht. Inzwischen arbeiten wir intensiv an unterschiedlichen Stellen mit denjenigen, die tatsächlich konsumieren. Wir versuchen sie zu erreichen und durch Projekte wie MOVE oder SKOLL zu motivieren, dass sie ein Selbstbild für sich entwickeln, was es bedeutet, sich alle paar Wochen oder Monate in Vollrausch zu begeben.

Frau Anklam-Trapp hat es schon gesagt, die Suchtprävention in Rheinland-Pfalz besteht aus vielen regionalen Arbeitskreisen. 34 sind es. Ich möchte noch einmal betonen, die Zusammenarbeit vor Ort ist ausgesprochen wichtig. Es gibt unglaublich innovative Kommunen. Das möchte ich betonen. Diese tun sich bei größeren Festivitäten zusammen und überlegen, wie man dem Alkoholmissbrauch von vornherein begegnen kann. Vereine und Institutionen aus dem Bereich der Suchtprävention, aus dem ordnungsrechtlichen Bereich sowie aus dem Gaststättenbereich überlegen, wie man mit einem bestimmten Termin umgeht, wie dieses Thema in bestimmten Straßen behandelt wird usw. Dabei stehen auch Fragen, wie Kontrollen vor Ort miteinander abgestimmt werden können, im Blickpunkt.

Wir haben auch Projekte der Landeszentrale für Gesundheitsförderung, die sich an Eltern und deren Erziehungsverantwortung richten. Diese sollen unterstützen und greifen Themen auf wie „Hilfe, mein Kind pubertiert“. Das ist eine erfolgreiche Informationsreihe, weil viele Eltern heutzutage nicht mehr so genau wissen, wie man mit all den Problemen in der Pubertät umgeht.

(Zuruf der Abg. Frau Kohnle-Gros, CDU)

Häufig gehört auch das Thema „Alkoholkonsum“ dazu.

(Hartloff, SPD: Das wussten sie früher auch nicht besser!)

In dem Antrag ist eine Forderung enthalten, eine stärkere Evaluation zu machen. Diese wird von uns gerne aufgenommen. Ich möchte darauf hinweisen, das Jugendschutzgesetz ist seit dem 30. Oktober 2007 erfolgreich und umfassend evaluiert worden. Das ist gesagt worden. Daraus werden zurzeit Konsequenzen gezogen. Rheinland-Pfalz steht mit Frau Kollegin Ahnen dafür ein, dass wir uns darum kümmern werden, dass das Thema „Erziehungsbeauftragung“ im Zusammenhang mit dem Thema „Alkohol“ in Zukunft modifiziert wird. Das ist zielgerichtete Evaluation. Man weiß ganz genau, welche Maßnahmen man ergreifen muss.

Wir stehen in ständigem Informationsaustausch mit den Kommunen über deren Aktivitäten.

Ich möchte noch erwähnen, dass wir zur diesem Thema jährliche Fachtagungen durchführen. In diesem Jahr hat am 18. Februar 2008 die Fachtagung zum Thema „Gefährdung von Jugendlichen durch Alkohol“ stattgefunden. Dabei stand auch die Frage im Blickpunkt, was das für die Praxis der Ordnungsbehörden bedeutet. Die

Ordnungsbehörden sind an dieser Stelle mehr denn je gefordert, Wege zu finden, mit Jugendlichen adäquat umzugehen.

Ich könnte viele andere Maßnahmen nennen. Das tue ich jetzt aber nicht. Ich habe nur noch eine kurze Redezeit.

(Baldauf, CDU: Schade!)

Ich möchte noch auf die Frage eingehen, wie es in der Zukunft mit zusätzlichen Verboten aus meiner Sicht aussehen sollte. Ich freue mich, dass der Antrag bekräftigt, dass die rechtlichen Instrumente und Sanktionsmöglichkeiten ausreichen. Das ist auch meine Meinung. Es ist häufig in dieser Runde gesagt worden, wir haben das Jugendschutzgesetz. Dort ist geregelt, dass an Jugendliche unter 16 Jahren kein Alkohol verkauft werden darf. Jugendliche zwischen 16 und 18 Jahren dürfen keine hochprozentigen Alkoholika bekommen. Es ist tatsächlich ein Vollzugsproblem vor Ort, wenn Jugendliche trotzdem in unterschiedlichen Geschäften, Tankstellen usw. Alkohol in rauen Mengen kaufen können. An dieser Stelle gibt es eigentlich keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf, sondern allenfalls einen Vollzugsbedarf.

Herr Dr. Enders, ich komme zum Ladenöffnungsgesetz. Ich bin offen und gewillt, die Kommunen vor Ort zu unterstützen, wenn sie dies brauchen. Ich möchte Folgendes anmerken: Nachdem das Ladenöffnungsgesetz in Frankenthal genutzt wurde, um ein Tankstellenverkaufsverbot einzuführen, haben wir das geprüft. Wir haben unsere rechtlichen Zweifel, dass das wirklich trägt. Nach dem Ladenöffnungsgesetz ist es möglich, Genussmittel in kleineren Mengen zu verkaufen. Der Zweifel, das nur wegen Alkohol einzuschränken, ist rechtlich tatsächlich zu erheben, weil wir es da mit Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und der Gleichheit zu tun haben.

Wir haben nicht nur die Tankstellen, die nachts geöffnet haben, sondern es gibt natürlich auch noch Bahnhöfe, kleinere Kioske, Flughäfen und andere Stellen. Wenn Sie das wollen, müssen Sie darüber diskutieren, ob Sie ein allgemeines Verbot von Verkauf von Alkohol in der Nacht wollen. Es wird schwierig, punktuell bei einer Tankstelle zu sagen, dort darf man keinen Alkohol verkaufen.

Wenn ich die Pressemeldungen richtig verfolgt habe, dann ist das Problem nicht allein der Verkauf von Alkohol. Häufig geht es auch darum, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet sind. Eigentlich kann es sich nur um junge Erwachsene handeln, weil Jugendliche in der Tankstelle sowieso keinen Alkohol bekommen dürfen. Das muss man in der Debatte unterscheiden. Wenn wir vom Jugendschutz sprechen, brauchen wir kein Verbot in der Tankstelle, sondern eine bessere Kontrolle.

Ich war auch einmal auf kommunaler Ebene tätig. Ich erinnere mich sehr gut an Probleme an manchen Brennpunkten in der Stadt Mainz. Wir haben damals sofort die Gefahrenabwehrverordnung herangezogen. Selbstverständlich ist es über die Gefahrenabwehrverordnung möglich, das Verkonsumieren von Alkohol an bestimmten öffentlichen Plätzen und Straßen zu verbieten. Das

betrifft Menschen, die sich dort über längere Zeit aufhalten und sich dort betrinken und besaufen, wie das häufig der Fall ist. Das wäre eigentlich das probate Mittel für eine Kommune, tätig zu werden, um dem Alkoholkonsum im öffentlichen Bereich Herr zu werden. Das betrifft in erster Linie bestimmte Brennpunktsituationen.

Frau Anklam-Trapp hat es schon gesagt und uns gebeten, aktiv zu werden. Der Innenminister und ich sind bereits aktiv. Wir sind dabei, ein Schreiben fertig zu machen und in Kürze an die Kommunen zu verschicken. Damit geben wir ihnen die rechtliche Hilfestellung bezüglich der Umsetzung.

Herr Dr. Schmitz hat das Wort „Balance“ genannt. Ich glaube, dass wir eine gute Balance zwischen Prävention, gesetzgeberischer Tätigkeit und Kontrolle vor Ort haben. Vielleicht muss man an manchen Stellen vor Ort etwas strenger mit den Kontrollen sein. Vielleicht muss man an manchen Stellen auch besser planen, zu welchen Zeiten man in welchen Bereichen aktiv hinschauen muss. Das muss mit möglichst gemeinsamen Kräften gemacht werden. Mit der Gefahrenabwehrverordnung kann man den Situationen an bestimmten Brennpunkten in Städten Herr werden.

Herzlichen Dank.

(Beifall der SPD)

Vielen Dank, Frau Dreyer. Es liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Die Große Anfrage und die Antwort sind mit ihrer Besprechung erledigt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der SPD, CDU und FDP, Kinder und Jugendliche vor Alkoholmissbrauch schützen – Drucksache 15/1861 – betreffend. Wer dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Das war einstimmig. Der Antrag ist angenommen.

Ich rufe die Punkte 19 und 20 der Tagesordnung auf:

Wissenschaftsstandort Rheinland-Pfalz stärken – Forschungsland Rheinland-Pfalz ausbauen – Wettbewerbsfähigkeit rheinland-pfälzischer Hochschulen sichern Antrag der Fraktion der FDP – Drucksache 15/1446 –

dazu: Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wissenschaft, Weiterbildung, Forschung und Kultur – Drucksache 15/1940 –

Eine bessere Finanzausstattung und mehr Gestaltungsfreiheit für die rheinland- pfälzischen Hochschulen als Voraussetzung für Exzellenz in Forschung und Lehre Antrag (Alternativantrag) der Fraktion der CDU – Drucksache 15/1538 –

dazu: Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wissenschaft, Weiterbildung, Forschung und Kultur – Drucksache 15/1941 –

Es wurde vereinbart, die beiden Tagesordnungspunkte gemeinsam zu behandeln. Ich darf dem Berichterstatter, Herrn Kollegen Presl, das Wort erteilen.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die beiden heute zu behandelnden Anträge der Fraktionen von CDU und FDP sind in der Sitzung des Landtags am 27. September 2007 an den Ausschuss für Wissenschaft, Weiterbildung, Forschung und Kultur überwiesen worden. Der Ausschuss hat beide Anträge in insgesamt vier Sitzungen, darunter eine Anhörung, beraten. Während der Behandlungsphase im Ausschuss kam das Programm der Landesregierung mit dem Sondervermögen für die Hochschulen hinzu. Zum Abschluss der Beratungen hat der Ausschuss durch Beschluss empfohlen, beide Anträge abzulehnen.