Protokoll der Sitzung vom 14.11.2008

Diesen Zusammenhang herzustellen ist ein wichtiger Teil unseres Geschichtsunterrichts in Rheinland-Pfalz und Deutschland und trägt zu dem Ziel bei, Schülerinnen und Schülern Entwicklungen zu vermitteln und zu zeigen, wie wichtig der persönliche Einsatz für Demokratie und Freiheit ist.

(Beifall der SPD)

Das war ein wichtiger Teil auch meiner Gespräche mit Schülerinnen und Schülern.

Wenn man dies als diesen Zusammenhang sehen und erkennen will,

(Frau Spurzem, SPD: Muss!)

dann gehört es dazu, dass man, was Sie in Ihrem Antrag ansprechen, Zeitzeugen zur Verfügung stellt.

Die Koordinierungsstelle für Zeitzeugen ist 2007/2008 in Rheinland-Pfalz eingeführt worden. Mir hat schon ein Blick auf die Homepage gereicht, um zu sehen, dass Zeitzeugen für DDR-Geschichte zur Verfügung gestellt werden und dies als ein wichtiges Thema dieser Koordinierungsstelle benannt und erkannt wird.

Ich könnte Ihnen das Beispiel einer Zeitzeugin vorlesen, die in Mainz lebt, die verfolgt und verurteilt wurde und Schülerinnen und Schülern Einblick in ihre Stasi-Akten gibt. Auch da ist das Thema erkannt. Auch da wird daran gearbeitet.

Wenn ein Mehr möglich ist, ist das immer gut und wird unterstützt. Aber ich warne davor, weil Sie in Ihrem Antrag von exponierten Zeugen reden, die normalen und einfachen Menschen zu unterschätzen, die unter einem System gelitten haben. Diese sind oft viel authentischer und berichten aus dem unmittelbaren Erleben von ihrer Verfolgung. Das ist für Schülerinnen und Schüler – ich habe es erlebt, wenn man bei Veranstaltungen war, an denen Zeitzeugen aus dem Dritten Reich teilgenommen haben – sehr lehrreich und bewegend. Diese jungen Menschen waren immer sehr emotional. Man bringt ihnen etwas aus ihrer Erfahrung bei, was es heißt, wenn Demokratie und Freiheit abgeschafft sind.

Dann sprechen Sie die Landeszentrale an. Ich habe seit letzter Woche auf meinem Schreibtisch aktuell drei neue Titel liegen, die die Landeszentrale zum Thema „DDRGeschichte“ zur Verfügung stellt. Ein etwas gründlicherer Blick auf die Titelliste der Landeszentrale würde Ihnen verdeutlichen, dass gerade die Landeszentrale sehr viele Titel zur Verfügung stellt und sich immer wie

der mit diesem Thema beschäftigt. Ich kann das sagen, weil ich dem Kuratorium der Landeszentrale angehöre. Es ist immer ein wichtiges Thema, unter den genannten Zielen DDR-Geschichte zu vermitteln. Wir sollten die Landeszentrale nicht überfordern, wenn es darum geht, Unterrichtsmaterial zur Verfügung zu stellen. Da sind andere verantwortlich und nicht unbedingt die Landeszentrale. (Beifall der SPD)

Aber zum Schluss will ich sagen – das ist mir ganz wichtig –, ich finde es nicht gut, dass Sie eigentlich nicht den richtigen Ton für dieses Thema getroffen haben.

(Beifall der SPD)

Es geht um den gemeinsamen Einsatz der Vermittlung der Werte Demokratie, Freiheit und des Kampfes gegen Unterdrückung und Verharmlosung und auch gegen diese „Ostalgie“, die in unserer Gesellschaft teilweise herrscht.

Wir dürfen aber nicht den aktuellen Parteienstreit in unsere Schulen hineintragen. Das dürfen wir auf keinen Fall machen.

(Beifall der SPD – Frau Kohnle-Gros, CDU: Haben wir das gemacht?)

Damit würden wir unsere Geschichtslehrer auch überfordern und würden genau das nicht vermitteln, was wir vermitteln wollen. Wir wollen die Schülerinnen und Schüler zu einem eigenständigen Urteil befähigen, sodass sie erkennen, wie wichtig der Einsatz für Demokratie und Freiheit ist.

(Bracht, CDU: Das war auch unsere Absicht!)

Das war aber genau das, was zum Schluss bei der Kollegin nach dem Motto herüberkam „Wir kennen die DDR-Geschichte richtig; die anderen sollen sich uns anfügen“. Es kann nicht darum gehen, eigene DDRGeschichte nach dem Motto in den Vordergrund zu stellen „Wir fordern mehr DDR-Geschichte im Unterricht, damit bei den nächsten Wahlen bei uns ein bisschen etwas Besseres herauskommt“.

(Zuruf der Abg. Frau Kohnle-Gros, CDU)

Das kann nicht das Ziel von Geschichtsunterricht sein.

(Beifall der SPD)

Es ist gut, wenn das nicht Ihre Absicht und der Tenor ist. Am Schluss hatte ich die Kollegin anders verstanden.

(Frau Kohnle-Gros, CDU: Das ist die Krücke, damit Ihr nicht zustimmen müsst!)

Ich könnte wörtlich das zitieren, was sie gesagt hat: „Nehmen Sie das Thema auch einmal ernst“. Das, was Sie gesagt haben, war nicht angemessen, weil es dem nicht gerecht wird, was wir gemeinsam zu diesem Thema machen.

(Beifall der SPD)

Deshalb sage ich: Der Antrag geht an den Ausschuss. Wir werden uns darüber unterhalten, was an welcher Stelle gemacht werden kann. Ich warne aber davor, daraus – wie gesagt – ein parteipolitisches Geplänkel zu machen. Damit helfen wir nur denen, denen wir nicht helfen wollen. Wir wollen, dass die Schülerinnen und Schüler aus dem Geschichtsunterricht etwas für ihr Leben mitnehmen. Das ist Einsatz für Demokratie und Freiheit.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD – Bracht, CDU: Das ist auch unsere Absicht!)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Schmitz.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich meine nicht, dass sich dieses Thema für parteipolitische Profilierungen eignet.

(Beifall des Abg. Mertin, FDP, und bei der SPD)

Das geht in alle Richtungen. Wir haben in der Generation unserer Eltern Zeitzeugen für totalitäre Systeme auf deutschem Boden, bei denen es sich verbietet, die desaströsen Ergebnisse gegeneinander aufzurechnen. Es funktioniert nicht, wenn man einen Horror mit dem anderen zu neutralisieren versucht. Horror für Betroffene waren beide Systeme: menschenverachtend, zynisch und das Gegenteil dessen, was man mit ursprünglichen Idealen den Menschen angeboten hat, die sich verführen ließen.

Als Vertreter der FDP möchte ich einen Punkt herausgreifen, der die beiden totalitären Systeme allerdings komplett unterscheidet. Das ist der Grundansatz.

Hintergrund der Nazidiktatur war der Wunsch nach totaler Ungleichheit. Man hat die Balance von Gleichheit und Ungleichheit im Faschismus komplett Richtung Ungleichheit verloren. Man hat Menschen in einem Maße ungleich gemacht, dass man ihr Leben für unwert hielt und sie beseitigen ließ.

Im DDR-System hat man die Balance von Gleichheit und Ungleichheit in die andere Richtung verlassen. Das, was die DDR unter der Überschrift „Sozialismus“ in der Endphase hervorgebracht hat, war geprägt vom ursprünglichen Wunsch nach Gleichheit. Man hat die Balance in Richtung Gleichheit komplett verloren, und am Ende stand auch hier die Pervertierung ursprünglicher Ziele.

Wir sollten uns davor hüten, in irgendeiner Form das Gefühl aufkommen zu lassen, dass wir der jeweils einen oder anderen Partei unterstellen, dass sie ein parteipolitisches Süppchen aus diesem Thema kochen will. Ich gehe davon aus, dass das in diesem Hohen Hause keine Basis findet.

(Beifall der FDP und der SPD)

Meine Damen und Herren, als Repräsentanten der Vertretung eines Landes, das auf dem Boden dieses entsetzlichen ersten totalitären Systems entstanden ist, ein Land sozusagen von alliierten Gnaden, stehen wir in der Tradition dieser Geschichte. Wir stehen nicht in der Tradition dieser Diktatur, aber in der Tradition dieser Geschichte. Wir tragen eine Mitverantwortung dafür, dass diese Dinge nie mehr passieren. Wir tragen dafür auch eine Mitverantwortung an den Schulen.

Wenn ich lese, ostdeutsche Schüler loben mit breiter Mehrheit die sozialen Seiten des SED-Staates, und gleichzeitig neigt eine beträchtliche Minderheit unter ihnen zur Ausblendung diktatorischer und repressiver Aspekte – im nächsten Satz wird ausgeführt, dass das gottlob im Westen nicht so stark ausgeprägt ist –, zeigt das die Relativierung.

Wir dürfen das, was wir in der Landeszentrale für politische Bildung an Gedenkarbeit und an Aufklärung gegenüber diesem ersten totalitären System auf deutschem Boden leisten, nicht so sehen, dass damit unsere Verpflichtung erschöpft ist. Die Gedenkarbeit für die Opfer des Totalitarismus der DDR gehört genauso dazu.

(Beifall der FDP)

Wenn wir Gedenktage gegen das eine totalitäre System organisieren, müssen wir die anderen Gedenktage mit bedenken. Ich kann Herrn Kollegen Fuhr nur recht geben. Der 9. November bietet die Gelegenheit, mit beiden Systemen abzurechnen.

Wenn wir jetzt erleben, dass sich jenseits dieser – ich greife die Diskussion von gestern auf – durchaus bürgerlichen Grundverpflichtung, der sich alle Parteien in diesem Hohen Haus verpflichtet fühlen – so sehe ich das –, jetzt an den beiden Rändern wieder Parteien und Strömungen bilden, die auf dem Boden dieses Horrors ihr Süppchen kochen und Zulauf finden, soll uns das zu denken geben, beide Aspekte gleichermaßen ernst zu nehmen.

(Beifall der FDP)

Ich danke Ihnen. Ich plädiere dafür, dieses wichtige Thema an den Ausschuss zu überweisen, damit man die Dinge, die im Faktischen noch ungeklärt sind, aufklären kann.

Danke sehr.

(Beifall der FDP und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort hat Frau Staatsministerin Doris Ahnen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordnete! Ich finde es gut, dass wir das Thema heute auf der Tagesordnung haben. Ich bin froh, dass gerade in den

zurückliegenden Redebeiträgen die Diskussion wieder die Wendung genommen hat, die sie aus meiner Sicht nehmen sollte, nämlich dass das ein Thema ist, bei dem es nicht darum gehen kann, politisch Dinge auch noch zu überhöhen, um Probleme deutlich zu machen, sondern dass das ein Thema ist, das es mehr als jedes andere verdient, dass man realistisch hinschaut, wo es Probleme gibt und ob wir tatsächlich Defizite in der Aufarbeitung der DDR-Geschichte in unseren Schulen haben. Dann müssen wir sehr differenziert überlegen, welchen Beitrag wir dazu leisten können.