Protokoll der Sitzung vom 07.10.2009

Auch die von der FDP vorgetragene Idee, im Bereich der ausbildungs- bzw. berufsintegrierten Studiengänge gleichsam Zwangsvereinigungen zwischen Fachhochschulen und Universitäten vorzunehmen, halten wir für unangebracht; denn gerade vor dem Hintergrund, dass wir intensiv darüber nachdenken, wie wir den Hochschulen im Land mehr Autonomie zubilligen können, wäre

das in unseren Augen kontraproduktiv. Wir sprechen uns dafür aus, dass das Land dort Anreize für eine stärkere Zusammenarbeit setzt, wo es geboten erscheint.

An diesem Aspekt der Autonomie für Hochschulen setzt unsere Kritik am Antrag der CDU an. Zum Beispiel die von Ihnen vorgeschlagene hermetische Vorschrift, dass grundsätzlich 50 % der geforderten Nachweise in Betrieben und Berufsschulen anzuerkennen seien, teilen wir nicht. Es ist nichts dagegen einzuwenden, diese Quote bis auf 50 % zu erhöhen. Die Kultusministerkonferenz spricht in diesem Sinne. Doch sollte man es den Beteiligten überlassen, wie dies zu regeln ist.

Der zweite Punkt ist vor dem Hintergrund der Entwicklung in Baden-Württemberg zu sehen. Die Ausbildung dualer Qualifizierung kann nicht von jetzt auf gleich erfolgen, sondern ist das Ergebnis eines fortwährenden Prozesses. Dies muss man in Rechnung stellen und nicht erwarten, dass von heute auf morgen eine völlig neue duale Studienlandschaft entstehen kann. Rheinland-Pfalz ist aber auf dem richtigen Weg. Die Landesregierung gibt die notwendigen Impulse dazu.

Insbesondere wenn man sich die Entwicklung der Zusammenarbeit von der Fachhochschule Ludwigshafen und der BASF ansieht, wird dies sehr deutlich.

(Zuruf der Abg. Frau Kohnle-Gros, CDU)

Seit vielen Jahren hat sich hier eine erfolgreiche Zusammenarbeit entwickelt, die den Ansprüchen des Unternehmens gerecht wird. Es ist nicht so, dass die BASF ihre Nachwuchskräfte ins benachbarte BadenWürttemberg, zum Beispiel nach Mannheim schickt, weil dort eine bessere Qualifikation geleistet würde. Es ist eine rheinland-pfälzische Hochschule, die verlässlich mit dem Unternehmen zusammenarbeitet.

Es geht darum, dass die Strukturen sorgsam aufgebaut werden müssen. Das gelingt nach Auffassung der SPD nur, wenn die Beteiligten, also Hochschulen, Unternehmen und Berufsschulen, die Dinge partnerschaftlich miteinander aushandeln und die Landesregierung die notwendigen Impulse gibt, um diese gute Entwicklung in Rheinland-Pfalz weiter zu befördern. Die einzelnen Punkte haben wir in unserem Antrag an die Landesregierung dargelegt. Das ist für die Fraktion der SPD der richtige Weg. Wir bitten um Zustimmung zu unserem Antrag.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD)

Das Wort hat Frau Huth-Haage.

Her Präsident, meine Damen und Herren! Es ist erfreulich, dass alle Fraktionen im Landtag die Bedeutung von dualen Studiengängen anerkennen. Zumindest haben es

die Vorredner getan. Das wird auch im Vorspann der Anträge deutlich.

Wir wissen, wir stehen vor großen Herausforderungen in der Hochschullandschaft. Wir wissen, dass gerade unsere kleinen und mittelständischen Betriebe große Probleme haben, wirklich exzellenten Nachwuchs für ihre Unternehmen zu gewinnen. Insofern bieten duale Studiengänge viele positive Effekte, die schon genannt wurden.

Wir haben uns im Ausschuss bzw. bei der Anhörung insbesondere mit drei Formen von dualen Studiengängen befasst, nämlich mit ausbildungsintegrierten, praxisintegrierten und berufsintegrierten dualen Studiengängen.

So unterschiedlich diese verschiedenen Ausbildungsgänge konzipiert sind, haben sie doch eines gemeinsam: Sie boomten in den vergangenen Jahren in der Bundesrepublik.

Wenn man sich die Zahlen ansieht, wird eines deutlich, sie boomten in der Bundesrepublik, aber an RheinlandPfalz ist dieser Boom leider vorbeigegangen. Wenn wir uns die Zahlen anschauen, dann sehen wir den großen Nachholbedarf, den wir in Rheinland-Pfalz haben. Im Wintersemester 2007/2008 studierten insgesamt 1.372 Studierende aus Rheinland-Pfalz nur an Berufsakademien in Baden-Württemberg.

Im selben Zeitraum nahmen hingegen nur 620 Rheinland-Pfälzer die eigenen Angebote im Land wahr. Man muss sich das einmal vor Augen führen. Mehr als doppelt so viele Rheinland-Pfälzer nehmen nur ein einziges Angebot in Baden-Württemberg wahr, als es RheinlandPfälzer im eigenen Land tun.

Zudem steigen auch die Anfängerzahlen der rheinlandpfälzischen Studierenden in dualen Ausbildungsgängen gerade in Baden-Württemberg seit 2004 kontinuierlich an. Es gibt eine Erhebung des Statistischen Bundesamtes, bei der Studierende in ausbildungs- und praxisorientierten dualen Studiengängen erfasst wurden. Diese Zahlen wurden den Zahlen von herkömmlichen Studiengängen gegenübergestellt. Wir sehen, dass es in Rheinland-Pfalz einen Anteil von 0,86 Prozent an den Gesamtstudierenden bzw. 2,9 % gibt, wenn man die FHStudenten hinzurechnet. Damit sind wir im Bundesvergleich bei den Schlusslichtern.

Meine Damen und Herren, man kann sich die Zahlen anderer Bundesländer ansehen. In Baden-Württemberg sind es 8,93 % aller Studierender, die in einem, sage ich jetzt einmal, dualen Ausbildungssystem sind. In Hessen sind es 4,68 % und in Niedersachsen sogar 9,2 %. Ich denke, diese Zahlen sind sehr aussagekräftig. Es hilft nichts, sich hinzustellen und zu sagen, lieber Herr Kollege, wir sind wieder einmal Vorreiter und wie gut alles ist. Das ist nicht so.

In der Anhörung war es auch so, dass sich Vertreter der Dualen Hochschule Rheinland-Pfalz hingestellt und gesagt haben, in Rheinland-Pfalz sei man auf einen hervorragenden Weg. Diese Zahlen sagen etwas anderes. Ich glaube, der erste Schritt ist, dass wir anerkennen und sehen, dass wir hier Akzeptanzprobleme haben

und die Leute offensichtlich nicht in dem Umfang erreichen, wie es in anderen Bundesländern der Fall ist.

(Pörksen, SPD: Jetzt fangen Sie doch nicht an zu weinen!)

Das muss man sagen und anerkennen.

(Beifall der CDU und bei der FDP)

Lieber Herr Dr. Schmitz, ich wollte mir den Kommentar – Sie haben ihn genannt – ersparen. Das sind genau die Dinge, die in dieser Anhörung gefallen sind.

Lieber Herr Kollege Krell, ich fand es nicht redlich, was Sie gesagt haben. Sie haben das ein bisschen umgedreht. Die Umwandlung der Dualen Hochschule in Baden-Württemberg hat andere Gründe. Wir fanden auch schockierend, dass gesagt wird, in Rheinland-Pfalz findet keine Anerkennung statt und dass man sich bezüglich Kooperationen und Anerkennungen von Rheinland-Pfalz im Stich gelassen fühlt. Es ist traurig auch mit Blick darauf, dass es viele grenznahe Regionen gibt. Das ist schade.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, wir müssen uns fragen, warum wir diese Akzeptanzprobleme haben. Wir haben das im Antrag begründet. Wir glauben, es gibt drei maßgebliche Gründe. Ein Grund ist, dass viele Angebote nicht bekannt genug sind. Wir müssen diese stärker bewerben. Das braucht Zeit. Das wissen wir. Das hat in anderen Bundesländern auch Zeit gebraucht. Wir müssen dahin kommen, dass wir eine Marke entwickeln. Das kann man nicht übers Knie brechen.

Ganz wichtig ist, dass wir Hilfestellungen, etwa Brückenkurse brauchen. In diesem Bereich muss es verstärkte Anstrengungen geben.

Jetzt kommt ein weiterer Punkt, den Sie in unserem Antrag kritisiert haben. Die Hürden zur Aufnahme eines berufsintegrierten Studiums sind zu hoch, weil die Anerkennung nicht in dem Maße erfolgt, wie es der Personenkreis benötigt. Wir sehen, dass es große Unterschiede zu anderen Bundesländern gibt. Ich habe in Rheinland-Pfalz gerade einen Studiengang gefunden, Finanzdienstleistungen in Kaiserslautern, bei dem 90 ICTSPunkte erworben werden können. Das sind immerhin 43 Prozent der zu erbringenden Studienleistung. In den meisten Studiengängen erfolgt keine Einrechnung. Bei vergleichbaren Hochschulen in vergleichbaren Studiengängen anderer Bundesländer ist das komplett anders. Da gibt es recht großzügige Anerkennungen. Das macht die Attraktivität aus.

Vom Deutschen Institut für Wirtschaft gibt es einen Kurrikulumvergleich, den ich empfehlen kann. Dort sind stichprobenartig Dinge festgelegt. Man sieht, es gibt Anrechnungspotenziale. Wenn man das umsetzen will, dann kann man das machen.

(Glocke des Präsidenten)

Ich komme zum Schluss, nur noch ganz kurz.

Meine Damen und Herren, ich nenne einen dritten, einen ganz zentralen Punkt. Wir glauben, dass sich eine zentrale Steuerung bei Studiengängen nicht bewährt hat.

(Glocke des Präsidenten)

Alle erfolgreichen Modelle haben eine dezentrale Steuerung. Das ist auch der Grund, warum wir uns bei der Abstimmung über den FDP-Antrag enthalten bzw. nicht zustimmen werden.

(Glocke des Präsidenten)

Wir glauben, dass es wichtig ist, die Wirtschaft vor Ort – – –

Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist überschritten, ich bitte Sie. (Beifall der CDU – Frau Huth-Haage, CDU: Ich darf doch einen Satz zu Ende bringen!)

Das war über eine halbe Minute.

Das Wort hat Frau Staatsministerin Doris Ahnen.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Ich mache aus meiner Sicht ein paar Anmerkungen zu diesem wichtigen Thema. Bei diesem Thema geht es aus meiner Sicht um zwei Dimensionen. Die eine ist sehr stark genannt worden. Das ist eine wichtige. Das ist die Deckung des zukünftigen Fachkräftebedarfs. Die andere Dimension ist aber auch eine, die mir besonders wichtig ist und die auch in diese Debatte gehört. Das ist die Chance zum Aufstieg durch Bildung. Beides zusammengenommen führt uns dazu, in den dualen Studiengängen neben dem Hochschulzugang für beruflich Qualifizierte, neben der Entwicklung berufsbegleitender und ausbildungsintegrierter grundständiger Studiengänge und der wissenschaftlichen Weiterbildung entsprechende Schwerpunkte zu setzen.

Herr Abgeordneter Schmitz, Sie dürfen also davon ausgehen, dass wir mit diesem Thema sehr sensibel umgehen und ein Augenmerk darauf werfen. Ich muss nur auch sagen, Herr Abgeordneter Schmitz, wenn Sie mir eine Sekunde Ihrer Aufmerksamkeit schenken könnten,

(Dr. Schmitz, FDP: Gern!)

weil Sie schon meinen Staatssekretär zitieren, der gesagt habe, man solle ein totes Pferd nicht reiten, es ist Ihnen vielleicht nicht bekannt, die Zentralstelle für die Duale Hochschule Rheinland-Pfalz ist noch kein Jahr alt. Es handelt sich also um ein quicklebendiges Fohlen. So schön die Sprüche des Staatssekretärs sind, sind sie gleichermaßen doch nicht auf jede Situation anwendbar.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es gehört dazu, dass wir gerade drei neue duale Studiengänge auf den Weg bringen: Der Studiengang Weinbau und Önologie, der Ihnen hier bestens bekannt ist; der Studiengang Produktionstechnologie an der Fachhochschule Trier, der mit der Ausbildung zum Industriemechaniker verknüpft wird, und zum Dritten der Duale Bachelorstudiengang Prozesstechnik an der Fachhochschule Bingen, der in Kooperation mit der BASF realisiert wird. Es entstehen also gerade im Moment viele neue Studiengänge, die das Angebot entsprechend ausweiten werden.

Wenn dann aus der Anhörung zitiert wird, das haben Anhörungen so an sich, dass jeder dazu neigt, sich das aus der Anhörung herauszusuchen, was seine Position stärkt. Aber sagen wir einmal, ich finde es interessant, wenn hier berichtet wird, was der Vertreter der badenwürttembergischen Berufsakademien gesagt hat, aber gleichwohl noch mehr interessiert mich, was unsere rheinland-pfälzischen Unternehmen gesagt haben und was die rheinland-pfälzischen Unternehmen an Ansprüche an die Weiterentwicklung formuliert haben. Da darf ich zum Beispiel darauf hinweisen, dass gerade auch seitens der BASF unser Weg ausdrücklich Unterstützung gefunden hat.

(Frau Kohnle-Gros, CDU: Das ist ja schön, aber Rheinland-Pfalz besteht nicht nur aus der BASF!)

Und dass die Baden-Württemberger zurzeit ihr Angebot umstrukturieren, bei aller Bedeutung, die ich auch dem Land Rheinland-Pfalz zumesse, liegt sicherlich nicht daran, dass man Probleme hätte, in Rheinland-Pfalz die Anerkennung zu finden, sondern es liegt daran, dass es einen KMK-Beschluss gibt, an den sich BadenWürttemberg zu halten hat. Dieser wird bekanntlich – bei allem Einfluss, den Rheinland-Pfalz hat – nicht von uns allein gefasst, sondern er wird dort einstimmig gefasst. Das war jetzt doch eine etwas verfälschte Darstellung, werte Kollegin Huth-Haage.