Protokoll der Sitzung vom 04.02.2010

Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, das Berufungsrecht zeitlich befristet vom Ministerium ganz oder teilweise auf die Präsidentin oder den Präsidenten zu delegieren, wenn in einer Zielvereinbarung die bei der Berufung anzuwendenden Kriterien vereinbart werden. Das werden in erster Linie die Kriterien sein, auf deren Einhaltung das Ministerium derzeit größten Wert legt, das heißt insbesondere im Bereich der Frauenförderung und der Qualität der Lehrer.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ein gutes Stück Bewegungsfreiheit haben wir auch dadurch erreicht, dass mit dem besoldungsrechtlichen Vergaberahmen eine einengende Regelung aufgehoben wird. Mit guten Gründen bundesweit eingeführt, um die Kostenneutralität im Übergang von der C- zur W-Besoldung zu gewährleisten, ist dieser abstrakte Rahmen so jetzt nicht mehr notwendig. Vielmehr hätte er unsere Hochschulen im Wettbewerb um hervorragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unnötig einengen können; denn es

bestand die Gefahr, dass Berufungsleistungsbezüge nicht hätten zugesagt werden können, obwohl den Hochschulen das Geld zur Verfügung stand.

Mit dem Professorenbesoldungsvolumen ist nun ein Instrument verankert worden, das eine deutlich größere Flexibilität aufweist. Ich danke insbesondere dem Herrn Finanzminister für das Verständnis um alle Spezifika der Hochschulen.

(Beifall des Abg. Dr. Krell, SPD)

Es war der Landesregierung immer ein Anliegen, die Autonomie der Hochschulen zu stärken, möglichst viele Entscheidungsbefugnisse auf die Hochschulen zu delegieren und gleichzeitig Eingriffsrechte des Ministeriums abzubauen. Das ist uns im Rahmen der Novelle, wie ich meine, sehr gut gelungen.

Die Kritik von CDU und FDP in ihren Presseerklärungen, das ginge alles nicht weit genug, verkennt erstens den erreichten Stand, zweitens die durchaus auch kontroverse Haltung unterschiedlicher beteiligter Gruppen und Gremien in den Hochschulen, und drittens, dass sich wahre Autonomie vor allem auch im Alltag bewähren muss. Da war es in der Vergangenheit nicht selten der Fall, dass die Landesregierung die Entscheidung der Hochschulen gerade auch hier im Parlament verteidigen musste.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, dieser Gesetzentwurf ist in enger Abstimmung gemeinsam mit den Hochschulen vorbereitet worden. Die Tradition der engen Einbindung hat sich in vielen Jahren der Zusammenarbeit bewährt, so beim Hochschulfinanzierungssystem, beim Hochschulpakt und jetzt selbstverständlich auch bei der Novellierung des Hochschulgesetzes. Wir wollen also nicht nur den Hochschulen einen erweiterten Handlungsspielraum geben, sondern wir wollen sie auch in unsere Entscheidungen aktiv einbeziehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn die Handlungsspielräume der Hochschulen durch die Novelle deutlich gewachsen sind, heißt das auf der anderen Seite aber auch, gewachsene Freiheit korrespondiert ganz eng mit wachsender Verantwortung. Deshalb ist es notwendig, im Gegenzug zur Stärkung der Hochschulautonomie in den Hochschulen selbst umfassende, nachhaltige Qualitätssicherungssysteme zu schaffen, die die Einhaltung von hohen Standards in Forschung und Lehre sowie insgesamt bei der Erfüllung der Aufgaben der Hochschulen garantieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin der festen Überzeugung, dass wir mit diesem Gesetz zeitgemäße rechtliche Rahmenbedingungen schaffen, die Handlungsmöglichkeiten der Hochschulen konsequent erweitert werden und sie deswegen noch bessere Chancen haben, sich im Wettbewerb zu positionieren. Ich hoffe deswegen auf eine konstruktive Beratung und am Ende natürlich auch auf Zustimmung.

(Beifall der SPD)

Für die CDU-Fraktion hat das Wort Frau Kollegin HuthHaage.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir freuen uns sehr, dass wir heute in erster Beratung über die Novelle des Hochschulgesetzes sprechen dürfen. Wir haben lange darauf warten müssen. Im vergangenen Jahr hieß es Ende des Sommers, dann Herbst, und dann hieß es, es wird Ende des Jahres. Es ist dann Januar geworden. Insofern freuen wir uns.

Wir haben die Zeit bis zum heutigen Plenum auch gebraucht. Das war für uns nicht so ganz einfach. Wir waren nicht so schnell wie die SPD-Fraktion. Sie haben eine euphorische Pressemeldung herausgebracht, noch während die Pressekonferenz mit der Ministerin lief. Respekt! Wir haben ein bisschen länger gebraucht. Unsere Pressemeldung ist auch nicht ganz so euphorisch. Ich meine aber, dass wir da sehr wohl differenziert haben, Frau Ministerin.

Es gibt Bereiche, die wir mittragen. Dazu sagen wir: Das ist gut gelöst. – Es gibt Bereiche, zu denen sagen wir: Da tritt man auf der Stelle. Da verschenken wir Möglichkeiten. – Es gibt aber auch einen Bereich, zu dem wir sagen: Da läuft das nach unserer Auffassung in eine falsche Richtung. – Darüber werden wir in den nächsten Wochen und Monaten sprechen dürfen.

Vor einigen Wochen habe ich eine Untersuchung gelesen, in der amerikanische Spitzenuniversitäten nach den Erfolgskriterien gefragt wurden. Es wurde gefragt. Was schätzen sie als wichtige Erfolgsfaktoren ein? – Es wurden genannt: finanzielle Ausstattung, flache Hierarchien, Offenheit, Zeit, Diskussionen, Interdisziplinarität, Risikobereitschaft. – All das seien Voraussetzungen für ein erfolgreiches wissenschaftliches Arbeiten.

Ich meine, wir müssen uns in den nächsten Wochen und Monaten immer wieder die Frage stellen, inwieweit diese Kriterien, diese Faktoren in unserer Novelle berücksichtigt werden.

(Beifall der CDU)

Frau Ministerin, ein Punkt ist mir ganz wichtig: Sie haben in der Vorlage geschrieben, die Novelle sei kostenneutral. Aber ich glaube, man muss klar sagen, das Gegenteil ist der Fall. Das betrifft beispielsweise die Qualitätssicherung, wie sie festgeschrieben ist und wie wir sie auch haben wollen. Das ist gut und richtig, aber es ist sicherlich nicht umsonst zu haben.

Genauso verhält es sich bei dem Punkt Studienberatung. Es wird eine eingehende, intensive Studienberatung für beruflich qualifizierte Quereinsteiger festgeschrieben. Das wollen wir. Sie haben ganz richtig gesagt, wir wollen die Hochschulen für diese Menschen öffnen. Natürlich brauchen wir eine gute, effiziente und intensive Studienberatung. Aber auch das ist nicht zum

Nulltarif zu haben; das muss man ganz klar sagen. Hier müssen wir ehrlich miteinander umgehen.

(Beifall der CDU)

Die für die Hochschulen in Aussicht gestellten Mittel gilt es zunächst einmal zu nutzen, um die strukturellen Defizite ein wenig zu lindern. Wir wissen, wie sich die Betreuungsrelationen, gerade aufgrund der Umstellung der Studiengänge, in den letzten Jahren entwickelt haben. Wir wissen, dass der Anteil des wissenschaftlichen Personals mit Zeitverträgen signifikant gestiegen ist, während der Anteil der Professoren gesunken ist. Das sind sicherlich keine guten Qualitätsmerkmale. Hier nachzuarbeiten, ist eine schwierige Aufgabe. Die in Aussicht gestellten Mittel werden schon hierfür nicht ausreichen, geschweige denn für neue Aufgaben, die im Gesetzentwurf enthalten sind.

Ihre Kostenrechnung hat nichts mit der Wirklichkeit zu tun. Hier brauchen wir ehrliche Zahlen. Wir fordern sie ein, und wir werden sie auch bekommen.

(Beifall der CDU)

Ich habe vorhin gesagt, es gibt auch Bereiche, die wir gut finden – was ich ausdrücklich sagen möchte; Sie haben es eben angesprochen –, zum Beispiel die Professorenbesoldung im Rahmen der Hochschulautonomie. Im Übrigen gab es dazu auch einen Antrag der CDU-Fraktion. Wir wollten das schon vor zwei Jahren haben. Wir freuen uns, dass es jetzt so gekommen ist. Vor zwei Jahren wurde die Ablehnung damit begründet, man werde dadurch einen ruinösen Wettbewerb der Hochschulen untereinander starten, und das wolle man nicht. Offensichtlich sieht man das heute anders. Wir freuen uns. Wir glauben, dass dies richtig ist.

In anderen Bereichen hätten wir uns weitergehende Schritte gewünscht. Mit dieser Konstruktion bekommen wir sehr mächtige Präsidenten, die aber trotzdem noch an der Leine des Ministeriums sind. Auch darüber müssen wir sprechen: Ist das sinnvoll? Wollen wir das so haben? – Auch das wird in den nächsten Monaten sicherlich ein Thema sein.

Meine Damen und Herren, ich habe vorhin etwas zur Zeitschiene gesagt. Dass wir relativ lange auf diese Novelle warten mussten, hat vielleicht auch damit zu tun, dass Sie den Bildungsstreik abgewartet haben. Es ist auch in Ordnung, dass man darauf schaut, was man aufnehmen kann und welche vernünftigen Forderungen es gibt. Wir freuen uns, dass das eine oder andere aufgenommen worden ist, etwa die Regelung zur Schaffung von Mobilitätsfenstern.

Aber wir müssen auch aufpassen, dass wir nicht wirklich fundamentale Fehler des Bologna-Prozesses fortschreiben. Ein Kernproblem des Bologna-Prozesses war sicherlich, dass man versucht hat, alles über die Fachbereiche hinweg zu standardisieren. Wir dürfen einfach nicht versuchen, Überregulierungen durch weitere Regulierungen abzubauen. Ein Beispiel dafür ist, dass man weiterhin starr an der festgelegten ECTS-Punktzahl festhält. Ich glaube, da könnte das Ministerium relativ leicht für Abhilfe sorgen. Das sind Kleinigkeiten, die aber

enorm helfen würden. Beispielsweise ist die Festlegung auf diese ECTS-Punktzahl sowohl aus fachlicher als auch aus lernpsychologischer Sicht nicht zu begründen.

Wir müssen auch sagen, dass wir diese Probleme vor der Bologna-Reform nicht hatten. Das kam auch dadurch, dass wir die Verantwortung an Akkreditierungsagenturen übergeben haben. Diese Agenturen sind in weiten Bereichen gescheitert. Ihre Kernaufgabe war, sicherzustellen, dass Studiengänge studierbar sind. Dass das in vielen Bereichen nicht funktioniert hat, haben die Proteste im vergangenen Herbst gezeigt. Nun wird auch die Arbeit dieser Agenturen wieder festgeschrieben.

Zur Methodik: Wir haben einen Akkreditierungsrat, der Akkreditierungsagenturen akkreditiert, die wiederum die Hochschulen akkreditieren. Hier fragt man sich einfach: Ist das sinnvoll? Warum trauen wir den Hochschulen kein eigenverantwortliches Qualitätsmanagement zu? Wie viel Energie wenden wir für diese ganze Akkreditierungssystematik auf, und welche Kosten verursacht das? – Auch das wird die Frage sein.

Meine Damen und Herren, wir müssen uns auch entscheiden, ob wir eine Trennung von Lehre und Forschung wollen. Es gibt sicherlich Gründe, zu sagen, dass man eine gute Forschung braucht. Das schärft das Profil einer Hochschule. Aber es gibt auch Gefahren. Wir sehen die große Gefahr einer Hierarchisierung des wissenschaftlichen Personals: auf der einen Seite fachlich hervorragende Wissenschaftler und auf der anderen Seite Professoren, die nur für die Lehrtätigkeit zuständig sind. Das kann im Extremfall zur Spaltung des Personals einer Hochschule führen. Das werden wir sicherlich kritisch betrachten.

Was wir uns für die nächsten Wochen und Monate wünschen: Wir wünschen uns eine Anhörung, in der wir auf diese Fragen intensiv eingehen werden. Wir hoffen auch, dass es uns gemeinsam gelingt, aus diesem – wie ich einmal sage – Reformlaufrad auszusteigen und das umzusetzen, was sinnvoll ist. Anderes sollten wir auf den Prüfstand stellen und möglicherweise davon Abstand nehmen.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU)

Vielen Dank. – Für die SPD-Fraktion hat der Kollege Dr. Krell das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Wissenschafts- und Hochschullandschaft ist einem stetigen Wandel unterworfen. Insofern muss sich auch die Gesetzgebung diesen Veränderungen stellen. In den vergangenen Monaten sind diese Veränderungen in einem ungewöhnlich großen Umfang in die allgemeine politische Debatte eingeflossen. Die Diskussion über

den sogenannten Bologna-Prozess hat weit über die Feuilletons der Zeitungen hinaus Aufmerksamkeit erregt. Sicherlich wurde durch die sogenannten Bildungsstreiks von Schülern und Studierenden die Aufmerksamkeit für diese Diskussion insgesamt erhöht.

Beim Bologna-Prozess geht es darum, einen einheitlichen europäischen Hochschulraum zu schaffen. Ohne Zweifel ist dies ein wichtiges und erstrebenswertes Ziel. Wir haben aber auch festgestellt, dass sich Fehler eingeschlichen haben, die den Weg zu diesem Ziel nicht nur erschweren, sondern zum Teil sogar verbauen.

Für die rheinland-pfälzischen Hochschulen bedeutet die angestrebte Harmonisierung des europäischen Hochschulraums, dass sie sich im nationalen und internationalen Wettbewerb verstärkt positionieren müssen, um den Herausforderungen durch die stetigen Veränderungen in Wissenschaft und Forschung begegnen zu können.

Dieser Anforderung trägt der heute von der Landesregierung eingebrachte Gesetzentwurf zur Änderung hochschulrechtlicher Vorschriften Rechnung. Er ist nicht nur auf der Höhe der Zeit, sondern weist sogar deutlich über den Tag hinaus. In den Gesetzentwurf sind auch die Erfahrungen mit den Umstrukturierungen im Rahmen des sogenannten Bologna-Prozesses eingeflossen. Außerdem werden die Rahmenbedingungen für Wissenschaft und Forschung den aktuellen und zukünftigen Herausforderungen der Hochschulen angepasst. Der Gesetzentwurf ist also nicht nur auf der Höhe der Zeit, sondern weist sogar darüber hinaus.

Die in der öffentlichen Anhörung abgegebenen Stellungnahmen zum Entwurf der Hochschulgesetznovelle wurden konstruktiv in den Gesetzentwurf eingearbeitet. Die zahlreichen Gespräche, die die SPD-Fraktion mit den Akteuren in Wissenschaft und Hochschulen geführt hat, bestätigen dies. Wir sind der Auffassung, dass das Wissenschaftsministerium einen Gesetzentwurf vorgelegt hat, der eine adäquate Grundlage für den Prozess der Erweiterung der Gestaltungsspielräume der Hochschulen im Hinblick auf Profilbildung und Wettbewerbsfähigkeit bildet.

Was die sogenannten Bildungsstreiks im Sommer und im Herbst vergangenen Jahres anbelangt, so hat die SPD-Fraktion bereits im Sommer die Kritik von Studierenden und Hochschulangehörigen dort, wo sie berechtigt war, aufgegriffen und einen entsprechenden Antrag im Landtag eingebracht. Ein zentrales Anliegen war und ist, dass die Landesregierung in enger Abstimmung mit den Hochschulen konkrete Aspekte der Umsetzung des Bologna-Prozesses auf den Prüfstand stellt. Die enge Abstimmung mit den Hochschulen ist uns besonders wichtig, weil wir uns nicht an dem Schwarzer-Peter-Spiel beteiligen wollen, bei dem den Hochschulen einseitig die entscheidende Schuld zugewiesen wird.

Unsere konkrete Forderung mag zwar relativ unspektakulär klingen, ist aber in der Praxis der Hochschulen und angesichts der vorgetragenen Kritik sehr weitreichend. Wir wollen, dass die Studierfähigkeit der Studiengänge eine deutlichere Beachtung findet. Dazu gehört, dass die Prüfungsdichte verringert wird und die Wahl der Module

und die Studiendauer flexibler gestaltet werden. Für die SPD zählt dazu auch, dass dieser Flexibilität beim Übergang vom Bachelor- zum Masterstudiengang Rechnung getragen wird.

Nicht allein im Hinblick auf den internationalen Aspekt des Studiums drängen wir darauf, dass die Anerkennung von Prüfungsleistungen beim Hochschulwechsel verbessert wird.

Dazu gehört auch, dass der Wechsel ins Ausland möglich wird. Hier werden zum Teil erhebliche Defizite benannt. Aus unseren Gesprächen mit den Hochschulen ergab sich gerade diesbezüglich allerdings ein interessanter Befund. Während es vielfach schwer oder gar unmöglich erscheint, während des Studiums ins Ausland zu wechseln, gibt es Hochschulen, die mit der Einführung der neuen Studiengänge einen deutlichen Anstieg der Auslandsaufenthalte registrieren.

Allein dieses Beispiel macht deutlich, dass es völlig verfehlt ist, mit pauschalen Beurteilungen den BolognaProzess zu bewerten, sondern man muss sich die jeweiligen Gegebenheiten genau anschauen.

(Beifall bei der SPD)

Auch dazu leistet dieser Gesetzentwurf eine entscheidende Hilfestellung, indem nämlich die Hochschulen mit weiterer Autonomie ausgestattet werden. Wir sind der Auffassung, dass die Hochschulen mit ihren Kompetenzen selbst ihre Profile entwickeln und das Studienangebot und Forschungsvorhaben entsprechend ausgestalten sollen; denn zweifelsohne ist es so, dass die Hochschulen einem zunehmenden Wettbewerb ausgesetzt sind, dem sie sich stellen müssen.