Protokoll der Sitzung vom 28.04.2010

Für die CDU-Fraktion hat Frau Kollegin Thelen das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich will wenigstens noch einmal auf das Thema „Kompromisse“ eingehen. Natürlich waren Kompromisse möglich. Ich weiß, dass auch in der Debatte in der Bundestagsfraktion die Bedenken wegen der Verfassungswidrigkeit im Vordergrund standen.

Es waren aber auch die ZAGs, die im Gesetzentwurf von Herrn Scholz enthalten waren, die auf keine große Gegenliebe stießen. Ich denke, Sie haben es mit dem Be- griff „Behördenstruktur“ beschrieben. Es war auch das Festhalten vonseiten der SPD an den 69 Optionskommunen.

Es haben sich offensichtlich – das lässt zumindest das Ergebnis so feststellen – alle ein Stück weit bewegt.

Jetzt ist es verständlich, dass Sie hier in besonderer Weise den positiven Einfluss, den die Landesregierung auf diesen Kompromiss hatte, darstellen. Aber auch ein Kompromiss kann immer nur zustande kommen, wenn andere bereit sind, ihn mitzugehen. Von daher sage ich jetzt allen Beteiligten: Danke schön, dass Sie bereit waren, diesen Kompromiss mitzugehen.

Zu Ihrer Feststellung, was die Optionskommunen und die zunächst geringe Bereitschaft oder Lust in Rheinland-Pfalz anging, direkt auf diese Möglichkeit zu springen, dafür habe ich sehr großes Verständnis, Herr Ministerpräsident. Es ist eine komplett neue Struktur entstanden mit diesen ARGEN, mit neuen Finanzströmen, mit neuen rechtlichen Grundlagen, wo es für viele Kommunen noch ganz schwer abzuschätzen war: Was wird aus dieser Art, für unsere Arbeitslosenhilfeempfänger zu arbeiten? – Wie könnte man sich in diese Situation auch selbst einbringen? Heute liegen Erfahrungen vor. Das

Gesetz besteht seit 2004. Heute können Kommunen vor Ort für sich ganz anders und mit ganz anderen Entscheidungsgrundlagen sagen: Diese Aufgabe traue ich mir zu; ich kann mir vorstellen, sie als Optionskommune wahrzunehmen oder auch nicht. –

Von daher bin ich sehr wohl optimistisch, dass sich auch in Rheinland-Pfalz die Zahl der Optionskommunen nach oben verändern wird. Ich habe auch die Hoffnung, dass die Landesregierung, der die Prüfung nach den bis jetzt bekannten Regelungen und die Auswahl der Optionskommunen obliegen wird, mit klugen Entscheidungskriterien den Kommunen, die sich diese Aufgabe zutrauen, auch den Raum dafür lässt, diese wahrzunehmen. Das wäre jedenfalls in unserem Sinn. Dann sollten alle verschiedenen – ich nenne sie jetzt – Behörden auch in einen gesunden Wettstreit eintreten. Ich denke, nur so können wir auch für die Betroffenen das Beste erreichen.

Vielen Dank.

(Beifall bei CDU und FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin Thelen. – Wir sind nun am Ende des ersten Teils der Aktuellen Stunde.

Als Gäste auf der Zuschauertribüne begrüße ich Bürgerinnen und Bürger der Ortsgemeinde Gutenacker sowie Mitglieder des SPD-Ortsvereins Sprendlingen. Seien Sie herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nachdem Herr Dieter Burgard mit sofortiger Wirkung sein Abgeordnetenmandat niedergelegt hat, hat Frau Elfriede Marmann-Kunz ebenfalls mit sofortiger Wirkung das Landtagsmandat angenommen. Sie ist daher jetzt erstmals im Plenum anwesend und sitzt zwischen Kollege Klöckner und Kollegin Anklam-Trapp. – Liebe Kollegin Marmann-Kunz, herzlich willkommen hier im Landtag!

(Beifall im Hause)

Wir wünschen Ihnen für Ihre Arbeit alles Gute zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger Ihres Wahlkreises und zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger von RheinlandPfalz. Wir wünschen Ihnen aber auch, dass Sie Spaß dabei haben. Herzlich willkommen hier im Landtag!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir kommen zum zweiten Teil der

AKTUELLEN STUNDE

„’Google street view und Datenschutz’ – Fragwürdiges Sammeln und Speichern von WLAN-Netzdaten“ auf Antrag der Fraktion der SPD – Drucksache 15/4497 –

Für die SPD-Fraktion hat Herr Kollege Pörksen das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, in der letzten Plenarwoche haben wir auf Antrag der FDP-Fraktion über den Datenschutz in Rheinland-Pfalz diskutiert. Anlass war damals die Absicht des Rhein-HunsrückKreises, mittels eines Datenflächenkatasters auf Basisdaten des Landesamtes die Solarenergienutzung voranzutreiben. Damals gab es durch eine Presseerklärung den Vorwurf, das Land sei schlimmer als Google. Ich selbst habe damals in meinem Redebeitrag auf die Gefahr hingewiesen, dass die technische Entwicklung den Datenschutz immer mehr ins Hintertreffen geraten lässt.

Zwischenzeitlich hatten wir eine Anhörung im Innenausschuss zu unserem Antrag zu Google Street View, die im Ergebnis meine großen Zweifel am Tun von Google bestätigt haben. Aber dazu gleich mehr.

Ende letzter Woche war Google erneut in den Schlagzeilen, weil Google Street View unbemerkt beim Abfahren der Straßen WLAN-Netze eingescannt hat. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar, aber auch bezeichnenderweise der Hamburger Datenschutzbeauftragte Professor Casper – bezeichnenderweise deshalb, weil Herr Casper mit Google die Verhandlungen geführt und zwölf Punkte festgelegt hat, an denen gemessen werden soll, ob das, was Google macht, alles in Ordnung ist – haben in sehr scharfen Worten in einer gemeinsamen Presseerklärung das Verhalten des Konzerns kritisiert. Justizminister Bamberger – Sie wissen es – hat sich dieser Kritik ausdrücklich angeschlossen, und auch wir tun es. Auf die Einzelheiten des Verfahrens selbst wird Herr Kollege Haller nachher noch eingehen.

Ich möchte die Kritik an Google vor allem vor dem Hintergrund der Anhörung noch kurz beleuchten:

Der Landesbeauftragte für den Datenschutz, Herr Wagner, hat in der Anhörung gesagt, Google werde inzwischen als „Datenkrake“ oder als „Datenstaubsauger“ bezeichnet. Ich kann das gut verstehen. In dieser Funktion verschafft sich Google Zugang zu ungeheueren Datenmengen. Von Datensparsamkeit und von Datenvermeidung, über die wir dauernd reden, ist wohl keine Rede. Herr Professor Dreier hat in seinem Gutachten und auch in seinen Ausführungen ausdrücklich darauf hingewiesen.

Die Möglichkeit, sich Daten zu verschaffen, wird immer einfacher und leichter. Das bekannt gewordene Verfahren ist ein Beleg dafür. Die Verbraucherzentrale, die die besondere Problematik durch die Verknüpfung von Daten mit Daten aus sozialen Netzwerken aufgezeigt hat, fordert eine Verbandsklage, da sich der Einzelne kaum gegen Google wehren kann, wenn man weiß, dass Millionen von Menschen betroffen sind und vielleicht einige 10.000 Menschen inzwischen Widerspruch eingelegt haben. Übrigens Widerspruch: Ich habe dreimal Widerspruch eingelegt und habe bis heute noch keine Antwort von Google. Das beweist doch, wie Google mit dieser Sache umgeht.

(Zuruf des Abg. Wirz, CDU)

Ich habe Dich nicht verstanden. Aber Du kommst ja nachher wieder dran.

(Zuruf von der CDU)

Das kann ich mir beim Kollegen Wirz überhaupt nicht vorstellen. Das schließe ich völlig aus. Anders weiß ich das nicht. Aber mich hat er nicht beleidigt.

Dass Google nach Street View weitere Betätigungsfelder sucht, ist bekannt. Neuerdings heißt es Google Home View. Ich weiß nicht, wer es gesehen hat, dass Leute inzwischen ihre Wohnung freigeben, damit Google dort hineinmarschiert und man sich das nachher im Fernsehen oder im Internet ansehen kann. Das ist eine Einladung für Ganoven. Anders kann es nicht bezeichnet werden.

Jetzt haben wir heute erfahren, dass die Hamburger genau der gleichen Auffassung sind. Der Hamburger Senat hat inzwischen eine Bundesratsinitiative eingeleitet – ich weiß nicht, ob sie schon in Berlin angekommen ist; auf alle Fälle ist sie auf dem Wege dorthin –, in der man sich mit dem Problem des Bundesdatenschutzes vor dem Hintergrund des von mir Geschilderten auseinandersetzt und dort folgende Punkte, die wir nur unterstützen können, aufgreift: Einmal die Verpflichtung, Gesichter und Kennzeichen unkenntlich zu machen, bevor es ins Internet gestellt wird, dass das anonymisierte Rohdatenmaterial innerhalb eines Monats nach Aufnahme gelöscht wird, dass es einen Monat vor dem systematischen Abfilmen von Straßen öffentlich bekannt gemacht wird – nicht nur irgendwo im Internet bei Google, denn wer sucht es dort – und die Datenschutzbeauftragten davon in Kenntnis gesetzt werden, dass ein uneingeschränktes Widerspruchsrecht – hoffentlich besser als das, was ich hier erlebt habe – bei abgebildeten Bürgern vorhanden ist, dass ein uneingeschränktes Widerspruchsrecht für Hausbesitzer und Mieter dort vorgesehen ist

(Beifall der SPD)

und ein Bußgeld angedroht werden soll, wobei ich das bei einer Größenordnung von 50.000 Euro für so etwas für wenig angemessen halte. Wer wie Google so viel Geld mit solchen Dingen macht, Milliarden Euro Gewinne macht und mit den Milliarden-Gewinnen auch Unternehmen kauft, für den sind 50.000 Euro eher ein Taschengeld.

(Glocke der Präsidentin)

Wir meinen auch, dass weitere Fragen wie Verbandsklage, Genehmigung von Großverfahren und vieles mehr zu prüfen sind. Ich glaube, wir sollten uns überlegen, ob wir uns nicht der Initiative der Hamburger anschließen. Wir werden weiter darüber beraten.

Vielen Dank. (Beifall der SPD)

Für die CDU-Fraktion hat Frau Kollegin Kohnle-Gros das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen, sehr verehrte Damen und Herren auf der Zuschauertribüne, es ist in letzter Zeit öfter vorgekommen, Herr Pörksen, dass wir uns in wesentlichen Dingen ein Stück weit einig sind.

(Zuruf des Abg. Pörksen, SPD)

Sie haben den Gesetzentwurf aus Hamburg eben genannt. Ich hätte ihn natürlich auch hier eingeführt.

Ich will jedoch darauf zurückschwenken, was Sie gesagt haben, nämlich auf die Anhörung im Innenausschuss und auch in der Enquete-Kommission „Verantwortung in der medialen Welt“. Wir haben uns im gleichen Sinne mit dem Rechtsgutachten, das die Landesregierung in Auftrag gegeben hatte, und der Stellungnahme vor allem des Landesdatenschutzbeauftragten auseinandergesetzt.

Was ich aus dieser Anhörung für diese Situation heute mitgenommen habe, ist, dass wir bei Google Street View eine neue Situation haben.

Ich sage jetzt nicht, ob sie rechtswidrig ist oder rechtlich bewertet werden muss, wie auch immer, aber wir haben eine neue Situation.

Die Diskussion in den beiden Ausschüssen hat ergeben, dass unsere Rechtslage so ist, dass sie vor der Internetzeit zustande gekommen ist, das heißt, wir haben in weiten Bereichen, sei es der Datenschutz, seien es die Urheberrechtsfragen, keine gesetzlichen Regelungen, die auf diese Situation passen. Deswegen haben wir das Problem, dass die Rechtsmeinungen, wie das einzelne Handeln von Google zu bewerten ist, sehr weit auseinandergehen. Es geht von rechtswidrig bis zu der Frage, ob es zulässig ist.

Die Datenschutzbeauftragten, die Sie auch schon genannt haben, Herr Pörksen, sind einen Mittelweg gegangen. Sie haben mit Google verhandelt, federführend der Beauftragte in Hamburg wegen des Sitzes der deutschen Niederlassung. Sie haben einen Katalog erarbeitet, unter dem sie – ich glaube, das muss man schon festhalten dürfen –, die Datenschutzbeauftragten, gesagt haben, das, was Google bei Google Street View gemacht hat, ist zulässig, weil die Rechtslage so ist, wie sie ist.

Ich denke, deswegen müssen wir an der Stelle, wo es um die LAN- und WLAN-Netze geht und um das, was registriert, aufgenommen oder gespeichert worden ist, noch einmal genau hinschauen, ob das rechtswidrig oder etwas ist, was andere auch machen. Warum dürfen die das? Wie gehen wir damit um?

Deswegen bin ich froh, dass wir der Frage auf der gesetzlichen Grundlage nähertreten und die Parlamente sich damit beschäftigen, wo wir nachbessern können.

Wir müssen uns im Klaren sein, das können nur deutsche Regelungen sein, die natürlich weltweit zunächst einmal keine Gültigkeit haben. Deswegen muss man sich das ganz genau anschauen.

Die einzelnen Dinge haben Sie genannt. Die will ich jetzt im Einzelnen an dieser Stelle nicht bewerten.

Aber mir ist etwas Zweites ganz wichtig. Ich denke, das ist das, Renate Pepper, was wir auch in der EnqueteKommission in den letzten Monaten gelernt haben. Wir müssen sehr viel stärker an den Selbstdatenschutz der Nutzer gehen, das heißt, wir müssen uns Instrumente überlegen, wie wir an diejenigen herangekommen, die diese Dinge nutzen, die durchaus vor allem gute Seiten haben, aber auch Risiken und Gefahren bergen, wie wir das mit den Eltern, den Schülern, den Erwachsenen, den Älteren und den Verbrauchern – wenn ich einmal den Oberbegriff nehme – in Zukunft hinbekommen, dass diese Menschen sehen, wo der rote Knopf und die Stelle ist, an der ich aufhören muss, persönliche Dinge ins Netz zu stellen und Sicherungsmaßnahmen zu vergessen.