Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Baldauf, es tut mir leid, meine Kollegin Raue hätte hier gern noch einige Sachargumente vorgetragen, die ich bei Ihnen doch weitestgehend vermisst habe.
Wenn Sie hier einen Brief, den der Kollege Hering und ich an Ihre Fraktionsvorsitzende geschrieben haben, unsachgemäß und falsch zitieren, dann muss ich mich dazu schon äußern. In diesem Brief steht nämlich: Betreff: Anhörung aufgrund der Schließung von Justiz- standorten, und dann wörtlich Folgendes: Selbstverständlich besteht unsererseits das Interesse der parlamentarischen Befassung. Die Anhörung der Großen Anfrage erscheint uns jedoch nur in Kombination mit den ergebnisoffenen Resultaten der Expertenkommission als sinnvoll. –
Wir haben also klar gesagt, wir wollen die Anhörung. Wir wollen sie aber zu einem sinnvollen und richtigen Zeitpunkt.
Wenn Sie hier Briefe, die wir schreiben, missbrauchen, um sich hier zu produzieren, dann sollten Sie einmal Ihren Stil in dieser Debatte hinterfragen.
Ob es Ihnen hier wirklich um die Sache geht, glaube ich nicht. Die Hälfte Ihrer Fraktion ist schon draußen und hört gar nicht mehr zu.
Meine Damen und Herren, lassen Sie die Expertenkommission mit Professor Hill an der Spitze jetzt arbeiten und ihre Vorschläge machen. Die haben wir zu bewerten. Mit denen werden wir uns hier parlamentarisch befassen. Wir haben die Verantwortung, sie umzusetzen.
Der Justizminister hat einen Vorschlag erarbeitet, er liegt zur Diskussion vor. Von Ihnen habe ich noch kein einziges Konzept in dieser Debatte gesehen oder gehört. Dann fordern Sie den Justizminister auf, das Einzige, was wir bisher dazu vorliegen haben, zurückzuziehen. Das ist der Gipfel der Substanz- und der Inhaltslosigkeit in dieser Debatte.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir sprechen wiederholt über die Überlegungen zu einer Justizstrukturreform. In der Plenarsitzung letzten Monat hatte ich dargelegt, dass eine Kommission dazu eingesetzt ist, die sich damit beschäftigen wird, damit sie uns im März nächsten Jahres, Ende März voraussichtlich, Ergebnisse vorlegen soll.
Diese Kommission hat jetzt das erste Mal getagt, sich ihr Arbeitspensum vorgenommen und wird im nächsten Monat in Koblenz mit Betroffenen sprechen. Ich halte das für einen guten und sinnvollen Anfang der Arbeit der Kommission. Diese Arbeit sollte die Kommission in Ruhe weitermachen können.
Meine Damen und Herren, warum macht man eine Justizstrukturreform? Man geht das an – meine Vorredner haben das gesagt; Herr Baldauf leider nicht –, weil es notwendig ist, nachdem wir in der Verfassung eine Schuldenbremse vereinbart haben, dass man dieses Verfassungsgebot einhält und deshalb auch in der Justiz Notwendigkeiten bestehen zu überprüfen, in welchen Strukturen man kostengünstiger arbeiten kann, um gute Leistung zu erbringen, Rechtssicherheit für die Bürgerinnen und Bürger zu gewähren und Strukturen zukunftsfähig zu halten. Das ist im Übrigen nicht anders als in der Katasterverwaltung, in der öffentlichen Verwaltung und in der Gemeindestruktur – da unterscheidet sich Justiz nicht –, und nicht, weil wir irgendwie Justiz nach Kassenlage machen wollten oder würden.
Meine Damen und Herren, einer der Sachverständigen, die in der Expertenkommission dabei sind, ist Wolfgang Arenhövel, Präsident des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen. Er hat sich gerade, laut „Süddeutsche Zeitung“ vom 8. September 2011, in Sorge um den Rechtsstaat dahin gehend geäußert, dass er gesagt hat, er habe Sorge, ob die Aufgaben der Justiz in Bremen noch ausreichend erfüllt werden können, weil dort seit 1993 gespart werden muss, kontinuierlich Stellen weggefallen sind, nämlich 25 % der Stellen, und der dortigen Justiz weitere Sparauflagen von 1,6 % pro Jahr in den nächsten Jahren drohen.
Ich verstehe das. Ich glaube, es ist sinnvoll, über strukturelle Veränderungen in der rheinland-pfälzischen Justiz zu sprechen, damit nicht eine solche Situation eintreten muss, dass man einfach nur Stellen kürzt und man dann zu Knappheiten kommt, die tatsächlich den Rechtsstaat gefährden würden. Das wäre nicht intelligent.
Ich glaube – da bin ich nicht alleine –, dass es Ressourcen auch in der Justiz gibt. In den letzten Jahren wurden dankenswerterweise, weil der Haushaltsgesetzgeber dem zugestimmt hat, in der Justiz Stellenmehrungen vorgenommen. Das gilt für den Strafvollzug, das gilt für Stellen bei Richterinnen und Richtern, und das gilt für den Bereich der Bewährungshilfe, alles in Grenzen, nie maßlos. Das gilt auch für das Ministerium – vernünftige Ausweitungen.
Im Gegenzug dazu sind aber auch Stellenkürzungen wegen Aufgabenrückgang vorgenommen worden, beispielweise in der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Darüber diskutieren wir und schauen, wie wir Veränderungen vornehmen wollen.
Ich halte es für töricht. Man kann über Zahlen gewiss immer trefflich streiten. Das ist in der Politik unser täglich Brot, nicht mehr, nicht weniger.
Mit welcher Naivität der Kollege Baldauf die Richtigkeit der einen Zahlen, der, der vom OLG vorgelegten, und die Falschheit der anderen Zahlen, der des Ministeriums, unterstellt, das überrascht doch sehr. Für so naiv hätte selbst ich Sie nicht gehalten, Herr Baldauf.
(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Frau Klöckner, CDU: Der Personalschlüssel ist doch wesentlich, den Sie anlegen!)
Die Justiz in Koblenz und an anderen Orten war von mir dazu aufgefordert, ihre Vorschläge und ihre Berechnungen zu unterbreiten. Man wird sich dort ganz sachlich damit auseinandersetzen und sehen, was zutrifft und welche Vorschläge die Kommission erarbeitet.
Daran arbeiten wir mit. Ich werde Vorschläge unterbreiten, die über diese konkreten Fragen der Verwaltungsgerichtsbarkeit und der OLG-Zuständigkeiten hinausgehen, wo wir weitere Einsparungen erbringen können. Da bleibt auch das Ministerium überhaupt nicht außen vor. Entsprechende Schritte haben wir eingeleitet.
Das ist der Prozess. Den werden wir mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gestalten, und sofern Sie hier eine Anhörung im Parlament beantragt haben, steht es mir als Minister nicht zu, das zu würdigen und zu werten. Einer Anhörung stehe ich aus meiner Sicht überhaupt nicht ängstlich gegenüber. Diese Diskussion führen wir tagtäglich. Ich werde sie mit Ihnen weiterführen.
(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Frau Klöckner, CDU: Dann haben Sie damit kein Problem?)
Einsetzung einer Enquete-Kommission „Kommunale Finanzen“ Antrag der Fraktionen der SPD, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 16/330 –
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die meisten der Kolleginnen und Kollegen hier aus diesem Haus sind in der Kommunalpolitik tätig, und das in vielen Fällen schon seit langen Jahren. Ich selbst gehöre ebenfalls seit über 20 Jahren den Kommunalparlamenten an. Ich bin Ortsbürgermeisterin meiner Gemeinde.
Ich bin mir sicher, wir alle haben die Veränderungen in der vergangenen Zeit wahrgenommen, die im kommunalen Sektor, was die Finanzen anbelangt, eingetreten sind. Wir alle verbinden mit dem Begriff „Kommunalfinanzen“ nicht irgendetwas Abstraktes, sondern ganz praktische Erfahrungen. In der Regel ist das die Erfahrung, dass es vorne und hinten nicht ausreicht mit dem, was uns zur Verfügung steht.
Permanent gibt es neue Aufgaben, nicht immer die entsprechenden finanziellen Kompensationen, steigende Standards, oft auch hohe Erwartungen und immer weniger Mittel, die dafür zur Verfügung stehen.
Ich erinnere mich noch sehr gut an meinen ersten Haushaltsplan als Ortsbürgermeisterin. Ich breche das jetzt ganz bewusst auf die unterste kommunale Ebene herun
ter. Damals hatte ich einen Ersten Beigeordneten, der Bankkaufmann war. Der war angesichts der Zahlen fassungslos. Er sagte: Das kann doch einfach nicht wahr sein, es langt vorne und hinten nicht. Der Haushalt ist nicht ausgeglichen. – Er fragte: Wo soll das auf Dauer hinführen, wenn wir noch nicht einmal das, was uns wichtig erscheint, ausführen können?
Ich möchte ganz bewusst nicht die fachlichen Begriffe „Pflichtaufgabe“ oder „freiwillige Aufgabe“ in den Mund nehmen; denn freiwillige Aufgaben verbindet man meistens mit Geld, das locker in der Tasche sitzt und das nach Lust und Laune ausgegeben werden kann. Genau das ist aber bei den wichtigen Aufgaben, die man wahrnehmen möchte, nicht der Fall. Gerade in diesem Sektor spielt sich doch das ab, was man unter kommunaler Selbstverwaltung versteht. Das Recht der Kommunen auf eigene Gestaltung ist ein hohes Gut, das auch im Grundgesetz festgeschrieben und geschützt ist. Dort heißt es: „Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln.“