(Heiterkeit des Abg. Daniel Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Fred Konrad, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Unverschämtheit!)
Die Kommunen werden nicht einsparen, sondern drauflegen. Das zeigen die bereits gemachten Erfahrungen mit der Zuteilung von elektronischen Gesundheitskarten an die Bezieher von Sozialleistungen.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich begrüße ausdrücklich und betone die Wichtigkeit der Aktuellen Stunde der GRÜNEN-Kolleginnen und -Kollegen, hier im Plenum zur Gesundheitskarte für Flüchtlinge in Rheinland-Pfalz zu sprechen. Meine Damen und Herren, es ist ganz und gar nicht so, dass wir einen Asylmissbrauch in diesem Land haben oder gar irgendwelche Menschen zuwandern, weil sie hier vielleicht gesundheitlich besser versorgt werden. Wir haben keinen Zuzugsmagnet aufgrund unserer Versicherungsleistungen.
Meine Damen und Herren, wie kann man denn annehmen, dass ein noch so gut geschulter Mitarbeiter einer Verwaltung ein schweres Leiden wirklich beurteilen kann und die wirklich notwendige medizinische Versorgung zufüh
ren kann? Wir haben ein grundlegendes Menschenrecht für den Zugang zur medizinischen Versorgung. Ich hoffe sehr, dass sich auch die CDU-Landtagsfraktion zu diesen Grundrechten in Deutschland bekennt. Bereits im Dezember 2014 hat die rot-grüne Koalition einen Antrag zur Gesundheitskarte für Flüchtlinge gestellt. Daran möchte ich gern erinnern; denn damals war es uns schon wichtig und wert, darüber zu sprechen. Die Anforderungen und Herausforderungen waren noch nicht so hoch wie heute, aber damals schon dringend, und das Bremer Modell lag uns als Blaupause vor. Ein Flächenland wie Rheinland-Pfalz kann man organisieren. Das steht nicht infrage.
Unsere Sozialämter, unsere Kreisverwaltungen und Verbandsgemeindeverwaltungen und die Mitarbeiter stehen unter einem hohen Druck, begleitet mit hohen Kosten, nicht nur in Verwaltungsarbeit, sondern auch in Fortbildung.
Herr Köbler, Sie haben darauf hingewiesen, in Studien ist es mit 15 % der Kosten veranschlagt worden. Auch das ist eine Leistung der Verwaltung, die ehrenwert ist, Herr Kessel, aber nicht verwaltungsintern gelöst werden muss; denn, wie gesagt, das sind Sachen, die eigentlich die Medizinerinnen und Mediziner in unserem Land zu entscheiden haben, welche Therapie wirklich notwendig ist.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich anmerken, dass das Land weder die Flüchtlinge noch die Kommunen allein lässt. Bei chronisch kranken Menschen, die wirklich schwerstkrank hier herkommen, die vielleicht ein Krebsleiden auf ihrer Flucht mit in unser Land bringen, deckelt das Land, sodass weder die Flüchtlinge noch die Kommunen allein gelassen werden. Das Gleiche gilt auch, wenn vielleicht große Operationen anstehen. Ja, beispielgebend ist das Bremer Modell. Die Hansestadt Hamburg hat ebenfalls die Gesundheitskarte für Flüchtlinge erstellt. Aber derzeit ist das Saarland – verehrte Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion, übrigens mit einem schwarzen Gesundheitsminister – in enger Absprache, um die Flüchtlingskarte Asyl einzuführen. Sie sollten sich ein Beispiel nehmen.
Gerade gestern hat sich die AOK in einer deutschlandweiten großen Pressemitteilung klar zur Gesundheitskarte für Flüchtlinge geäußert. Daran darf ich alle anderen gesetzlichen Krankenversicherer mit anschließen.
Es ist unser Ziel, den Zugang zu dem Gesundheitssystem für akut erkrankte Flüchtlinge und ihre Kinder zu erleichtern. Es ist unser Ziel, die Wirtschaftlichkeit der Gesundheitsversorgung zu erhöhen und keine Kosten und Ängste zu schüren, Herr Kessel. Es ist unser Ziel, die Landkreise und die Städte deutlich von Verwaltungsarbeiten zu entlasten.
Unser Dank gilt allen Engagierten im Ehrenamt, im Hauptamt und wo auch immer sie ihre Arbeit leisten, und natürlich auch den Mitarbeitern der Verwaltung, Herr Kessel.
Meine Damen und Herren, der Referentenentwurf des Bundes – und da ein klarer Hinweis zu Herrn Gröhe – stellt den Ländern die Regelungen mit dem GKK für die Kommunen nicht verpflichtend in Aussicht. Diese Kann-Lösung, die vom Bund vorgeschlagen wird, ist die Grundlage eines möglichen Flickenteppichs.
Verehrte Frau Ministerin Bätzing-Lichtenthäler, deswegen bin ich für Ihr Engagement ausgesprochen dankbar, alle Kommunen an einen Tisch zu holen, einen Rahmenvertrag zu vereinbaren, in dem die Leistungen miteinander festgeschrieben werden; denn diesen Herausforderungen müssen wir uns gemeinsam stellen. Deswegen organisieren Sie das hervorragend für die Flüchtlinge in unserem Land.
Meine Damen und Herren, die Karte wäre, wenn sie denn käme, für 24 Monate ab dann gültig, wenn sie aus den Erstaufnahmeeinrichtungen in die Kommunen gehen.
Meine Damen und Herren, ich schließe mich Herrn Köbler an, die Gesundheitskarte für Flüchtlinge in Rheinland-Pfalz wird kommen. Wir arbeiten daran.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die Landesregierung spricht sich bereits seit Ende des Jahres 2014 für eine bundesgesetzlich verpflichtende Einführung einer Gesundheitskarte für Asylsuchende aus. Diese soll an die Flüchtlinge zum Zeitpunkt ihres Verlassens der Erstaufnahmeeinrichtung und damit zum Zeitpunkt ihrer Verteilung auf die Kommunen ausgegeben werden. Bei solch einer bundesgesetzlich einheitlichen Regelung würden alle Asylsuchende eine Gesundheitskarte von einer gesetzlichen Krankenkasse erhalten. Diese würde dann anfallende Behandlungskosten für akute Erkrankungen und Schmerzzustände, und zwar analog den bisherigen Leistungen, sowie eine Verwaltungskostenpauschale mit den zuständigen Behörden, also mit den Kreisen und kreisfreien Städten, abrechnen.
Somit wären mit dieser Gesundheitskarte einerseits Flüchtlinge nicht mehr länger darauf angewiesen, bei gesundheitlichen Problemen zunächst zum Sozialamt zu gehen und um Ausstellung eines Behandlungsscheines nachsuchen zu müssen, ein Verfahren, das allgemein als diskriminierend angesehen wird, denke ich. Andererseits müssen die Kommunen nicht länger Personal für die Scheinausgabe schulen und bereithalten. Auch durch den Wegfall der Prüfung und Anweisung der anfallenden Kosten entsteht eine spürbare Entlastung der kommunalen Behörden, da dies künftig von den Krankenkassen übernommen würde. Somit würden beide Seiten – sowohl die Flüchtlinge als auch die Kommunen – von diesem vereinfachten Verfahren profitieren.
Meine Damen und Herren, Rheinland-Pfalz hat sich immer wieder für diese bundeseinheitliche Praxis und damit gegen einen sprichwörtlichen Flickenteppich ausgesprochen, der von Kreis zu Kreis bzw. von Stadt zu Stadt unterschiedliche Regelungen bereithält; denn genau diese Gefahr eines Flickenteppichs besteht, wenn die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte ausschließlich auf dem Weg von freiwilligen Vereinbarungen zustande käme.
Konkret bedeutet das eine Einführung auf der Basis von § 264 Abs. 2 SGB V im Rahmen einer bundesweiten Gesetzesnovelle. Diese benötigen wir. Die Möglichkeit des § 264 Abs. 1 SGB V, besser bekannt als das „Bremer Modell“, wie es in Bremen, Hamburg und auch in Nordrhein-Westfalen als Flächenland besteht, führt gerade in Flächenländern zum befürchteten Flickenteppich.
Nun hat uns – wir haben es gehört – nach langem Zögern auf der Bundesebene am 16. September doch noch ein Gesetzentwurf des Bundes erreicht. Der darin enthaltene Regelungsvorschlag zu § 264 Abs. 1 SGB V ist aber alles andere als überzeugend, da weiterhin jede einzelne Kommune eigenständig entscheiden kann, ob sie sich einer solchen Rahmenvereinbarung anschließt oder nicht. Eine Flächendeckung wäre mit dieser bundesgesetzlichen Regelung nach wie vor so gut wie ausgeschlossen.
Aus diesen Gründen und weil es auch noch keinerlei Zeitplanung vonseiten des Bundes gibt, hat sich die Landesregierung dafür entschieden, das Ziel einer bundeseinheitlichen Lösung nicht aus den Augen zu verlieren und es trotzdem immer wieder der Bundesregierung gegenüber zu propagieren. Gleichzeitig habe ich mich dazu entschieden, die bereits zu Jahresbeginn geführten Gespräche mit den Krankenkassen und Kommunen wieder aufzunehmen.
Ich habe ganz konkret die Kreise, die kreisfreien Städte, die kommunalen Spitzenverbände und die Krankenkassen sowie die Kammern und Kassenärztlichen Vereinigungen am 16. September ins Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie eingeladen, um Möglichkeiten einer Rahmenvereinbarung auf Landesebene zu eruieren. Es gab eine konstruktive Diskussion über die Voraussetzungen für die Einführung einer Gesundheitskarte für Flüchtlinge und eine grundsätzliche Verständigung über die Einsetzung einer Arbeitsgruppe bestehend aus Vertretern der Kommunen, der Krankenkassen, der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Landesregierung sowie gegebenenfalls Sachverständigen. Diese Arbeitsgruppe wird die zahlreichen noch zu klärenden Detailfragen bearbeiten.
Am Ende des Jahres soll dann eine Rahmenvereinbarung stehen, der die Kreise und kreisfreien Städte unseres Landes beitreten können. Von dieser Rahmenvereinbarung werden die Flüchtlinge vor Ort, aber auch die kommunale Ebene profitieren; denn wir werden mit einem abgespeckten Leistungskatalog nicht nur einen diskriminierungsfreien Zugang zum Gesundheitssystem leisten, sondern es wird
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, die elektronische Gesundheitskarte unterliegt im Gegensatz zum Behandlungsschein auch der Budgetierung. Damit werden in den Kommunen sogar eindeutig Kosten eingespart werden.
Meine Damen und Herren, der diskriminierungsfreie Zugang zum Gesundheitssystem ist auch ein Menschenrecht, das wir gerade den von gewalttätigen Konflikten gezeichneten Menschen gewähren müssen. Dieses Grundrecht infrage zu stellen, halte ich in der aktuellen Situation für unredlich. Die Landesregierung tut alles dafür, damit sich Asylsuchende in Rheinland-Pfalz sicher und gesund aufhalten können.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es freut mich, dass unser Bundesland nach Bremen, Hamburg und Nordrhein-Westfalen die Gesundheitskarte für Flüchtlinge einführen will. Dieser Akt ist human, ökonomisch und auch für alle Tätige in diesem Bereich sehr arbeitsentlastend. Von daher gilt mein Dank unserer Ministerin Irene Alt, die sehr ambitioniert und frühzeitig dieses Thema auch auf der Bundesebene thematisiert und vorangebracht hat. Herzlichen Dank!
Meine Damen und Herren, unser Verein Armut und Gesundheit hat in Zusammenarbeit mit der Landesärztekammer einen Informationsflyer und einen Anamnesebogen, der in 15 Sprachen übersetzt wurde, für den ersten Kontakt für den Arzt und die Flüchtlinge herausgegeben. Das ist ein wichtiger Schritt, wenn die Flüchtlinge einen Arzt besuchen.
Schon vor einem Jahr habe ich in Berlin in diesem Zusammenhang die Bundespsychotherapeutenkammer, die Bundesärztekammer, aber auch das Behandlungszentrum für Folteropfer besucht, um perspektivisch und strukturell zu schauen, welche Maßnahmen wir hinsichtlich dieses Themas, das uns lange beschäftigen wird, in vernünftiger Art und Weise für alle Beteiligten und Akteure auch bei uns in Rheinland-Pfalz ergreifen und umsetzen können.
Meine Damen und Herren, das Thema Interkulturelle Medizin ist ein Herzensanliegen von mir, weil wir viele Flüchtlinge und Menschen mit Migrationshintergrund haben. Das wird auch in Zukunft ein großes Thema in den Arztpraxen sein. Deshalb bemühe ich mich auch persönlich, dass wir
ein Bewusstsein in die Medizin bringen und in der Ausund Fortbildung auf diese Ebene eingegangen wird.
Über dieses Thema wird auch am 5. Oktober in der Zeitschrift „Der Hausarzt“ ein Beitrag von mir zum Thema Interkulturelle Medizin veröffentlicht, den ich Ihnen ans Herz legen möchte.