Protokoll der Sitzung vom 20.10.2011

Aber vielleicht ist der Bezug die heutige Debatte im Deutschen Bundestag, für die die CDUBundestagsfraktion ein ähnliches Thema angesetzt hat. Wie ich höre, zieht es sich so ein bisschen durch die Tagesordnungen der Landtage.

Dann will ich vielleicht die Gelegenheit ergreifen, noch einmal etwas zu dem zweiten Halbsatz, Bahnan- schläge – – –

(Ministerpräsident Beck: Die haben Ablenkung auch nötig!)

Herr Ministerpräsident.

(Frau Klöckner, CDU: Sie aber anscheinend auch! – Weitere Zurufe von der CDU)

Frau Klöckner, das ist Ihnen bisher noch nicht gelungen. Das stimmt.

Kommen wir zurück zu den Bahnanschlägen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie wissen, vom 10. bis 13. Oktober legten bislang unbekannte Täter an Bahnanlagen im Raum Berlin/Brandenburg insgesamt 18 Brandansätze ab. Zwei davon wurden ausgelöst. Es kam zu erheblichen Beeinträchtigungen im Bahnverkehr. Die Brandvorrichtungen waren auf neun Tatorte verteilt und lagen zumeist in Kabelschächten.

Die Täter verfügten offenbar über Fachwissen. Sie wussten genau, wo sie die Brandsätze deponieren mussten.

Wir nehmen solche Brandanschläge natürlich sehr ernst. Ja, wir haben es mit einer weiteren Dimension extremistischer Gewalttaten zu tun. Es war der Versuch, in massiver Form in den Bahnverkehr einzugreifen.

Nach Aussagen der DB AG wäre im Falle einer gleichzeitigen Zündung aller bisher aufgefundenen Brandvorrichtungen ca. 80 % des öffentlichen Berliner Nahverkehrs gestört worden. Das hätte natürlich auch Auswirkungen auf die Telekommunikationsnetze gehabt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Tatsache, dass der Generalbundesanwalt ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der verfassungsfeindlichen Sabotage eingeleitet hat, zeigt, dass diese Angelegenheit gravierend ist, und mit den Ermittlungen hat er das Bundeskriminalamt beauftragt.

Die Ermittlungen der Behörden sind in vollem Gange. Ich stehe in engem Kontakt mit meinen Kolleginnen und Kollegen auf der Länderebene und der Bundesebene. Wir haben heute Mittag eine Telefonschaltkonferenz zu diesem Thema.

Weitere Angaben – da bitte ich um Verständnis – kann ich Ihnen aufgrund des laufenden Verfahrens en détail nicht berichten.

Kommen wir zu Rheinland-Pfalz, weil Herr Schneiders mich gebeten hat, bei dieser Gelegenheit einen Überblick über Rheinland-Pfalz zu geben. In Rheinland-Pfalz haben die Sicherheitsbehörden in den vergangenen Jahren keine ähnlich gelagerten Straftaten an Bahnanlagen festgestellt.

In Rheinland-Pfalz – Herr Hüttner ist darauf eingegangen und man kann es nachlesen, weil wir die brandaktuellen Zahlen alle veröffentlicht haben – zählt der Verfassungsschutz aktuell ungefähr 700 Linksextremisten, davon ca. 120 gewaltbereite. Im Bund gibt es rund 32.200 Linksextremisten, davon ca. 6.800 gewaltbereite. Herr Hüttner hat das ins prozentuale Verhältnis gesetzt. Das zeigt meiner Meinung nach sehr genau, dass es in unserem Land keine vergleichbare militante Szene oder auch linksextremistische Szene gibt, wie wir das vielleicht in Bremen, Berlin oder Hamburg konstatieren müssen.

Meine Damen und Herren, wir haben auch einen deutlichen Rückgang bei linksextremistischen Straf- und Gewalttaten. Auch das ist eine sehr, sehr geringe Zahl. Nur Thüringen steht minimal besser da. Wenn man dann die Aussagen vom Kollegen Innenminister Schünemann aus Niedersachsen liest, der Linksextremismus eskaliere zum Linksterrorismus, der Weg von Brandanschlägen zu gezielten Mordanschlägen sei nicht weit, kann ich als rheinland-pfälzischer Innenminister solche Aussagen ausdrücklich nicht nur nicht unterstreichen und für in Ordnung befinden, sondern ich halte sie auch für gefährlich.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Statt mit potenziellen Mordanschlägen zu argumentieren, halte ich es mehr mit dem Bundesinnenminister, der sagt, er sehe nach den versuchten Brandanschlägen auf Bahnanlagen in Berlin noch keinen neuen Linksterrorismus in Deutschland. Es gäbe bislang keine Hinweise darauf, dass aus den linksextremistischen Strukturen bereits linksterroristische Vereinigungen im Sinne des Strafgesetzbuches geworden seien. Da hat er meine volle Zustimmung, ohne auf einem Auge auch nur ansatzweise blind sein zu wollen. Wenn wir aber selbst auch durch unsere Wortwahl als Verantwortliche für die Innere Sicherheit diese Situation so verschärfen, provozieren wir Reaktionen, die wir alle nicht haben wollen.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Pörksen, SPD: Genauso ist das!)

Wir alle – ich meine, das gilt für den gesamten Landtag, was man mit aller Deutlichkeit betonen muss – müssen linksextremistische Gewalt und extremistische Gewalt insgesamt als Angriff auf unseren demokratischen

Rechtsstaat empfinden und dagegen mit aller Härte vorgehen.

(Frau Kohnle-Gros: Das muss man doch mal sagen! – Ministerpräsident Beck: Hat es daran jemals Zweifel gegeben?)

Ich halte es allerdings für sehr gefährlich, Terrorismusdebatten zur Unzeit zu führen.

Ich möchte an der Stelle auch die Gelegenheit ergreifen, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Polizei sowie des Verfassungsschutzes in Rheinland-Pfalz ganz herzlich zu danken. Wir haben oft über islamistischen Terrorismus, über den Schutz der amerikanischen Einrichtungen und über all die Herausforderungen gesprochen, die sich auch bei uns abbilden. Das sind Dinge, mit denen haben sich die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten sowie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Verfassungsschutzes tagtäglich zu beschäftigen. Sie tun das in einer sehr, sehr engagierten und erfolgreichen Art und Weise.

Ich fasse zusammen: Die linksextremistische Gewalt stellt einen schwerwiegenden Angriff auf den demokratischen Verfassungsstaat dar. Sie erreicht trotz hoher Fallzahlen bundesweit – weder in ihrer Gesamtheit noch in Form herausragender Einzelheiten, wie durch die vorstehenden Informationen und Aussagen von mir belegt – keine terroristische Dimension. Wir müssen sehr, sehr vorsichtig sein, damit wir eine solche Dimension auch nicht in unseren Reden in den Raum stellen.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion hat Herr Kollege Schneiders das Wort.

Frau Präsident, meine Damen und Herren! Herr Minister, zunächst einmal vielen Dank für Ihre Darstellungen. Ich möchte allerdings auf Ihre einleitende Bemerkung eingehen und sagen: Niemand wird abstreiten können, dass diese Brandanschläge bundesweit aktuell die Frage aufwerfen müssen, welche Gefahr daraus für Rheinland-Pfalz entsteht. – Insofern ist an Sie die Aufforderung ergangen, hier zu berichten.

Entsetzt war ich allerdings über die Redebeiträge der Kollegin Schellhammer und des Kollegen Hüttner.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Ich verstehe, dass man der Opposition widersprechen möchte. Es ist sehr bedenklich, wenn man sich dann aber in die Gefahr begibt, so etwas zu verteidigen.

(Beifall der CDU – Zurufe von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Hüttner hat gesagt, dass es weniger Linksextreme gäbe, wenn es weniger Rechtsextreme gäbe. Entschuldigung, es ist doch nur ein Aspekt, den man früher auch bei Beobachtungen durch den Verfassungsschutz festgestellt hat, dass Linksextreme auf Rechtsextreme reagieren. Das ist aber doch nicht ihr ausschließliches Betätigungsfeld.

(Beifall der CDU – Zuruf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das hat auch keiner gesagt!)

Vom Herrn Minister wurde eben bestätigt, dass Linke den Staat als angreifbares Objekt im Auge haben. In dem Bekennerschreiben zu den Bahnanschlägen – Frau Kollegin Schellhammer, Sie haben eben daraus zitiert – ist von einer Entschleunigung die Rede. Was bedeutet das, wenn man sich gegen die Bahn wendet? Wenn die Bahn ausfällt, ist das ganze System betroffen und beschädigt. Das sind doch die Hintergründe.

(Ramsauer, SPD: Wen wollen Sie in welche Ecke stellen?)

Herr Lewentz, den Kollegen Schünemann zu bemühen, ist das eine. Ich bemühe da lieber einen oberen Polizeibeamten, den Vorsitzenden der GdP, Herrn Witthaut, und den Experten für Krisenprävention im Essener Institut, die eine konsequente Strafverfolgung anmahnen, die mehr verdeckte Ermittler fordern und die Parallelen zu den Anfängen der RAF nicht leugnen. Diese Parallele ist von diesen Personen und nicht von mir aufgeworfen worden. Ich bringe das nur in die Debatte ein.

Meine Damen und Herren, es hat mit der Art und Weise der Agitation zu tun, dass es keine Festnahmen gibt, wodurch es im ermittlungstechnischen und polizeimäßigen Bereich nicht möglich war, die Täter zu fassen und ihrer habhaft zu werden, Frau Kollegin Schellhammer. In Berlin kann man schnell von einem Viertel ins nächste wechseln und ist schon nicht mehr auffindbar.

Meine Damen und Herren, tun Sie nicht so, als gäbe es die Erkenntnisse, die der Innenminister zu Recht angeführt hat, bei Ihnen nicht.

(Glocke der Präsidentin)

Wir sollten nicht auf einem Auge, schon gar nicht auf dem linken, blind bleiben.

(Beifall der CDU – Pörksen, SPD: Jetzt wissen wir es!)

Für die SPD-Fraktion hat Herr Kollege Hüttner das Wort.

Frau Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Schneiders, ich meine, der Innenminister hat klar gesagt – Sie hätten das durchaus nachlesen können –, dass in Rheinland-Pfalz nichts ist. Ich kann verstehen, dass Sie

sich, weil nichts ist, wahnsinnig schwer getan und insbesondere in der ersten Runde, aber auch in der zweiten Runde fürchterlich herumgeeiert haben, um überhaupt eine Aktualität für Rheinland-Pfalz begründen zu können.

Entweder haben Sie nicht zugehört, oder Sie haben es nicht verstanden. Ich billige Ihnen aber zu, Sie wollten es nicht verstehen. Das kann man zum Teil noch nachvollziehen. Ich bin aber der felsenfesten Überzeugung, dass Sie diesen Antrag heute Morgen nur aus dem einen Grund gestellt haben, weil Sie sich blau und schwarz darüber ärgern, dass wir einen Antrag gestellt haben, aufgrund dessen wir uns heute Mittag mit dem Rechtsextremismus beschäftigen werden. Deshalb musste dieser Punkt unbedingt heute Morgen mit aller Gewalt gesetzt werden.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich habe es vorhin schon einmal versucht, und ich versuche es noch einmal: Bewahren Sie Ruhe. Bleiben Sie ruhig bei der Debatte. Diese Debatte, wie sie hier geführt wird, wird zur Unzeit geführt. Sie wird auch durch Kommentierungen, wie sie vom Innenminister in Niedersachsen abgegeben wurden, falsch geführt. Das führt dazu, dass man genau in die falsche Richtung geht.

(Baldauf, CDU: Wehret den Anfängen!)