Protokoll der Sitzung vom 18.01.2012

Antibiotika gelten als eine der größten Errungenschaften in der Medizin. Wir setzen deren Wirksamkeit wegen wirtschaftlicher Interessen einiger Weniger aufs Spiel. Daher fordern wir, Verbraucherschutz beginnt bereits in den Produktionsstätten und nicht erst an der Ladentheke, das heißt, der Verbraucher muss bei der Herkunft nicht nur über das Land, sondern auch die Art des Betriebes informiert werden. Da könnte ich mir eine Kennzeichnung analog der Eier vorstellen, um eine Transparenz für die Konsumenten herzustellen.

Der Verbraucher kann durch sein Kaufverhalten die Bedingungen der Tierhaltung mit beeinflussen. Allerdings bedingt Massentierhaltung nicht gleichzeitig hohen

Antibiotika-Einsatz. Ein Betrieb, der hohe hygienische Standards einhält, robuste Rassen einsetzt, ein entsprechendes Platzangebot vorhält und auf ein langsameres Wachstum setzt, fördert die Gesundheit seiner Tiere und benötigt daher keine Antibiotika krankheitsvorbeugend.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nach dem Arzneimittelgesetz ist der Einsatz von Antibiotika nur zur Behandlung kranker Tiere erlaubt. Dies schließt eigentlich den Einsatz zur Wachstumsförderung aus. Solange aber Tierärzte die verordneten Antibiotika auch selbst verkaufen und daran mitverdienen, ist eine Grauzone da, ob es ausschließlich zur Behandlung kranker Tiere dient.

Auch der Pharmaindustrie muss an einem maßvollen Gebrauch gelegen sein; denn wenn Antibiotika wirkungslos würden und kein adäquates Arzneimittel zur Verfügung steht, werden sie langfristig einen Markt verlieren. Daher fordern wir – wie in der Humanmedizin – die Verschreibung und den Verkauf von Antibiotika zu trennen und eine Datenbank als Nachweis für die Verwendung von Antibiotika in der Nutztierhaltung einzurichten. Diese soll den Behörden umfassend zur Verfügung stehen.

Im zuständigen Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz kennt man das Problem schon länger. Frau Ministerin Aigner hatte schon länger schärfere Gesetze versprochen. Erst durch die Berichterstattung in den Medien über die Studie kam das Ausmaß der Verseuchung durch die gefährlichen Keime zutage. Da hat sie letzte Woche einen Gesetzentwurf vorgelegt, der von den Verbraucherschützern aber als völlig unzureichend abgelehnt wird.

Die Länder Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz haben in einem gemeinsamen Antrag einen nationalen Aktionsplan gefordert, der die Eindämmung des Antibiotika-Missbrauchs zum Ziel hat. Wir fordern vor allem auch, die bei den Legehennen durchgeführten Impfungen als Alternative zu prüfen und in den Mastbetrieben einzuführen.

Obwohl es in Rheinland-Pfalz kaum Geflügelmastbetriebe gibt, hat Gesundheitsministerin Malu Dreyer schon 2011 die Zusammenführung der Daten der Tierschutz- und Lebensmittelüberwachungsbehörde mit der Arzneimittelüberwachung veranlasst und somit eine Vorreiterrolle eingenommen. Die Überwachung ist bei den Kreisen nun gebündelt worden.

Die SPD fordert:

1. Transparenz für die Verbraucher,

2. gesunde Tiere durch eine bessere Haltung,

3. Kontrolle über den Einsatz von Antibiotika in den Betrieben durch eine umfassende Dokumentation, die die Tierärzte in eine für die Kontrollbehörden zugängliche Datenbank eingeben,

4. Trennung zwischen Verschreibung und Handel mit Antibiotika und

5. die Gesundheit und der Schutz unserer Bevölkerung muss Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen haben.

Danke schön.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich erteile Frau Kollegin Müller-Orth das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren! Die im November vom Landwirtschaftsministerium in NordrheinWestfalen veröffentlichte Studie zum Antibiotika-Einsatz in der Hähnchenmast und die aktuelle Untersuchung des BUND von Hühnerfleisch, bei der mehr als 50 % der Proben mit multiresistenten Keimen belastet waren, zeigen auf erschreckende Art und Weise, dass die billige Massenfleischerzeugung eine Gesundheitsgefährdung für die Bevölkerung darstellt. Das kontaminierte Fleisch stammte ausschließlich aus industrieller Massenproduktion.

Medikamentencocktails mit bis zu acht verschiedenen Antibiotika im Hähnchenfleisch setzen die Verbraucherinnen und Verbraucher erheblichen Gefahren aus. Als direkte Konsequenz müssten die fleischproduzierenden Unternehmen Hinweise zur möglichen Gefährdung auf den Verpackungen geben.

Denkbar wäre die Empfehlung auf Verwendung von Einweghandschuhen bei der Zubereitung von Fleisch, um die Verbraucherinnen und Verbraucher vor multiresistenten Keimen zu schützen.

Der prophylaktische Einsatz von Antibiotika ist zwar verboten, aber tatsächlich erhalten auch gesunde Tiere Antibiotika. Da die Hälfte der Betriebe Antibiotika nicht fachgerecht für nur ein oder zwei Tage einsetzt, lässt sich vermuten, dass Antibiotika auch weiter als Wachstumsförderer dient. Damit riskieren wir, in ein Zeitalter ohne wirksame Antibiotika zurückzufallen. Davor müssen wir geschützt werden;

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

denn schon heute stehen nicht genügend Reserveantibiotika in der Humanmedizin zur Verfügung. Eine Tierhaltung ohne Antibiotika ist möglich. Vor allem kleine bäuerliche Betriebe kommen völlig ohne Antibiotika aus. Es müssen klare Standards bei der Tierhaltung definiert werden. Es braucht strikte Vorgaben für eine maximale Besatzdichte in den Ställen. Außerdem muss eine Mindestmastdauer festgelegt werden; denn Betriebe mit längerer Mastdauer weisen eine deutlich geringere Behandlungsintensität auf.

In der landwirtschaftlichen Intensivhaltung hingegen erkranken insbesondere Schweine und Geflügel durch

hohe Schadstoffkonzentrationen regelmäßig an Atemwegsinfektionen. Verbesserte Tierhaltungsbedingungen hinsichtlich Platzbedarf, Auslauf und Stallklima führen zu geringeren Reizungen der Atemwege und helfen damit, den Antibiotika-Verbrauch zu reduzieren. Wir brauchen eine bundesweite Überprüfung des Einsatzes von Antibiotika nicht nur im Bereich Masthähnchen, sondern auch im Bereich der intensiven Mastschweinehaltung, bei der Ähnliches zu befürchten ist.

Im Kampf gegen den Missbrauch von Antibiotika in der Tierhaltung plant Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner jedoch nur kosmetische Änderungen. Sie scheut ein konsequentes Vorgehen, weil ihr klar ist, die industrielle Fleischproduktion funktioniert ohne Antibiotika nicht. Laue Worte und vage Ankündigungen kennen wir von Frau Aigner schon zur Genüge. Was jetzt zählt, sind Taten und klares gesetzgeberisches Handeln.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Wir fordern eine lückenlose Dokumentation der Antibiotika-Vergabe in der Tierhaltung. Jede Verschreibung muss zentral erfasst werden und sofort den Kontrollbehörden der Länder zugänglich sein. Wenn die Länder – wie bisher vorgesehen – mühsam die Einsicht in die Daten beantragen und im Einzelnen begründen müssen, können sie ihrer Verantwortung bei der Bekämpfung des Antibiotika-Missbrauchs nicht nachkommen. Behandlungsregeln müssen verschärft werden. Tierärzte müssen künftig verpflichtet sein, genau darzulegen, warum sie welches Medikament verschreiben. Im Arzneimittelgesetz muss zudem klar aufgeführt sein, dass künftig einer Einzeltierbehandlung deutlich der Vorrang gegeben wird vor einer Bestandsbehandlung. Es kann nicht sein, dass alle Tiere in einem Stall quasi als Bestandteil das Futtermittel Antibiotika verabreicht bekommen, wenn nur eines erkrankt ist.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Die Bundesregierung muss Maßnahmen zur Verteuerung von Antibiotika vorlegen, um eine restriktivere Verschreibungspraxis zu fördern. Ein Ansatzpunkt wäre, Festpreise für Tierarzneimittel zu definieren, um damit die Mengenrabattierung zu verhindern. Eine Abnahme großer Antibiotika-Mengen darf nicht weiter belohnt werden.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ich erteile das Wort Frau Kollegin Schäfer.

Das war übrigens die erste Rede unserer Frau Kollegin Müller-Orth.

(Pörksen, SPD: Beifall gibt es aber nicht noch einmal!)

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine lieben Kolleginnen von der SPD und auch von den GRÜNEN, ich meine, auch bei diesem Themenbereich darf man die Dinge sachlich angehen. Bei dem, was wir zuletzt gehört haben, waren einige Behauptungen dabei, und es wurden Dinge in die Welt gesetzt, die man doch differenzierter betrachten sollte.

(Beifall der CDU)

Eines ist doch klar: Bereits heute ist der Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung streng geregelt. – Natürlich gibt es Übertretungen. Diese Übertretungen müssen auch geahndet werden. Ich sage aber auch sehr deutlich: Die Überwachung der Einhaltung dieser Vorschriften gehört zu den Aufgaben der Länderbehörden. Die Länder sind dafür zuständig, die Tierarztpraxen und auch die Tierhaltungsbetriebe risikoorientiert zu kontrollieren.

(Beifall der CDU)

Vielleicht sollten wir auch einmal über die Art und Weise der Kontrolle in unserem Bundesland sprechen; denn es werden viele Dinge versprochen. Daher muss man betrachten, was davon umgesetzt wird.

Bei dem, was Sie als Vorschläge kurz umreißen, sind manche kleine Vorschläge dabei, aber Fragen wie beispielsweise Transparenz oder eine weitere Minimierung des Einsatzes – zum Teil wollen Sie das gar nicht mehr – sind Dinge, die in dem Konzept von Frau Ministerin Aigner enthalten sind.

(Pörksen, SPD: Sie versteckt das nur!)

Insofern können wir die Aussprache zu dem Thema vor dem Hintergrund der Haltung der Landesregierung nicht verstehen. Es ist nicht nachvollziehbar, was dahintersteckt.

(Pörksen, SPD: Können Sie mal deutlich sagen, was Sie meinen?)

Das, was Sie als Forderungen vorgebracht haben, ist in dem Maßnahmenpaket von Frau Aigner enthalten.

(Beifall der CDU – Pörksen, SPD: Das glauben Sie doch selbst nicht!)

Es sind genau die Dinge, die Sie auch genannt haben.

(Pörksen, SPD: Was denn?)

Ich führe einmal auf, was Frau Ministerin Aigner möchte: