Protokoll der Sitzung vom 18.01.2012

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Diese Verordnung heißt wörtlich – man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen –: „Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Regeln und Verfahren für lärmbedingte Betriebsbeschränkungen auf Flughäfen der Union im Rahmen eines ausgewogenen Ansatzes (…)“ Wie schon mehrfach berichtet, liest sich das zwar erst einmal gut, aber der Teufel steckt im Detail.

Ich bin sehr froh, dass für die rheinland-pfälzische Landesregierung, was den Lärm an Flughäfen betrifft, gilt: zunächst die Sicherheit, dann den Lärmschutz und danach die Wirtschaftlichkeit zu berücksichtigen, in dieser Reihenfolge!

Die einzige Maßnahme, mit der man den Menschen zeigen kann, dass ihre berechtigten Interessen nach einem Lärmschutz und nach einer geregelten Nachtruhe vertreten werden – im Übrigen ist dieses Recht auf eine Nachtruhe unteilbar –, muss für alle Regionen gelten.

Deswegen ist es der richtige Ansatz, dass sich der Bund auf nationaler Ebene endlich auf den Weg macht, um für einen Lärmschutz für die Menschen in allen Regionen – nicht nur auf den Flughäfen; es spielen auch andere Verkehrsträger eine Rolle – endlich in die Gänge zu kommen.

Was wäre gewesen, wenn Frau Höfken nicht sofort Alarm geschlagen hätte? Ich bin der Landesregierung und Frau Höfken im Speziellen sehr dankbar, weil es letztendlich auch das Vorpreschen der rheinlandpfälzischen Landesregierung und der rheinland

pfälzischen Umweltministerin war, die das Thema auf die Seite 1 der Agenda gebracht hat.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Reichel, ich bin auch Ihnen für Ihre Unterstützung der Haltung der Landesregierung von Rheinland-Pfalz dankbar. Ich glaube, wenn wir gemeinsam unsere Stimme erheben, wird sie hoffentlich auch in Berlin gehört werden.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Für die Landesregierung hat Frau Staatsministerin Höfken das Wort.

Der enge Schulterschluss macht sich auch in der Redezeit bemerkbar. Ich werde darauf achten, dass ich in der Zeit bleibe. Ich darf mich auch den Vorrednern, nämlich unseren Abgeordneten, anschließen. Übrigens gebührt mir das Lob nicht allein, sondern es ist eine gute konzertierte Aktion der gesamten Landesregierung und des Parlaments gewesen, was wir vollziehen können.

Ich muss auch ganz deutlich sagen, dass unsere Veranstaltung in Brüssel einen großen Eindruck gemacht hat; denn der Vertreter der Generaldirektion Umwelt hat gesagt, es sei zum zweiten Mal in seiner Laufbahn – der Mensch ist schon älter – der Fall gewesen, dass überhaupt eine Veranstaltung zum Thema „Lärm“ stattgefunden hat. Zum ersten Mal war es eine Landesregierung, die das getan hat. Ich denke, wir können stolz darauf

sein, dass wir an dem Thema dranbleiben und für unsere Menschen etwas tun.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Die Abgeordneten haben es bereits deutlich gemacht. Hinter einer EU-Verordnung, die kurz vor Weihnachten vorgelegt wird, steckt eine Lobby, die eine Menge an Macht hat. Es gehört auch einiges dazu, sich dagegen zu wehren. Ich will besonders betonen, dass wir die Europäische Union brauchen. Im Übrigen braucht die Europäische Union aber auch eine Politik, die keine Kampfansage an die Bürgerinnen und Bürger ist. Sie braucht eine Unterstützungspolitik, die ihr auch die notwendige Unterstützung gibt.

Wir brauchen beim Thema „Lärm“ vernünftige Grenzwerte. Die Richtlinie in der Europäischen Union dazu heißt „Umgebungslärmrichtlinie“. Hier ist auch die CDU aufgefordert, sich entsprechend zu positionieren, damit wir zum ersten Mal verbindliche Grenzwerte auch für die Nachtruhe bekommen.

Es gibt für alles Grenzwerte, und zwar für die Pestizide, die Schwermetalle und das Wasser. Nur – das muss man sich einmal vorstellen – beim Lärm existiert so etwas noch nicht. Diese wurde bislang von einer Politik verhindert, die nicht den Schutz der Menschen und deren Gesundheit, sondern das genaue Gegenteil im Blick hatte. Ausdruck davon ist genau diese lärmbedingte Betriebsbeschränkungsverordnung, die etwas tut, was auch innerhalb der Union sicher nicht täglich vorkommt.

Sie stellt nämlich die eigenen Vorschläge der EU in anderen Bereichen des Umwelt- und Gesundheitsschutzes schlichtweg auf den Kopf.

Wir verlangen, dass diese Richtlinie sofort zurückgewiesen wird. Ich denke, die Veranstaltung in Brüssel hat auch durch die rege Beteiligung von Europaabgeordneten deutlich gemacht, dass man für dieses Thema sensibel wird. Die Diskussionen in Berlin, im Mittelrheintal und in unserer Umgebung machen das noch einmal sehr deutlich.

Ich glaube, wir müssen uns darauf einrichten, dass wir noch eine Menge an Aktivitäten machen müssen, um den Gesundheitsschutz für die Menschen durchzusetzen.

Wir erwarten, dass Herr Bouffier seinen Worten Taten folgen lässt und die CDU auf der Bundesebene genauso wie die FDP zum Schutz der Menschen steht. Wir brauchen die Ablehnung dieser Verordnung. Wir brauchen eine Bundesratsinitiative, die sagt, Lärmschutz in der Nacht hat Vorrang vor verkehrswirtschaftlichen Interessen, und wir brauchen für den Flughafen Frankfurt die gesundheitsbezogenen Lärmgrenzen, und zwar verbindlich, und schließlich die Rücknahme des Revisionsantrags in Leipzig.

Haben Sie vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ich erteile Herrn Kollegen Hüttner das Wort. Zweite Runde, zwei Minuten.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Als ich gestern Morgen die Saarstraße hereingefahren bin, konnte man die Flieger – Herr Lewentz hat es vorhin gesagt – quasi wirklich über Mainz greifen. Die sind so flach abgeflogen, dass man fast Angst haben musste, dass jeden Moment ein Unfall passieren könnte. Dann könnte man in der Tat ganz genau feststellen, mit welchen Problemen wir hier aktuell zu kämpfen haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sie sich diese Verordnung richtig anschauen – – – Herr Reichel hat es zitiert. Diese Verordnung ist wahrlich ein Wolf im Schafspelz; denn es wird vordergründig dargestellt, dass man etwas Gutes erreichen will, und hintenherum wird pure Lobbyarbeit betrieben, wie man sie sich eigentlich nicht schlimmer vorstellen kann.

(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Genau!)

Wenn Sie wirklich hineinschauen, dann heißt es dort, dass zunächst einmal die Kapazitäten gebührend berücksichtigt werden müssen, die kosteneffizienteste Maßnahme greifen muss, Betriebsbeschränkungen nur dann greifen, wenn sie wirklich kosteneffektiv sind. Wenn Sie hineinschauen, wann denn überhaupt ein Flieger in der Lärmsituation einmal begrenzt werden kann, und sich dann die Richtlinie zu Frankfurt anschauen, stellen Sie fest, dass überhaupt nichts greifen kann. Deswegen ist das eine Verhöhnung der Menschen, für die wir einzutreten haben.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich habe einen Bericht gelesen, wonach Herr Posch jetzt auch erklärt, dass er gegen diese Verordnung sei. Dann ist es konsequent – Herr Köbler hat es vorhin angesprochen –, dass die Revision endlich zurückgezogen wird und man ernst macht, für die Bürger einzutreten. Das wäre ein richtiges Handeln aus Hessen. Dann hätten wir das Nachtflugverbot sicher.

(Glocke des Präsidenten)

Das brauchen wir für die Menschen, außerdem noch die Verbesserung mit anderen Start- und Landeverfahren. Dann haben wir effektiv etwas erreicht. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe die erste Aktuelle Stunde.

Wir kommen zum zweiten Thema der

AKTUELLEN STUNDE

„Haltung der Landesregierung zu Antibiotika-

Einsatz in der Tierhaltung“

auf Antrag der Fraktion der SPD

Drucksache 16/805 –

Ich erteile Frau Abgeordneter Simon das Wort.

Sehr verehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! In dieser Legislaturperiode, die erst ein Dreiviertel- jahr alt ist, beschäftigen wir uns bereits zum vierten Mal mit unseren Grundnahrungsmitteln. Nach Dioxin-Eiern, EHEC und Kennzeichnung eihaltiger Lebensmittel nun antibiotikaresistente Keime auf Geflügelfleisch.

Als Verbraucherin ist man aufgrund der vielen Lebensmittelskandale wohl etwas abgestumpft nach dem Motto, du kannst eh nichts mehr essen, das nicht betroffen ist.

Meine Damen und Herren, das kann es aber eigentlich nicht sein. Eine Kosten-Nutzen-Rechnung in den Produktionsbetrieben kann nicht zu Lasten der Verbraucher gehen.

(Beifall der SPD und bei dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Die Geiz-ist-geil-Mentalität hat diese Auswüchse befördert.

Falls jemand nicht die hygienische Empfehlung bei der Zubereitung einhält, läuft er bei einer Erkrankung durch die multiresistenten Keime Gefahr, dass eine Behandlung seiner Krankheit durch die Antibiotikaresistenz deutlich erschwert wird.

Nach Angaben des Europäischen Parlaments sterben jährlich in der EU rund 25.000 Menschen an solchen Infektionen. Das gesundheitliche Risiko durch ein Lebensmittel ist somit gegeben.

Verbraucherinnen werden gerne von uns als mündig bezeichnet, jedoch informiert sind nicht alle. Den idealtypischen Verbraucher gibt es nicht, das heißt, unsere Lebensmittel müssen unbedenklich sein.

Antibiotika gelten als eine der größten Errungenschaften in der Medizin. Wir setzen deren Wirksamkeit wegen wirtschaftlicher Interessen einiger Weniger aufs Spiel. Daher fordern wir, Verbraucherschutz beginnt bereits in den Produktionsstätten und nicht erst an der Ladentheke, das heißt, der Verbraucher muss bei der Herkunft nicht nur über das Land, sondern auch die Art des Betriebes informiert werden. Da könnte ich mir eine Kennzeichnung analog der Eier vorstellen, um eine Transparenz für die Konsumenten herzustellen.