Dann wird eine Reihe von möglichen Lärmschutzmaßnahmen, wie zum Beispiel lärmmindernde Betriebsverfahren, leisere Flugzeuge und lärmbedingte Betriebsbeschränkungen, aufgezählt.
Dies klingt zunächst einmal so, als wäre Lärmschutz ein wichtiges Anliegen. Das ist aber nicht der Fall. Denn entscheidend ist dann die Einschränkung, wann die entsprechenden Lärmschutzmaßnahmen zum Tragen kommen. So sind regelmäßig – so steht es in der Verordnung – „die kosteneffizientesten Maßnahmenkombinationen und lärmbedingte Betriebsbeschränkungen nur dann aufzuerlegen, wenn die zuständige Behörde anhand von Studien und Konsultationen feststellen konnte, dass ein Lärmproblem besteht und durch eine Betriebsbeschränkung kosteneffizient gelöst werden kann.“
Mit der EU-Richtlinie soll also im Ergebnis unter Kostengesichtspunkten abgewogen werden, welche Maßnahmen zum Lärmschutz zu berücksichtigen sind.
In der Begründung heißt es weiter, dass Betriebsbeschränkungen nur als letzte Möglichkeit zur Minderung festgestellter Lärmprobleme eingesetzt werden sollen.
Ihr Schutzbedürfnis muss also im Sinne des „ausgewogenen Ansatzes“ hintanstehen. Das kann nicht sein. Denn gerade Betriebsbeschränkungen ermöglichen erst einen wirksamen Lärmschutz, wie wir gerade aktuell im Zuge des vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof verfügten vorläufigen Nachtflugverbots feststellen konnten. Eine Aushebelung dieser Möglichkeiten durch die EU dürfen wir deshalb nicht zulassen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Im Sinne des Subsidiaritätsprinzips, wie es der Verordnungsentwurf auch zunächst richtig erkennt, fällt genau darüber eine Entscheidung nicht in die ausschließliche Zuständigkeit der EU, sondern die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten. Die Unterstellung, dass ein Regelungsbedarf auf EU-Ebene besteht, weil die Ziele – ich zitiere – „des Vorschlages allein nicht hinreichend von den Mitgliedstaaten verwirklicht werden können“, ist dagegen falsch, denn die Mitgliedstaaten verfügen über die rechtlichen Möglichkeiten, Lärmschutzmaßnahmen zu ergreifen. Die Notwendigkeit einer Harmonisierung zweifeln wir an und haben dementsprechend schon mit unseren Europaabgeordneten gesprochen.
Der EU-Vorschlag gehört nach unserer Auffassung vom Tisch. Nationales Recht muss im Sinne des Subsidiaritätsprinzips des Lissabonner Vertrags erhalten bleiben und darf nicht über sogenannte oder vorgeschobene Harmoniesierungsbestrebungen ausgehebelt werden. Von daher werden wir mit allen unseren Kräften gegen diese Verordnung vorgehen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema „Fluglärm“ am Flughafen Frankfurt/Main ist ein Paradebeispiel dafür, wie Politikverdrossenheit in der Gesellschaft entsteht. Der Bau der Startbahn West war mit der Zusage verbunden, es werde nie mehr eine Erweiterung am Flughafen Frankfurt/Main geben. Als die Notwendigkeit gesehen wurde, aus wirtschaftlichen Gründen eine Erweiterung des Flughafens vorzunehmen, ist das im Mediationsverfahren mit der festen Zusage verbunden gewesen: Wenn diese Landebahn eingeweiht wird, wird es nie mehr zu Nachtflügen kommen.
Die Menschen haben erleben müssen, dass erneut Zusagen nicht eingehalten wurden und Nachtflüge von der hessischen Landesregierung genehmigt wurden.
Als deutlich wurde, dass eine solche Nachtflugerlaubnis rechtlich problematisch ist, als klar wurde – die Entscheidung ist gefallen –, dass das höchste hessische Gericht eine solche Nachtflugerlaubnis für rechtswidrig erklärt hat, mussten die Menschen in der Region zur Kenntnis nehmen, dass diejenigen, die Lobbyismus für Airlines betreiben, für den Flughafenbetreiber offensichtlich bessere Möglichkeiten haben. Denn ihnen ist es gelungen, dass im Koalitionsvertrag von CDU und FDP im Bund geregelt war: Wir wollen das Luftverkehrsgesetz mit der Zielrichtung ändern, dass wirtschaftliche Interessen im Interesse von Airlines und Flughafenbetreibern stärker gewertet werden müssen. – Das war eine erneute Enttäuschung für die Menschen in dieser Region.
Jetzt hatten die Menschen die berechtigte Hoffnung, ihnen werde es gelingen, dieses Nachtflugverbot durchzusetzen. Nachdem erneut das höchste hessische Gericht im Eilverfahren ein Nachtflugverbot durchgesetzt hat, müssen diese Menschen zur Kenntnis nehmen, dass offensichtlich die Lobbyisten wieder stärkere Möglichkeiten hatten, weil auf europäischer Ebene die Richtlinie in eine Verordnung umgewandelt werden soll, die die Möglichkeit hat, dass von Nationalstaaten festgesetzte Beschränkungen des Luftverkehrs im Interesse der Menschen, um weniger Lärmbelastung zu erreichen, ausgesetzt werden können. Es ist vom Grunde her er
neut ein Skandal, dass Sie die Interessen der Menschen vor Fluglärm den wirtschaftlichen Interessen gegenüber erneut zurückstellen müssen. Dem muss endlich ein Ende gesetzt werden.
Ich glaube, dass die Positionierung der Landesregierung vollkommen klar ist. Mir ist aber nicht klar, wie die Positionierung einer Bundesregierung ist, deren Koalitionsvereinbarung dieselbe Intention hat wie die Verordnung, die in Europa auf den Weg gebracht werden soll. Deswegen muss diese Bundesregierung glaubwürdige Taten auf den Weg bringen, um gegen diese Verordnung vorzugehen und einseitige Beschränkungen des Luftverkehrs wieder aufzuheben. Wir wollen, dass die Interessen der Menschen gleichwertig mit wirtschaftlichen Interessen gesehen werden.
Deswegen war es richtig, das heute hier zu thematisieren. Wir hoffen, dass endlich glaubwürdige Signale auch von der hessischen Seite kommen.
Ein Radiogespräch zwischen den beiden Fraktionsvorsitzenden im hessischen Landtag, Herrn SchäferGümbel und Herrn Wagner, ist vom Grunde her empörend gewesen. Herr Wagner hat dort dargelegt, die CDU sei ein nachhaltiger Verfechter eines Nachtflugverbots am Flughafen Frankfurt/Main und
ihre Taktik sei, gegen das Flugverbot Revision einzulegen, um damit Rechtssicherheit für das Flugverbot zu erreichen.
Meine Damen und Herren, man sollte von hessischer Seite aufhören, die Menschen für dumm zu verkaufen.
Deswegen hoffe ich, dass den Worten, die jetzt langsam von der Hessischen Landesregierung kommen, auch glaubwürdige Taten folgen. Eine glaubwürdige Tat wäre, endlich die Revision gegen das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs zurückzunehmen. Dann gibt es Rechtsklarheit, dass nachts nicht mehr geflogen werden kann. Das wäre ein erster wichtiger Schritt, um Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen.
Meine Damen und Herren! Bevor Minister Lewentz für die Landesregierung Stellung nehmen wird, will ich Ihnen die Geschäftsordnung, die wir beim letzten Mal geändert haben, kurz ins Gedächtnis rufen, weil es Veränderungen gibt, und zwar für beide Seiten, für Parla
ment und Landesregierung: Nimmt die Landesregierung eine verlängerte Redezeit von mehr als sieben Minuten in Anspruch – die Landesregierung spricht bei solchen Kurzdebatten jetzt genauso lange wie die Fraktionen –, gilt Folgendes: Den Fraktionen der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN steht die Überschreitung insgesamt zu gleichen Teilen zu. Wurde das Verfahren von allen Seiten verstanden? – Das ist der Fall.
Sehr geehrter Herr Präsident! Ich hoffe, ich habe die Regelung verstanden. Ich habe sie jedenfalls gelesen. Ich möchte mich auch bei Ihnen herzlich bedanken, dass Sie ein bisschen den Schwung aus der Debatte genommen haben, wobei diese Debatte viel Schwung verdient.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin allen drei Fraktionen sehr dankbar, dass sie die grundsätzliche Linie unserer Landesregierung mit ihren Aussagen unterstützen.
Herr Fraktionsvorsitzender Hering, ich möchte nicht das kommentieren, was Sie im Radio gehört haben. Das scheint mir nicht stringent zu sein. Das hat wahrscheinlich etwas mit einer Oberbürgermeisterwahl in Frankfurt und vor allem mit dem zu tun, was Herr Köbler angesprochen hat. Ich habe Sie auch schon dort gesehen. Das hat etwas mit dem massiven Bürgerprotest zu tun. Woher kommt dieser?
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir müssen feststellen, dass der Fluglärm über Rheinhessen und Mainz nach Inbetriebnahme der neuen Landebahn Nordwest im Oktober des vergangenen Jahres ein Ausmaß angenommen hat, das von der betroffenen Bevölkerung nicht mehr akzeptiert wird. Dafür gibt es drei Gründe, und zwar erstens die neuen Anflugrouten, zweitens die neuen Abflugrouten auf der sogenannten Südumfliegung und drittens die niedrige Flughöhe. An sonnigen Tagen hat man, wenn man in der Stadt unterwegs ist, das Gefühl, man könne die Flugzeuge vom Himmel pflücken.
Meine Damen und Herren, die Luftverkehrswirtschaft muss mit allen Beteiligten akzeptieren, dass das so nicht gehen kann. Deswegen bin ich froh, dass der Verwaltungsgerichtshof in Kassel so entschieden hat. Ich hoffe, dass auch das Bundesverwaltungsgericht dies dementsprechend beschließen wird.
Meine Damen und Herren, Herr Reichel hat eben einen Artikel der „Mainzer Rhein-Zeitung“ angesprochen, in dem es darum geht, ob die EU das Nachtflugverbot aushebelt. Wir vermuten, dass solche Gedanken dahinterstehen könnten. Von einer Vertreterin der Initiative Fluglärm in Rheinhessen ist die schöne Aussage getroffen worden: „Das ist Lobbyarbeit pur und zeigt, was die Luftfahrt alles in Bewegung setzen kann, um ihre Ziele zu erreichen.“ – Wir müssen mit all unseren Möglichkeiten dagegenhalten.
1. die rheinland-pfälzische Landesregierung mit einer klaren Haltung – wir lehnen diese Verordnung ab –, 2. die Hessische Landesregierung – wir sind einmal gespannt, wie sich diese verhalten wird – und weitere Landesregierungen und 3. die Bundesregierung.
Wenn man sich die Diskussionen der letzten zwei Jahre anschaut, wäre es nach meiner Einschätzung die vornehmste Aufgabe der Bundesregierung gewesen, die Richtlinie so zu nutzen, wie sie als Angebot zunächst einmal aus Europa zu uns gekommen ist, nämlich diese in nationales Recht umzusetzen und dieses so auszugestalten, dass es ein Schutz für die Bevölkerung gewesen wäre. Stattdessen hat die Frau Bundeskanzlerin persönlich die Nordwest-Landebahn eröffnet und damit ein fatales Signal gesetzt. Mir fällt es jedenfalls sehr schwer, jetzt auf die Bundesregierung zu hoffen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, dem Lärmschutz dienen alle unsere Unternehmungen, und zwar Gutachten, Bundesratsinitiativen, Lärmmessungen – diese liegen in Ihrem Verantwortungsbereich, Frau
Höfken – und vieles mehr. Die Landesregierung unterstützt auch Klagen der Kommunen. Wir nutzen die Möglichkeiten, die wir haben. Wir brauchen Verbündete. Mit Blick auf den Flughafen Rhein-Main geht das mit der Hessischen Landesregierung los. Vielleicht ist der Druck der Straße oder die OB-Wahl in Frankfurt geeignet, das eine oder andere zu verändern.
Wir sind mit unseren Initiativen auch auf der Bundesebene unterwegs. Ich bin meiner Kollegin, Frau Höfken, für das direkte und unmittelbare Gespräch in Brüssel sehr dankbar. Dieses wird seinen Eindruck hinterlassen haben.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Diese Verordnung heißt wörtlich – man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen –: „Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Regeln und Verfahren für lärmbedingte Betriebsbeschränkungen auf Flughäfen der Union im Rahmen eines ausgewogenen Ansatzes (…)“ Wie schon mehrfach berichtet, liest sich das zwar erst einmal gut, aber der Teufel steckt im Detail.