Protokoll der Sitzung vom 18.01.2012

Beschlussempfehlung des Innenausschusses

Drucksache 16/795 –

Als Berichterstatter erteile ich Herrn Kollegen Hüttner das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Gesetzentwurf der CDU-Fraktion zur Änderung des Landesverfassungsschutzgesetzes – Drucksache 16/647 – sowie der Antrag – Drucksache 16/649 – wurden am 8. Dezember 2011 im Plenum beraten und an den zuständigen Innenausschuss überwiesen.

Beide Anträge wurden sodann in der 8. Sitzung des Innenausschusses am 10. Januar 2012 beraten. Der Ausschuss hat die Ablehnung beider Anträge empfohlen.

Vielen Dank, Herr Kollege Hüttner.

Das Wort hat nun Herr Kollege Schneiders von der CDU-Fraktion. Es wurde eine Grundredezeit von je zehn Minuten pro Fraktion vereinbart.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Als ich vor wenigen Tagen dem Pressespiegel die Meldungen entnahm, rechte Gewalt leicht angestiegen, Polizeistatistik, Bericht des Innenministers, hatte ich die gute Hoffnung, dass die Parlamentsdebatte heute zu einer Einsicht führen würde und Sie vielleicht sowohl der Änderung des Landesverfassungsschutzgesetzes als auch unserem Antrag zustimmen würden. – Leider muss ich feststellen, dass Sie nach der Sitzung des federführenden Innenausschusses beide Anträge abgelehnt haben, so wie Sie dies bereits am 8. Dezember angekündigt haben. Also frage ich mich, weshalb ich mit Ihnen überhaupt noch diskutiere; aber vielleicht macht es ja doch Sinn, Ihnen noch einmal zu verdeutlichen, was wir mit dem Gesetz wollen.

(Ministerpräsident Beck: Sie müssen ja nicht! Es zwingt Sie doch keiner!)

Herr Ministerpräsident, auch Sie sollten vielleicht noch einmal hören, was wir mit der Änderung bezwecken.

(Ministerpräsident Beck: Aber es zwingt Sie doch keiner, mit uns zu debattieren! Lassen Sie es doch, wenn Sie nicht wollen!)

Meine Damen und Herren, unser Gesetzentwurf zur Änderung des Landesverfassungsschutzgesetzes dient folgerichtig, nach all dem, was wir zuletzt gesagt haben, der Stärkung der parlamentarischen Kontrollbefugnis. Die derzeitige Regelung einer Berichtspflicht des zuständigen Ministers wird diesen Anforderungen nicht gerecht, jedenfalls nicht in ausreichendem Maße. Das hat er zuletzt sogar freiwillig gezeigt. Man hat nach den Vorkommnissen berichtet.

Aber sich darauf zu berufen, es sei zu viel verlangt, im Gesetz festzulegen, dass man mindestens vier Mal im Jahr berichtet, finde ich dann doch wieder ein wenig gegenläufig und nicht konsequent; denn wenn man bereit ist zu berichten, kann man dies auch tun, wenn es im Gesetz steht.

Zu Ihrem Argument, jedes Kommissionsmitglied habe die Möglichkeit, einen Antrag zu stellen, kann ich nur noch einmal wiederholen, was ich schon im Dezember gesagt habe: Sie als Verfassungsschutzminister sitzen an der Quelle der Information. – Woher soll das einzelne Kommissionsmitglied wissen, wann der Zeitpunkt gekommen ist, etwas abzufragen? – Die Verpflichtung, die das Gesetz dann beinhalten würde, ist notwendig, und deshalb sollte § 21 dahin gehend geändert werden, dass der Minister die Parlamentarische Kontrollkommission mindestens viermal jährlich umfassend unterrichten muss. In einem neuen Satz 3 in § 21 Abs. 1 soll er darüber hinaus verpflichtet werden, auch anlassbezogen zu berichten.

Meine Damen und Herren, in § 12 Abs. 3 soll sichergestellt werden, dass gespeicherte personenbezogene Daten, soweit sie nicht nach dem Gesetz im festgelegten Fristzeitraum gelöscht werden, nur im Einvernehmen mit der Parlamentarischen Kontrollkommission und nicht lediglich aufgrund einer Entscheidung des Leiters des Verfassungsschutzes im Einzelfall gespeichert werden dürfen.

Meine Damen und Herren, dies muss auch im Sinne von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sein – ich glaube, ich habe es auch beim letzten Mal schon erwähnt –, denken Sie in diesem Zusammenhang doch nur einmal an Ihre Haltung zur Vorratsdatenspeicherung.

Meine Damen und Herren, in dem Antrag – um es noch einmal zu sagen – sind Punkte enthalten, die teilweise – darauf haben Sie hingewiesen – zu Recht bereits in der Umsetzung befindlich sind. Aber es kann nur im Interesse des gesamten Parlaments sein, dass alle Akten, die sich mit rechtsextremen Straftaten befassen, umfassend geprüft werden und – insbesondere in der Verbindung zu Rheinland-Pfalz – das Umfeld durchleuchtet wird. Es kann auch nur im Interesse des gesamten Parlaments sein, dass dabei mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz und dem Bundeskriminalamt kooperiert wird, im Verbund mit Bund und Ländern aufgeklärt wird und man sich an einer gemeinsamen Konzeption beteiligt.

Meine Damen und Herren, es sollte unser aller Interesse sein, dass rechtsextremistische und neonazistische Kameradschaften in die Überprüfung mit einbezogen werden, wir mit einer Änderung des Gesetzes diese

Schritte für die Zukunft garantieren und wir mit einem Maßnahmenkatalog aus unserem Antrag einen Beitrag dazu leisten. Dazu wollte ich Sie noch einmal aufrufen, auch wenn Sie in der Vergangenheit gegensätzliche Erklärungen abgegeben haben. Lassen Sie es sich noch einmal durch den Kopf gehen, und stimmen Sie zu!

(Beifall der CDU)

Das Wort hat nun Herr Kollege Carsten Pörksen von der SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Schneiders, wenn Sie heute ein einziges Argument vorgetragen hätten, das das ergänzt hätte, was Sie in der Sitzung im Dezember gesagt haben, dann könnte ich es mir noch einmal überlegen. Aber da Sie weder im Ausschuss noch heute in Ihrer Rede ein Argument vorgetragen haben, das das begründen könnte, was Sie wollen, glaube ich nicht, dass Sie von uns erwarten können, dass wir von unserer Auffassung abweichen.

Sie haben die Vorkommnisse der letzten Tage angesprochen. Ich nehme an, dass Sie die Nazi

Demonstrationen in den drei Städten gemeint haben, bei denen sehr deutlich geworden ist, wie die Bevölkerung zu diesen Fragen steht und dass sie diesen braunen Spuk auch schnell wieder davongejagt hat, so deutlich möchte ich das sagen. Ich glaube, das steht in keinerlei Bezug zu dem, was Sie gesetzlich fordern. Was hat die PKK mit der Frage der Nazi-Aufmärsche zu tun? Also wirklich, wenn man diesen Schluss zieht, dann gaukelt man den Menschen ein Bild vor, das überhaupt nicht vorhanden ist. Das sollten wir alle gemeinsam nicht tun. Keiner unterstellt Ihnen, dass Sie nicht genau wie wir gegen diese rechten Tendenzen sind. Das unterstellt Ihnen keiner.

Was die Aufbewahrungsfristen betrifft, so können Sie heute jederzeit den Antrag stellen, dass diese verlängert werden, wenn Sie meinen, es sei erforderlich.

Es ist deswegen am besten, man verweist auf das, was man vor vier Wochen gesagt hat. Da wir hier nicht die Möglichkeit des Bundestages haben, die Reden zu Protokoll zu gebe, denke ich, muss man noch einige Worte sagen, und zwar weniger zu Ihren Anträgen – also zu dem Gesetzentwurf und dem Antrag –, sondern allgemein. Wie gesagt, bei den Beratungen hat sich nichts herauskristallisiert, das uns veranlassen könnte, jetzt heute hier über einen Gesetzesantrag zu entscheiden. Wir beschäftigen uns doch in Deutschland nicht mit der Frage, ob die PKK in Rheinland-Pfalz zweimal oder viermal im Jahr gesetzlich tagen muss. Das ist doch überhaupt nicht das Problem, das wir haben.

Ich bin froh, dass man gestern oder wann auch immer die Entscheidung getroffen hat, das Unwort des Jahres zu wählen. Ich halte es für eine sehr, sehr weise Entscheidung, weil es deutlich macht, wie man bei solchen Dingen einen Missgriff machen kann.

Was hat dieser Begriff insinuiert? Er hat doch so getan, als ob diejenigen, die umgebracht worden sind, noch ihre eigenen Mörder waren oder aus den Kreisen gekommen sein sollen. Das ist etwas ganz Schreckliches. Ich glaube, wir müssen uns alle an die eigene Nase fassen und uns davor hüten, solche Begriffe zu prägen. Das gilt für uns, das gilt für Sie, das gilt aber auch für die Medien, die in besonderer Weise eine Verantwortung tragen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben uns nicht immer anzuprangern, sondern sie haben auch eine Verantwortung. Ich möchte auch deutlich sagen, ich finde, der Kommentar heute in der „Allgemeinen Zeitung“ war genau der richtige in dieser Frage. Ich finde, auf diesem Weg sollten wir weitergehen.

Wenn wir uns mit Rechtsradikalismus und Rechtsterrorismus auseinandersetzen, so brauchen wir heute doch nur vor die Tür hier draußen oder in das Foyer zu gehen. Dort können wir feststellen, was es bedeutet, wenn rechte Tendenzen wieder salonfähig werden. Gegen solche Dinge müssen wir uns wehren.

Vor diesem Hintergrund macht die Diskussion heute einen Sinn, weil wir hier deutlich machen können, wir dulden in unserem Land solche Tendenzen nicht, nirgendwo, weder im Osten noch im Westen noch im Süden noch im Norden.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dabei ist es wichtig – das sollten wir heute auch ansprechen –, uns in Berlin, wo jetzt der Untersuchungsausschuss antritt – so meine Informationen –, davor zu hüten, diesen gegenseitig zur Klagemauer zu machen. Wir sollten uns vielmehr dort darum sorgen, wo etwas falsch in welchen Behörden gelaufen ist, um das dann gegebenenfalls durch gesetzliche Veränderungen zu verhindern versuchen, aber nicht heute ein Gesetz ändern und dann schauen, wo die Ursachen für solche Dinge liegen. Ich glaube, das ist der völlig falsche Weg, den wir nicht beschreiten wollen.

Ich halte es auch fast für einen unmöglichen Vorgang – das wird sich möglicherweise noch verschärfen –, wenn in Sachsen die PKK, Herr Kollege Schneiders, erwartet, dass der Bundesverfassungsschutz, der eine Untersuchung durchgeführt hat, Einblick in die Unterlagen gibt, und dann der Bundesverfassungsschutz sagt: Nein, das darfst du nicht. – Wie will dieser Verfassungsschutz erwarten, dass der Verfassungsschutz in den Ländern sagt, aber du kannst in alle unsere Akten hineinsehen? Ich denke, so dürfen wir das Thema nicht angehen.

Wir müssen alle Unterlagen in den entsprechenden Gremien offen auf den Tisch legen, um dann zu überlegen, was falsch ist.

Eines dürfen wir wirklich nicht: Wir dürfen es nicht mehr dazu kommen lassen, dass an uns vorbei, ohne dass wir es merken, solche Dinge passieren, wie sie passiert sind. Wir haben auch darauf schon hingewiesen, die

Weltöffentlichkeit schaut zu Recht auf uns. Ich glaube, wir haben alle gemeinsam eine hohe Verantwortung. Deswegen sollten wir uns nicht so – ich sage es einmal etwas despektierlich – mit Nebenkriegsschauplätzen beschäftigen, sondern mit der Sache selbst. Da haben wir noch einen sehr weiten Weg vor uns.

Wenn man von Rechtsterrorismus spricht, so muss ich sagen, der Linksterrorismus ist genauso schlimm. Da möchte ich überhaupt keine Abstriche in dieser Frage machen. Ich habe einmal einen Spruch gehört: Man kann so weit links sein, dass man rechts wieder herauskommt. – Es gibt einen Rechtsanwalt, der genau diesen Weg gelaufen ist. Ich denke, auch da sind wir uns in dieser Frage sehr einig.

Lassen Sie uns gemeinsam über die Frage, wie wir diese Art des Terrorismus bekämpfen, Gedanken machen. Dann können wir auch über Gesetzesänderungen reden. Heute nicht.

Danke schön.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Frau Brede-Hoffmann, SPD: Sehr gut, Herr Kollege!)

Ich erteile Frau Kollegin Raue für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin immer dafür, wenn man ein Gesetz ändern möchte, sich auch mit dem Gesetz selbst auseinanderzusetzen.

Unser Verfassungsschutzgesetz hat zum Zweck – so steht es in § 1 –, den Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und den Bestand und die Sicherheit des Bundes und der Länder zu gewährleisten. Diesen Schutz brauchen wir. Wir brauchen diesen Schutz nicht erst seit der rechtsextremistisch motivierten Mordserie.

Dass wir in Rheinland-Pfalz nicht auf einer Insel der Glückseligkeit leben, sollte allgemein bekannt sein. Wir haben hier die rechtsextreme „Unsterblichkeitsbewegung“. Wir haben das „Aktionsbüro Rhein-Neckar“, das „Aktionsbündnis Mittelrhein“. Sie alle sind hier in Rheinland-Pfalz aktiv.

Wir brauchen einen aktiven Verfassungsschutz. Unser Verfassungsschutz leistet eine gute Aufklärungsarbeit.

Der Schutz der freiheitlich demokratischen Grundordnung soll gewährleistet werden. Es gibt derzeit keinen Befund, dass unser Landesverfassungsschutzgesetz kein taugliches Mittel wäre, diesen Schutz zu gewährleisten. Verfassungsschutz muss umfassend parlamentarisch kontrolliert werden, so fordern Sie. Selbstverständlich muss er das. Aber ebenso wenig gibt es den

Befund, dass diese Kontrolle zurzeit nicht gewährleistet wäre.

Wenn wir dieses Gesetz ändern, dann, nachdem wir es vorher umfänglich ausgewertet und diskutiert haben. Wenn wir dieses Gesetz ändern, dann, nachdem es evaluiert worden ist und nachdem wir uns alle Vorschriften darin angeschaut haben, uns nicht nur punktuell Aufbewahrungsvorschriften oder die Einberufung der PKK herausgreifen.