Protokoll der Sitzung vom 03.05.2012

Die Verbraucher können mit ihrem Verhalten den Markt beeinflussen, und das ist sehr wichtig.

In Berlin auf Bundesebene ist eine Sachverständigenanhörung durchgeführt worden, die gezeigt hat, dass diese Aufgabe nur dann gelöst werden kann, wenn alle ent

lang der Produktionskette – vom Verbraucher bis zum Handel – bereit sind, umzudenken und ihr Verhalten zu ändern. Das ist auch unser Ansatz.

(Beifall der CDU)

Meine Damen und Herren, es geht darum, dass die Wertschätzung für Lebensmittel wieder wachsen muss. Dieses Problem sehen wir schon seit Jahren, und nun wurde es uns mit der Studie auch sehr deutlich vor Augen geführt. Eines ist dabei ganz klar: Aufklärung und Verbraucherbildung sind wichtige Bausteine, um zu diesem Ziel zu gelangen. Ich möchte in diesem Zusammenhang auf unsere Initiative verweisen, die schon in der vergangenen Legislaturperiode im Landtag beschlossen wurde, wonach Gesundheits- und Haushaltsmanagement an den Schulen fest verankert und als Schulfach eingerichtet werden soll. Wir wollten erreichen, dass der richtige Umgang mit Lebensmitteln und die Bedeutung von Ernährung für jeden einzelnen Menschen gezielt an den Schulen gelehrt werden, und zwar für Jungen wie auch für Mädchen. Es wurden Richtlinien dazu herausgebracht, und nun geht es darum, dass wir diese Richtlinien auch umsetzen müssen. Sie dürfen nicht nur auf dem Papier stehen, sondern müssen in den Schulen tatsächlich auch greifen. Dazu sollten wir alle Anstrengungen unternehmen.

Hilfreich in diesem Zusammenhang ist – dies ist unsere feste Überzeugung –, dass ein Dialog zwischen allen Beteiligten zustande kommen muss, um dieses Thema einer Lösung zuzuführen.

Wir schlagen deshalb vor und werden dies auch im Ausschuss beantragen, dass wir eine Anhörung auf Länderebene durchführen, um zu sehen, wie dieser Dialog gelingen kann und welche geltenden Normen überhaupt zu überprüfen und gegebenenfalls zu ändern sind. Wie kann eine Aufklärungsarbeit vorgenommen werden? Wie sieht es mit den Richtlinien aus, damit an den Schulen auch eine Hilfestellung dafür geleistet werden kann?

Deswegen schlagen wir auch vor, dass die beiden Anträge an den Ausschuss überwiesen werden. Ich glaube, in diesem Punkt gibt es schon Übereinkunft seitens der Fraktionen. Wir werden dann auch gerne beantragen, dass wir dazu eine Anhörung durchführen.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Schäfer. Für die SPDFraktion erteile ich Frau Kollegin Simon das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Film „Taste the Waste“ hat eigentlich den öffentlichen Blick auf das Thema „Lebensmittelverschwendung“ gelenkt und eine Diskussion auf allen

Ebenen, von der Europäischen Union bis vor Ort, forciert. Ich denke, in diesem Bereich sind wir uns in vielem einig, dass das Thema „Lebensmittelverschwendung“ so nicht weitergehen kann und wir uns dann im Ausschuss darüber auch unterhalten können, wo wir einige Dinge gemeinsam auf den Weg bringen können.

Unser Antrag zeigt auch, dass einiges schon auf den Weg gebracht wurde, aber auch eine umfassende Strategie gegen Lebensmittelverschwendung erforderlich ist. Von der Landwirtschaft über lebensmittelverarbeitende Betriebe, Handel bis zum Verbraucher müssen wir unsere Abläufe überdenken.

Ein Bereich, den wir auch als Abgeordnete selbst vor Ort beeinflussen können, ist diese Sensibilisierung der Verbraucherinnen und Verbraucher, dass wir zum Beispiel einen Einkaufszettel schreiben, um Spontankäufe zu vermeiden. Jeder kann sich vorstellen, wenn er in den Supermarkt geht und das tolle Angebot sieht, dass man doch das eine oder andere mehr in den Einkaufskorb legt, als man vielleicht braucht, und dies zu Hause dann doch in der hinteren Ecke des Kühlschranks landet.

Des Weiteren kennen wir das auch noch von der Oma. Wenn wir heute etwas gekocht haben und es wird nicht so viel gegessen, dann werden die Essensreste in den Müll geworfen. Auch hier kann man vielleicht wieder dafür sensibilisieren, dass man solche Reste durchaus wieder weiterverwenden und zu anderen Gerichten verarbeiten kann.

Es gibt viele Kochsendungen im Fernsehen. Ich kann mir vorstellen, dass es nicht nur Tipps gibt, wie ich ganz teure Gerichte zubereiten kann, sondern auch solche Tipps dabei sind. Dies alles dient der Verbraucherbildung, wie Frau Schäfer das eben gesagt hat. Das ist ein Thema, den Verbrauchern Lebensmittel wieder näherzubringen.

Die Entfremdung von Lebensmitteln auch durch Fertigprodukte ist ein Thema. Es ist unser Bezug zu diesen Lebensmitteln verloren gegangen, die hier hergestellt werden.

In ländlichen Gegenden ist das weniger der Fall. Da ist die Verbundenheit noch eher vorhanden. Es gilt also, Modelle zu entwickeln, um Verbrauchern landwirtschaftliche Produkte wieder näherzubringen.

Ich kenne das aus meinem Ort. Dort gibt es eine Grundschule, die eine Kooperation mit einem Kleingartenbauverein eingegangen ist. Die Schüler dürfen von der Grundschule aus einen kleinen Garten betreuen. Die Kleingärtner unterstützen das, sodass die Kinder wieder einen direkten Bezug zu dem Obst und dem Gemüse erhalten und sehen, wie es wächst. Dadurch sehen sie auch, dass Obst und Gemüse andere Wuchsformen haben können, als das, was im Handel angeboten wird. Vor allen Dingen sollte da der Geschmack im Vordergrund stehen und nicht das Aussehen.

Wie Herr Johnen schon gesagt hat, die Normierung von Obst und Gemüse sorgt für Vernichtung von Lebensmitteln, da der Handel aus Verpackungsgründen nicht normgerechte Ware gar nicht abnimmt. Hier bildet auch

die regionale Vermarktung eine Chance, weil die Verpackungen geändert werden können und die kurzen Wege auch die Verderblichkeit einschränken.

Außerdem können die Handelsfirmen durch die Umstellung ihrer Konzepte auf Regionales, aber auch Abgabe von Lebensmitteln vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums an soziale Einrichtungen dies positiv beeinflussen.

Aus meiner Sicht sollten wir uns auch verstärkt den Begriffen „Mindesthaltbarkeitsdatum“, „Verbrauchsdatum“ und „Produktionsdatum“ zuwenden. Die meisten werfen diese Begriffe durcheinander. Mindesthaltbarkeitsdatum bedeutet, dass eine Gütegarantie des Herstellers vorhanden ist, dass bis zu diesem Datum das Optimale in diesem Produkt zu finden ist, das heißt also, Geschmack und alles andere im optimalen Bereich ist.

Ein Verbrauchsdatum hingegen ist ein regelrechtes Verfallsdatum. Das heißt, danach soll es nicht mehr verbraucht werden.

Ein Produktionsdatum ist die dritte Variante. Dies führt natürlich zu Verwirrungen. Es gibt mittlerweile auch die Idee, dem Verbraucher die Unterschiede mit verschiedenen Farben beim Datum auf den ersten Blick zu signalisieren.

Völlig unverständlich ist mir zum Beispiel, warum bei Salz oder Mineralwasser überhaupt ein Datum angebracht wird, da diese Lebensmittel nicht verfallen. Dies war nur ein Ausschnitt zu diesem Thema.

Frau Schäfer ist auf eine Studie eingegangen, die in Stuttgart von der Universität durchgeführt wurde. Sie sagte, die 61 % würden von den Verbrauchern in den Müll geworfen werden. Mir ist bekannt, dass bei dieser Studie zum Beispiel die Landwirtschaft gar nicht mit einbezogen wurde. Da sollte man die Zahlen vielleicht noch etwas relativieren. Auch wurde bei der Studie sehr viel hochgerechnet, sodass es keine effektiven Zahlen sind. Darüber müssten wir vielleicht im Ausschuss noch einmal sprechen.

(Glocke der Präsidentin)

Die Verbraucherzentralen machen entsprechende Bildungsangebote für Kitas und Schulen und Ernährungsberatung und Verbrauchertipps. Der Idee, das Ganze im Ausschuss näher zu diskutieren und vielleicht zu einem gemeinsamen Antrag zu kommen,

(Glocke der Präsidentin)

kann ich mich anschließen. Ich bitte darum, dafür im Ausschuss zu werben.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. Für die Landesregierung erteile ich nun Frau Ministerin Höfken das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordnete und Gäste! Frau Simon hat gerade schon zu Recht darauf hingewiesen, es war der Film „Taste the Waste“ von Valentin Thurn und anderen, der dieses Thema aufgegriffen und in die Öffentlichkeit gebracht hat, und nicht die Studie von Frau Aigner. Das Thema ist insofern ungeheuer brisant und hat auch eine enorme Sprengkraft, weil es die agrarpolitische Orientierung gerade von CDU und FDP ganz massiv in Frage stellt.

Die Wachstumsideologie, die

(Frau Huth-Haage, CDU: O Gott!)

mit einer ganz erheblichen Orientierung und politischen Aktionen in Richtung Massentierhaltung und Produktionsintensivierung dahinter steht, wird im Prinzip durch die Frage und die Betrachtung dieses Themas der Lebensmittelverschwendung völlig konterkariert.

Allein wenn wir die Daten anschauen, sehen wir, ein Drittel der Lebensmittel landet im Müll, 11 Millionen Tonnen alleine in Deutschland. 500.000 Lastwagen, die man von Berlin bis Peking stellen könnte. Das macht deutlich, warum die ganze Gesellschaft, auch insbesondere die Kirchen, sich diesem Thema zuwenden.

(Frau Klöckner, CDU: Und Frau Aigner!)

Es sind ungefähr 240 Euro pro Kopf, das heißt 1.000 Euro pro Familie, die pro Jahr auf diese Art und Weise in den Müll wandern, eine Situation, die auch unter dem sozialen Gesichtspunkt kaum zu ertragen ist. Insbesondere ist aber natürlich die Frage der Welternährungssituation ganz wichtig in diesem Zusammenhang. Allein mit den Abfällen von EU und den westlichen Industrieländern könnten alle Hungernden dieser Welt ernährt werden. Das heißt, wir bräuchten nicht eine Intensivierung der Landwirtschaft und der Produktion, sondern wir brauchen so wie in der Energiepolitik einen anderen Umgang. Auch da tauchen die drei „E“ auf. Da geht es nämlich um Einsparen, um Effizienz, und es geht um Ernährungsbildung. Das muss die Grundlage einer neuen Agrar- und Ernährungspolitik sein.

Vor dem Hintergrund dessen, dass wir einen hohen Preis für diese unglaubliche Intensivierung zahlen, ergibt sich eine neue Agrarpolitik zwingend auch aus diesem Zusammenhang.

Umweltzerstörung, Wasser. Wir verbrauchen unsere Ressourcen für nichts und wieder nichts, also für die Tonne. Es hat jemand ausgerechnet – das finde ich ganz interessant –, allein die Lebensmittelverschwendung in den USA bewirkt so viel Wasserverbrauch wie 40 Billionen Liter, die einfach in den Abfluss fließen würden.

Es ist ein Ressourcenverbrauch, der dahinter steht. Die zweite Frage betrifft die Energie und die Düngemittel. Der Einsatz von Pestiziden ist zu nennen. All das ist völlig umsonst. Wir könnten zu einer ganz anderen Haltung und zu einem anderen Ressourcenverbrauch

kommen, wenn wir das Ganze wieder vom Kopf auf die Füße stellen und eine neue Ernährungs- und Agrarpolitik begründen.

Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU, das ist der Punkt, an dem ich Ihre konsequente Haltung wirklich vermisse. Ich finde es wichtig, die Verbraucher zu informieren. Eine millionenschwere Werbekampagne wäre vielleicht nicht nötig. Vielmehr muss es zum politischen Handeln kommen. Das sind dann nicht Verbrauchertipps. Es muss um eine Neuorientierung in den harten Politikbereichen gehen. Es ist den Verbraucherpolitikern unbenommen zu sagen, dass das eine wichtige Seite ist.

Wenn ich sage, wir müssen zu einer knallharten Neuorientierung kommen, dann meine ich damit eine Diskussion über die Gemeinsame Agrarpolitik, die Sie gerade in eine Richtung drehen wollen, die nicht nachhaltig ist. Dazu gehört eine neue Politik im Bereich Ernährung.

Ich will nur einen einzigen Bereich erwähnen. Das ist die Subventionierung der Außer-Haus-Verpflegung. Es ist absurd, eine 19 %ige Mehrwertsteuerbesteuerung bei der Schulernährung vorzunehmen, während die Fastfood-Angebote um die Ecke, Pommes, Pizza, die die Kinder kaufen, mit 7 % besteuert werden. Das ist ein Anreiz für Verschwendung und für einen unglaublichen Ressourcenverbrauch. Es muss dahin gehen, solche Ansätze zu diskutieren.

Beim Bereich Ernährungsbildung wird ganz deutlich, dass das, was Sie mit Ihrem Antrag wollen, dass Ihre Initiative aus der letzten Legislaturperiode umgesetzt wird, in vollem Gange ist.

Ich glaube, wir müssen uns Gedanken darüber machen, wie wir die Grundlagen der landwirtschaftlichen Erzeuger politisch auf eine neue Grundlage stellen. Wir müssen überlegen, wie wir dazu beitragen können, dass die Themen der Ernährungsaufklärung weitergetragen werden.

Wir starten eine Kindergartenkampagne. Frau Ahnen ist aktiv bei der Umsetzung der Richtlinie für eine bessere Information im Bildungsbereich. Wir werden mit der Schulobstkampagne bei jedem Stück Schulobst das Thema der Ernährungsbildung mit transportieren. Das ist für uns die Hauptaufgabe einer solchen Aktivität.