Protokoll der Sitzung vom 30.08.2012

Für die Landesregierung hat nun Innenminister Lewentz das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Schellhammer, Frau Kohnle-Gros, Herr Hüttner, herzlichen Dank. Ich glaube, wir haben heute gezeigt, dass wir eine gemeinsame Linie in dieser Frage haben. Es ist schon von allen drei Vorrednern erwähnt worden: Den 26 männlichen Angehörigen des Aktionsbüros Mittelrhein, also diesen Angeklagten, wird die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung bzw. die Unterstützung dieser oder die Beteiligung an Straftaten, die von Angehörigen der kriminellen Vereinigung begangen worden sind, zur Last gelegt. Hier gilt es also, Strukturen zu zerschlagen.

Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Koblenz umfasst mit Beweisschrift rund 800 Seiten. Diese 800 Seiten sind für mich ein eindrucksvolles Ergebnis für eine erfolgreiche Strategie der rheinland-pfälzischen Sicherheitsbehörden bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Vorredner haben es zum Ausdruck gebracht: Rechtsextremismus ist und bleibt die zentrale Herausforderung für Staat und Gesellschaft. Für die Landesregierung gilt: Wir stellen uns dieser Herausforderung, wie wir es bisher – ich nehme das für uns in Anspruch – erfolgreich getan haben.

Wenn man sich die Zahlen anschaut, sieht man, wir haben in Rheinland-Pfalz im Jahr 2011 insgesamt ein Personenpotenzial Rechtsextremismus von rund 700 Personen beobachtet, Gewaltbereite davon 160, Neonazis 230 und Mitglieder von Parteien etwa 350. Im letzten Jahr gab es insgesamt 32 Straftaten, 27 Körperverletzungen, eine Brandstiftung und vier andere Gewaltdelikte. Das sind die blanken Zahlen.

Deswegen gilt für alle Extremisten, auch für Rechtsextremisten: Keine Toleranz gegenüber der Intoleranz. Das ist unsere gemeinsame Haltung.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Wir gemeinsam dürfen nicht zulassen – und wir wollen es auch nicht –, dass sich Rechtsextremisten hier etablieren. Wenn man die rechte Szene beobachtet, weiß man, dass sie einem ständigen Wandel unterliegt. Sie wissen, dass es eine neue Partei gibt, die sich „Die Rechte“ nennt, gegründet am 27. Mai dieses Jahres. Sie positioniert sich nach eigenen Angaben – jetzt hören Sie zu; es ist eine Aussage von denen selbst – zwischen der „seriösen Radikalität“ der NPD und der „vordergründig auf Mäßigung bedachten“ Pro, etwa Pro-NRWBewegung.

Es gibt zwar noch keinen rheinland-pfälzischen Landesverband, aber diese Verbände werden überall gegründet. Wir werden es auch mit dieser Partei „Die Rechte“ zu tun bekommen. Im Übrigen war einer der Anmelder der rechtsextremistischen Organisation in Koblenz am 18. August der Parteivorsitzende dieser Rechtspartei.

Frau Schellhammer, Herr Hüttner, ich will hier die Möglichkeit ergreifen, Danke schön zu sagen. Die Demonstration in Koblenz war eindrucksvoll. Ich will dem Oberbürgermeister Herrn Professor Hofmann-Göttig, der Stadt, den Demonstranten, dem Deutschen Gewerkschaftsbund, der SPD, den GRÜNEN, dem BUND, dem Aktionsbündnis „Stolpersteine“ und vielen anderen, die mit aufgerufen haben, danken. Ich habe mich sehr gefreut, mit Frau Raue, Herrn Wiechmann, Herrn Klöckner, Herrn Winkler, Frau Nahles, Herrn Neuser viele Abgeordnete aus unseren Parlamenten dort getroffen zu haben. Ich glaube, wir haben unsere Aufgabe als Volksvertreter dort überzeugend und wahrnehmend durchgeführt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Strategie der Landesregierung mit den Säulen „umfassende Prävention, konsequentes Eingreifen, also null Toleranz gegenüber der Intoleranz, Hilfen für Menschen, die den Ausstieg suchen“ ist erfolgreich. Wir, die Landesregierung, treten dem Rechtsextremismus durch gezielte Ursachenbekämpfung und eine breit angelegte Präventionsarbeit bereits in den Ansätzen entgegen. Hierfür gilt: Die Bekämpfung des Rechtsextremismus ist Sache aller Ressorts in der Landesregierung und der ihnen angeschlossenen Behörden und nicht allein Aufgabe der Sicherheitsbehörden. Wir alle gemeinsam leisten einen Beitrag dazu, dass Rechtsextremisten hier nicht auf Dauer Fuß fassen können.

Die Präventionsarbeit – das ist angesprochen worden – hat seit Jahren innerhalb der Strategie der Landesregierung eine besondere Bedeutung. So gilt es, frühestmöglich anzusetzen, damit sich menschenverachtendes Gedankengut nicht schon in den Köpfen junger Menschen breitmacht. Die in Rheinland-Pfalz geschaffenen Strukturen mit der „Präventionsagentur gegen Rechtsextremismus“ haben sich bewährt.

Diese Präventionsagentur ist bewusst beim Verfassungsschutz angesiedelt. Ich will an der Stelle den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Verfassungsschutzes danken. Wir haben in Rheinland-Pfalz keinen Anteil an diesen Skandalen, wir sind kein Teil des Problems NSU.

Ich glaube, es macht Sinn, in den Ländern für einen starken Verfassungsschutz zu werben; denn wir kontrollieren hier über die Parlamentarische Kontrollkommission unseren Verfassungsschutz. Wenn man sieht, dass auch die Bundesregierung innerhalb des NSU-Komplexes eine nicht löbliche Rolle gespielt hat, so glaube ich, dass man mit Fug und Recht an der Stelle für föderale Verfassungsschutzorganisationen eintreten darf.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Präventionsagentur ist auch sehr intensiv in unseren Schulen unterwegs, arbeitet mit Bildungseinrichtungen, mit Jugendeinrichtungen, um zum Beispiel in den Schulen Prävention – „SIEH HIN!“ oder „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ – zu befördern. Es ist ganz wichtig, schon bei den jungen Menschen anzufangen, Bewusstsein aufzubauen.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Wenn man sich in der Bundesrepublik Deutschland unter dem Stichwort „NPD“ umschaut, dann hat man den Eindruck, dass es der NPD gelungen ist, im Osten und Nordosten unserer Republik teilweise als Kümmerer oder als Partei, die normal ist, wahrgenommen zu werden. Diese Partei ist nicht normal. Sie ist fremdenfeindlich, antidemokratisch, antisemitisch und muss deswegen – das ist meine feste Überzeugung – auch verboten werden.

(Beifall der SPD, des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Frau Klöckner, CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben bei der Aushebung des Aktionsbüros Mittelrhein auf den ersten Blick schon viele Verbindungen zur NPD feststellen können, Personen, die Kreisvorsitzende sind, und andere sind dort festgenommen worden. Wer die Bilder gesehen hat – ich will an der Stelle auch den Kollegen der Polizei in Nordrhein-Westfalen Danke schön sagen und ihnen ein Lob zollen –, was dort geschehen ist und gefunden wurde – Tausende von NPD-Plakaten und andere Dinge mehr –, der kann nicht übersehen, wie diese Verflechtung dieser Partei mit Extremisten, mit Rechtsextremisten ist.

Es ist angesprochen worden, die Bundesländer haben vereinbart, eine Materialsammlung zusammenzustellen. Bis zum 31. August dieses Jahres, also bis morgen, wird diese Materialsammlung abgeschlossen sein. Dann wird sie im BMI und in den Länderinnenministerien bewertet, und wir werden sie, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, der Ministerpräsidentenkonferenz und der Innenministerkonferenz vorlegen.

Ich glaube, wir werden allein aus diesen öffentlich zugänglichen Mitteln und mit den Dingen, die wir bei solchen Razzien, solchen Aushebungen von Extremisten und ihren Umfeldorganisationen gefunden haben, sehr genau nachweisen können, dass die NPD eine Partei ist, die nicht auf der Basis unserer demokratischen Verfassung steht.

Ich möchte mich abschließend noch einmal herzlich für diese große Übereinstimmung in dem Hohen Haus bedanken. Ich denke, wir tun gut daran, dies weiterhin so zu halten.

Herzlichen Dank.

(Beifall der SPD, des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Für die SPD-Fraktion hat noch einmal Herr Kollege Hüttner das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Frau Kohnle-Gros, ich fand es sehr gut, dass Sie vorhin das Thema der Geldzahlungen an die NPD angesprochen haben. Ich werde rasend, dass wir

Geld dafür zahlen, dass sie irgendwo kandidieren. Die sind nach meiner Meinung ausdrücklich verfassungsfeindlich – die Dokumente sind klar –, und wir bezahlen auch noch dafür. Da könnte ich platzen. Herzlichen Dank, dass Sie das angesprochen haben.

Ich finde es auch gut, dass Sie eine ganz andere Offenheit betreffend das NPD-Verbotsverfahren gezeigt haben. Ich sehe es auch so, dass sie verboten werden muss. Ich bin jedoch sicher, dass das mit dem Material, das hier zusammengetragen wird, und auch mit dem, was öffentlich ist, geschehen kann und man damit auch die Schranken des Bundesverfassungsgerichts locker einhalten kann. Viele Länder haben die V-Leute schon vor Jahren abgezogen, und damit hat man eine große Hürde genommen.

Das Thema „Rechtsextremismus“ wird uns weiter bewegen, nicht nur in diesem Zusammenhang. Allein in der Kriminalstatistik sehen Sie: Die Zahlen steigen – trotz aller Bemühungen – immer noch. Diese Bemühungen – der Innenminister ist eben in einigen Belangen bereits darauf eingegangen –, die in der Prävention geleistet werden, sind in Rheinland-Pfalz wahrscheinlich die besten und umfassendsten, die es in der Bundesrepublik gibt.

Der Innenminister hat einige davon genannt. Ich will noch ein paar andere nennen. Dazu gehören das Beratungsnetzwerk, die Elterninitiative gegen den Rechtsextremismus, das Netzwerk Courage, das bei der Gewerkschaft angesiedelt ist. Das sind die Programme mit „PiT“, „ProPP“ und „easy“, mit denen man in die Schulen geht usw.

Die Landeszentrale für politische Bildung leistet in diesem Zusammenhang viel Arbeit. Es ist nicht hoch genug zu würdigen, was dort geschieht.

Das Innenministerium selbst mit seinen Hinweisen an die Kommunen ist zu nennen. Es ist wichtig, dass ein Bürgermeister weiß, wie er handeln kann, wenn eine Demonstration angemeldet wird oder irgendwo eine Immobilie gekauft werden soll.

(Glocke der Präsidentin)

Lassen Sie uns in diesem Sinn so weiterfahren, dass wir erfolgreich gegen den Rechtsextremismus stehen.

Herzlichen Dank.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Herzlichen Dank. Es liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor.

Wir kommen zum dritten Thema der

AKTUELLEN STUNDE

„Haltung der Landesregierung zum Ankauf von Steuer-CDs zur Durchsetzung von mehr Steuergerechtigkeit“ auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 16/1551 –

Ich erteile Herrn Abgeordneten Steinbach das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Gäste, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir, die GRÜNEN, stehen zu einer konsequenten Bekämpfung der Steuerhinterziehung, und wir stehen für mehr Steuergerechtigkeit.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Zuruf des Abg. Baldauf, CDU)

Jährlich verlieren die öffentlichen Kassen in Deutschland zwischen 40 und 50 Milliarden Euro durch Steuerbetrug und -hinterziehung. Das ist kriminell und muss wirksam bekämpft werden, meine Damen und Herren.

Wenn wir von Steuerhinterziehung und -betrug reden, dann reden wir nicht vom falsch angegebenen Betrag bei der Werbekostenpauschale oder von falschen Kilometerangaben bei der Entfernungspauschale, nein, davon reden wir nicht. Steuerhinterziehung und -betrug wird im Wesentlichen von Personen begangen, die über große Vermögen und hohe Einkommen verfügen und sich mit der Hinterziehung ihrer gesamtgesellschaftlichen Verpflichtung entziehen. Das ist nicht hinnehmbar, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Hier geht es nicht um Pfennig- oder Centbeträge. Damit ist Steuerhinterziehung keinesfalls ein Kavaliersdelikt. Darum ist es eine rechtsstaatliche Verpflichtung, dem Steuerbetrug und der Steuerhinterziehung wirksam zu begegnen. Hier leistet die Steuerfahndung auch und insbesondere in Rheinland-Pfalz eine sehr hervorragende Arbeit, für die ich ganz herzlich danken möchte.

Damit ist es unsere Aufgabe als verantwortliche Politik, die Steuerverwaltung und ihre Tätigkeit wirksam zu unterstützen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Nach unserer Auffassung ist es absolut richtig, wenn Steuerpflichtige heimlich, still und leise ihr Vermögen ins Ausland transferieren und die Erträge nicht versteuern, dass Informationen beschafft werden, die eine Verfolgung dieser kriminellen Handlungsweisen ermöglichen.