Protokoll der Sitzung vom 08.11.2012

Ich schäme mich nicht dafür. Das sage ich Ihnen in aller Klarheit. Jetzt hoffe ich, dass niemand kommt und sagt, der Ministerpräsident begreift seine Aufgabe darin, Lichter auszumachen.

(Heiterkeit und Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nur, wenn man selbst nicht mit ordentlichem Beispiel vorangeht, können wir nicht den Menschen sagen, aber ihr solltet jetzt einmal richtig Energie sparen.

(Licht, CDU: Das ist noch unsere Generation! Die macht das noch so!)

Wie es hier im Parlament gehandhabt wird, dazu habe ich nichts zu sagen, da äußere ich mich nicht.

Meine Damen und Herren, noch ein Stichwort zu dem Thema „Netze“. Es gibt eine Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern, die auch am letzten Freitag getroffen wurde, dass bis Mitte des Jahres 2013 – die Frist aus meiner Sicht relativ lang zu wählen, hängt mit

der Bitte des Bundes zusammen, was ich gar nicht kritisiere, ich sage nur, dass nicht wir geschoben haben – diese Relationen der Stromerzeugung festgestellt werden.

Der Präsident der Bundesnetzagentur saß mit am Tisch und hat die Fakten dazu vorgetragen und auch aufgenommen, was jetzt an Auftrag ergeht. Dann werden wir auch wissen, wie die Verzahnungen miteinander sind. Das wird dann auch mit dem Land Rheinland-Pfalz und mit den anderen 15 Bundesländern verzahnt werden.

Zum Netzausbau selbst darf man vielleicht einmal das, was Frau Lemke an Daten genannt hat, festhalten. Wir kommen nicht voran. Es war nicht ganz ohne meine Beteiligung, dass es diesen Energiegipfel jedes Vierteljahr im Kanzleramt gibt. Bei dem letzten Bericht hat uns der Präsident der Bundesnetzagentur die gleichen Zahlen genannt, was den Ausbau von Hochspannungsnetzen und Fernleitungsnetzen angeht, wie diesmal.

Ich habe im Kanzleramt dann unter Zustimmung aller angeregt, dass wir bei der nächsten Runde einen Bericht bekommen, der jedes einzelne Teilstück betrachtet und aufzeigt, woran es hängt. Das können Probleme vor Ort sein, aber es können durchaus auch Probleme sein, die etwas mit Verfahren oder Ähnlichem zu tun haben. Ich finde, wir haben die Pflicht, uns das anzuschauen. Von Vierteljahr zu Vierteljahr zu sagen, wir sind nicht weitergekommen, was den Netzausbau angeht, ist nicht akzeptabel.

Erkennen wir aber doch bitte an, dass sowohl die Energiewirtschaft in unserem Land Rheinland-Pfalz als auch die Bürgerinnen und Bürger und alle, die für Genehmigungsverfahren zuständig waren und sind, offensichtlich in höchstem Maße effizient arbeiten. Wir haben gehört, rund zwei Drittel der Netzkapazitäten, die fertiggestellt sind, sind in Rheinland-Pfalz. Da dürfen wir doch einmal anerkennen, dass ordentliche und gute Arbeit geleistet worden ist. Warum muss das dann in einer Beschimpfungsorgie münden?

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, es ist doch ein klare Rangfolge erkennbar. Die Offshore-Onshore-Relation, was Ferntransporte von Stromenergie angeht, ist eine entscheidende Basis. Mitte 2013 werden wir aufgrund der Vorarbeiten, die der Bund unter Beteiligung der Länder leisten wird, die Zahlen endgültig abstimmen.

Zweiter Punkt. Es wird dann darum gehen, einige Investitionshemmnisse zu beseitigen. Darauf haben wir uns auch verständigt. Aufgrund der Unbundling-Regelungen der Europäischen Gemeinschaft sind Netze veräußert worden. Ein großes Teilnetz befindet sich in der Hand einer holländischen Firma, die teilweise in Staatsbesitz ist. Diese Firma erklärt, sie könne die Investitionen nicht stemmen. Aber davon können wir uns nicht abhängig machen. Also muss gefragt werden: Was sind berechtigte Investitionshemmnisse, und wo muss man von den Eignern, die sich schließlich um diese Aufgabe beworben haben, erwarten, dass sie investieren?

Deshalb geht es darum, Absicherungen für die OffshoreAnlagen zu schaffen, die – auch das ist in Deutschland Konsens – anders als zum Beispiel vor der schottischen Küste nicht relativ küstennah, sondern aus ökologischen und touristischen Gründen in relativ tiefen Gewässern gebaut werden. Dazu liegen keine ausreichenden technischen Erfahrungen vor. Die Vertreter der Unternehmen sagen: Dann investieren wir nicht; denn wir können das Risiko, falls es sich bewahrheitet, nicht allein tragen. – Seitens der öffentlichen Hand heißt es: Wir sind bereit, einen Teil des Risikos zu tragen. –

Das erfolgt über Bürgschaften und, machen wir uns nichts vor, auch über die Stromkosten. Schließlich wird nicht auf Dauer alles an der öffentlichen Hand hängen bleiben können. Ich hoffe, dass wir mit diesem Ansatz, auf dessen Grundlage jetzt die weiteren Gespräche mit den Vertretern der Energiewirtschaft, in diesem Fall vor allem mit den Vertretern der Leitungsausbauunternehmen, geführt werden, eine Lösung finden, um dieses Investitionshemmnis zu beseitigen.

Ich sage noch einmal: Weitere Anforderungen muss uns die Energiewirtschaft aber erfüllen. Zu sagen, das, was sie im Rahmen eines Ausschreibungswettbewerbs übernommen haben, sei zu teuer, ist nämlich zu wenig. Wenn das nicht funktionieren sollte, dann – nur dann, darin stimme ich Herrn Dr. Braun in seiner Grundaussage zu – muss man überlegen, ob man, möglicherweise auch unter staatlicher Beteiligung, ein Unternehmen gründet, das sicherstellt, dass die Stromversorgung in Deutschland nicht wegen mangelnden Netzausbaus infrage gestellt und damit die Energiewende ad absurdum geführt wird. Das sind einvernehmliche Punkte.

Dass, wie es Frau Lemke dargestellt hat, zuerst diese EnLAG-Projekte geplant werden müssen und dann die NABEG-Projekte, also die Nahversorgungs- und die regionalen Projekte, an die Reihe kommen, ist technisch nachvollziehbar. Insoweit kann man nicht sagen, wir seien da im Verzug.

Wir haben uns zu den Kraftwerken verständigt. Das ist eine Herausforderung. Wir haben neben der Problematik einer sicheren und bezahlbaren Energieversorgung nach wie vor die CO2-Problematik im Auge zu behalten. Deswegen sind wir, die Regierung, der Auffassung, dass wir dort, wo wir entscheiden können, die Energieversorgung für eine Übergangszeit und vielleicht noch darüber hinaus über Gaskraftwerke sicherstellen wollen. Andere Länder legen Wert darauf, dass sie ihre Kohle verstromen können.

Das ist, auch was die Größenordnungen betrifft, über die man sich noch klar werden muss, ein Kompromiss, der auch mit einer Finanzierungsantwort einhergehen muss; denn ein Kraftwerk, das nur bei einer Spitzennachfrage und einem gleichzeitigen Tal bei der Erzeugung zugeschaltet wird, wird sich am Markt nicht finanzieren. Wenn wir die Energiewende als Ganze wollen, werden wir bereit sein müssen, dies vielleicht über die eine oder andere Förderung beim Bau und bei den Investitionen, also über die öffentlichen Förderinstrumentarien, aber zu einem Teil aber auch über die Stromkosten zu finanzieren.

An dieser Stelle möchte ich dafür plädieren, dass wir, was sowohl die Unternehmen als auch die Bürger angeht, Energiekosten nicht gleich Energiekosten setzen; denn die Energiekosten sind, wenn ich das richtig im Kopf habe, in den letzten zehn Jahren um 120 % gestiegen. Das ist für jede Bürgerin und für jeden Bürger dramatisch und stellt auch eine riesengroße Herausforderung für die Wirtschaft dar. Aber, meine Damen und Herren, die Umstellung im Zuge der Energiewende ist – ich hoffe, ich habe die Zahl richtig im Kopf – an dieser Steigerung nur mit 0,8 % beteiligt. Für den typischen Haushalt, der immer als Maßstab herangezogen wird – eine Familie mit zwei Kindern –, bedeutet das im Schnitt 9 Euro im Monat. Insoweit sollten wir nicht dramatisieren; denn zum Beispiel die Spritkosten, die bei der Fahrt zur Arbeit anfallen, und die Heizkosten schlagen viel stärker zu Buche. Trotzdem ist das Geld. Ich sage nicht, dass 9 Euro für einen normal verdienenden Haushalt kein Geld sind. Ich will da nicht missverstanden werden. Aber es ist doch eine andere Relation als in den anderen Bereichen der Energieversorgung.

Deswegen müssen wir durchaus darüber nachdenken – auch das ist vereinbart –, wie wir mit den wenig Verdienenden umgehen. Ich glaube, wir können den Weg, der zurzeit beschritten wird, nicht mehr durchhalten, nämlich dass man den Leuten den Strom abklemmt.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Die Stromversorgung ist in unserer Zeit unverzichtbar: von der Heizung im Eigenheim über die Wasserversorgung bis zur Versorgung der Kinder, zum Beispiel indem man ihnen ein Fläschchen warm macht. Ich glaube, deswegen müssen wir andere Wege finden. Ich kann mir durchaus vorstellen, über einen Sozialtarif zu reden. Auch der wird von anderen mitbezahlt werden müssen. Man sollte auch darüber nachdenken, ob man Anreizprogramme zur Anschaffung energiesparender Geräte auflegt. Aber ich denke, auch darüber sollte geredet werden, wobei wir wissen, dass es nicht so einfach ist. Wenn zwar ein neuer Kühlschrank angeschafft wird, der alte aber im Partykeller landet, wird der Stromverbrauch erhöht und nicht verringert. Das Leben ist, wie es ist, und nicht so, wie man es sich theoretisch ausdenkt. Da gibt es Prüfungsaufträge.

Deshalb plädiere ich sehr dafür – diese paar Punkte wollte ich ansprechen –, dass wir uns nicht dauernd gegenseitig unterstellen, wir hätten keine Ahnung.

(Zuruf des Abg. Mittrücker, CDU)

Herr Mittrücker, das sind die Zahlen der Planungen aller Länder, also auch unsere. Es ist doch nicht wahr, dass es keine Fakten und keine Zahlen gibt. Sie haben sie sicherlich selbst; sonst würde ich sie Ihnen zur Verfügung stellen.

Warum halten wir uns gegenseitig vor, wir hätten keine Ahnung? – Ich bin kein Experte; ich werde auch nie einer werden. Aber es ist nun mal ein elementares Thema – auch ein zentrales Anliegen dieser Landesregierung –, die sozial-ökologische Wende herbeizuführen. Ich glaube, dass wir uns alle in einem solchen Umfang

mit diesen Dingen befasst haben, dass wir in der Lage sind, auf Grundlage der Zahlen und Daten eine Bewertung vorzunehmen und politische Entscheidungen zu treffen. Eines will ich hinzufügen: Wenn wir warten, bis uns die Fachleute sagen, was wir machen sollen, müssen wir noch bis Weihnachten 2030 warten;

(Mittrücker, CDU: So ist es!)

denn es gibt enorm viele Interessen, und es existiert keine neutrale Positionierung in Bezug auf die Frage: Wer speist was ins Netz ein? – Natürlich haben alle ihre Interessen, und das ist auch legitim. Deshalb gibt es die Politik: Wir treffen am Ende die Entscheidungen.

Ich wollte nur noch einmal deutlich machen, dass wir sehr viel weiter sind, als in dieser Debatte angeklungen ist. Ich glaube, wir sind auf einem durchaus Erfolg versprechenden Weg.

Ich will ausdrücklich unterstreichen, Frau Kollegin Lemke hat einen großen Aufwand betrieben, um die Dinge zu koordinieren und zusammenzuführen. Dafür hat sie in hohem Maße Anerkennung verdient. Man könnte es sich leichter machen und sagen, lass es andere machen, oder man könnte mit dem Finger einfach auf den Bund zeigen und sagen, dass sie es machen sollen.

Ich bin nicht sicher, ob das gute Einvernehmen, das wir am letzten Freitag im Kanzleramt hatten, darauf zurückzuführen ist, dass Herr Rösler nicht dabei war.

(Baldauf, CDU: Was soll denn das jetzt?)

Was soll denn das? Das soll meine Erfahrungen widerspiegeln, dass man sich in unserem Beisein bei mehreren Begegnungen widersprochen hat. Diesmal hat der Staatssekretär aus dem Wirtschaftsministerium – ich hoffe mit Prokura – eine äußerst konstruktive Rolle an der Seite des Umweltministers gespielt.

(Zurufe von der CDU)

Das ist keine Erfindung. Das werden Ihnen alle, die am Tisch sitzen, bestätigen, dass ich nicht herumfabuliere.

Ich mache eine letzte Bemerkung. Wenn man irgendwo in Europa oder darüber hinaus unterwegs ist und mit Leuten spricht, dann sagen viele, dass wir uns etwas Großes vorgenommen haben, und fragen, ob das zu schaffen ist. Sie sagen auch, wenn es jemand hinbekommt, dann sind es die Deutschen. Ich glaube, dieser Herausforderung sollten wir uns stellen, und diesen Ehrgeiz sollten wir haben, der nicht durch unnötige politische Auseinandersetzungen an Stellen, wo sie nicht hingehören, erschwert werden soll.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Herr Ministerpräsident, vielen Dank.

Durch die Redezeit der Landesregierung stehen der Fraktion der CDU noch 22 Minuten, der Fraktion der SPD elf Minuten und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ebenfalls noch elf Minuten Redezeit zur Verfügung. Ich sage dazu, man kann die Redezeit in Anspruch nehmen, man muss es aber nicht.

Ich erteile Herrn Kollegen Baldauf das Wort.

(Ramsauer, SPD: Ihr blamiert euch doch nur! – Zuruf des Abg. Licht, CDU)

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, man muss eines festhalten, es ist lobenswert, dass Sie die Einheit auf Bundesebene dargestellt haben. Es ist lobenswert, dass Sie den einen oder anderen Aspekt gebracht haben, der das Feld in Bezug auf die Frage der grundlastfähigen Energieträger und anderer öffnet.

Ich darf Ihnen sagen, das war bisher im Land RheinlandPfalz so, wie Sie es dargestellt haben, nicht immer im Konsens. Ich kann mich daran erinnern, dass wir einen Energiegipfel eingefordert haben und Sie im Land Rheinland-Pfalz keinen gemacht haben.

(Beifall der CDU)

Es ist lobenswert, dass Sie den Energiegipfel, der jetzt von der Bundeskanzlerin initiiert wurde, loben, weil es wichtig und richtig ist, dass man an einem Strang zieht, um zu versuchen, dies zusammen umzusetzen.

Dazu kann ich Ihnen sagen, Ihre Ministerin war in diesem Bereich bisher auf dem Holzweg. Sie hat sich nach vorne gestellt und Ziele formuliert. Herr Albig ist vorhin von Herrn Kollegen Dr. Mittrücker angesprochen worden. Herr Albig hat das noch einmal selbst dargestellt. Sie ist mit Zielen vorgeprescht, die nicht erreichbar sind.

Da diese Ziele nicht zu erreichen sind, kann es nur im Sinne unserer Sache sein, dass Sie, Herr Ministerpräsident, im Anschluss an das, was Sie gesagt haben, dafür sorgen, dass ihre Ziele hinterfragt und neu definiert werden und die Prognosen der Ist-Zahlen eine Fortschreibung auf das Jahr 2030 erfahren. Das können wir von Ihnen verlangen.