Protokoll der Sitzung vom 15.06.2011

Frau Klöckner, das, was da passiert ist, ist eigentlich überhaupt nicht revolutionär. Ich bedauere, dass Sie jetzt die Zahlen nicht mitgeschrieben haben, sondern wieder abgelenkt waren im Gespräch, weil Ihnen das vielleicht einiges über Sicherheit hätte sagen können.

(Frau Klöckner, CDU: Sie waren ja zu Beginn der Regierungserklärung gar nicht im Saal!)

Sie reden doch so viel über Sicherheit. Frau Klöckner, Sie reden so viel davon, dass diese Landesregierung und Ihre Kanzlerin unbedingt die Versorgungssicherheit sicherstellen will und es deswegen natürlich auch auf die

Spannung im Netz ankommt, wir die Trassen bauen müssen, wir die Verteilnetze bauen müssen etc. Ich bin da ja bei Ihnen. Sicherheit wollen wir auch. Aber Sicherheit sieht für uns anders aus, als wir das gerade im Jahr 2010 gesehen haben und ich es Ihnen geschildert habe, dass da acht Kraftwerke am Netz sind, die keine Leistung bringen, weil sie abgeschaltet sind, weil sie nämlich nicht funktionieren.

Deswegen müssen wir natürlich weiter zusehen, dass das, was da noch läuft, auch sicherer gemacht wird; denn die Risiken, über die wir reden – das sind Terrorangriffe, Flugzeugabstürze, Erdbeben oder was auch immer –, bestehen vor Fukushima, die bestehen nach Fukushima, und die werden auch bis 2022 nicht plötzlich wegzuradieren sein. Die kann man auch nicht wegdiskutieren, liebe Frau Klöckner. Deswegen hat dann natürlich auch die Kanzlerin noch etwas vor. Wir haben aus diesem Grund ein großes Interesse daran, diesen Ausstieg auch wirklich einmal zu einem juristisch sicheren Ausstieg zu machen.

Da muss ich noch einmal darauf eingehen und ergänzen, was der Ministerpräsident eben gesagt hat und worum wir noch ringen, Frau Klöckner. Da können wir auch Ihre Unterstützung morgen im Bundesrat brauchen und auch von dieser Bundesregierung, auf die Sie noch deutlichen Einfluss haben, denke ich einmal, oder? – Sie hört nicht zu.

(Fuhr, SPD: Sie hört nie zu! – Pörksen, SPD: Sie ist nur unverschämt!)

Sie könnten aber diesen Einfluss geltend machen im Sinne der Bürgerinnen und Bürger, den Ausstieg sicherer zu machen, juristisch und faktisch; denn diese Prüfung der Frage, wie die Laufzeiten, auch wenn wir 32 Jahre Laufzeiten voraussetzen, Frau Klöckner, mit dieser Umverteilung der einzelnen Strommengen hinkommen und wann dann welches Kraftwerk abgeschaltet werden müsste, läuft. Die wird vorentschieden an diesem Freitag im Bundesrat auf einen Antrag hin aus Nordrhein-Westfalen, den wir gern unterstützen, wenn diese juristische Position haltbar ist. Danach sieht es im Moment aus. Dann haben wir eine ganze Menge Kraftwerke. Das gehört auch zu dem Aus- und Umstiegsplan, nach dem Sie fragen, wo der Umstieg dann ganz anders aussieht. Dann wird Grafenrheinfeld nicht 2015 abgeschaltet, sondern 2014 und Gundremmingen B nicht 2017, sondern 2016 oder Gundremmingen C nicht 2021, sondern 2017. So könnte ich die Liste fortsetzen. Das letzte Kraftwerk geht dann 2022 vom Netz. Das Ganze wäre dann aber wirklich sicher. Ich würde mich freuen, wenn Sie das unterstützen könnten.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Frau Klöckner, ich komme zu einer weiteren Forderung Ihres Antrags. Ich finde es schon eine ziemliche Ironie und auch eine Dreistigkeit, dass in Ihrem Antrag steht, dass wir die Vorschläge der Ethikkommission prüfen und aufnehmen sollen. Nun hat die Bundesregierung ausreichend Zeit gehabt, auch dies zu tun, und sie hätte noch einige Vorschläge aufnehmen können. Jetzt musste das Land Rheinland-Pfalz, wir, daherkommen und noch

einmal Anträge stellen. Das haben wir dann auch gemacht, indem wir Vorschläge der Ethikkommission aufgenommen haben, die dann im Bundesrat hoffentlich am Freitag passieren werden. Dazu gehört auch einer, der für die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes, für die Unternehmerinnen und Unternehmer in der Mitgestaltung absolut wichtig ist. Die Ethikkommission hat gesagt, es braucht ein nationales Forum.

(Abg. Frau Klöckner, CDU, unterhält sich mit Abg. Bracht, CDU)

Hallo, Frau Klöckner, Energiegipfel, nationales Forum! – Macht nichts.

(Pörksen, SPD: Hören Sie zu!)

Einer von den Tausend ist egal. Wir wollen das beantragen. Es wäre schön, sie hätte das jetzt gehört und wahrgenommen. Dann hätte sie gewusst, was Ihre Bundesregierung da tut.

(Frau Kohnle-Gros, CDU: Noch schneller, dann verstehen wir gar nichts mehr! – Frau Klöckner, CDU: Wir sind hier nicht in der Schule, Frau Lemke!)

Das mag schon sein, dass wir nicht in der Schule sind, aber Sie haben mir auch ein unmoralisches Angebot gemacht. Dann mag ich mich darauf auch gern einmal beziehen, weil ich das nicht annehmen will.

(Fuhr, SPD: Sie hört nicht zu! Absichtlich!)

Sie wollten aber wissen, wie unser Plan aussieht. Wenn Sie das wissen wollen, dann dürfen Sie gern zuhören. Sie sind herzlich eingeladen.

(Frau Klöckner, CDU: Machen Sie doch das Gleiche wie in Hessen!)

Dann gehen Sie doch nach Hessen, wenn es Ihnen da drüben so gut gefällt. Ich war da schon zehn Jahre. Da passen Sie hin.

(Starker Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf der Abg. Frau Klöckner, CDU)

Frau Klöckner, zum Programm: Sie forderten, diese Bundesregierung wollte anderthalb Milliarden Euro für ein Wohnbausanierungsprogramm.

(Frau Klöckner, CDU: Warum macht denn Tarek Al-Wazir mit da drüben?)

Die Hälfte davon sollten die Länder bezahlen, die sowieso kein Geld haben. Jetzt haben wir immer gesagt: Wer bestellt, der soll auch bezahlen. – An dieses Prinzip will sich jetzt offensichtlich diese Bundesregierung nicht halten. Wir haben gesagt: Das muss aufgestockt werden. Es darf uns nicht belasten, und es muss ankommen bei den Menschen hier vor Ort. – 5 Milliarden Euro wol

len wir haben. Auch das können Sie unterstützen am Freitag im Bundesrat.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Frau Klöckner, das ist auch eine Ironie, Sie haben hier eingangs über einen Nachtragshaushalt diskutieren wollen und sagen, diese Landesregierung geht nicht verantwortungsvoll mit Geld um.

Sie fordern aber 500 Millionen Euro, obwohl die Bundesregierung mit den 5 Milliarden Euro das machen könnte, was Sie wollen. Fassen Sie sich bitte an die eigene Nase.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf der Abg. Frau Klöckner, CDU)

Unser Plan ist ganz transparent. Er steht schon lange im Internet und ist vielfach veröffentlicht worden.

Frau Klöckner, ich meine, Sie müssen im Hinblick auf diesen Plan zunächst einmal verstehen, was es überhaupt bedeutet, einen Atomausstieg zu machen, ohne dabei den Klimaschutz aufs Spiel zu setzen und den Marktakteuren eine Chance zu geben, die nachher tatsächlich die Energiewende schaffen. Das sind die, die sie machen werden.

Wenn wir beim Atomausstieg darauf setzen, dass es eine zusätzliche Kapazität von zehn Megawatt Kraftwerksleistung geben soll – das ist so viel, wie jetzt an fossilen Kraftwerken, Gaskraftwerken, gebaut wird – und noch einmal dieselbe Leistung hinzugebaut werden soll, können Sie davon ausgehen, dass das später alles in den Export geht. Eben habe ich Ihnen die Mengen vorgetragen.

Wenn Sie sich die Zahlen gemerkt haben – 126, 140 und jetzt noch einmal zehn –, wissen Sie, dass diese Strommengen nicht benötigt werden, sondern in den Export gehen. Dann wäre das wissentlich der Beschluss, Strom aus Deutschland heraus zu exportieren, der aus fossilen Brennstoffen gewonnen wird. Das widerspricht dem gemeinsamen Beschluss der Bundesregierung. Das widerspricht der Absicht, beim Klimaschutz effizient vorzugehen. Dann treten wir alle Klimaziele in die Tonne, liebe Frau Klöckner. Das will diese Landesregierung nicht!

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Eigentlich haben Sie schon eine ganze Menge an Bausteinen von verschiedenen Rednerinnen und Rednern gehört, wie das Ganze passieren soll. Die Windkraftenergie soll verfünffacht werden. So schwierig ist das auch nicht, wenn man sich überlegt, dass das Repowering schon eine Verdreifachung der Leistung bringen kann, die wir derzeit über die Windkraftanlagen haben. Dann brauchen wir auch nicht mehr von Verspargelung zu reden, was Sie so gerne tun. Das ist das, was uns wehtut, weil wir über so viele Jahre hinweg

versucht haben, in den kommunalen Parlamenten zu überzeugen und zu erklären, dass die Umweltschutzverbände längst Pläne und gute Ansätze haben, wie man Windkraftanlagen so optimal aufstellen kann, dass der Vogelflug für die Anlage kein Problem ist und umgekehrt die Anlage nicht für den Vogelflug, sodass sie nicht in schöner Regelmäßigkeit zerhäckselt werden. Das wollen wir nämlich auch nicht. Diese Empfehlungen muss man aber lesen, verinnerlichen und tatsächlich umsetzen wollen.

Anhand Ihres Redebeitrags haben wir mitbekommen, dass Sie das nicht verinnerlicht haben. Deshalb mein Rat – ich komme nicht umhin, vielleicht ein bisschen schulmeisterlich herüberzukommen, Frau Klöckner –: Verinnerlichen Sie sich das als erstes. Dann werden Sie auch verstehen, weshalb mein Ansatz lautet, zu Herrn Kretschmann zu sagen, er habe möglicherweise den falschen Koalitionspartner ab 2013 ins Auge gefasst. Ich meine, dass bei diesem großen Thema die Verinnerlichung und die Frage, wie man das authentisch umsetzen kann, ganz wichtig ist. Davon abgesehen ist es viel zu früh, diesen Diskurs jetzt zu erörtern. Ich würde mir wünschen, Sie würden das nächste Mal mehr zur Sache und zum Thema sprechen, als unsittliche Angebote zu unterbreiten.

(Anhaltend Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, aufgrund der Redezeit der Landesregierung stehen allen Fraktionen weitere 14 Minuten Redezeit zu. Der CDU-Fraktion stehen noch sechs Minuten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zusätzlich zwei Minuten Redezeit zur Verfügung.

Ich erteile Herrn Abgeordneten Dr. Mittrücker das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen, meine Herren! Liebe Frau Ministerin, überzogene Aufgeregtheiten und Kabarett gehören weder ins Parlament,

(Unruhe bei SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

noch bringt uns diese Art und Weise einen Schritt weiter. Eines habe ich darüber hinaus noch gelernt: Es gibt nach Ihrer Definition 100.000 Energiegipfel. Ich bin auf den Energiegipfel Lemke/Klöckner sehr gespannt. Ich bin gespannt, was sich daraus noch ergibt.

(Pörksen, SPD: Bei Frau Klöckner nicht!)

Meine Damen und Herren, die Energiewende umzusetzen, zu realisieren, auf die Schiene zu setzen, ist mit Sicherheit eine Herausforderung der besonderen Art. Ich meine, dazu gibt es auch Konsens in diesem Haus.

Hierbei sind aber nicht die Mundwerke gefragt, sondern die, die mit solider Vorarbeit das angestrebte Ziel Energiewende durchzudeklenieren

(Ministerpräsident Beck: Das ist wohl wahr!)

imstande sind, Herr Ministerpräsident.

(Beifall der CDU – Ministerpräsident Beck. Da haben Sie aus- drücklich recht! – Pörksen, SPD: Vor allem die Vorarbeit war wichtig!)

Wenn sich die Vertreter der Landesregierung, der SPD und auch der GRÜNEN schon die Mühe machen, die Aufgabe Energiewende durchzudeklinieren, geben Sie bitte der Aufgabe Energiewende sowohl eine organisatorische als auch eine faktisch reale Struktur. Herr Hering, da hilft es nicht weiter, in operative Hektik zu verfallen.