Es ist aber doch in der Tat so, meine Damen und Herren, dass das Problem nicht die Arbeitspflicht ist. Heute schon ist es so, dass die Gefangenen arbeiten wollen. In aller Regel muss niemand verpflichtet werden, sondern es gibt wesentlich mehr Gefangene, die arbeiten wollen, als Arbeitsplätze bzw. Arbeitsmöglichkeiten in den Einrichtungen zur Verfügung stehen.
Ganz entscheidend ist auch, dass jemand, der negative Voraussetzungen mitbringt – beispielsweise Drogenabhängige –, zunächst einmal eine Therapie erhält, um seine Drogenabhängigkeit zu meistern. Es ist wichtig, dass jemand, der lange arbeitslos war und arbeitsent
wöhnt ist, zunächst einmal eine Arbeitstherapie erhält, um dann über ein Arbeitstraining wieder in Arbeit zu kommen.
Deshalb ist der Vorrang der Therapie vor der Arbeit absolut nachvollziehbar. Wir können uns über diesen Punkt noch einmal ausführlich unterhalten. Deshalb führen wir die Anhörung durch. Wir können uns darüber unterhalten, wie wir die Arbeit ausgestalten.
Ich will noch einmal festhalten: Uns liegt sehr daran festzustellen, dass wir Arbeit nach wie vor als eine Behandlungsmaßnahme sehen. Weiter liegt uns sehr daran zu sagen, dass wir den Aspekt der Therapie vor den Aspekt der Arbeit setzen, weil wir die Menschen überhaupt zunächst einmal in die Lage versetzen wollen, Arbeit in den Einrichtungen zu finden.
Ich unterstreiche noch einmal, dass wir es ebenfalls begrüßen, dass wir bei den zu lebenslanger Haft Verurteilten den Langzeitausgang erst nach zehn Jahren regeln. Das findet unsere Zustimmung. Damit befinden wir uns – so, wie ich es sehe – auch im Einklang mit den zehn Bundesländern unseres Geleitzuges. Rechtsempfinden und Sicherheitsgefühl der Bevölkerung spielen hier – das ist völlig klar – eine ganz große Rolle.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, hinzu kommt, dass wir bei diesem Gesetz erstmals einen relativ umfassenden Datenschutzteil regeln. Auch das ist ein Mehrwert für die Rechtsstaatlichkeit. Damit wird auch noch einmal unterstrichen, weshalb wir das Gesetz im Paket verabschieden und hier nicht irgendetwas auseinanderdividieren sollten. Es macht Sinn, das Gesetz insgesamt zu verabschieden.
Ich bedanke mich sehr herzlich bei Ihnen, Herr Staatsminister Hartloff, und ausdrücklich bei Herrn Meiborg. Weiter bedanke ich mich bei allen beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Ihres Hauses und bei allen Beteiligten. Es handelt sich um ein sehr ambitioniertes Gesetz, um ein sehr gutes Regelwerk, das wir gemeinsam mit anderen Bundesländern in Angriff nehmen konnten.
Rheinland-Pfalz steht für einen humanen, modernen und zielorientierten Strafvollzug. Der vorliegende Gesetzentwurf wird diesem Anspruch gerecht. Wir freuen uns auf die Anhörung und auf die weitere Debatte im Rechtsausschuss. Im zweiten Teil wird der Kollege Pörksen noch Ausführungen zum Thema „Datenschutz“ machen.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäste! Wenn wir heute in erster Lesung über den Entwurf für ein Landesgesetz zur Weiterentwicklung von
Justizvollzug, Sicherungsverwahrung und Datenschutz beraten, verbirgt sich hinter diesem sperrigen Titel nicht mehr und nicht weniger als eine komplett neue Grundlage für den gesamten Justizvollzug in Rheinland-Pfalz.
In meinen Ausführungen möchte ich zunächst auf das vorgeschlagene Justizvollzugsgesetz eingehen. Frau Abgeordnete Raue wird in einem zweiten Beitrag für die Fraktion zu den Bereichen Sicherungsverwahrung und Datenschutz sprechen.
Seit der Föderalismusreform – das wurde angesprochen – ist die Gesetzgebungskompetenz für den Justizvollzug vom Bund auf die Länder übergegangen. Dadurch hat sich den Ländern eine anspruchsvolle zusätzliche Gestaltungsmöglichkeit eröffnet. Ich denke, sie ist mit einer erheblichen Verantwortung verbunden. Kurt Beck hat schon in seiner Abschiedsrede darauf hingewiesen, dass es Bereiche gibt, in denen der Staat ganz intensiv in die Rechte von Menschen eingreift. Der Justizvollzug gehört sicherlich zu den Bereichen, bei denen das der Fall ist.
Die Übertragung der Gesetzgebungszuständigkeit – das wurde schon angesprochen – war keineswegs unumstritten. Es wurde vor einer Rechtszersplitterung bzw. vor einer Ablösung des Resozialisierungsvollzugs durch den Verwahrvollzug gewarnt. Vor diesem Hintergrund ist es durchaus gut, dass es den gemeinsamen Musterentwurf von zehn Bundesländern für Justizvollzugsgesetze gab.
Ich möchte auf den Vorwurf eingehen, es gebe jetzt einen großen Zeitdruck. Dieser Musterentwurf liegt schon seit Ende 2011 vor. Wir hatten hier bereits im Frühjahr 2012 zu einem Aspekt dieses Musterentwurfs auf Antrag der CDU eine Aussprache. Spätestens dann müsste Ihnen dieser Musterentwurf – Stichwort: „Suchmaschinen“; er war durchaus zu finden – eigentlich bekannt gewesen sein. Die Regelungen, die darin enthalten waren, sind im Wesentlichen die, die jetzt für den Erwachsenenvollzug vorgeschlagen werden.
Dazu kommt der Jugendstrafvollzug mit den bewährten Regelungen, die es bereits landesgesetzlich gibt. In Bezug auf den Vollzug der Untersuchungshaft werden die Spezifika – Stichwort: „Unschuldsvermutung“ – integriert. Es war, denke ich, eine große Arbeit, dies alles in einem Gesetzbuch zusammenzufassen. Dafür sprechen wir auf jeden Fall unsere Anerkennung aus.
Zu begrüßen ist vor allem, dass dieser Entwurf einen zeitgemäßen, humanen und noch konsequenter am Ziel der Resozialisierung ausgerichteten Vollzug ermöglichen soll. Für den einst befürchteten Unterbietungswettbewerb der Länder bei den Standards im Strafvollzug bietet dieser Gesetzentwurf jedenfalls keine Grundlage. Das Gegenteil ist der Fall, und das ist gut so.
Der vorliegende Entwurf fasst die Regelungen für den Erwachsenenvollzug, den Jugendvollzug und den Untersuchungshaftvollzug zusammen. Eine Stärke dieses Entwurfs ist die hohe Übereinstimmung des gesetzlichen Vollzugsziels mit den weiteren vorgeschlagenen Regelungen, um dieses Ziel zu erreichen.
Der vorgeschlagene Entwurf sieht als alleiniges Ziel des Vollzugs die Eingliederung der Gefangenen vor, indem es darum geht, die Gefangenen zu befähigen, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen. Dabei geht es immer auch um die Sicherheit in unserer Gesellschaft. Der Schutz der Bevölkerung und die Wiedereingliederung der Gefangenen sind kein Gegensatz. Vielmehr ist eine erfolgreiche Wiedereingliederung der bestmögliche Schutz, den der Vollzug vor weiteren Straftaten leisten kann. Dies ist so, weil die Gefangenen von heute die Entlassenen von morgen sind. Gerade deshalb ist dieser Entwurf eine gute Grundlage für uns als Landesgesetzgeber, um zu beraten.
Es ist richtig, die Wiedereingliederung nicht allein als Ziel in einen solchen Gesetzentwurf zu schreiben, sondern in verschiedenen Bestimmungen durchzubuchstabieren, wie der Vollzug dieses Ziel erreichen soll, und das leistet dieser Gesetzentwurf. Es fängt an bei Aufnahmeverfahren, in denen die Stärken, auch die Defizite der Gefangenen und die Potenziale, die für die Wiedereingliederung genutzt werden können, analysiert werden sollen.
Es geht weiter mit einer sorgfältigen Vollzugsplanung, bei der geschaut werden muss, welche Maßnahmen die richtigen sind, um die Gefangenen zu stärken, damit die Wiedereingliederung gelingt.
Es geht weiter bis hin zu den Maßnahmen, die den Übergang von der Haft in ein Leben in Freiheit begleiten – das Übergangsmanagement.
Vor diesem Hintergrund schlägt der Gesetzentwurf eine Vielfalt möglicher Maßnahmen vor, Arbeitstraining, Arbeitstherapien, schulische und berufliche Qualifizierung, besonders wichtig auch Deutschkurse, Alphabetisierungskurse, eine Vielfalt anderer Maßnahmen, die das Rüstzeug bieten können, dass die Gefangen von heute morgen ein Leben in Freiheit führen können.
Auch die erweiterten Möglichkeiten für Vollzugslockerungen können einen wichtigen Beitrag zur Eingliederung der Gefangenen leisten. Bei der Gewährung von Vollzugslockerungen kommt es nicht darauf an, starre Fristen zu setzen, mit welchem Strafmaß die Gefangenen ab wann welche Lockerungen bekommen können. Eigentlich ist es die Aufgabe zu definieren, was die Voraussetzungen sind, unter denen Vollzugslockerungen verantwortet werden können, und dass diese Voraussetzungen in der Praxis richtig angewendet werden. Ich denke, das ist der Ansatz, auf den es ankommen wird. Dafür bietet dieser Gesetzentwurf mit den neuen Maßstäben für Vollzugslockerungen eine gute Grundlage.
Ein wichtiger Baustein für die Wiedereingliederung der Gefangenen ist die Gestaltung der Übergänge. Es wurde schon erwähnt. Dafür sieht der Entwurf vor, dass die Anstalten Netzwerke mit Einrichtungen außerhalb des Vollzugs errichten, um diese Übergänge zu gestalten. Es
Die konsequente Ausrichtung auf die Wiedereingliederung, ist sicherlich ein besserer Ansatz, als wir ihn gegenwärtig im noch geltenden Vollzugsgesetz des Bundes haben. Das Strafvollzugsgesetz des Bundes von 1976 setzt bei der Resozialisierung vorrangig auf Arbeit und meint damit eine gesetzliche Arbeitspflicht. Zweifellos hat eine berufliche Eingliederung dann bessere Chancen, wenn die Gefangenen Erwerbsarbeit positiv erfahren. Dieses Ergebnis ist allerdings mit Zwang nicht zu erreichen.
Deshalb ist es der richtige Weg in diesem Gesetzentwurf, dass differenziertere Maßnahmen als eine Arbeitspflicht vorgeschlagen werden, es eine Vielfalt von Möglichkeiten gibt und die Vollzugs- und Eingliederungsplanung diese Arbeitspflicht ablöst. Die Pläne können auch Arbeit vorsehen, aber eben nur als eine Maßnahme unter anderen und nicht als alleinige Maßnahme.
Ein Blick auf die derzeitige Lage macht deutlich, dass in der Praxis nicht die Arbeitsbereitschaft der Gefangenen das ist, woran es mangelt, sondern die Arbeitsmöglichkeiten sind der limitierende Faktor. Ich denke, wir sollten weiter daran arbeiten, die Arbeitsmöglichkeiten und Angebote zu verbessern und nicht auf Zwang setzen; denn das Ziel ist ein Leben in Freiheit. Da gibt es auch keinen Zwang, sondern dafür müssen die eigenverantwortlichen Kompetenzen gestärkt worden sein.
Neben dem Ziel der Wiedereingliederung möchte ich noch den Angleichungsgrundsatz hervorheben. Dieser Grundsatz findet sich in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, in den europäischen Strafvollzugsgrundsätzen, im bestehenden Vollzugsgesetz und in dem vorliegenden Gesetzentwurf. Dieser Grundsatz besagt, dass das Leben im Vollzug so weit wie möglich den positiven Aspekten des Lebens in Freiheit angeglichen werden soll.
In diesem Zusammenhang sollten wir uns auch mit der Frage auseinandersetzen, ob die Pflicht, Anstaltskleidung zu tragen, noch zeitgemäß ist. Wir sollten darüber ins Gespräch kommen, ob wir wirklich ein Verbot für den Empfang von Paketen mit Nahrungs- und Genussmitteln brauchen. Da sind Fragen, die wir bei der Anhörung thematisieren sollten, die wir diskutieren sollten und bei denen es sicherlich noch Beratungsbedarf gibt.
Unser besonderes Augenmerk sollte darauf gerichtet werden, wie wir die Aufrechterhaltung sozialer Beziehungen stärken können; denn soziale Beziehungen können ein Faktor sein, der den Übergang erleichtert. Vor diesem Hintergrund ist die Erhöhung der Mindestbesuchsdauer, die in diesem Gesetzentwurf vorgeschlagen ist, sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung.
Im Zusammenhang mit der Pflege der Außenkontakte sollten wir uns die Situation von Kindern von Strafgefangenen anschauen. Ich denke, das ist ein wichtiger Aspekt. Kinder als unschuldig mitbestrafte Dritte ist ein
Stichwort, das in der letzten Zeit häufig diskutiert wurde. Da sollten wir uns als Gesetzgeber noch einmal ansehen, wie die Regelungen gestaltet werden können.
Der vorliegende Entwurf ist eine gute Grundlage für die anstehenden Beratungen, die wir – davon bin ich überzeugt – zügig angehen, gründlich durchführen und zu einem guten Ergebnis bringen werden.
Das übergeordnete Ziel ist, die Gefangenen im Vollzug bestmöglich auf das Leben in Freiheit vorzubereiten.
Die Grundlinien des vorliegenden Entwurfs stimmen, und in den Einzelheiten werden wir sicherlich intensiv darüber reden können.
Wir brauchen gute gesetzliche Grundlagen, um möglichst viele Gefangene möglichst schnell und vor allem langfristig integriert in ein selbstbestimmtes Leben wiedereingliedern zu können. Wir brauchen Gefangene, an deren Vollzugsende kein „Auf Wiedersehen“ steht, sondern Gefangene, denen wir sagen können „Lebt wohl“ und die es dann auch tun.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Ich möchte einige wenige Sätze zu dem Datenschutzbereich sagen, der unter der wunderbar kurz gefassten Überschrift „Landesjustizvollzugsdatenschutzgesetz“ steht. Es ist ein kurz gefasster Begriff. Aber er beinhaltet genau das, über was ich jetzt gerne reden möchte.
Im Justizvollzug wird nicht nur durch die Freiheitsentziehung in Grundrechte eingegriffen, wie Sie alle wissen, sondern es geht auch darum zu prüfen, wie weit die notwendige Verarbeitung personenbezogener Daten in das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen eingreift; denn natürlich hat auch der Strafgefangene das Recht auf eine informationelle Selbstbestimmung, das als Grundrecht für alle Bürgerinnen und Bürger in unserem Land gilt.
Regelungen für diesen Datenschutz sind bisher in den Justizvollzugsgesetzen nur sehr unzureichend, teilweise überhaupt nicht getroffen worden, sodass jetzt durch Artikel 3 dieses Gesetzes ein Vorschlag gemacht wird, der in Form und Inhalt seinesgleichen sucht.
Es gibt bisher nur ein einziges Land, in dem der Datenschutz geregelt ist, und das ist das Land Berlin. Aber auch das ist nicht vergleichbar mit dem, was wir heute vorlegen.
Der Entwurf ist angelehnt an unser Landesdatenschutzgesetz, das bundesweit durchaus als ausgezeichnet betrachtet werden kann. Dies gilt auch für den neuen Gesetzentwurf, der auf der einen Seite einheitliche Datenschutzregelungen gewährleistet, die Wahrung des Rechts der Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung, auf der anderen Seite gleichzeitig die Erfüllung der Strafvollzugsaufgaben ermöglicht. Das ist sicherlich immer ein sehr schwieriger Bereich; denn wir haben schon Diskussionen gehabt, da hieß es, Datenschutz sei Täterschutz. Nach meiner Meinung ist es ein völlig falscher Begriff.