Ich glaube, man kann früher hinschauen, um beurteilen zu können und beurteilt zu bekommen, ob eine Maßnahme noch in dieser Eingriffsgüte notwendig ist.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich würde mich sehr freuen, wenn wir es, was durchaus geübte Praxis war, im POG gemeinsam soweit als möglich hinbekämen, der Polizei und den Ordnungsbehörden Vorgaben zu machen, damit es an der Stelle im politischen Sinne eine Klarheit über alle Parteigrenzen hinweg gibt.
Es wird vorgeschlagen, den Gesetzentwurf – Drucksache 16/2506 – an den Innenausschuss – federführend – sowie an den Rechtsausschuss zu überweisen. Gibt es dagegen Bedenken? – Keine. Dann ist es so beschlossen.
Der Westwall – Friedensmahnmal, Lebensraum für seltene Tiere und Pflanzen und Kulturdenkmal Antrag der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 16/2517 –
dazu: Der Westwall – Friedensmahnmal, Lebensraum für seltene Tiere und Pflanzen und Kulturdenkmal Antrag (Alternativantrag) der Fraktion der CDU – Drucksache 16/2547 –
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Januar 2013 hat das Land Rheinland-Pfalz mit dem Bund eine Vereinbarung zur Übertragung des Eigentums der Westwallanlagen auf das Land abgeschlossen. Damit ist ein langgehegter Wunsch des damaligen Ministerpräsidenten Kurt Beck, für den er lange gearbeitet hatte, in Erfüllung gegangen. Das Land Rheinland-Pfalz ist jetzt Eigentümer der Westwallanlagen und damit für ihre weitere „Geschichte“ zuständig und auch für die Sicherheit, dass keine Anlagen mehr rückgebaut werden.
Jetzt kommt es darauf an, in einem Zusammenwirken aller Interessierten und Engagierten ein zukunftsfähiges Konzept zu entwickeln, wie die Anlagen gesichert und
Die Überreste der Westwallanlagen sind ein Denkmal, ein schwieriges Denkmal. Dessen Erhalt zu rechtfertigen und die Erinnerung an diesen „bösen“ Ort angemessen zu begründen, ist keine leichte Aufgabe.
Ich habe zurzeit zwei Schülerpraktikantinnen. Laura und Caro und diese Generation insgesamt müssen den Wert akzeptieren, den die Reste der Anlagen als Biotop für Pflanzen und Tiere und als Erinnerungs- und Mahnungsort an eine menschenverachtende Geschichte haben!
Erinnerungskultur hat eine gute Tradition, wenn es um die Opfer und ihre Orte geht. An Täter und ihre Orte zu erinnern, ist schwieriger.
Das Westwallprojekt war von Beginn an eine Propaganda- und Mythisierungsaktion der Nazis. Keinesfalls gibt es einen Grund, stolz zu sein auf eine gigantomanische militärische Anlage, die vor allem verführte junge Menschen und Zwangsarbeiter – die Gestapo errichtete zum Beispiel „Arbeitserziehungslager“ entlang der Westwallbaustelle – errichtet haben. Jedem Versuch der nationalistischen und militärischen, auch nur der technisch verklärenden, Vereinnahmung müssen wir ganz entschieden entgegentreten.
Die Menschen der betroffenen Regionen haben unter dem Wahnsinn gelitten. Wir waren vor Kurzem zu einem „Nachdenk-Sparziergang“ auf dem Westwall-Wanderweg bei Steinfeld. Unser ehemaliger Ministerpräsident hat sehr eindrücklich erzählt, was der Westwall in der Bauzeit und sogar noch nach der Nazizeit an Leid über die Menschen gebracht hat. Ich könnte jetzt einiges sagen zur Geschichte Steinfelds, es wird noch Gelegenheit dazu geben.
Dass Kurt Beck, 1949 geboren, zu dieser Geschichte eine besondere Beziehung hat, liegt auf der Hand. Die große Resonanz auf unsere Einladung hat aber auch gezeigt, wie sehr viele Menschen am Westwall und der kritischen Aufarbeitung seiner Geschichte interessiert sind.
Es gibt gute Vorarbeiten für eine sinnvolle künftige Nutzung. Der Westwall-Wanderweg ist ein positives Beispiel dafür. Der Westwall ist ein gesamt rheinland-pfälzisches Projekt. Ich weiß, dass es im federführenden Umweltministerium sensible Menschen gibt, die zusammen mit der Landeszentrale für politische Bildung, mit der Denkmalpflege und ehrenamtlich Engagierten aus der historischpolitischen Erinnerungsarbeit und von den Umweltorganisationen ein Konzept erarbeiten sollen. Dafür gibt es wertvolle Vorarbeiten bei Umweltorganisationen – da ist vor allem das Projekt „Grüner Wall im Westen“ des BUND zu nennen –, bei der Landeszentrale für politische Bildung, bei Denkmalbehörden und vielen Organisationen und Initiativen der Zivilgesellschaft.
Zur Zukunftsorientierung gehören aber auch vielfältige und unkonventionelle Ideen, auch aus dem Bereich der zeitgenössischen Kunst zum Beispiel. Ich persönlich habe vor allem aus dem „Heimat“-Film von Edgar Reitz
Ich danke allen, die sich bisher schon engagiert und für den Erhalt und die künftige Nutzung des Westwalls eingesetzt haben. Kurt Beck noch einmal persönlich zu nennen, ist mehr als eine Verbeugung vor dem ehemaligen Ministerpräsidenten. Er steht für eine kontinuierliche Bemühung um den Erhalt der Anlagen und eine angemessene Aufarbeitung ihrer Geschichte.
1983 hat er als junger Abgeordneter einen Antrag gestellt und gefragt, warum immer wieder Anlagen entfernt würden – das war damals üblich –, obwohl sich eine neue Fauna und Flora hier entwickelt hat.
Mit ihm zusammen und der zu gründenden Stiftung werden wir die Zukunft des Westwalls gestalten. Es ist eine gemeinsame Aufgabe für viele Engagierte aus unterschiedlichen Sparten, die mit anderen Bundesländern an der Westgrenze und unseren europäischen Nachbarn kooperieren müssen. Wir hier sollten den Prozess wohlwollend begleiten und unterstützen. Unser Antrag ist ein Schritt in die richtige Richtung, ohne Festlegungen zu treffen, die einer gründlichen Diskussion vorgreifen.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Viele Punkte – ich denke an die geschichtlichen Aspekte, die der Kollege Geis vorhin angeführt hat – können wir voll und ganz teilen, aber es ist nicht alles so einfach, wie es die Koalition in ihrem Antrag darstellt.
Der Bund war ganz froh, dass er dieses Problem der Westwallbunker loswerden konnte, glaube ich. Das Land wollte dieses Problem haben, wenn die Mitgift stimmt.
Das Problem dabei ist, dass wir in vielen Bereichen gar nicht wissen, was genau wir uns eingehandelt haben. Wir wissen es nicht, da es kaum Karten und Pläne gibt. Wir sehen wie beim Eisberg nur die Spitze, das, was über der Erde ist. Das, was unter der Erde ist, kennen wir nicht.
Ein Beispiel: Beim Bau der A 8 bei Zweibrücken – das ist rund 30 Jahre her, aber mir immer noch im Gedächtnis – ist ein Bagger rund sechs Meter in die Tiefe in ein unterirdisches Mannschaftsquartier der Westwallanlagen eingebrochen. Das war auf keiner Karte verzeichnet, niemand wusste das.
Jawohl, wir haben Biotope erworben, und die Umweltverbände freuen sich zu Recht. Aber wir haben auch Altlasten erworben: gesprengte und instabile Bunker oder auch Stollen, wie einen auf der Gemarkung Lemberg. Ich weiß noch, das war seinerzeit mit dem BUND ein großes Streitthema. Das war ein Stollen, der mit Filterasche aus einem Kraftwerk verfüllt wurde.
Über der Erde sehen wir nur die Büsche und Vogelnester, unter der Erde verrotten die Eisenarmierungen, die Millionen Kubikmeter Beton zusammenhalten, und niemand weiß, wie lange. – Natürlich wollen wir die Biotope sichern, und natürlich ist der Westwall auch ein Zeugnis deutscher und europäischer Geschichte, das erhalten und dokumentiert werden sollte und muss und das, wo es möglich ist, auch für Schulklassen und Besucher erschlossen werden sollte.
In Bad Bergzabern und in Pirmasens-Niedersimten gibt es bereits zwei Westwall-Museen. – Warum nicht auch in anderen Landesteilen entsprechende Erschließungen vornehmen? – Wenn wir also die Anlagen dauerhaft erhalten wollen, müssen wir die uns vom Bund zur Verfügung gestellten Mittel auch im Bestand dauerhaft erhalten und mit dem Zinsertrag auskommen. Das ist der erste und zentrale Punkt unseres Alternativantrages.
Ein zweiter Punkt, bei dem wir Akzente setzen wollen, lautet: Nicht jeder gesprengte und übererdete Betonklotz im Acker ist ein Biotop. Wir brauchen zunächst einmal eine Bestandsanalyse, was Biotop, was Mahnmal und was weder das eine noch das andere ist.
Als dritten Punkt unseres Antrags wollen wir betonen, dass wir einen möglichst nur marginalen Teil der Erträge für bürokratischen Aufwand einsetzen wollen. Wir wollen die Gelder nicht in irgendeinen großen Topf einbringen und verschwinden lassen, wir wollen aber auch keine neue teure Bürokratie schaffen. Unsere Vorstellung – Herr Geis, darin sind wir uns sehr nahe – ist eine zweckgebundene und ehrenamtlich geführte Stiftung – das betonen wir ausdrücklich –, die auf dem Engagement und dem Know-how der Kommunen, der Vereine, der Verbände und vieler engagierter Privatleute aufbaut.
Ein vierter und letzter Punkt aus unserem Antrag, den ich anführen wollte und der gerade den Menschen im Westwallgebiet ganz besonders am Herzen liegt, ist der grenzüberschreitende Aspekt, der in Ihrem Antrag noch nicht enthalten ist. Auch auf französischer und ein Stück weit auch auf belgischer Seite gibt es solche Festungswerke. Die Franzosen haben mit ihrer Ligne Maginot bereits viel früher mit der Dokumentation und Erschließung begonnen, so zum Beispiel das Museum Simserhof. Wir sollten nicht nur deren Erfahrungen nutzen, sondern unser Anliegen ist vor allem, dass wir zusammen mit den Franzosen ein grenzüberschreitendes Konzept erarbeiten, um die ehemaligen feindlichen Festungslinien zu einer gemeinsamen Gedenk- und Erinnerungsarbeit zu verbinden.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Westwall, auch als grüner Wall im Westen bekannt – dieser Begriff ist auch schon von meinem Kollegen gefallen –, ist nicht nur ein Friedensmahnmal, sondern inzwischen auch ein Lebensraum für viele seltene Tier- und Pflanzenarten geworden. Auf der einen Seite erinnern die Ruinen an die NSSchreckensherrschaft und den von ihr ausgelösten Zweiten Weltkrieg. Entlang des Westwalls sind Bunkeranlagen, Stollen, Panzersperren und Panzergräben auf einer Länge von etwa 630 Kilometern – natürlich zu Propagandazwecken dieser Schreckensherrschaft – entstanden. Aus dieser Sicht heraus bilden natürlich gerade diese Überreste ein sehr bedeutendes historisches Zeitzeugnis, weshalb dieses Mahnmal aus unserer Sicht auch unbedingt erhalten bleiben sollte.
Leider galten die Anlagen lange Zeit in den Augen vieler Behörden, aber auch vieler Kommunen nur als potenzielle Gefahrenquellen und wurden im Rahmen von Verkehrssicherungsmaßnahmen zum Großteil beseitigt. Allein 1.200 Bunkeranlagen mussten für Flurbereinigungen, den Straßenbau oder auch für Neubaugebiete weichen. Bis zum Jahr 1979 waren fast 6.000 Bunkeranlagen beseitigt worden. Die Kosten beliefen sich damals immerhin auf fast 40 Millionen DM. Die Bunker wurden zertrümmert und mit Erde zugeschüttet.
In Rheinland-Pfalz wurde der Abriss dann 2004 durch einen Erlass des Umweltministeriums gestoppt. Seit 2008 ist der Westwall als Kulturdenkmal nach dem rheinland-pfälzischen Denkmalschutzgesetz eingestuft.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir müssen es als Selbstverpflichtung begreifen, die Reste dieses Bauwerkes dauerhaft zu sichern, als Erinnerung und Mahnung vor den schrecklichen Folgen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft.