Wie wir bereits im Ausschuss angesprochen haben, ist es unser Anliegen, einen Austausch mit den betroffenen Kinderärzten, Interessenverbänden und weiteren Fachleuten zu suchen und auszuloten, ob und wie wir durch gezielte politische Steuerung, gesellschaftliche Rahmenbedingungen und Maßnahmen einer weiteren Zunahme von ADHS-Erkrankungen entgegenwirken können.
Wir beantragen aus diesem Grund die Überweisung des vorliegenden Antrags an den zuständigen Fachausschuss für Integration, Kinder, Familie und Jugend. Dort werden wir eine Anhörung beantragen. Wir würden uns freuen, wenn Sie als weitere Fraktionen dieses Hauses der Erforschung neuer Erkenntnisse und politischer Handlungsmöglichkeiten zu ADHS-Erkrankungen unterstützen und einer Anhörung positiv gegenüberstehen.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema ADHS ist in diesem Haus nicht neu, aber es ist immer wieder wichtig.
Gut. – Immer wieder werden Abgeordnete bei Besuchen in Kitas oder Schulen auf dieses Thema angesprochen. Häufig wird einem vor Augen geführt, wie schwierig es anscheinend ist, Kinder mit ADHS in den Gruppen oder Klassen zu haben. Wer kennt nicht die Geschichten vom Zappelphilipp oder vom Hans Guck-in-die-Luft?
Die SPD-Fraktion hat bereits 2002 eine Anhörung in diesem Haus durchgeführt. So groß und so stark war das Interesse, dass wir nicht in unseren Fraktionsräumen bleiben konnten, sondern auf den Plenarsaal ausweichen mussten. Mit betroffenen Eltern, Lehrkräften, Vertretern von Selbsthilfegruppen, Erzieherinnen, Psychologen und Kinderärzten waren Menschen mit hoher fachlicher Qualifikation in diesem Raum versammelt.
Auch damals wurde heftig darüber diskutiert, ob die Verabreichung von Medikamenten ein Allheilmittel ist. Ritalin war schon damals das Medikament, auf das viele geschworen haben, und sie schwören wohl noch heute darauf, obwohl es mittlerweile auch andere Medikamente gibt. Auch damals wurde heftig kritisiert, dass Medikamente manchmal sehr leichtfertig verschrieben werden, ohne dass vorher ausreichend diagnostiziert wurde und ohne dass alternative Behandlungen ausprobiert wurden.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU, Sie beziehen sich auf den Barmer GEK Arztreport 2013. Ich denke, dass sich in der Zeit kaum etwas verändert hat. Die Zahlen, die auf eine Zunahme verweisen, hängen sicherlich auch damit zusammen, dass ADHS heute als Krankheit anerkannt ist und mehr diagnostiziert wird. Aber darüber lässt sich sicherlich reden.
Dem allerdings, dass es eine steigende Zahl von Verordnungen gibt, widerspricht der Vorsitzende des Verbands der Kinder- und Jugendärzte sehr heftig. Jedenfalls treffe dies auf seine Berufsgruppe nicht zu. Sie würden sich streng an die Leitlinien halten, die es seit einigen Jahren gibt. Er macht für die festgestellten steigenden Verordnungszahlen bei älteren Kindern und Jugendlichen überwiegend andere Arztgruppen verantwortlich. Wie auch immer, Medikamente sind kein Allheilmittel, und sie verfehlen ihre Wirkung ohne begleitende Maßnahmen.
Ich möchte Ihnen über eine praktische Erfahrung aus meiner Kindertagesstätte in Hanhofen berichten, für die ich seit 20 Jahren Verantwortung trage. Schauen wir uns einmal ganz bewusst an, wie Kindertagesstätten und Grundschulen heute ausgestattet sind. Es gibt Rückzugsmöglichkeiten, Hängematten, Bällchenbäder und Höhlen. Wir haben einen Raum, in dem es kein Spielmaterial gibt, aber eine Holzburg, in der die Kinder sich verstecken und andere Aktivitäten entwickeln, aber auch Reize ausleben können. Unser Erzieherinnenteam hat sich sehr früh mit dem Thema ADHS beschäftigt, sich
den Herausforderungen gestellt und sich immer weiter fachlich qualifiziert. Es gibt mittlerweile einen Runden Tisch „Kinderärzte“ aus der Region, an dem auch Erzieherinnen und Erzieher aus der Region teilnehmen. In die Erziehungspartnerschaft mit Eltern wurden diese einbezogen, und es wurden auch Hilfestellungen angeboten.
Wir haben beispielsweise an einer Studie teilgenommen, die die Auswirkungen der Ernährung von Kindern auf Auffälligkeiten untersuchte. So wurde zum Beispiel bei den Gewürzen total auf Zucker und auf Fertigprodukte verzichtet. Fertigprodukte beim Essen gibt es bei uns sowieso nicht. Es wird jeden Tag frisch gekocht: regional, saisonal – so, wie es sich gehört. – Wir haben mit Unterstützung des Sportbundes und der AOK Rheinland-Pfalz unsere Bewegungs- und Sportprogramme ausgebaut und sind zertifiziert, auch als Ernährungskindertagesstätte.
Wir haben für die Eltern Kontakte zu den Vereinen gesucht und ausgebaut, damit die Kinder auch in ihrer Freizeit öfter und länger Sport in den Vereinen betreiben können. Wir haben Kontakte zu einem Verein, der therapeutisches Reiten anbietet, hergestellt. Das ist ein Verein, der sich in der Gemeinde niedergelassen hat. Wir stellen fest, es tut den Kindern sehr gut, Verantwortung für ein Tier zu haben. In der kooperativen Zusammenarbeit mit der Grundschule werden diese Kontakte zu den Vereinen für die Kinder und ihre Familien weiter gepflegt.
Wir haben gelernt, dass all das nur erfolgreich ist, wenn die Familien und das soziale Umfeld – das haben Sie auch angesprochen – vertrauensvoll einbezogen werden.
Jetzt ist die Zeit so schnell herum. Das ist sehr schade. Aber ich möchte trotzdem noch darauf hinweisen, dass es mittlerweile einige Projekte gibt. Sowohl die LZG als auch das Ministerium haben einiges präventiv auf den Weg gebracht. Wir sind sehr damit einverstanden, dass wir in den Ausschüssen, und zwar im Sozialpolitischen Ausschuss, im Bildungsausschuss und im Innenausschuss über das Thema diskutieren und beraten, ob wir eine Anhörung benötigen, weil es mittlerweile viele Anhörungen gibt.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrten Damen und Herren! In der Tat hören wir in der letzten Zeit immer öfter über Psychopharmaka und auch verstärkt über psychische Erkrankungen in der Gesellschaft. Ich möchte aber zu äußerster Vorsicht mahnen, dass man aus diesen Zahlen jetzt hier spezifisch auf das Bundesland Rheinland-Pfalz irgendwelche Schlussfolgerungen ziehen kann.
Denn erstens ist dies die Studie einer einzigen Krankenkasse, zweitens – das ist das, was aus der Studie herausgekommen ist – liegen einige Bundesländer dicht beieinander, also auch gefolgt von Bayern, und drittens ist dieses Thema ein sehr komplexes Thema, das verschiedene Komponenten beinhaltet, nämlich Veranlagung, die Psyche und das Soziale. Deshalb kann man aus dieser Komplexität keine Schlussfolgerungen auf solche Aussagen machen, dass das Land RheinlandPfalz in irgendeinem Politikfeld etwas falsch machen würde.
Fakt ist aber, dass sich unser Arbeitsleben, das Tempo des Alltags, die familiäre Situation und die Strukturen in den letzten Jahren stark gewandelt haben, oft zum Nachteil unserer Kinder. Dies bleibt nicht ohne Auswirkungen auf die physische und psychische Verfassung unserer Kinder. Hinzu kommt – das ist auch Tatsache und ganz wichtig –, dass die Medizin zunehmend ökonomisiert wird. Es findet oft eine Biologisierung und Medikalisierung des sozialen Problems mit gravierenden Folgen für das Wachsen und die Entwicklung der Kinder statt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, deshalb ist es auch erlaubt zu fragen. Es geht um unsere Kinder und um Menschen. Die Ökonomie darf keine Mauer zwischen Kindern und Therapeuten errichten. In den letzten beiden Jahren wurde über den Anstieg von ADHSDiagnosen sehr kritisch in der Öffentlichkeit diskutiert. Durch die Zulassungsänderung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte 2009 und 2010 und die geänderte Arzneimittelrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses wurde die Verschreibung von Ritalin spürbar eingedämmt.
Es zeigt sich, dass die öffentliche Thematisierung parallel zu allen anderen Maßnahmen Wirkung zeigt. Ohne dass ich dieses Problem herunter- oder kleinreden wollte, ist aber auch Tatsache, dass wir sehr differenziert hier vorgehen. Bereits im Juni 2013 stellten wir zu dem Thema eine Kleine Anfrage. Zur gleichen Zeit fand in Mainz unter der Schirmherrschaft von Herrn Staatsminister Schweitzer eine Veranstaltung über das Thema „Wie zukunftssicher ist die Arzneimitteltherapie für Kinder auch bei ADHS“ mit Experten aus der Universitätsmedizin statt.
Die Landesregierung war und ist mit ihren Maßnahmen vorbildlich auf diesem Gebiet aktiv und setzt auf Nachhaltigkeit, nämlich Investitionen in die Bildung und Chancengleichheit bereits auf der Stufe der Kindertagesstätten mit frühkindlicher Bildung und Förderung,
was beste Prävention bedeutet. Für alle Lehrämter in Rheinland-Pfalz ist das Thema ADHS Bestandteil der Ausbildung. Des Weiteren erfolgt eine Förderung durch Sozialberatung und schulpsycholgische Beratung.
Ebenfalls auch über die Landeszentrale für Gesundheitsförderung, die LZG, wird Suchtprävention und Sportbewegung aus unserer Sicht gefördert. Was wir brauchen, ist ein umfassendes Präventionsgesetz, das seinen Namen verdient und in allen Lebensbereichen frühzeitig auf Prävention und Gesundheit durch aktive eigene Mitwirkung setzt und auch alle anderen Akteure an einen Tisch bringt, weil das eine gesamtsozialgesellschaftliche Aufgabe ist.
Wir möchten das Thema deshalb auch interdisziplinär in den jeweiligen Bereichen, nämlich Sozialpolitischer Ausschuss, Bildungsausschuss und Ausschuss für Integration, Familie, Kinder und Jugend bearbeiten und daraus die notwendigen Schritte in Gang setzen. Deshalb bitten wir, das Thema an die Ausschüsse zu verweisen.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Tat ist das Thema ADHS insbesondere für diejenigen, die es unmittelbar betrifft, aber auch für die Angehörigen und die Lehrkräfte, Erzieherinnen und Erzieher sicherlich ein ernsthaftes Problem, über das wir reden müssen und über das diskutiert werden muss.
Ich bin aber den beiden Kollegen Ebli und Schmitt ausgesprochen dankbar dafür, dass noch einmal deutlich geworden ist, dass das Thema für die Landesregierung nicht erst seit diesem Antrag oder nicht erst seit Kurzem eine Rolle spielt, sondern dass wir uns diesem Thema schon sehr lange und auch sehr ausführlich gewidmet haben. Ich denke, mit Blick auf die Uhr und mit Blick auf das, was sozusagen vonseiten der Fraktionen gesagt wurde – ich sehe zustimmendes Nicken, ruhig auch Applaus, Herr Kollege Winter –, dass
wenn es angedeutet wird, kann man wirklich auch einmal klatschen – ich hier an dieser Stelle jetzt keine allzu langen Ausführungen machen möchte. Ich will trotzdem zwei bis drei Punkte neben dem erwähnen, was Herr Kollege Dr. Dr. Schmidt auch schon erwähnt hat. Was den CDU-Antrag betrifft, glaube ich, wir müssen uns sehr genau überlegen, ob wir über neue Studien einen erhöhten Erkenntnisgewinn an dieser Stelle generieren können. Wenn man sich umschaut und in der
Fachliteratur unterwegs ist und sich anschaut, was bereits an Material an dieser Stelle vorliegt, glaube ich, wir müssen uns in Rheinland-Pfalz nicht auf den Weg machen, uns mit diesem Thema spezifisch für unser Bundesland noch einmal auseinanderzusetzen, sondern können auf das, was in vielfältiger Weise vorliegt und was in fundierter Weise vorliegt, zurückgreifen.
Herr Abgeordneter Dr. Dr. Schmidt hat auch das Symposium am 4. Juni im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Gesundheitspolitischer Impuls Rheinland-Pfalz“ angesprochen. Da haben wir uns genau mit dieser Frage auseinandergesetzt, wie zukunftssicher die Arzneimitteltherapie für Kinder ist. Genau das Thema ADHS stand dort auch entsprechend im Zentrum. Die Kolleginnen und Kollegen des Landtags waren alle eingeladen. Die Kolleginnen und Kollegen des Fachausschusses sind noch einmal explizit zusätzlich eingeladen worden. Herr Dr. Dr. Schmidt, Sie waren der einzige, der da war.
Es kann immer Termingründe geben, dass man an solchen Veranstaltungen nicht teilnimmt, aber insofern ist das, was seitens der CDU-Fraktion hier vorgeschlagen, auch etwas, was bereits im vergangenen Jahr auf den Weg gebracht worden ist. Ich kann von dieser Veranstaltung insofern gut berichten, als ich den Minister seinerzeit bei der Veranstaltung vertreten durfte.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich glaube, dass wir, was die Kinder- und Jugendpsychotherapeuten im Land und insofern die Therapiemöglichkeiten anbelangt, uns auch auf Initiative von Rheinland-Pfalz in den letzten Jahren spürbar verbessert haben. 16 zusätzliche Plätze sind 2009 geschaffen worden, und auch 2013, also im vergangenen Jahr, sind im Rahmen der Bedarfsrichtlinie weitere Nachbesserungsmöglichkeiten gegeben worden.
Die LZG mit ihren Projekten ist angesprochen worden. Das Zusammenspiel der Kräfte ist von Kolleginnen und Kollegen angesprochen worden. Es geht natürlich auch um das Elternhaus. Es geht auch um den Bildungsbereich, und es geht dann auch um den Gesundheitsbereich. Ich glaube, dass sich die Kolleginnen und Kollegen des Bildungsministeriums, was die Fortbildung und Ausbildung von Lehrkräften anbelangt, dieses Themas bereits sehr intensiv angenommen haben.