Protokoll der Sitzung vom 25.06.2014

Jetzt sagen Sie, die Inklusion führt aber dazu – wir bringen es einmal auf den Punkt –, dass die Kommunen jetzt 40 Millionen Euro statt 20 Millionen Euro ausgeben müssen. Auch das hat die Ministerin bereits gesagt. Es handelt sich bei den Integrationshilfen um Eingliederungshilfen nach dem SGB VIII und SGB XII. Das sagen wir nicht zum ersten Mal. An sich sollte die Systematik mittlerweile bekannt sein.

Das Achte Buch Sozialgesetzbuch regelt die Kinder- und Jugendhilfe, das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch die Sozialhilfe. Wenn ein individueller Rechtsanspruch auf eine solche Unterstützung besteht, dann ist sie vom

Lernort, Aufenthaltsort und Wohnort unabhängig. Es besteht ein individueller Anspruch. Den kann diese betroffene Person in jeden öffentlichen Raum mitnehmen und hat dort den Anspruch auf diese Leistung.

Wer das nicht versteht, der hat den Unterschied zwischen inklusivem Unterricht auf der einen Seite als Aufgabe der Schule und der Eingliederungshilfe als Aufgabe vom Jugend- oder Sozialamt nicht verstanden. Ihm ist entweder nicht zu helfen, oder er versucht, die Unwahrheit politisch zu missbrauchen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wir haben uns über Verfristungen von Gesetzen und darüber unterhalten, wie lange alles dauert. Darf ich Sie einmal an das Teilhabegesetz erinnern? Seit Jahren gibt es den ASMK-Beschluss. Es gab eine Arbeitsgruppe dazu. Die Eckpunkte liegen längst fest. Jetzt hat die Große Koalition, nachdem sie die FDP losgeworden ist, die bei dem Thema komplett auf der Bremse gestanden hat, gesagt, wir machen ein Teilhabegesetz. Wir machen aber erst einmal ein Teilhabegesetz light.

Wir sagen eine Milliarde Euro, damit sich die Kommunen nicht so sehr aufregen. Dann machen wir die große Reform. Diese schieben wir aber weit hinaus. Warum schieben wir diese so weit hinaus? Das liegt am Finanzministerium, und zwar am Bundesfinanzministerium und nicht an unserem Finanzministerium. Wenn Sie im Bildungsministerium schon angerufen haben, dann haben Sie auch die richtige Nummer. Rufen Sie einmal im Finanzministerium in Berlin an, und fragen Sie dort, wann wir die 5 Milliarden Euro für die Kommunen bekommen. Dann können Sie hier behaupten, wir wären schuld.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Jetzt spreche ich noch den Punkt an, dass die Schulen wegen des inklusiven Unterrichts barrierefrei gebaut werden müssen. Das stimmt nicht. Spätestens seit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention im Jahr 2009 hat sich unser Land verpflichtet, in zumutbarer Weise für einen barrierefreien öffentlichen Raum zu sorgen. Das betrifft die Rathäuser, die öffentlichen Plätze und die Schulen, weil sie nicht nur von Kindern und Jugendlichen, sondern auch von Lehrerinnen und Lehrern genutzt werden. Sie werden von Eltern besucht. Die Schulen führen kulturelle Veranstaltungen durch. Sie stellen zum Beispiel ihre Räume für VHS-Kurse oder Ähnliches und auch für den Unterricht zur Verfügung.

Nicht die Inklusion im Unterricht ist die Ursache dafür, dass wir barrierefreie Schulen brauchen, sondern wir haben uns vereinbart, und zwar alle im absoluten Konsens auf der Bundesebene, dass wir den öffentlichen Raum und damit auch die Schulen barrierefrei gestalten. Dementsprechend müssen auch die Schulbaurichtlinien angepasst werden und nicht infolge unserer Entscheidung über die Wahlfreiheit der Eltern über den Besuch der Schwerpunktschule und der Förderschule.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Diese Vorgaben sind genauso einzuhalten wie die Vorgaben beim Brandschutz und der Standsicherheit. Ich empfehle Ihnen einmal, mit einem Statiker Kontakt aufzunehmen und über die neuen EU-Vorgaben zu reden. Sie werden blind darüber, worin Sie jetzt wohnen und wie das Haus heute gebaut werden müsste, wenn es neu beantragt würde. All diese Dinge entwickeln sich weiter, weil wir unsere Gebäude und den öffentlichen Raum weiterentwickeln. Dazu stehen wir alle. Das nennt sich Standards. Natürlich wird immer wieder infrage gestellt, ob wir all diese Standards auf diesem Niveau brauchen. Dann frage ich einmal: Welchen Grund soll es geben, ausgerechnet die Barrierefreiheit auszunehmen und damit die Grundrechte von behinderten Menschen einzuschränken?

Die Gesellschaft entwickelt sich weiter. Zu dieser Weiterentwicklung gehören bauliche Standards. Dazu gehört auch, dass wir uns ein inklusives Gemeinwesen als Ziel vorgenommen haben. Dazu stehen wir. Wir laden Sie ein, mit uns dazu zu stehen.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Abg. Frau Dickes, CDU, meldet sich zu Wort)

Wir kommen zum zweiten Thema der

AKTUELLEN STUNDE „Besondere Verantwortung von Rheinland-Pfalz für Europa“ auf Antrag der Fraktion der SPD – Drucksache 16/3674 –

Frau Dickes, Sie haben keine Redezeit mehr.

(Zuruf der Abg. Frau Dickes, CDU)

Nein, Sie haben Ihre 7 Minuten voll ausgeschöpft. Ich habe das extra aufgeschrieben. Das habe ich im Übrigen jetzt festgestellt. Damit ist das erledigt.

(Zuruf des Abg. Baldauf, CDU)

Herr Jurist, schauen Sie in die Geschäftsordnung. Dann kommen Sie vielleicht selbst drauf, oder lassen Sie sich beraten.

(Baldauf, CDU: Jawohl, Herr Sultan!)

Wir wissen, dass der eine oder andere mit Zahlen seine Schwierigkeiten hat.

Das Wort hat Herr Kollege Hering von der SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir uns die Frage stellen, welche Region in Europa von dem Einigungsprozess in den letzten Jahr

zehnten am meisten profitiert hat, dann werden wir die Antwort geben können und dürfen, dass Rheinland-Pfalz an der Spitze der Regionen liegt, die von der europäischen Einigung profitiert haben. Das Gebiet von Rheinland-Pfalz war über Jahrhunderte hinweg Schauplatz von kriegerischen Ereignissen.

Rheinland-Pfalz war bei seiner Gründung ein strukturschwaches Bundesland, weil die Regionen, die Rheinland-Pfalz gebildet haben, Grenzregionen waren und deswegen eine schlechtere wirtschaftliche Entwicklung hatten als viele andere Regionen.

Die Tatsache, dass wir heute ein erfolgreicher Wirtschaftsstandort sind, Spitzenplätze in Deutschland und Europa haben, haben wir ganz entscheidend der europäischen Einigung zu verdanken.

Meine Damen und Herren, interessant und erfreulich ist auch – den Rheinland-Pfälzern ist das offenbar be- wusst –, wir sind das Bundesland mit der höchsten Wahlbeteiligung bei der Europawahl. Auch andere Länder hatten Kommunalwahlen gehabt. Es zeichnet die rheinland-pfälzischen Bürgerinnen und Bürger aus, dieses Bewusstsein für Europa zu haben, meine Damen und Herren.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Klar ist, die meisten, die sich in ganz Europa an den Wahlen beteiligt haben, haben europafreundliche, demokratische Parteien gewählt, aber eben nicht alle. Erschreckend ist der hohe Anteil in Frankreich mit dem Front National, in Holland, aber auch in England und ganz besonders in Ungarn. In Rheinland-Pfalz war das mit der AfD – da dürften wir uns alle einig sein – eine Partei, die europafeindlich ist und sich nicht von rechtsradikalen Positionen abgrenzt. Sie hat bei den Kommunalwahlen leider 6,6 % erhalten. Da sie nicht überall angetreten ist, sind es deswegen 3%.

Die besondere Verantwortung, die wir für Europa haben, muss bedeuten, dass wir eine klare Position haben, und die heißt, es gibt keinerlei Zusammenarbeit von Rheinland-Pfalz mit dieser europafeindlichen und in Teilen rechtsradikalen Partei, egal in welcher politischen Gebietskörperschaft.

(Beifall der SPD und bei dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Frau Brede-Hoffmann, SPD: Da drüben wird nicht geklatscht!)

Ja, das könnten Sie ruhig tun; denn ich will erfreulicherweise betonen, dass die Bundeskanzlerin in ihrer Funktion als Parteivorsitzende der CDU klar erklärt hat, es gibt keine Zusammenarbeit mit der AfD. Sie hat sich erfreulich klar positioniert.

(Frau Elsner, SPD: Hoffentlich bleibt sie dabei!)

Aber leider ist das nicht die unangefochtene Meinung in der gesamten Union in Deutschland; denn wenn wir den Vorsitzenden der CDU-Fraktion in Sachsen hören, dann

heißt es, die CDU soll die AfD nicht dämonisieren, sondern deren Wähler ernst nehmen.

Christean Wagner, bis vor Kurzem CDU-Fraktionsvorsitzender in Hessen, hat geäußert: Ich halte es für einen taktischen Fehler, jetzt schon eine Zusammenarbeit mit der AfD für unmöglich zu erklären. –

Aus den neuen Bundesländern werden, je näher der Wahltag kommt, desto wahrscheinlicher eine theoretische Mehrheit mit der AfD ist, die Aussagen umso relativer, die dort getroffen werden.

Ich will klar betonen – damit kein falscher Eindruck entsteht –, Frau Klöckner, die aus nachvollziehbaren Gründen wegen dem Bauerntag heute nicht anwesend ist, hat sich und auch Sie, Herr Bracht, inhaltlich von der AfD distanziert, in der einen oder anderen Presseerklärung auch vor der Wahl.

(Baldauf, CDU: Die ganze Fraktion! Das ist ein Fraktionsbeschluss, Herr Kollege!)

Ich will Ihnen nichts unterstellen, was jetzt in der Klarheit fehlt. Vielleicht haben wir es nicht wahrgenommen. Sie können es in dieser Klarheit hier deutlich machen.

Die klare Aussage wäre in wenigen Sätzen, es wird in Rheinland-Pfalz, egal auf welcher politischen Ebene, keine Zusammenarbeit mit der AfD heute und in Zukunft geben. Das wäre an Klarheit erfreulich, und es wäre schön, unseren Partnern in Dijon vermitteln zu können,

(Glocke des Präsidenten)

dass das die Position des gesamten rheinlandpfälzischen Landtags ist.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Weiner, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Union ist der Sieger bei der Europawahl. Sie bildet mit ihren Schwesterparteien in der EVP erneut die stärkste Fraktion im Europäischen Parlament.

(Beifall bei der CDU)